343/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 18.06.2025
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Alma Zadić, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Neuer Bestellmodus für das Verwaltungsgerichtshofs-Präsidium

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) ist das Höchstgericht in verwaltungsrechtlichen Rechtssachen. Der VwGH stellt für die Bürger:innen das gesetzmäßige Handeln der Verwaltungsbehörden sicher. Er stellt im gewaltenteilenden Rechtsstaat ein Gegengewicht gegenüber der Verwaltung dar.

 

Anfang Juni wurde bekannt, dass die Bundesregierung den bisherigen Leiter des Verfassungsdienstes, Dr. Albert Posch, als Präsidenten für den VwGH nominiert – entsprechend dem öffentlich einsehbaren Sideletter des Regierungsprogramms 2025-2029 auf einem ÖVP-Ticket.

 

Richter:innen müssen unabhängig agieren können. Aus diesem Grund werden Richter:innen bzw. Richteramtsanwärter:innen, die sich auf eine freie Richter:innenplanstelle bewerben, von einem aus Richter:innen bestehenden Personalsenat bewertet, der auf Grund der fachlichen Qualifikation und persönlichen Eignung einen Dreiervorschlag an die Justizministerin, die Landesregierung bzw. die Bundesregierung erstattet.

 

Die Besetzung des VwGH ist in Artikel 134 Abs. 4 bis 6 B-VG geregelt. Alle Richter:innen am VwGH werden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung ernannt. Für die einfachen sonstigen Mitglieder des VwGH erstattet auch die sogenannte Vollversammlung der Richter:innen am VwGH Dreiervorschläge an die Bundesregierung. Bei den wichtigsten Stellen, jenen des Präsidenten bzw. der Präsidentin und des Vizepräsidenten bzw. der Vizepräsidentin, darf jedoch die Bundesregierung ganz alleine ohne (!) Einbindung der Richter:innenschaft entscheiden. Eine vorherige Tätigkeit am Gericht oder generell in der Justiz ist keine Voraussetzung.

 

Im Rechtsstaatlichkeitsbericht der EU zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in Österreich 2024[1] bemängelt die Europäische Kommission (in Bezug auf die gleichgelagerte Situation an den dem VwGH vorgelagerten Verwaltungsgerichten, Anm.), dass Österreich bei der Ernennung der Gerichtspräsident:innen bzw. Vizepräsident:innen europäische Standards verfehle, weil die Regierung alleine entscheidet und die Richter:innen nicht in der Entscheidung, wer die bestgeeignete Person ist, eingebunden sind. Außerdem bestünden auch Bedenken hinsichtlich der Einhaltung europäischer Standards, weil keine Vorerfahrung als Richter:in nötig ist.

 

Auch die Staatengruppe GRECO (Group of States against Corruption) des Europarats fordert die stärkere Einbindung von Personalsenaten bei den Leitungspositionen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit und stellt Österreich ein schlechtes Zeugnis aus.[2]  CCJE (The Consultative Council of European Judges) beim Europarat fordert ebenso die Einbindung der Richter:innen in die Personalauswahl.[3]

 

Der Europäische Gerichtshof hat im Zusammenhang mit der Ernennung von Richterinnen und Richtern mehrfach betont, dass die materiellen Voraussetzungen für die Ernennungsentscheidung so beschaffen sein müssen, dass sie bei den davon mittel- oder unmittelbar Betroffenen keine berechtigten Zweifel an der Neutralität und Unempfänglichkeit ernannter Richterinnen und Richter für äußere Faktoren aufkommen lassen. Demgemäß beurteilte er die Ernennung von Richter:innen durch ein Organ der Exekutive nur dann als mit den Rechtsstaatsgrundsätzen der Europäischen Union vereinbar, wenn im Ernennungsverfahren die Stellungnahme eines von der Politik unabhängigen Gremiums eingeholt wurde.

 

Der Dachverband der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter und Transparency International haben den aktuellen Bestellvorgang der VwGH-Spitze kritisiert und gefordert, dass die Gerichtsbarkeit von der Parteipolitik unabhängig sein soll.[4]

 

Insofern ist verständlich, dass es aufgrund der intransparenten Besetzung ohne Einbindung von Richter:innensenaten in der Richter:innenschaft „rumort“.[5]

 

Ein Vorbild kann der neue Modus zur Ernennung der Präsidentin bzw. des Präsidenten am Obersten Gerichtshof (OGH) sein (§32 Abs. 4a und 4b RStDG). Auch hier hatte die Justizministerin vor der Reform freie Hand.  Im Sinne von Objektivität und Transparenz und zur Stärkung des Vertrauens der Bürger:innen in eine unabhängige Justiz hat man hier die richterliche Mitwirkung in Form eines Richter:innensenats sichergestellt. Beabsichtigt die Bundesministerin, dem Besetzungsvorschlag nicht zu folgen, hat sie dies schriftlich zu begründen. Der Senat kann dazu eine schriftliche Stellungnahme abgeben. Die Begründung und die ergänzende Stellungnahme sind dem Bundespräsidenten mit dem Besetzungsvorschlag mitzuschicken.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf für eine Reform der Bestellung des Verwaltungsgerichtshofs-Präsidiums vorzulegen. Die Vollversammlung des Verwaltungsgerichtshofes soll künftig nach Anhörung der Bewerber:innen der Bundesregierung einen gereihten Dreiervorschlag erstatten. Beabsichtigt die Bundesregierung, den Besetzungsvorschlägen nicht zu folgen, hat sie die wesentlichen Erwägungen dafür schriftlich und öffentlich zu begründen.“

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.



[1] https://commission.europa.eu/document/download/bcfe8b8e-4c42-461d-b560-efcff1f29e87_de?filename=47_1_58076_coun_chap_austria_de.pdf

[2] https://www.verwaltungsrichter.at/wp-content/uploads/2023/12/GrecoRC4202311-Final-de-2.-Umsetzungsbericht-6.pdf

[3] https://rm.coe.int/1680748232

[4] https://www.diepresse.com/19714600/kritik-an-postenvergabe-gerichtsbarkeit-soll-von-parteipolitik-unabhaengig-sein

[5] https://www.derstandard.at/story/3000000271219/neubesetzung-des-vwgh-praesidiums-sorgt-fuer-rumoren-in-richterschaft-und-politik