390/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 10.07.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Peter Wurm, Dr. Martin Graf

und weiterer Abgeordneter

betreffend Intensivierung der Beziehungen und Einrichtung einer Strategischen Partnerschaft mit Brasilien

 

 

Die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Brasilien sind historisch tief verankert und vielfältig. Eine wesentliche Rolle im Unabhängigkeitsprozess Brasiliens spielte die österreichische Prinzessin Maria Leopoldine, die Tochter von Kaiser Franz II. (I.) und Gattin des ersten Kaisers Brasiliens, Pedro I., den sie 1817 geheiratet hatte. Dona Leopoldina, wie sie in Brasilien heißt, ist dort nach wie vor populär: So zeigte das Kunstmuseum Rio de Janeiro (MAR) 2016 und 2017 eine Ausstellung unter dem Titel „Leopoldine, Prinzessin der Unabhängigkeit, der Künste und der Wissen-schaften“.[1] Eine der berühmtesten Samba Schulen dieser Stadt trägt ihren Namen.

 

In den 1820er Jahren war Brasilien auch eines der wichtigsten Zielländer der österreichischen Auswanderung. 1825 wanderten 30 Prozent aller österreichischen Auswanderer nach Brasilien aus, vor allem zehntausende Frauen und Männer aus Tirol und Vorarlberg.

 

Vereinzelt wurden so ganze Tiroler Gemeinden gegründet, die bekannteste in Brasilien heißt „Dreizehnlinden“, auf Portugiesisch Treze Tílias, die 1933 gegründet wurde.[2] Ein berühmter Auswanderer war Stefan Zweig, dessen 83. Todestag heuer begangen wird. 1942 erhielt er am Friedhof von Petrópolis bei Rio de Janeiro ein Staats-begräbnis. Das Haus, das er mit seiner Gattin Lotte dort bezog, ist heute eine Gedenk-stätte. Die „Casa Stefan Zweig“ ist auch eine Gedenkstätte des Exils für andere Künstler, Intellektuelle, Wissenschaftler und andere Europäer, die während des Faschismus in Brasilien Zuflucht suchten und hier ihren Beitrag zu dessen Kultur, Kunst und Wissenschaft leisteten. [3] In der Stadt Curitiba besteht eine Bibliothek mit österreichischer Literatur und in Porto Alegre, wo ein Stadtteil den Namen „Jardim Dona Leopoldina“ trägt, ein Österreich-Informationszentrum[4].

 

Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Kolonisten nach der brasilianischen Kriegserklärung an Deutschland enteignet, erhielten ihr Land jedoch nach dem Krieg zurück. Heute wird in der Gemeinde Treze Tílias unter der Marke „Tirol Milch“ eine der größten Molkereien des Landes betrieben. Mit gegenseitigen Besuchen und vielen persönlichen Kontakten pflegt auch die Gemeinde Wildschönau eine seit über 20 Jahren bestehende offizielle Partnerschaft mit Dreizehnlinden. Vor allem über die Familien der damaligen Auswanderer gibt es einen sehr regen Austausch.

 

Basierend auf aktuellen Schätzungen, die auf den freiwilligen Registrierungen bei österreichischen Vertretungsbehörden beruhen, leben derzeit 12.500 Österreicher-innen und Österreicher in Brasilien.[5] Die österreichisch-brasilianische Community schätzt, dass etwa 12.000 Brasilianerinnen und Brasilianer in Österreich leben.[6]

 

Neben Mexiko hat Österreich mit keinem anderen lateinamerikanischen Land engere historische Verbindungen als mit Brasilien. Infolge der Vermählung Maria Leopoldines von Österreich unternahm der österreichische Naturforscher Johann Natterer 1817 eine österreichische Brasilien-Expedition. Durch diese und zahlreiche bis heute durchgeführte Expeditionen befindet sich in den Beständen des Naturhistorischen Museums in Wien eine große Anzahl von bedeutenden naturwissenschaftlichen Objekten und Zeichnungen. Daher besteht nach wie vor eine enge Verbindung zwischen dem Naturhistorischen Museum und Brasilien, sodass am 10. August 2021 die Generaldirektorin und wissenschaftliche Geschäftsführerin des Museums, Dr. Kathrin Voland, und der brasilianische Wissenschaftsminister Marcos Cesar Pontes ein Memorandum of Understanding zur Intensivierung der wissenschaftlichen Kooperation unterzeichneten.[7] Am 7. Juli 2020 genehmigte der Nationalrat einstimmig ein Abkommen mit der Föderativen Republik Brasilien über wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit.[8]

 

Am 15. Dezember 2022 wurde anlässlich des „200-jährigen Jubiläums der Unab-hängigkeit Brasiliens“ eine Entschließung vom Nationalrat einstimmig beschlossen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird ersucht, die bilateralen Beziehungen Österreichs weiter zu fördern und zu vertiefen, insbesondere um den politischen und kulturellen Austausch, die wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammen-arbeit sowie den Jugendaustausch entsprechend bestehender Potentiale zu unterstützen;

 

Des Weiteren wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten ersucht, sich mit den EU Partnern gegenüber bzw. gemeinsam mit der brasilianischen Regierung wie bisher für eine Verbesserung der derzeitigen Lage der Menschen- und Grundrechte und des Umwelt- und Klimaschutzes in Brasilien einzusetzen.“[9]

 

Nun wäre es an der Zeit, einen Schritt weiterzugehen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten, wird aufgefordert:

·         einen mit € 50.000.- dotierten „Dona Leopoldina Preis für die Förderung der österreichisch-brasilianischen Freundschaft“ für wissenschaftliche oder kulturelle Projekte auszuschreiben und hierfür Bewerbungskriterien festzulegen;

·         sich um die Verhandlung und den Abschluss eines Strategischen Partnerschaftsabkommens zur Intensivierung der Beziehungen Österreichs mit Brasilien zu bemühen, insbesondere um den politischen und kulturellen Austausch zu gewährleisten, die wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit zu fördern, sowie den Jugendaustausch zu unterstützen;

·         die Einrichtung eines Österreichischen Kulturforums in Brasilien – zum Beispiel in São Paolo - zu prüfen und dem Nationalrat über das Ergebnis dieser Prüfung zu berichten.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Außenpolitischen Ausschuss zuzuweisen.



[1]   Museu de Arte do Rio „Leopoldina, princesa da Independência, das artes e das ciências“

https://museudeartedorio.org.br/programacao/leopoldina-princesa-da-independencia-das-artes-e-das-ciencias/

[2]   https://www.trezetilias.com.br/

[3]   https://stefan-zweig.com/stefan-zweig-hausmuseum-petropolis/

[4]   https://www.oesterreich-bibliotheken.at/die-bibliotheken/oesterreichische-bibliotheken-bibliotheken-mit-oesterreich-bezug/brasilien-porto-alegre

[5]   https://www.statistik.at/fileadmin/pages/437/0013_24_33.05-web.pdf

[6]   https://isje.at

[7]   https://www.nhm.at/presse/naturhistorisches_museum_wien_und_brasilianisches_ wissenschaftsministerium_unterzeichnen_memorandum_of_understanding_zur_staerkung_der_wissenschaftlichen_kooperation

[8]   https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/I/119

[9]   https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/E/297/fnameorig_1490955.html