365/A(E) XXVIII. GP
Eingebracht am 09.07.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Parlamentarische Materialien
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Meri Disoski, Freundinnen und Freunde
betreffend Gratisverhütung
BEGRÜNDUNG
2019 empfiehlt das CEDAW-Komitee der Vereinten Nationen[1] ganz konkret, dass der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen und Verhütungsmitteln in Österreich gesichert und die Kosten von der Krankenversicherung übernommen werden sollten.[2] Doch der aktuelle Verhütungsatlas zeigt: Österreich liegt im Vergleich zu vielen Ländern in West- und Nordeuropa aufgrund der fehlenden Kostenübernahme für Verhütungsmittel sowie mangelnder Zugänge zu Verhütungsberatung noch immer an hinterer Stelle[3]. Noch viel dramatischer: Österreich ist seit 2017 gar um elf Plätze abgerutscht. Grund dafür ist, dass das Recht auf selbstbestimmte und verantwortungsbewusste Verhütungspraxis und Familienplanung in Österreich oft nicht verwirklicht werden kann[4] – und das im Jahr 2025.
Verhütung ist nicht Frauensache. Trotzdem übernehmen 50 % der Frauen hierzulande die alleinige Verantwortung für die Verhütung – doppelt so häufig wie Männer[5]. Dazu kommt, dass insbesondere junge und/oder armutsgefährdete Menschen ihr Recht auf eine selbstbestimmte und verantwortungsbewusste Familienplanung oft nicht verwirklichen können. Obwohl klar ist, dass der Zugang zu sicheren Verhütungsmöglichkeiten nicht von der Geldbörse abhängen darf, zeigen Studien, dass Frauen ihr Verhütungsverhalten ändern, wenn das Geld knapp ist. Sie weichen auf günstigere und weniger sichere Verhütungsmittel aus oder verhüten überhaupt nicht mehr – was vermehrt zu ungewollten Schwangerschaften führt. Auch steigen derzeit die Fälle von ansteckenden Geschlechtskrankheiten vor allem unter jungen Erwachsenen wieder stark an, was insbesondere auf seltenere Kondombenutzung zurückzuführen ist[6]. Bei der Entscheidung für eine passende Verhütungsmethode und wirksamen Schutz vor Geschlechtskrankheiten dürfen aber nicht die Kosten, sondern sollen die Verträglichkeit und Sicherheit das entscheidende Kriterium sein. Es kann nicht sein, dass besonders Frauen in Österreich aus finanziellen Gründen keine echte Wahlmöglichkeit bei der Verhütung haben und sich diese Notlage aufgrund der wieder steigenden Inflation immer weiter verschärft.
Obwohl Verhütungsgerechtigkeit keine Luxusforderung ist, sondern eine überfällige Maßnahme in einer sich als gleichberechtigt verstehenden Gesellschaft[7], hat Österreich noch immer großen Nachholbedarf, wenn es um den niederschwelligen Zugang zu Verhütungsmitteln geht. Was in vielen Ländern bereits eine Selbstverständlichkeit ist, muss endlich auch für Österreich Normalität werden und damit klarer politischer Handlungsauftrag sein: Ein kostenloser Zugang zu Verhütungsmitteln. Wie groß das gesellschaftliche Verlangen danach ist, beweist nicht nur das 2024 erfolgreich eingebrachte Volksbegehren „Gratis Verhütung für alle!“, sondern auch das „Frauen*volksbegehren 2.0“, das mit derselben Forderung nach Gratisverhütung von nahezu einer halben Million Menschen unterschrieben wurde.
Bereits in der 27. Gesetzgebungsperiode hat die türkis-grüne Bundesregierung mit der ersten österreichweiten Verhütungsstudie sowie dem erfolgreichen Pilotprojekt in Vorarlberg zur kostenlosen Abgabe von Verhütungsmitteln daher wichtige Grundlagen geschaffen. Diese Maßnahmen haben deutlich gezeigt: Der Bedarf an kostenfreiem Zugang zu Verhütungsmitteln ist real – und die positive Wirkung solcher Angebote auf Gesundheit, Gleichstellung und soziale Gerechtigkeit ist unbestreitbar.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung und die Bundesministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, den bundesweiten Zugang zu kostenlosen Verhütungsmitteln, inklusiver sexueller Bildung und niederschwelliger Verhütungsberatung, unmittelbar vorzubereiten und spätestens bis Ende 2025 gesetzlich umzusetzen.“
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gleichbehandlungsausschuss vorgeschlagen.
[1] Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women) wurde am 18. Dezember 1979 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen. Österreich hat die Konvention im Jahr 1980 unterzeichnet, 1982 ratifiziert und sich verpflichtet, alle 4 Jahre schriftlich über die Fortschritte bei der Umsetzung der Konvention zu berichten.
[2] Gaiswinkler, Sylvia; Antosik, Jennifer; Pfabigan, Johanna; Pilwarsch, Johanna (2024): Verhütungsbericht 2024. Bedarf und Versorgung mit Verhütungsmitteln in Österreich. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK), Wien. S.10.
[3] Vgl. EPF: „8th edition of the EPF European Contraception Policy Atlas“, 2025. https://www.epfweb.org/sites/default/files/2025-02/CCInfoEU_A3_EN_2025_FEB14%20BIS_0.pdf
[4] Gaiswinkler, Sylvia; Antosik, Jennifer; Pfabigan, Johanna; Pilwarsch, Johanna (2024): Verhütungsbericht 2024. Bedarf und Versorgung mit Verhütungsmitteln in Österreich. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK), Wien. S.10.
[5] Ebenda. S. 72.
[6] Vgl. https://www.gesundheit.gv.at/news/aktuelles/aktuell-2025/anstieg-geschlechtskrankheiten.html
[7] Vgl. Franka Frei: „Überfällig. Warum Verhütung auch Männersache ist“, 2023.