297/A XXVIII. GP

Eingebracht am 22.05.2025
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ANTRAG

der Abgeordneten Olga Voglauer, Ralph Schallmeiner, Freundinnen und Freunde

 

 

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) geändert wird

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 idF BGBl. Nr. 18/1956, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2024, wird wie folgt geändert:

 

1.    In Anlage 1, Z. 8 wird in der Tabelle nach der laufenden Nr. 6.2.15. folgende Zeile eingefügt:

„6.2.16

Parkinson-Syndrom durch Pestizide

Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft und des Gartenbaus sowie Tätigkeiten in Unternehmen, in denen eine vergleichbare Gefährdung besteht“

 

 

 


 

Begründung:

 

Im September 2023 hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten in Deutschland die Anerkennung des Parkinson-Syndroms als Berufskrankheit als „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“ empfohlen.[1]

 

Anspruchsberechtigt solle sein, wer das Parkinson-Syndrom als primäre Erkrankung (ohne Nachweis einer sekundären Genese) aufweist, und wer mindestens an 100 Tagen im Berufsleben Pestizide einer Funktionsgruppe (Insektizide, Fungizide, Herbizide) selbst angewendet hat – d.h. entweder selbst vorbereitet/angerührt, selbst ausgebracht, oder eigene Störungsbeseitigung im Rahmen der Pestizid-Ausbringung.

 

Die Begründung des ÄSVB umfasst eine Zusammenschau zahlreicher Studien: Tierexperimentelle Studien, epidemiologische Untersuchungen, und systematische Reviews. Daraus wird die Empfehlung der Anerkennung der Berufskrankheit „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“ inklusive der Expositionsvoraussetzungen (100 Tage Anwendung) abgeleitet. Es findet sich auch die Aussage, dass für einzelne Pestizide bzw. Wirkstoffe Hinweise auf ein deutlich höheres Parkinson-Erkrankungsrisiko vorliegen. Jedoch reichen laut Empfehlung des ÄSVB derzeit die Daten nicht aus, ein unter den 100 Anwendungstagen liegendes, niedrigeres Expositionsmaß zu bestimmen.  

 

In Frankreich und Italien ist Parkinson schon länger als Berufskrankheit für Landwirt:innen anerkannt. In Deutschland kann seit März 2024 die Anerkennung aufgrund der Empfehlung des ÄSVB erfolgen, und hätte aufgrund der Empfehlung des ÄSVB in der zweiten Jahreshälfte 2024 die Aufnahme in die Liste der Berufskrankheiten erfolgen sollen. Offenbar aufgrund von Kritik seitens des Bauernverbands ist dies aber bisher nicht geschehen. Dennoch sind seit März 2024 in Deutschland etwa 8.000 Anträge eingelangt. Etwa 3.000 davon sind nun in der engeren Prüfung. Die Berufsgenossenschaft scheint den Bäuer:innen allerdings die Anerkennung schwer machen zu wollen: Umfangreiche Dokumentationen der Spritzmitteleinsätze auf Jahrzehnte zurück werden gefordert. Völlig unrealistisch, da es eine Aufzeichnungspflicht erst seit 2008 gibt und auch die Aufbewahrungspflicht nur drei Jahre beträgt. Nicht einmal die Liste der Einkäufe von Pestiziden soll offenbar anerkannt werden. [2]

 

In Österreich fehlt bisher die Anerkennung als Berufskrankheit für Bäuerinnen und Bauern. Insgesamt sind in Österreich derzeit 25.000 Menschen an Morbus Parkinson erkrankt[3], Umweltmediziner Hans-Peter Hutter schätzt die Zahl der betroffenen Landwirt:innen auf etwa 800-1.000.[4]  

 

Die wissenschaftliche Evidenz für die Anerkennung einer Berufskrankheit „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“, für Beschäftigte in der Land- und Forstwirtschaft und im Gartenbau sowie in Unternehmen mit ähnlicher Exposition auch in Österreich, ist mit der Empfehlung des ÄSVB jedenfalls gegeben. Die gesetzliche Anerkennung sowie praxistaugliche, unbürokratische Regelungen zur Anerkennung der Berufskrankheit – um die Schikanen, die an Parkinson erkrankte Bäuerinnen und Bauern in Deutschland derzeit durchmachen müssen, zu vermeiden – fehlen jedoch noch. Eine unklare Situation wie in Deutschland derzeit müssen wir uns in Österreich sparen: Die Gesundheit von Bäuer:innen und Landarbeiter:innen und ihre entsprechende Absicherung im Erkrankungsfall muss wichtiger sein als die Profite und das Ansehen der Pestizidindustrie.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.

 



[1] Wissenschaftliche Empfehlung für die Berufskrankheit „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“, https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Soziales/Unfallversicherung/empfehlung-parkinson-durch-pestizide.pdf?__blob=publicationFile&v=3

[2] https://taz.de/Parkinson-durch-Pestizide/!6072903/

[3] https://www.i-med.ac.at/mypoint/news/791319.html

[4] https://www.sn.at/panorama/oesterreich/pestizide-bauern-parkinson-168624535