264/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 13.05.2025
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Parlamentarische Materialien

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Olga Voglauer, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Nein zu Mercosur!

 

BEGRÜNDUNG

 

Das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay (kurz: Mercosur-Abkommen) wurde seit über 20 Jahren verhandelt. Am 6. Dezember 2024 verkündete Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine politische Einigung mit den Mercosur-Staaten.

 

In Österreich war die überwiegende Mehrheit seit langem gegen das Abkommen, was sich auch in einer bindenden Stellungnahme des EU-Unterausschusses des Nationalrats von 18.09.2019 spiegelte:[1] Der Ausschuss forderte die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung auf, auf europäischer Ebene alle Maßnahmen zu ergreifen, um einen Abschluss des Mercosur-Abkommens zu verhindern. Diese Stellungnahme bindet die österreichische Bundesregierung über die Legislaturperioden hinweg.

 

Bisher hielt sich Österreich auch daran. Nun hat sich allerdings am 5.4.2025 Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer klar für das Abkommen ausgesprochen.[2] In Folge meinte Bundeskanzler Christian Stocker, die Bedingungen hätten sich verändert und man werde eine Lösung finden.[3] Landwirtschafts- und Umweltminister Totschnig beschränkt sich neuerdings auf die Feststellung, den Freihandel zu befürworten wenn er „fair und gerecht“ sei – während er Anfang 2023 noch zahlreiche Gegenargumente fand, inklusive der Feststellung, dass das Mercosur-Abkommen nicht mit den Klima- und Nachhaltigkeitszielen der EU vereinbar wäre.[4] Und während sich SPÖ-Vizekanzler Babler erst nach zwei Tagen der Diskussion ablehnend gegen das Abkommen äußerte[5], begrüßte die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner im Dezember 2024 den Abschluss der Verhandlungen[6].

 

Das alles deutet darauf hin, dass die aktuelle Bundesregierung – inklusive des Bauernbunds und der SPÖ, beide bisher klare Gegner des Abkommens - drauf und dran ist, das österreichische Nein zum Mercosur-Abkommen über Bord zu werfen. Das Nein aus 2019 wurde jedoch nicht grundlos ausgesprochen, und weiterhin sind die grundlegenden Probleme nicht gelöst und spricht daher viel gegen das Mercosur Abkommen – insbesondere aus landwirtschaftlicher Perspektive.

 

Insgesamt werden 91% bzw. 95% der Zölle je Handelsrichtung durch das Abkommen aufgehoben. Bei den landwirtschaftlichen Produkten die in die EU importiert werden, werden 83% zollfrei gestellt.[7] Dadurch werden unsere Bäuerinnen und Bauern mit unfairer Konkurrenz konfrontiert, denn: Die Umwelt- und Sozialvorschriften für die landwirtschaftliche Produktion in den Mercosur-Staaten sind nicht vergleichbar mit den europäischen. Haltungsstandards für Nutztiere sind schlechter als bei uns oder überhaupt unreguliert. Zahlreiche Pestizide, die in Europa aus Umwelt- oder Gesundheitsgründen verboten sind, sind in Südamerika noch erlaubt und werden verwendet. Dadurch können Lebensmittel in den Mercosur Staaten viel billiger produziert werden, die durch das Abkommen potentiell unsere Märkte mit Dumping-Preisen zerstören – und gleichzeitig eine Menge Umweltschäden für die Zukunft hinterlassen.

 

Negativ betroffen werden laut Wirtschaftsforschenden insbesondere die Bereiche Rindfleisch und Zucker sein. Auch wenn „nur“ mit 2% Preisverfall auf die Erzeuger:innenpreise bei Rindfleisch, auf den gesamten Schlachtkörper, gerechnet wird: Die Preise für Edelteile, von denen schlussendlich das Einkommen abhängt, sinken durch die Importe voraussichtlich stärker. Und das in einer Situation, in der ein großer Teil der Bäuerinnen und Bauern von ihrer Arbeit ohnehin nicht mehr leben kann – häufig selbst trotz unselbständiger Einkommen zusätzlich zur fordernden Arbeit auf dem bäuerlichen Betrieb: Laut Grünem Bericht 2024 konnten die Einkommen kleinerer Betriebe im spezialisierten Bereich der Rindermast ihren Haushaltsverbrauch bereits seit 2017 nicht mehr decken. Im Jahr 2023 belief sich das Minus im Schnitt auf über -3.000 EUR! Selbst bei den mittelgroßen Betrieben ist ein Einkommen, das das Auskommen sichert, schon ebenso lange nicht mehr garantiert: Seit 2017 schwankt die Über-/Unterdeckung des Verbrauchs ständig zwischen Plus und Minus. Im Jahr 2023 erwirtschafteten die Betriebe gerade einmal 316 EUR über ihrem Haushaltsverbrauch. Einzig die sehr großen Betriebe mit einem Standardoutput größer 100.000 EUR erwirtschaften ein permanentes (wenn auch stark schwankendes) Plus.

 

Die Einkommensverluste durch das Abkommen drohen zu einem Zeitpunkt, wo die Rindermast in Österreich vor großen Investitionsnotwendigkeiten steht: Immer noch ist hier die Mast auf Vollspaltenböden erlaubt – und ähnlich wie in der Schweinemast ist diese Haltungsform auch bei Rindern aus Tierschutzgründen nicht mehr länger haltbar. Früher oder später wird eine Änderung entweder von Gerichten (ein Normüberprüfungsverfahren vor dem VfGH ist anhängig) oder von Konsument:innen eingefordert werden, so wie das bei der Schweinemast in Vollspaltenbuchten ebenso der Fall ist. Eine Umstellung auf höhere Haltungsstandards mit Einstreu bedingt Investitionen, und erzeugt auch längerfristig einen höheren Arbeitsaufwand. Wie sich auf den europäischen Märkten die dafür notwendigen höheren Preise erzielen lassen sollen, wenn gleichzeitig mehr Billigfleisch über Handelsabkommen auf den Markt kommt, ist bisher völlig unbeantwortet.

 

In der pflanzlichen Produktion ist ein besonders relevanter Unterschied zwischen Südamerika und Europa der Einsatz von Pestiziden: Im Jahr 2019 waren 44% der in Brasilien zugelassenen Pestizid-Wirkstoffe in der EU nicht erlaubt. Jüngere Daten zeigen – wieder mit Bezug auf Brasilien – dass von 123 Bayer Produkten 78 hoch toxisch und 36 nicht in der EU zugelassen sind. Von den 113 BASF Produkten sind 71 hoch toxisch und 57 in der EU nicht zugelassen.[8] Die europäische Chemie-Industrie ist dementsprechend ein großer Profiteur des Mercosur-Abkommens. Zulasten sowohl der südamerikanischen Bäuerinnen und Bauern, die unter den Gesundheitsfolgen des exzessiven Pestizideinsatzes leiden, als auch der europäischen Bäuer:innen, die mit den Mercosur-Produkten in Zukunft konkurrieren müssen – obwohl sie deutlich höhere Umweltstandards einhalten.

 

Und die Konsument:innen? Die bekommen die verbotenen Pestizide in ihrem Essen serviert. Zwar ist die Grundregel in der EU eigentlich, dass die Rückstandshöchstgehalte für Pestizide, die innerhalb der EU gelten, auch bei importierten Lebensmitteln eingehalten werden müssen. Jedoch werden immer wieder sogenannte Importtoleranzanträge gestellt (und beschlossen), die die Rückstandshöchstgehalte für importierte Ware aus bestimmten Ländern erhöhen sollen - auch für Wirkstoffe, die in der EU nicht (mehr) zugelassen sind.

 

Für pflanzliche Lebensmittel gilt außerdem dasselbe wie für die Rinderbranche: Es stehen Veränderungen bevor, schon alleine wegen des unvermeidlich gewordenen Verbots von PFAS-Pestiziden. Bereits jetzt sind die Widerstände gegen höhere Umwelt- und Gesundheitsstandards von Seiten der Landwirtschaft jedes Mal enorm, und droht darüber hinaus sogar ein Backlash und ein Zurückschrauben von bereits beschlossenen Umweltnormen, wie derzeit beim Lieferkettengesetz.

 

Dazu kommt ein neuer „Rebalancing Mechanism“ im Mercosur Abkommen: Wenn ein Handelspartner durch interne Maßnahmen des anderen Handelspartners (z.B. aufgrund neuer Umweltgesetzgebung) nicht mehr so stark wie gedacht vom Freihandelsabkommen profitieren kann, dann können von einem Schiedsgericht Entschädigungsmaßnahmen – inklusive Kompensationszahlungen – beschlossen werden. Die Mercosur-Staaten haben hier ganz eindeutig EU-Umweltmaßnahmen im Sinn, wie etwa die Zusammenfassung des Handelsabkommens seitens des Außenministeriums von Uruguay zeigt[9]: Hier wird einmal explizit der Green Deal und einmal explizit Umweltgesetzgebung im Text zum Rebalancing Mechanism genannt.

 

Im Klartext bedeutet das: Jede Umweltmaßnahme der EU, die den Benefit der Mercosur-Staaten vom Freihandelsabkommen einschränkt (etwa, weil sie selbst auch stärkere ökologische Maßnahmen ergreifen müssten um weiter exportieren zu können), könnte in Zukunft Strafzahlungen auslösen. Das in einer Situation, in der wir weit davon entfernt sind, Klima- und Biodiversitätskrise aufzuhalten – und die Landwirt:innen jetzt bereits die Auswirkungen in Form von Dürren, Überschwemmungen und erhöhtem Schädlingsbefall deutlich spüren.

 

Ein Abkommen mit dermaßen negativen Auswirkungen auf die europäische und österreichische Landwirtschaft ist nicht hinnehmbar.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft, wird aufgefordert, sich weiterhin an die bindende Stellungnahme des EU-Unterausschusses des Nationalrats zu halten, und alle Maßnahmen auf europäischer Ebene zu ergreifen, um den Abschluss des Mercosur-Abkommens zu verhindern.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft vorgeschlagen.



[1] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVI/SEU/2/imfname_767020.pdf

[2] https://www.diepresse.com/19546423/wirtschaftsminister-hattmannsdorfer-wir-brauchen-jetzt-das-mercosur-abkommen

[3] https://kurier.at/politik/inland/landwirtschaftsminister-totschnig-zu-mercosur-abkommen-muss-fair-sein/403030570

[4] https://www.bmluk.gv.at/themen/landwirtschaft/eu-international/mercosurabkommen.html

[5] https://apa.at/news/mercosur-pakt-beschaeftigt-wieder-politik-in-oesterreich/; https://www.diepresse.com/19555495/nach-oevp-vorstoss-spoe-gegen-mercosur-abkommen 

[6] https://www.europarl.europa.eu/news/es/press-room/20241206IPR25900/foreign-affairs-committee-meps-welcome-mercosur-deal

[7] Idele (Institut de l’elevange), The EU-Mercosur Free Trade Agreement, its impacts on Agriculture, study commissioned by Greens/EFA Group in the EP, May 2023. https://extranet.greens-efa.eu/public/media/file/1/8401

[8] Sharon Treat, Institute für Agriculture and Trade Policy, The EU-Mercosur Agreement: Increasing Pesticide Use and GMOs, and Undermining Healthy Food Production and Standards, für u.a. Heinrich Böll Stiftung. https://eu.boell.org/sites/default/files/2020-12/The%20EU-Mercosur%20Agreement%20-%20Increasing%20Pesticide%20Use%20and%20GMOs%2C%20and%20Undermining%20Healthy%20Food%20Production%20and%20Standards.pdf

[9] https://www.gub.uy/ministerio-relaciones-exteriores/sites/ministerio-relaciones-exteriores/files/documentos/noticias/Sintesis%20del%20Acuerdo%20Mercosur%20-%20Uni%C3%B3n%20Europea_0.pdf