370/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 09.07.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

des Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak

und weiterer Abgeordneter

betreffend Telemedizin ist kein Ersatz für Versorgung vor Ort!

 

 

Die Bundesregierung plant, die Gesundheitsnummer 1450 zu einem zentralen Steuerungsinstrument im österreichischen Gesundheitssystem auszubauen, einschließlich telemedizinischer Erstberatung und digitaler Terminvergabe. Ziel ist es, Patienten effizient zu leiten und insbesondere Spitalsambulanzen zu entlasten. Dieses Vorhaben birgt jedoch erhebliche Herausforderungen im Hinblick auf die medizinische Versorgungssicherheit, die freie Arztwahl und die notwendige Transparenz gegenüber der Bevölkerung. Die Tageszeitung „Die Presse“ hat dazu am 24.06.2025 folgenden Artikel veröffentlicht:

 

„Hotline 1450: Die wichtigsten offenen Fragen

Die Gesundheitsnummer, die in der Pandemie Berühmtheit erlangte, soll österreichweit einheitlich werden und die Patienten – auch mit Terminvergaben – durch das Gesundheitssystem navigieren. Ein sehr ambitioniertes Ziel.

 

Wien. In der Pandemie wurde sie schlagartig bekannt, künftig soll sie zur zentralen Anlaufstelle für Gesundheitsfragen aller Art werden – die Hotline 1450. Die Regierung will sie österreichweit vereinheitlichen und ‚zu einem Gesundheits-Navi‘ ausbauen. ‚Wer bei 1450 anruft, soll eine gute Erstberatung und auch gleich einen Termin an der richtigen Stelle im Gesundheitssystem bekommen. Oder soll zu einem tele-medizinischen Angebot weiterverbunden werden‘, sagte Gesundheitsstaatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) vergangene Woche zur ‚Presse‘. Bis spätestens Ende nächsten Jahres soll es so weit sein.

 

Die Weiterentwicklung der Nummer 1450, um die Patientenströme effizient zu lenken und letztlich Spitalsambulanzen zu entlasten, ist eine langjährige Forderung von Gesundheitsexperten und wird beispielsweise auch von der Ärztekammer begrüßt. Allerdings sind noch zahlreiche Fragen offen – insbesondere drei, sie betreffen die wesentlichen Versprechen der Regierung: Wie genau erfolgt die Gesundheits-beratung? Wie funktioniert die Terminvergabe? Wer bietet die Telemedizin an?

 

Zur ersten Frage: Das Konzept des Gesundheitsministeriums sieht vor, dass Anrufer nach einem automatisierten Verfahren zunächst befragt und anschließend beraten werden. Diese Beratung soll von einer sofortigen Verbindung zu einem Mediziner (Telemedizin) bis hin zur Empfehlung reichen, sich zu Hause auszukurieren – ohne weitere Inanspruchnahme einer Ordination oder eines Spitals. Ob das anhand eines vorgegebenen Fragebogens möglich (im Sinne von effizient und qualitativ hochwertig) ist, wird von vielen Ärzten bezweifelt. Schließlich müsste dieser Fragebogen alle Altersgruppen, Erkrankungen und Verletzungen umfassen, was kaum realistisch ist und zur Folge haben wird, dass die sogenannten Calltaker auch nach eigenem Ermessen Entscheidungen treffen müssen. Was wiederum nur dann denkbar ist, wenn sie ausreichend geschult sind. Wie und in welchem Umfang diese Schulung erfolgen soll, ist noch unklar. Wie groß die Herausforderung dabei ist, sieht man beispielsweise daran, dass Eltern, die für ihre kranken Kinder bei 1450 anrufen, fast immer geraten wird, einen Kinderarzt aufzusuchen. Weswegen viele nicht mehr anrufen, sondern direkt in eine Ordination oder ein Spital gehen.

 

Unattraktive Termine?

Gänzlich ungeklärt ist auch die Frage der Terminvergabe. Der Regierung zufolge soll Anrufern bei Bedarf ein Termin bei niedergelassenen Fachärzten ebenso angeboten werden wie in Fachambulanzen in Spitälern. Dazu müssten die Ordinationen und Spitäler laufend freie Termine an 1450 übermitteln. Die Sorge von Patientenvertretern lautet nun, dass es sich bei diesen Kontingenten um unattraktive, weil späte Termine handelt, da die Ordinationen und Spitäler die attraktiven früheren Termine lieber selbst vergeben – nach eigenen fachlichen Kriterien und um ihre Stammpatienten zu bevorzugen. Auch aus organisatorischen Gründen ist es einfacher, Termine, auf deren Vergabe man keinen Einfluss hat, später anzubieten.

 

Diese Sorge ist jedenfalls durchaus berechtigt, was beispielsweise an der sogenannten Transparenzpflicht für OP-Wartezeiten und auch bei den Wartezeiten auf Termine für MRTs zu sehen ist. Die Wartezeiten auf OP-Termine sind nämlich alles andere als transparent, weil die Spitäler großen Spielraum bei der Vergabe haben. Die Wartezeiten auf MRT-Termine wiederum sind alles andere als aktuell, weil sie von den Diagnoseinstituten nicht täglich angegeben werden müssen, weswegen die auf den Websites veröffentlichten Wartezeiten praktisch nie stimmen.

 

Bleibt die dritte, vielleicht sensibelste Frage – wer bietet eigentlich die Telemedizin an? Der Idee nach sollen die Anrufer bei 1450 zu einem Arzt verbunden werden, wenn die Calltaker das für notwendig erachten. Wer diese Ärzte sein werden, ist aber noch offen. Die Ärztekammer beispielsweise, die mit dem Ärztefunkdienst 141 für medizinische Ersteinschätzung und Hausbesuche bereits eine Gesundheits-Hotline betreibt, fürchtet „eine Verlagerung medizinischer Leistungen an kommerzielle Anbieter und Parallel-strukturen“. Hintergrund ist die Suche der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) nach (privaten) Anbietern von Telemedizin, ohne mit der Ärztekammer gesprochen zu haben. Die entsprechende Ausschreibung liegt der ‚Presse‘ vor.

 

Rezepte ausstellen?

Tatsächlich ist nicht nur ungeklärt, von welchen Ärzten ein telemedizinisches Angebot besetzt werden soll, sondern auch, welche Kompetenzen sie haben werden. Dürfen sie beispielsweise elektronische Rezepte ausstellen, Hausbesuche veranlassen und Untersuchungen wie etwa Röntgen, Blutabnahmen und MRTs in Auftrag geben? Werden es Fachärzte für alle allgemeinmedizinischen oder nur Ärzte aus anderen Fachgruppen? Wird es für Babys und Kinder ein eigenes Angebot geben, etwa eine eigene Nummer (im Gespräch war zuletzt die Nummer 1451)?

 

Fragen, ohne deren Klärung die beabsichtigte Aufwertung von 1450 nicht möglich sein wird. Schon gar nicht bis Ende 2026.“[1]

 

Besonders hervorzuheben ist, dass telemedizinische Angebote lediglich subsidiär zur wohnortnahen medizinischen Versorgung verstanden werden dürfen – nicht als Ersatz. Zudem darf eine zentrale Terminvergabe nicht zu Einschränkungen der freien Arztwahl führen, wie sie verfassungsrechtlich garantiert ist. Auch die Richtlinien der Zuteilung von Terminen durch 1450 müssen öffentlich bekannt und nachvollziehbar sein, um Willkür und Intransparenz vorzubeugen.

 

Darüber hinaus besteht seit Jahren dringender Handlungsbedarf in Bezug auf die Transparenz von Wartezeiten bei wichtigen medizinischen Leistungen (z. B. Facharzt-termine, bildgebende Diagnostik wie MRT/CT). Eine öffentliche und regelmäßig aktualisierte Übersicht in Form eines Wartezeitenregisters mit einem digitalen Dashboard würde nicht nur zur Steuerung und Verteilung von Ressourcen beitragen, sondern auch den Patienten eine informierte Planung ermöglichen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, im Sinne der Sicherstellung der wohnortnahmen Gesundheitsversorgung umgehend folgende Maßnahmen zu ergreifen:

·         Sicherstellung, dass telemedizinische Angebote im Rahmen von 1450 ausschließlich subsidiär zur wohnortnahen Versorgung genutzt werden, und nicht zu deren Ersatz führen;

·         Garantie, dass die freie Arztwahl bei der digitalen Terminvergabe über 1450 nicht eingeschränkt wird, und alle Zuweisungsoptionen für Patienten transparent dargestellt werden;

·         Sicherstellung, dass die Kriterien und Richtlinien für die Zuteilung von Terminen durch die Hotline 1450 öffentlich zugänglich gemacht werden;

·         Entwicklung und Bereitstellung eines öffentlich einsehbaren Wartezeiten-registers für wesentliche medizinische Leistungen (z. B. Facharzttermine, radiologische Untersuchungen) als benutzerfreundliches Dashboard, das regelmäßig aktualisiert wird und regionale Unterschiede ausweist, um Transparenz, Vergleichbarkeit und Planbarkeit zu fördern.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Gesundheitsausschuss zuzuweisen.



[1]   https://www.diepresse.com/19821215/hotline-1450-die-wichtigsten-offenen-fragen