337/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 18.06.2025
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Ralph Schallmeiner, Alma Zadic, Freundinnen und Freunde

 

betreffend: Wo bleiben die "abgestimmten Anpassungen" im Erwachsenenschutz-recht, Frau Bundesministerin?

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Hintergrund

 

Im Jahr 2018 wurde die „Sachwalterschaft“ durch die „Erwachsenenvertretung“ abgelöst. Für volljährige Personen, die wegen einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit Unterstützung benötigen, gibt es nun die Möglichkeit der Erwachsenenvertretung.

 

Das Bundesministerium für Justiz fasst die Reform wie folgt zusammen:

 

„Damit ging eine umfassende Neuerung einher, welche einen Paradigmenwechsel zum Wohle der Betroffenen darstellt: […] Das neue Erwachsenenschutzgesetz stellt den betroffenen Menschen in den Mittelpunkt, um Autonomie, Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit möglichst lange und umfassend zu erhalten. Die Entscheidungsfähigkeit der Betroffenen wird auch im Bereich der Personen- und Familienrechte wesentlich gestärkt. Der Aufbau der Vertretungsmöglichkeiten basiert künftig auf vier Säulen mit unterschiedlich weitgehenden Befugnissen und fördert ein stärkeres Hinschauen, Reflektieren und Differenzieren aller Beteiligten. Damit soll für jede Situation die bestmögliche Lösung gefunden werden, um der betroffenen Person so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Handeln zu ermöglichen.

 

Besonders erfreulich ist auch, dass mit der Entstehung des Gesetzes ein neuer Prozess der Mitgestaltung entstanden ist. In die Neugestaltung des Erwachsenenschutzes waren alle betroffenen Personen und Personengruppen durch regelmäßigen Dialog über einen Zeitraum von über zwei Jahren intensiv eingebunden. In Arbeitsgruppen, die sich unter anderem aus Mitgliedern der Anwaltschaft, Behinderteneinrichtungen, Senior:innen-Vertreter:innen, Heimver-treter:innen, Sachwaltervereinen sowie der Volksanwaltschaft zusammengesetzt haben, wurde intensiv und konstruktiv diskutiert und an einer gemeinsamen Lösung für den neuern Erwachsenenschutz gearbeitet. Besonderer Wert wurde dabei auf die Beteiligung der Betroffenen selbst gelegt. Mit dieser Form der Beteiligung haben wir einen Maßstab gesetzt, die auch in künftigen Reformprozessen, insbesondere in sozialen Bereichen, beispielgebend sein wird.“[1]

 

Der Beteiligungsprozess wurde zur Weiterentwickung des Erwachsenenschutzrechts weitergeführt. Die Arbeitsgruppen wurden im ersten Halbjahr 2025 abrupt abgebrochen und der Entwurf zur Änderung des Erwachsenenschutzrechts im Budgetbegleitgesetz 2025 (Artikel 16 und 17) ohne partizipative Einbindung der Betroffenen vorgelegt.

 

Budgetbegleitgesetz 2025

 

Dieser Entwurf drohte einen beachtlichen Teil der Errungenschaften der Reform zunichte zu machen. Die Eckpunkte

·         Überprüfung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung nur mehr alle fünf statt alle drei Jahre;

·         Notar:innen und Rechtsanwält:innen werden wieder generell, ohne auf die benötigten Kenntnisse abzustellen, zur Erwachsenenvertretung verpflichtet ;

·         Abschaffung des obligatorischen Erneuerungsclearings.

 

Diese vorgeschlagenen Verschlechterungen im Erwachsenenschutzrecht führten zu großen Protesten im Vorfeld, u.a. durch den Österreichischen Behindertenrat, den Unabhängigen Monitoringausschuss zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie die Voksanwaltschaft. Der Vorschlag sei eine massive Einschränkung der Selbstbestimmung von Menschen mit einer Vertretung und ein Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.[2]

 

Die Justizministerin ruderte medial zurück und kündigte medial „abgestimmte Anpassungen“ an:

„Weil das Ministerium aber die geäußerten Bedenken "selbstverständlich ernst" nehme, werde es "abgestimmte Anpassungen" am eingebrachten Gesetzesentwurf vorschlagen.

Dadurch sollen Betroffenen im Rahmen des Erneuerungsverfahrens ein Antragsrecht auf "Clearing" bekommen und gleichzeitig die Erwachsenenschutzvereine entlastet werden, da in bestimmten Konstellationen ein obligatorisches Clearing nicht erforderlich sei, etwa wenn der Betroffene im Koma liegt oder bei irreversiblen degenerativen Erkrankungen. Außerdem soll der laufende partizipative Prozess im Bereich Erwachsenenschutz zwischen Ministerium, Erwachsenenschutzvereinen, Interessen- und Selbstvertretungsvereinen und der Vertretung von Anwälten und Notarinnen in dieser Frage fortgesetzt werden.“[3]

Den Worten folgten keine Taten. Selbst diese Maßnahmen, also die Rücknahme eines kleinen Teils der zahlreichen Verschlechterungen, wurden seitens der Bundesregierung nicht umgesetzt.

 

Mit den Stimmen der Regierungsparteien ÖVP, SPÖ und Neos wurden die Verschlechterungen im Budgetbegleitgesetz 2025 unverändert in voller Härte beschlossen.

 

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, ihren Worten Taten folgen zu lassen und wie angekündigt dem Parlament unverzüglich „abgestimmte Anpassungen“ zu den jüngsten Änderungen im Erwachsenenschutzrecht zu unterbreiten. Außerdem soll der laufende partizipative Prozess im Bereich Erwachsenenschutz zwischen Ministerium, Erwachsenenschutzvereinen, Interessen- und Selbstvertretungsvereinen und der Vertretung von Anwält:innen und Notar:innen unverzüglich fortgesetzt werden.“

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.



[1] https://www.bmj.gv.at/themen/Zivilrecht/Erwachsenenschutz/Das-neue-Erwachsenenschutzrecht-im-%C3%9Cberblick.html; abgerufen am 05.06.2025

[2] https://volksanwaltschaft.gv.at/aktuelles/artikel/erwachsenenschutzrecht-darf-nicht-verschlechtert-werden/

[3] https://www.derstandard.at/story/3000000273906/nach-kritik-doch-noch-196nderungen-im-erwachsenenschutzrecht-geplant