345/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 18.06.2025
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Leonore Gewessler, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Eintreten gegen Atomkraft auf EU-Ebene

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

 

Frankreich, Polen und weitere Staaten setzen sich seit Jahren auf EU-Ebene stark dafür ein, dass Atomenergie als nachhaltige Technologieform gefördert wird. Es geht um nichts Geringeres als um Milliarden an Finanzflüssen, die in die Atomindustrie fließen sollen. In den letzten Wochen wurden die Rufe nach Unterstützung für den Ausbau der Atomkraft noch lauter. Am Freitag, 13. Juni 2025, hat die EU-Kommission das Atomkraft-Programm PINC veröffentlicht und stellt darin fest, dass bis 2050 in der EU 241 Milliarden Euro an Investitionen in Atomkraft fließen könnten. Umso wichtiger ist es, dass Österreich auf EU-Ebene weiterhin – gemeinsam mit Verbündeten – klar Stellung gegen Atomkraft bezieht. 

 

Die neue Regierung in Deutschland vollzieht nach Jahren der Ablehnung von Atomkraft eine Wende und spricht sich öffentlich für die Unterstützung der Atomkraft in der EU aus. In einem Papier von Bundeskanzler Friedrich Merz und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron wurde vereinbart, man wolle „die Diskriminierung von Atomenergie auf EU-Ebene beenden“. Die deutsche Wirtschaftsministerin Reiche hält laut Spiegel eine Förderung französischer Atomanlagen mit EU-Mitteln auch für vorstellbar – etwa, wenn es sich um kleine modulare Reaktoren handle[1]. Am 16. Juni hat die deutsche Wirtschaftsministerin am Rande des EU-Rats der Energieminister:innen zum ersten Mal als Beobachterin an einem Meeting der Nuklear-Allianz und nicht am Treffen der von Österreich mitgegründeten Allianz „Friends of Renewables“ teilgenommen[2].  

Die EU-Kommission hat im Affordable Energy Act angekündigt, dass sie den Investitionsbedarf im Bereich Atomkraft bewerten und Investitionen in saubere Energietechnologien der nächsten Generation, wie Kernfusion fördern möchte. Im Clean Industrial Deal ist festgehalten, dass die EU-Kommission die staatlichen Beihilfen für die Atomkraft-Lieferkette prüfen wird.

Diese Entwicklungen könnten dazu führen, dass öffentliches Steuergeld statt in sichere Erneuerbare Energieträger und Speicher, in risikoreiche Atomenergie fließt. Aus ökologischer, sozialer und ökonomischer Perspektive ist das kontraproduktiv.

Erneuerbare Energien haben laut der Lazard Analyse 2024 deutlich niedrigere Stromerzeugungskosten als Atomkraft[3]. Ohne staatliche Zuschüsse in Milliardenhöhe würde kein Land der Welt mehr Atomkraftwerke bauen, es gibt schlichtweg keinen Business Case mehr für Atomenergie. Die Baukosten für das Kernkraftwerk Flamanville in Frankreich, ursprünglich geschätzt auf 3,4 Milliarden Euro, sind auf über 13 Milliarden Euro gestiegen. Das Projekt wurde 12 Jahre später als geplant in Betrieb genommen. Der französische Rechnungshof hat die Gesamtkosten sogar auf 19,1 Milliarden Euro geschätzt[4].

Anders als oft behauptet, sind Atomkraftwerke nicht klimaneutral. Sie verursachen Emissionen - etwa durch Abbau und Vermahlung von Uran oder Herstellung von Brennstäben. So rechnete der Weltklimarat ⁠⁠IPCC in seinem Bericht von 2014 mit 3,7 bis 110 Gramm CO2-Äquivalenten pro Kilowattstunde Atomstrom[5].

Die Atomindustrie steht unter Rechtfertigungsdruck und sucht nach neuen Argumenten, um an neue Fördergelder und Unterstützungen heranzukommen. Neue Technologien der sogenannten Generation IV sollen nun alte Probleme lösen. Besonders propagiert werden die sogenannten Small Modular Reactors (SMRs). Mit einer Leistung bis zu 300 MW und der Größe eines Wohnhauses sollen sie weltweit eingesetzt werden. Frankreich hat unter Berufung auf SMRs seinen Reduktionskurs in Richtung Atomstromanteil von 50% statt aktuell 70% aufgegeben und angekündigt eine Milliarde Euro in den Ausbau der Atomindustrie zu investieren. Auch Polen und die USA wollen auf SMRs setzen, um ihre Klimaziele zu erreichen.

Doch auf die großen Ankündigungen folgten bisher kaum Ergebnisse. Einige der heute verfolgten Konzepte reichen in die 1970er bis 1950er Jahre zurück und sind noch immer weit von der Marktreife entfernt. Da SMRs mit teils gänzlich neuen Technologien auf der ganzen Welt im Einsatz sein sollen, sind auch internationale behördliche Auflagen relevant für den zeitlichen Einsatz. Die Überwachung und Instandhaltung eines weltweiten Netzes an Minireaktoren wird Sicherheits- und Monitoringsysteme vor große Herausforderungen stellen.

Jetzt auf völlig unerprobte Nuklearkonzepte am Papier zu setzen, heißt Milliardenbeträge mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit in den Sand zu setzen. Jeder Cent ist besser eingesetzt in den Bau billiger und schon etablierter Erneuerbarer Energieträger sowie in die Weiterentwicklung von Speichertechnologien und den Netzausbau.

 

 

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus und der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft, wird aufgefordert:

-          Die Nichtigkeitsklage Österreichs zur Taxonomie beim Gericht der Europäischen Union voranzutreiben;

-          Sich dafür einzusetzen, dass keine öffentlichen Gelder für den Ausbau von Atomkraft – inklusive SMRs – vergeben werden;

-          In der Allianz der „Friends of Renewables“ gemeinsam mit Regierungen aus anderen EU-Ländern proaktiv für den Ausbau Erneuerbarer Energien und gegen Atomkraft einzutreten“

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie vorgeschlagen.



[1] https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/eu-taxonomie-bundesregierung-findet-frankreichs-atomstrom-jetzt-klimafreundlich-a-37ebf61f-7979-4848-a6e0-4880e222d956

[2] https://www.spiegel.de/wirtschaft/atomkraft-katherina-reiche-bei-eu-allianz-fuer-kernenergie-a-6a8c7f42-feba-43f5-ba72-df03142e690b

[3] https://www.lazard.com/media/xemfey0k/lazards-lcoeplus-june-2024-_vf.pdf

[4] https://energiestiftung.ch/zerfall-der-atomindustrie-in-europa

[5] https://www.ipcc.ch/report/ar5/wg3/