260/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 13.05.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Parlamentarische Materialien

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Elisabeth Götze, Ralph Schallmeiner, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Barrierefreiheit in der Gewerbeordnung

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

 

Erhebungen der Statistik Austria zufolge leben in Österreich rund 1,9 Millionen Menschen im Alter von 15 bis 89 Jahren mit Einschränkungen bei Aktivitäten im Alltag. Eine Behinderung bedeutet nach wie vor, dass diese Personen mit vielen Herausforderungen und Hindernissen konfrontiert sind. Um ihnen eine gleichberechtigte, selbstbestimmte und uneingeschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, wurde die UN-Behindertenrechtskonvention auch von Österreich 2008 ratifiziert.[1]

 

Barrierefreiheit ist dabei ein wichtiger Baustein. Barrierefreiheit bedeutet, dass „bauliche oder sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung sowie andere gestaltete Lebensbereiche für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernisse und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“[2] Ein Aspekt davon ist die bauliche Barrierefreiheit, also der Zugang zu und die Gestaltung von Bauwerken. Das ist nicht nur für die betroffenen Menschen, sondern auch für Unternehmer:innen und deren Mitarbeiter:innen ein wichtiges Thema.

 

Immer wieder gab es in Österreich Bestrebungen, Rechtsmaterien zur Herbeiführung einer barrierefreien Gestaltung von Gebäuden zu schaffen. Ende der 1940er Jahre gab es zum Beispiel Versuche, Normen im Bautechnikrecht, die als Teil des öffentlichen Baurechts nach Art 15 Abs 1 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung Bundesländersache sind, im Rahmen einer Bundesländervereinbarung nach Art 15a B-VG zu harmonisieren. Die Vereinbarung nach Art 15a B-VG, die die Verbindlicherklärung der OIB-Richtlinien vorsah, konnte nie in Kraft treten, da die Landtage von Salzburg und Niederösterreich die erforderliche Zustimmung nicht erteilten.[3]

 

Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie sind nach Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache. Der Bundesgesetzgeber kann daher Regelungen zur Barrierefreiheit für die Genehmigung von Betriebsanlagen in der Gewerbeordnung verankern. Bis dato fehlen in der Gewerbeordnung Regelungen dazu. Eine Konsequenz davon ist, dass auch nicht barrierefreie Betriebsanlagen eine behördliche Genehmigung erhalten, obwohl möglicherweise der bzw. die Gewerbetreibende zum Zeitpunkt des Genehmigungsansuchens gegen das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz verstößt. Aus diesem Grund sind die relevanten gewerberechtlichen Vorschriften entsprechend zu ändern.

 

Für Betriebsanlagen, die neu errichtet werden, sollen die ÖNORM B 1600 und die DIN EN 17210 verpflichtend heranzuziehen sein. Die ÖNORM B 1600 beschreibt vor allem Planungsgrundsätze für Neu-, Zu- und Umbauten, um barrierefreie Bauten und Anlagen zu errichten. Die DIN EN 17210 normiert die grundlegenden Mindestanforderungen und Empfehlungen für eine nach den Grundsätzen „Design für alle“ barrierefrei gebaute Umwelt. Diese funktionalen Anforderungen und Empfehlungen für die Barrierefreiheit sind für die Planung, den Neubau, die Sanierung oder den Umbau sowie für die Wartung der gebauten Umwelt relevant.

 

Durch die verpflichtende Anwendbarkeit der ÖNORM B 1600 und der DIN EN 17210 in der Gewerbeordnung im Rahmen des Betriebsanlagenrechts wird erreicht, dass diese künftig für alle Betriebsanlagen, die neu errichtet werden, anwendbar sind. Damit wird sichergestellt, dass diese bereits im Planungsstadium die Barrierefreiheit verpflichtend beachten und Genehmigungswerber:innen frühzeitig die entsprechenden Vorschriften implementieren. Das schafft insbesondere für Unternehmer:innen Rechtssicherheit, dass die bewilligten Anlagen allen Vorschriften entsprechen.

 

Diese Änderungen stellen einen ersten wichtigen Schritt für neu zu errichtende Betriebsanlagen dar. In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, inwieweit auch Zu-/ Umbauten und in letzter Konsequenz auch bestehende Betriebsanlagen von den Regelungen erfasst werden können. Auf diesem Weg wird schließlich das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) auch umgesetzt.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Der Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der das gewerberechtliche Betriebsanlagenrecht (insbesondere ab §§ 74 ff GewO) geändert wird. Um dabei Rechtssicherheit für Menschen mit Behinderungen und Gewerbetreibende gleichermaßen zu schaffen, sollen bei neu zu errichtenden Betriebsanlagen die ÖNORM B 1600 und DIN EN 17210 verpflichtend anzuwenden sein. Für Änderungen - also insbesondere Zu-/Umbauten - sowie bei bestehenden Betriebsanlagen sind entsprechende gesetzliche Grundlagen zu schaffen, mit denen sichergestellt werden kann, dass die ÖNORM B 1600 und DIN EN 17210 für diese Anlagen ebenfalls anzuwenden sind. Entsprechende Übergangsfristen können in Anlehnung an das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz vorgesehen werden, um Rechtssicherheit und Planungssicherheit zu schaffen.“

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie vorgeschlagen.



[1] https://www.statistik.at/fileadmin/user_upload/Menschen-mit-Behinderungen-in-Oesterreich-Teil-I.pdf

[2] Vgl. § 6 Abs 5 BGStG, BGBl I 82/2005 idF BGBl I 32/2018.

[3] Vgl. Buchner, Die Barrierefreiheit von Bauwerken in den Bauordnungen der Bundesländer, bbl 2022/1, 1 ff.