36/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 26.02.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Peter Wurm, Dr. Dagmar Belakowitsch

und weiterer Abgeordneter

betreffend Recht auf analoge Inanspruchnahme und Teilhabe an den Dienstleistungen der Verwaltung und der Daseinsvorsorge

 

 

Immer wieder kommt es zu Verwaltungsvereinfachungen bzw. zur Adaptierung bestehender Bundesnormen. Dies sollte aber keine Einbahnstraße in Richtung Digitalisierung sein, die auf Rechtsstaatlichkeit, Bürgernähe und Unmittelbarkeit des Verwaltungshandelns keine Rücksicht mehr nimmt.

 

Aktuell wird die Digitalisierung in der österreichischen Verwaltung und im Zugang zu öffentlichen Leistungen und Förderungen als die allein selig machende Innovation und als das einzig adäquate Mittel eines effizienten Staatswesens der Gegenwart und Zukunft dargestellt.

 

Die Schlagwortkombinationen sind:

 

·         Digitalisierung der Gesellschaft

·         Digitalisierung der Verwaltung

·         Digitalisierung der Wirtschaft

 

Damit scheint für den Verwaltungsstaat alles gesagt und erledigt. Dass hier Unmittelbarkeit und Bürgernahe und damit auch der Zugang zum Rechtsstaat für die Bürger als Normadressaten vielfach auf der Strecke bleiben, blenden die Propagandisten von „E-Government“ auf ihrer technologiegetriebenen gesellschafts-politischen Einbahnstraße aus.

 

Der Zugang zum Rechtstaat und die Möglichkeit, Sozialleistungen und Wirtschafts-förderungen oder Genehmigungen der Verwaltung auch analog und persönlich in Anspruch zu nehmen, werden immer weiter zurückgedrängt. Die Rechts- und Hilfesuchenden werden auf anonyme Internetangebote und nur mehr telefonisch oder per E-Mail erreichbare Service-Auskunftsstellen verwiesen.

 

Darunter leidet die Qualität der Beziehung der Bürger zu ihrem Staat und dessen Dienstleistungen. Ähnliches gilt für die Angebote der Daseinsvorsorge und weiterer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Grundbedürfnisse.

 

Die Konsequenz ist eine fortgesetzte Entfremdung der Bürger und eine Ausgrenzung all jener, die durch ihr Alter oder ihren gesundheitlichen Zustand sich mit den digitalen Zugängen bei der Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse immer schwerer tun.

 

Was es jetzt braucht, ist die Formulierung und die Durchsetzung des Rechts auf die Inanspruchnahme und Teilhabe an den Dienstleistungen der Verwaltung und an der Daseinsvorsorge. Dazu bedarf es einer Garantie des Staates, dass der einzelne auch unabhängig von Besitz und Gebrauch elektronischer Gerätschaften sein Recht auf den Zugang zu allen Verwaltungsdienstleistungen wie Sozialleistungen und Wirtschafts-förderungen sowie Genehmigungen der Verwaltung hat, der unmittelbare Zugang zur Justiz und damit dem Rechtsstaat garantiert wird und die Angebote der Daseinsvorsorge ebenfalls für alle direkt verfügbar sind.

 

Daseinsvorsorge als dritte Säule neben Verwaltung und Justiz

 

Um zu erläutern, wie wichtig auch der Zugang zur Daseinsvorsorge für die Bürger ist, sollen hier einige Punkte erläutert werden. Die Daseinsvorsorge umfasst die Bereitstellung und die Sicherung des allgemeinen und diskriminierungsfreien Zugangs zu existentiellen Gütern und Leistungen für alle Bürger auf der Grundlage definierter qualitativer und quantitativer Standards. Welche Güter und Leistungen als existentiell notwendig anzusehen sind, ist durch demokratische Entscheidungen in einem modernen Sozial-, Verwaltungs- und Wirtschaftsstaat festzulegen und weiterzu-entwickeln.

 

In einen allgemeinen Kanon dieser existentiellen Leistungen gehören für uns aktuell:

 

·         Abwasserentsorgung/Wasserversorgung

·         Bildung

·         Brand- und Katastrophenschutz incl. Rettungswesen

·         Elektrizitätsversorgung

·         Friedhöfe/Krematorien

·         Gasversorgung

·         Geld- und Kreditversorgung

·         Gewerbliche und hoheitliche Entsorgung/Kreislaufwirtschaft

·         Gesundheit (Krankenhäuser, ambulante Versorgung, Vor- und Nachsorge, Pflege, permanente Verfügbarkeit von lebenswichtigen Produkten wie Arzneimittel und Medizinprodukte für den Seuchen- und Katastrophenschutz, intensivmedizinische Ausrüstungen usw. auch unter extremen Umständen wie denen einer Pandemie)

·         Kultur

·         Öffentliche Sicherheit

·         Justiz

·         Post

·         Straßenreinigung

·         Telekommunikation/Internet

·         Verkehrs- und Beförderungswesen (Schienen, Straßen, Wasserstraßen, Luftverkehr)

·         Wohnungswirtschaft

 

Diese Aufzählung ist nicht abschließend und kann nach Maßgabe der jeweiligen sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen und des Lagebilds ergänzt werden.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit welcher die Sicherstellung eines rechtlich verpflichtenden Zugangs für die analoge Inanspruchnahme und Teilhabe für die Bürger an allen Dienstleistungen der Verwaltung, Justiz und der Daseinsvorsorge ohne technische und kommunikative Barrieren gewährleistet wird.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Ausschuss für Konsumentenschutz zuzuweisen.