243/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 25.04.2025
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Parlamentarische Materialien

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Meri Disoski, Agnes-Sirkka Prammer, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Reform Waffengesetz

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Österreichs Waffengesetz zählt zu den liberalsten in Europa. Österreich ist gleichzeitig eines der wenigen Länder, in dem jedes Jahr weitaus mehr Frauen als Männer ermordet werden. Auffällig ist dabei der hohe Anteil von Ermordungen durch Schusswaffen: Jeder vierte Täter erschießt sein Opfer[1]. Ein ausschlaggebender Faktor, der im Rahmen des Gewaltschutzes gesetzlich viel zu nachlässig berücksichtigt wird, ist somit der Zugang zu Waffen insbesondere für Personen, deren psychische Gesundheit ein Risikofaktor sein könnte.

 

2021 gab die türkis-grüne Bundesregierung eine Studie in Auftrag, die Frauenmorde in Österreich erstmals qualitativ untersuchte. Sie hat gezeigt, dass der Einsatz von Schusswaffen in etwa 62 % der Fälle zum Tod der Frau führte – „der Einsatz einer Schusswaffe die Wahrscheinlichkeit, dass die Tat tödlich endet, [also] enorm“ erhöht[2]. Noch dazu stieg die Zahl der mit legalen Schusswaffen verübten (versuchten) Morde in den letzten Jahren drastisch an: 2010-2016 war nur rund jede vierte verwendete Schusswaffe legal, 2017-2020 lag ihr Anteil hingegen bereits bei 46,6 Prozent.[3]

 

Im Zusammenspiel mit dem grundsätzlichen Kaufanstieg von Schusswaffen in Österreich – auf rund 1,5 Mio. registrierungspflichte Waffen, einem Anstieg um fast 70 % in zehn Jahren – und einer der weltweit höchsten Schusswaffendichten ist dies eine verhängnisvolle Entwicklung[4], die politische Reformanstrengungen erfordert.

 

Eine weitere alarmierende Tatsache: Fast jeder zweite Gewalttäter gegen Frauen hat eine psychische Erkrankung (46,9%).[5] Es gibt dadurch einen akuten Nachbesserungsbedarf bei der waffenrechtlichen Verlässlichkeitsprüfung: Die einmalige psychologische Prüfung bei Ausstellung der Waffenbesitzkarte ist im Sinne einer wirksamen Gewaltprävention schlicht nicht ausreichend – die psychische Fitness von Waffenbesitzer:innen muss dagegen alle fünf Jahre (zusammen mit dem Waffenführerschein) wiederholt kontrolliert werden, um mögliche Risikofaktoren frühzeitig erkennen zu können. Das psychologische Gutachten gilt es zudem dringend auf Waffen der Kategorie C auszuweiten. Darüber hinaus ist die Ausnahme von der Verlässlichkeitsprüfung zum Erwerb von Kategorie B Waffen für Besitzer:innen von Jagdkarten nicht gerechtfertigt, da das Jagdrecht in den Bundesländern zwar (zumeist) die psychische Gesundheit ihrer Jäger:innen verlangt, diese aber nicht standardmäßig unter Beiziehung von Sachverständigen und damit unzureichend überprüft.

 

Auch die sichere Verwahrung von Waffen in Wohnräumen muss künftig strengeren Vorgaben unterliegen, ist diese gesetzlich nach wie vor nur ungenügend, beispielsweise ohne offizielle Vorschreibung bestimmter Widerstandsklassen für Aufbewahrungsbehältnisse, definiert[6].

 

Verbesserungsbedarf gibt es zudem beim Annäherungs- und Betretungsverbot (AV/BV) nach § 38a SPG: Die 2021 eingeführte automatische vorübergehende Abnahme von Schusswaffen bei polizeilicher Verhängung eines AV/BV war ein wichtiger Schritt, um eine bestehende Lücke im Gewaltschutz, insbesondere bei häuslicher Gewalt, zu schließen. Im Jahr 2024 wurden knapp 14.600 Verbote ausgesprochen[7]. Doch wie viele Schusswaffen dabei abgenommen wurden, kann das Bundesinnenministerium (BMI) nicht beantworten[8], obwohl nach der Waffengesetz-Durchführungsverordnung diese Informationen festgehalten werden müssen. Es bleibt also offen, ob bereits bekannten Gefährdern wieder Zugang zu ihrer Schusswaffe gewährt wird. Dabei muss klar sein: Wer einmal Gewalt ausgeübt hat, darf keinen Zugang mehr zu Waffen haben. Nicht nur die psychologische Verlässlichkeitsprüfung sowie Waffenverbote nach Erlass von § 38a SPG müssen demnach sehr viel treffsicherer werden, auch die Datenerhebung durch das BMI zur Überprüfung der Wirksamkeit vorhandener Schutzmaßnahmen im Waffenbereich muss detaillierter ausgeführt werden.

 

Zuletzt muss auch das Problem des illegalen Waffenbesitzes in Angriff genommen werden. Wie viele davon es in Österreich gibt, ist nicht auch nur ansatzweise einschätzbar. Doch auch hier gibt es wieder wichtige Zahlen aus Gewaltstudien, denn in etwas mehr als der Hälfte der Straftaten, in denen Schusswaffen zum Einsatz kamen, waren diese nicht registriert. Viele Länder haben deshalb Amnestieprogramme auf den Weg gebracht – werden illegale Waffen freiwillig aufgegeben, kommt es zu keiner Anzeige. In Serbien konnten 2023 etwa 100.000 illegale Waffen eingesammelt werden[9], Neuseeland sammelte in sechs Monaten 56.000 Waffen ein[10]. Beide Länder reagierten dabei auf Terroranschläge in ihren Ländern. In Großbritannien fand 2025 eine gezielte Aktion statt, bei der nur für einen einzigen Waffentypus eine Amnestie ausgesprochen wurde, innerhalb von 25 Tagen wurden fast 3.000 Waffen abgegeben.[11]

 

Der leichte Zugang zu Schusswaffen macht Angriffe – insbesondere gegen Frauen und gerade im sozialen Nahraum – um ein Vielfaches tödlicher. Die gesetzlichen Vorkehrungen des legalen Waffenbesitzes sind mitnichten zielsicher genug, um (versuchte) Morde zu verhindern, der illegale Bereich ist so stark ausgeprägt, das neue Lösungen notwendig sind. Es besteht somit ein berechtigter Reformbedarf, um Gefährder tatsächlich am Zugang zu Schusswaffen zu hindern, den es mittels folgender Maßnahmen umzusetzen gilt:

 

Reformkatalog:

 

1.    Verschärfung der waffenrechtlichen Verlässlichkeitsprüfung

(1)  Regelmäßige Überprüfung der psychischen Verlässlichkeit durch Gutachten (mindestens alle 5 Jahre)

(2)  Überprüfung des Testverfahrens in Zusammenarbeit mit klinischen Psycholog:innen/Gutachter:innen

(3)  Kostenerhöhung zur Qualitätssicherung

(4)  Keine Ausnahmen von der Verlässlichkeitsprüfung für Jäger:innen beim Erwerb von Waffen der Kategorie B

(5)  Überprüfung der psychologischen Verlässlichkeit auch bei Waffen der Kategorie C

 

2.    Überprüfung des Privatwaffenverkaufs: Gesetzliche Verpflichtung beim Überlassen und Verkauf von Waffen, die Berechtigung zum Waffenbesitz behördlich prüfen zu lassen (entsprechend § 34 WaffG Deutschlands) und Abkühlphasen einzuhalten.

 

3.    Dauerhaftes Waffenverbot für Gefährder nach Verhängung eines Annäherungs- und Betretungsverbots nach § 38a SPG

 

4.    Präzise Gesetzesvorgaben für die sichere Waffenverwahrung (entsprechend Richtlinie TRVE 10-4 des VSÖ und KFV)

 

5.    Anonyme Rückgabemöglichkeiten für illegale Waffen

 

6.    Detaillierte Datenerhebung durch das Bundesministerium für Inneres: Erhebung relevanter Daten zur Überprüfung der gesetzlichen Wirksamkeit im Waffenbereich, inklusive Häufigkeit des Nichtbestehens der waffenrechtlichen Verlässlichkeitsprüfung und Anzahl aufgehobener Waffenverbote nach verhängten AV/BV

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung in Zusammenarbeit mit dem Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehest baldig eine Reform des Waffengesetzes (WaffG) zuzuleiten, die untenstehenden Reformkatalog umfasst. Zusätzlich müssen im Sinne der umfassenden Stärkung des Gewaltschutzes darüber hinaus identifizierte Gesetzeslücken geschlossen werden.

 

Reformkatalog:

 

1.    Verschärfung der waffenrechtlichen Verlässlichkeitsprüfung

(1)  Regelmäßige Überprüfung der psychischen Verlässlichkeit durch Gutachten (mindestens alle 5 Jahre)

(2)  Überprüfung des Testverfahrens in Zusammenarbeit mit klinischen Psycholog:innen/Gutachter:innen

(3)  Kostenerhöhung zur Qualitätssicherung

(4)  Keine Ausnahmen von der Verlässlichkeitsprüfung für Jäger:innen beim Erwerb von Waffen der Kategorie B

(5)  Überprüfung der psychologischen Verlässlichkeit auch bei Waffen der Kategorie C

 

2.    Überprüfung des Privatwaffenverkaufs: Gesetzliche Verpflichtung beim Überlassen und Verkauf von Waffen, die Berechtigung zum Waffenbesitz behördlich prüfen zu lassen (entsprechend § 34 WaffG Deutschlands) und Abkühlphasen einzuhalten.

 

3.    Dauerhaftes Waffenverbot für Gefährder nach Verhängung eines Annäherungs- und Betretungsverbots nach § 38a SPG

 

 

4.    Präzise Gesetzesvorgaben für die sichere Waffenverwahrung (entsprechend Richtlinie TRVE 10-4 des VSÖ und KFV)

 

5.    Anonyme Rückgabemöglichkeiten für illegale Waffen

 

6.    Detaillierte Datenerhebung durch das Bundesministerium für Inneres: Erhebung relevanter Daten zur Überprüfung der gesetzlichen Wirksamkeit im Waffenbereich, inklusive Häufigkeit des Nichtbestehens der waffenrechtlichen Verlässlichkeitsprüfung und Anzahl aufgehobener Waffenverbote nach verhängten AV/BV

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für innere Angelegenheiten vorgeschlagen.

 

 

 



[1] Haller, Eberhardt, Temel: Untersuchung Frauenmorde – eine quantitative und qualitative Analyse (2023), S. 99.

[2] Ebenda, S. 11.

[3] Ebenda, S. 12.

[4] https://kurier.at/chronik/oesterreich/schusswaffen-anstieg-waffenkaeufe-liberale-gesetze-exporte/403027190

[5] Haller, Eberhardt, Temel: Untersuchung Frauenmorde – eine quantitative und qualitative Analyse (2023), S. 82.

[6] https://www.kfv.at/waffen-verwahrung/

[7] Vgl. Schriftliche Anfragebeantwortung (199/AB) vom 10.2.2025.

[8] Vgl. ebenda.

[9] https://www.tagesschau.de/ausland/serbien-waffen-100.html

[10] https://www.bbc.com/news/world-asia-50878862

[11] https://news.npcc.police.uk/releases/nearly-3-000-top-venting-blank-firers-handed-during-national-gun-amnesty#:~:text=The%20amnesty%20which%20took%20place,up%20to%2010%20years%20imprisonment.