334/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 18.06.2025
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

des Abgeordneten Mag. Harald Stefan

und weiterer Abgeordneter

betreffend Volle Berufung auch gegen Schöffenurteile, Erleichterung der Rechtsmittel gegen Geschworenenurteile (erweiterte Begründungspflicht für Geschworenenurteile)

 

 

In Österreich nimmt das Geschworenen- und Schöffengericht eine zentrale Rolle in der Strafjustiz ein und steht für gelebte Bürgernähe und demokratische Legitimation. Durch die Beteiligung unbeteiligter, zufällig ausgewählter Bürger fließt das allgemeine Rechtsempfinden direkt in schwere Strafverfahren ein. Die Schöffen agieren gemeinsam mit Berufsrichtern, die Geschworenen entscheiden selbstständig über Schuld oder Unschuld – und stärken so das öffentliche Vertrauen in die Justiz.

 

Im österreichischen Strafrecht besteht gegen Urteile, die von Schöffen- oder Geschworenenkollegien erlassen werden, bislang nur die Möglichkeit, mittels Straf-berufung (in der Regel auf Strafhöhe beschränkt) oder Nichtigkeitsbeschwerde gegen formelle Mängel vorzugehen – eine vollumfängliche Anfechtung der Schuldfrage ist ausgeschlossen. Geschworenenurteile enden zumeist als Eintagsentscheidungen („Wahlspruch“) und müssen gemäß geltender Rechtslage nicht begründet werden. Dies wirft erhebliche verfahrensrechtliche Probleme auf: Betroffene haben keinen Kausalbezug zwischen erstinstanzlichem Schuldspruch und den tatsächlichen Gesichtspunkten, die zur Verurteilung geführt haben – ein Umstand, der die Wirkung von Rechtsmitteln erheblich einschränkt.

 

Diese Defizite gefährden fundamentale Prinzipien rechtsstaatlicher Verfahren. Gemäß Art. 6 EMRK haben Beschuldigte Anspruch auf eine nachvollziehbare Urteils-begründung, um einen effektiven Zugang zu Rechtsmitteln zu ermöglichen. Wenn jedoch weder begründete Urteilsgründe noch eine umfassende rechtsmittelrechtliche Kontrolle angeboten werden, bleibt der Rechtsweg selbst bei inhaltlichem Fehlurteil gefährdet. Die Anwaltschaft, vertreten durch Kreise wie den Arbeitskreis Strafrecht des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages und Publikationen des „Österreichi-schen Anwaltsblatts“, fordern seit Jahren explizit sowohl die Erweiterung der Berufungsmöglichkeiten auf die Schuldfrage als auch die Einführung einer verpflichtenden schriftlichen Begründungspflicht bei Wahlsprüchen.[1]

 

Die Kritik ist vielfältig, wie etwa beim Fall der „Amokfahrt“ in Graz deutlich wurde: Die Geschworenen folgten im Urteil der Einschätzung eines einzelnen Sachverständigen, ohne nachvollziehbare Begründung, was den Eindruck mangelnder Transparenz noch verstärkte. Wissenschaftliche Studien sprechen sich daher für eine strukturiert geführte Befragung der Geschworenen aus, mit der schriftlich fixierten Begründung, sodass der Wahlspruch inhaltlich überprüfbar wird.[2] Vorschläge aus der Praxis sehen ferner vor, kollegial zusammengesetzte Schuldsprüche zu erlauben, bei denen Laien gemeinsam mit Berufsrichtern entscheiden – ergänzt um verbindliche Fragelisten zur Erstellung nachvollziehbarer Begründungen und damit verbesserter Kontrolle.

 

Im März 2025 lösten zwei große Mordversuchsprozesse in Wien eine Diskussion über die Grundfesten des Geschworenenverfahrens aus: In beiden Fällen setzten Berufsrichter den Wahlspruch der Geschworenen aus, nachdem sie einstimmig zu dem Schluss gekommen waren, dass sich die Laien geirrt hatten.[3] Eine Reform könnte insbesondere darin bestehen, dass die Geschworenen zur schriftlichen Begründung ihres Wahlspruchs zu verpflichten sind. Eine solche Begründung würde ermöglichen, dass Entscheidungen auch für Öffentlichkeit und nächsthöhere Instanzen nach-vollziehbar werden.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die bei Schöffen- und Geschworenenurteilen erstens die Möglichkeit der vollen Berufung und zweitens eine schriftliche Begründungspflicht beinhaltet.“

 

 

 

 

 

In formeller Sicht wird ersucht, diesen Antrag dem Justizausschuss zuzuweisen.



[1]    https://juridikum.at/files/ausgaben/juridikum%203-2003_0.pdf, S. 112

     [2]https://ssc-rechtswissenschaften.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/s_rechtswissenschaft/Doktoratsstudium_PhD/Expose1/Oeffentliches_Recht/Die_oesterreichische_Geschworenengerichtsbarkeit.pdf, S. 4 ff

[3]    https://wien.orf.at/stories/3295781/?utm_source