373/A(E) XXVIII. GP
Eingebracht am 10.07.2025
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Entschließungsantrag
DRINGLICHER ANTRAG
der Abgeordneten Leonore Gewessler, Alma Zadić, Agnes-Sirkka Prammer, Freundinnen und Freunde
betreffend Freiheit von Waffen jetzt!
BEGRÜNDUNG
Österreich steht immer noch unter Schock. Der Massenmord an einer Schule in Graz am 10. Juni 2025 hat unser ganzes Land erschüttert. Junge Menschen, Schüler:innen und eine Lehrerin wurden aus dem Leben gerissen, ihre Familien und Freund:innen traumatisiert. Nach und nach müssen sie die furchtbaren Ereignisse verarbeiten. Manche von ihnen schildern in Medien das Schicksal der ermordeten Kinder, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Ganz Österreich trauert mit den Angehörigen.
Und trotz der Unfassbarkeit dieser schrecklichen Tat, handelt es sich leider um keinen Einzelfall.
Immer wieder müssen wir in Zeitungen von Angriffen mit Schusswaffen lesen. Erst letzte Woche hat ein Mann mit einer legalen Waffe auf eine Straßenbahn in Wien geschossen – glücklicherweise ohne Verletzte. Vielen ist noch die tagelange Fahndung nach einem Doppelmörder in Oberösterreich in Erinnerung, der im Oktober 2024 unter anderem einen Bürgermeister erschoss. Und leider viel zu oft lesen wir Berichte von häuslicher Gewalt bis hin zu Femiziden, bei denen Schusswaffen zum Einsatz kommen.
Kein Wunder, dass viele Menschen Angst bekommen und zunehmend um ihre Sicherheit besorgt sind.
Anders als bei internationalen militärischen Krisen und bewaffneten Konflikten, auf die wir in Österreich realistisch betrachtet nur wenig Einfluss haben, gibt es wirksame Maßnahmen gegen die Gefahr, die von Schusswaffen ausgeht. Und wenn sich vergangene Gräueltaten wie jene in Graz damit auch nicht wieder gut machen lassen, dann müssen wir umso mehr alles daran setzen, mehr Sicherheit für die Zukunft zu erreichen.
Es überrascht daher nicht, dass nach tragischen Gewalttaten mit Schusswaffen darüber diskutiert wird, das Waffenrecht zu verschärfen. Dafür gibt es gute Gründe, denn zu viele Lücken im Gesetz ermöglichen immer noch, dass Waffen zu leicht und oft für gefährliche Personen zugänglich sind.
Während der Regierungszeit der Koalition von ÖVP und Grünen konnten bereits Verschärfungen im Waffenrecht erreicht werden:
• Ergänzung der Strafdelikte und Verwaltungsübertretungen, die eine Verlässlichkeit der Person ausschließen (insb. iZm Terrordelikten)
• Ausdrückliche Aufnahme von bestimmten Verurteilungen nach dem StGB, die eine Erlassung eines Waffenverbotes zwingend erfordern (insb. iZm Terrordelikten)
• Überprüfung bei Neuausstellung einer Waffenbesitzkarte, ob über die oder den Betroffenen staatschutzpolizeiliche Vormerkungen vorliegen (Abgleich mit Extremismusdatenbank der DSN)
• Aufnahme einer Regelung, wonach bei Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots gemäß § 38a SPG auch ein vorläufiges Waffenverbot gilt
Die Grünen fordern darüber hinaus bereits seit mehr als 20 Jahren, das Prinzip des Waffenbesitzes umzukehren: Bisher war das Verbot für den Waffenbesitz die Ausnahme. In Zukunft soll der Waffenbesitz die Ausnahme sein. So könnten wir dem Ziel, die Zahl der Schusswaffen und damit auch die Zahl der damit verübten Verbrechen zu reduzieren, deutlich näher kommen.
Laut einer Umfrage von Unique Research vom 18. Juni 2025 unterstützen drei Viertel der Bevölkerung, dass Private keine Schusswaffen mehr kaufen können.[1] Eine Petition auf der Seite aufstehn.at mit dem Titel „Privates Waffenverbot jetzt!“ unterschrieben bereits fast 100.000 Menschen.
Die Ankündigung der Bundesregierung nach dem Massenmord von Graz, endlich ein Paket mit Verschärfungen des Waffenrechts erarbeiten zu wollen, war daher dringend notwendig.
Die Präsentation im Ministerrat vom 18.6.2025 war leider bereits deutlich weniger ambitioniert. Sie enthielt zwar begrüßenswerte Punkte wie etwa eine zeitliche Beschränkung der Gültigkeit von Waffenbesitzkarten und eine Abkühlphase von vier Wochen beim Kauf von Schusswaffen. Nach wie vor blieben aber große Lücken bei der psychologischen Verlässlichkeitsprüfung, von der große Bevölkerungsgruppen und Waffenkategorien generell ausgenommen sind. Völlig ungelöst bleibt danach das Problem ca. einer Million Kategorie C Waffen, die bisher ohne Prüfung zugänglich waren und sind.
Und seither ist von der Bundesregierung dazu gar nichts mehr gekommen: Nach wie vor hat die Bundesregierung nicht einmal einen Begutachtungsentwurf auf den Weg geschickt. Der Sommer steht bevor – und es ist daher zu befürchten, dass wie so oft die guten Absichten mit der Zeit verblassen und letztlich wenig bis nichts mehr übrig bleiben wird.
Doch das darf nicht geschehen! Es muss jetzt dringend ein Schlussstrich gezogen werden. Unsere Gesellschaft verdient endlich Freiheit von Waffen. Die Zeit zum Handeln ist jetzt, und nicht irgendwann!
Denn die Fakten sind eindeutig:
Österreichs Waffengesetz zählt zu den liberalsten in Europa. Der Anteil legaler Schusswaffen bei Tötungsdelikten hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen.
Studien zeigen, dass der Einsatz von Schusswaffen das Risiko eines tödlichen Ausgangs erheblich erhöht: 2021 gab die türkis-grüne Bundesregierung eine Studie in Auftrag, die Frauenmorde in Österreich erstmals qualitativ untersuchte. Sie hat gezeigt, dass der Einsatz von Schusswaffen in etwa 62 % der Fälle zum Tod der Frau führte – „der Einsatz einer Schusswaffe die Wahrscheinlichkeit, dass die Tat tödlich endet, [also] enorm“ erhöht.[2] Noch dazu stieg die Zahl der mit legalen Schusswaffen verübten (versuchten) Morde in den letzten Jahren drastisch an: 2010-2016 war nur rund jede vierte bei (versuchten) Morden verwendete Schusswaffe legal, 2017-2020 lag dieser Anteil hingegen bereits bei 46,6 Prozent.[3] Neben dem Mörder von Graz ist auch der brutale Femizid in Maria Alm vom 3. Mai 2025[4] ein weiteres trauriges Beispiel dieser besorgniserregenden Entwicklung: Eine 34-jährige Frau wurde mutmaßlich von ihrem 32-jährigen Ex-Partner mit einer legal registrierten Schusswaffe erschossen. Laut derzeitigem Informationsstand hatte sie ihn im Vorjahr wegen gefährlicher Drohung angezeigt. Die Anzeige blieb ohne Konsequenzen, die Behörden stellten dem Täter Wochen später hingegen eine Waffenbesitzkarte aus.
Im Zusammenspiel mit dem allgemein zu beobachtenden Kaufanstieg von Schusswaffen in Österreich – auf rund 1,5 Mio. registrierungspflichte Waffen, ein Anstieg um fast 70 % in zehn Jahren – und einer der weltweit höchsten Schusswaffendichten[5] ergibt sich ein dramatisches Bild.
Eine weitere alarmierende Tatsache aus der Studie: Fast jeder zweite Gewalttäter gegen Frauen hat eine psychische Erkrankung (46,9%).[6] Auch der Täter von Graz hatte die waffenrechtliche Verlässlichkeitsprüfung samt psychologischem Gutachten bestanden, obwohl er erst geringe Zeit davor im Rahmen der Stellung beim Bundesheer aus psychologischen Bedenken für untauglich befunden wurde.
Darüber hinaus ist eine Verlässlichkeitsprüfung samt psychologischer Begutachtung nur für Waffen der Kategorie B vorgesehen – somit nur für ein Drittel der im Umlauf befindlichen Schusswaffen. Jäger:innen mit gültiger Jagdkarte sind davon ebenso ausgenommen – das sind ca. 130.000 Personen von insgesamt ca. 370.000 Waffenbesitzer:innen in Österreich.
Die Politik muss jetzt den Mut haben, auch die ganz grundsätzliche Frage zu stellen: Wozu braucht eine Privatperson überhaupt eine oder gar mehrere Waffen?
Was ist jetzt zu tun?
Wir brauchen eine Neuausrichtung - von einer Gesellschaft, die Waffen als Normalität akzeptiert, hin zu einer Gesellschaft, die auf eine Freiheit von Waffen hinarbeitet. Waffenbesitz durch Privatpersonen darf nicht mehr die Regel sein, sondern muss auf streng definierte Ausnahmen, etwa für Jäger:innen oder Sportschütz:innen, beschränkt werden.
Dazu gehört auch, dass die zahlreichen illegalen Schusswaffen, die es in Österreich gibt, aus dem Verkehr gezogen werden. Viele Länder bekämpfen dieses Problem mit Amnestieprogrammen: werden illegale Waffen freiwillig abgegeben, kommt es zu keiner Anzeige. Solche Programme waren etwa in Serbien, Neuseeland oder Großbritannien sehr erfolgreich und auch Österreich sollte ein solches Programm einführen.
Weiters gibt es akuten Nachbesserungsbedarf bei der waffenrechtlichen Verlässlichkeitsprüfung: Die einmalige psychologische Prüfung bei Ausstellung der Waffenbesitzkarte ist im Sinne einer wirksamen Gewaltprävention schlicht nicht ausreichend – die psychische Fitness von Waffenbesitzer:innen muss zumindest alle fünf Jahre (zusammen mit der Waffenbesitzkarte) kontrolliert werden, um mögliche Risikofaktoren frühzeitig erkennen zu können. Das psychologische Gutachten muss dringend auf Waffen der Kategorie C ausgeweitet und die Genauigkeit und Aktualität der Testverfahren verbessert werden. Darüber hinaus ist die Ausnahme von der Verlässlichkeitsprüfung zum Erwerb von Kategorie B-Waffen für Besitzer:innen von Jagdkarten nicht gerechtfertigt, da das Jagdrecht in den Bundesländern zwar (zumeist) die psychische Gesundheit der Jäger:innen verlangt, diese aber nicht standardmäßig unter Beiziehung von Sachverständigen und damit unzureichend überprüft.
Gleichzeitig müssen in Fällen häuslicher Gewalt oder psychischer Auffälligkeit rasch und wirksam Maßnahmen ergriffen werden, um den Zugang zu Waffen zu unterbinden und dadurch das Risiko für Gewalttaten zu minimieren. Um Risikokonstellationen frühzeitig zu erkennen und wirksam zu handeln, ist zudem sicherzustellen, dass Informationen über behördliche Maßnahmen wie Annäherungs- und Betretungsverbote oder andere relevante Vorfälle im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt verlässlich und zeitnah an alle relevanten Stellen übermittelt und dokumentiert werden. Ebenso soll zeitnah evaluiert werden, an welchen Stellen wichtiger Datenaustausch zwischen Behörden und Einrichtungen bisher unterbleibt, weil die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür nicht gegeben sind. Ergänzend dazu sind Maßnahmen zu erarbeiten, die es ermöglichen, auch bereits legal im Besitz befindliche Waffen im Falle einer akuten Gefährdungslage rasch und rechtssicher zu entziehen – sei es temporär oder dauerhaft. Bei Annäherungs- und Betretungsverboten nach § 38a SPG sind dauerhafte Waffenverbote zu verhängen.
Schließlich sind auch bei der Waffenverwahrung strenge gesetzliche Vorgaben zu setzen, so dass etwa Munition und Waffen getrennt versperrt verwahrt müssen, oder dass Schusswaffen zu Vereinszwecken (zB Sportschütz:innen oder Kulturverbände) in gesonderten Räumlichkeiten und nicht zu Hause bei den Mitgliedern aufzubewahren sind.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend einen Gesetzesvorschlag zu übermitteln, der bestehende Lücken im Waffenrecht schließt, indem insbesondere privater Waffenbesitz nur in abschließend gesetzlich definierten Ausnahmefällen zugelassen wird, die psychologische Verlässlichkeitsprüfung verbessert und auf Kategorie C-Waffen und Inhaber:innen von Jagdkarten ausgedehnt wird sowie alle 5 Jahre wiederholt werden muss, Maßnahmen zur anonymen Rückgabe von Schusswaffen geschaffen werden und bestehende Lücken beim Datenaustausch zwischen Behörden zur Verbesserung des Gewaltschutzes geschlossen werden.“
In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 74a iVm
§ 93 Abs. 2 GOG verlangt.
[1]https://www.unique-research.at/post/heute-umfrage-verbot-schusswaffenkauf-f%C3%BCr-
privatpersonen
[2] Haller, Eberhardt, Temel: Untersuchung Frauenmorde – eine quantitative und qualitative Analyse (2023), S. 11.
[3] Ebenda, S. 12.
[4] Femizid in Maria Alm: Anzeigen im Vorfeld - salzburg.ORF.at
[5] https://kurier.at/chronik/oesterreich/schusswaffen-anstieg-waffenkaeufe-liberale-gesetze-exporte/403027190
[6] Haller, Eberhardt, Temel: Untersuchung Frauenmorde – eine quantitative und qualitative Analyse (2023), S. 82.