395/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 11.07.2025
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, MMag. Pia Maria Wieninger und Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

 

betreffend die Verurteilung systematischer Menschenrechtsverletzungen in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine und des unmenschlichen Umgangs mit Kriegsgefangenen

 

Seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg und der völkerrechtswidrigen Besetzung ukrainischer Gebiete durch Streitkräfte der Russischen Föderation kommt es zu systematischen Menschenrechtsverletzungen,[1] insbesondere in den besetzten Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja, Cherson und auf der Krim. Diese wurden von den Vereinten Nationen und anderen Organisationen umfassend dokumentiert.

 

Diesen Berichten zufolge werden ukrainische Kriegsgefangene und Zivilhäftlinge durch russische Kräfte außergerichtlichen Hinrichtungen, verbreiteter und systematischer Folter sowie grausamer und erniedrigender Behandlung ausgesetzt – Handlungen, die den Tatbestand von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllen.[2] Die UN-Menschenrechtsbeobachtungsmission in der Ukraine (HRMMU) hat bis Februar 2025 die Hinrichtung von mindestens 79 ukrainischen Kriegsgefangenen durch russische Kräfte bestätigt und den Tod von weiteren 21 Gefangenen infolge der katastrophalen Haftbedingungen dokumentiert.[3] Zudem wurden von russischer Seite 501 sterbliche Überreste ukrainischer Gefallener übergeben, was den Verdacht auf systematische Verstöße gegen Menschenrechte und das Völkerrecht erhärtet.[4]

 

Ein aktueller Bericht des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) dokumentiert ebenfalls dass Folter und Misshandlung ukrainischer Kriegsgefangener durch russische Stellen sowohl weit verbreitet als auch systematisch vorkommen. Nahezu alle von der OSZE befragten ehemaligen Gefangenen berichteten von schwerer körperlicher Gewalt während ihrer gesamten Haft, was ein durchgängiges Muster extremer Brutalität erkennen lässt. Die Gefangenen wurden dabei in einem Netz von offiziellen wie inoffiziellen Haftorten sowohl in den besetzten Gebieten der Ukraine als auch auf russischem Staatsgebiet festgehalten.[5] Zusätzlich wird den Gefangenen der Zugang zu unabhängiger Hilfe verweigert: So erhalten Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) vielfach keinen Zutritt zu den russischen Gefangenenlagern.[6]

 

Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat in ihrer Resolution 2606 vom Juni 2025 („Supporting political negotiations to secure the exchange and release of prisoners of war“) umfassend dokumentiert, dass ukrainische Kriegsgefangene systematisch Folter, unmenschlicher Behandlung und Verletzungen ihrer Rechte nach der Dritten Genfer Konvention ausgesetzt sind. Es wurde festgestellt, dass diese Praktiken die Regeln des humanitären Völkerrechts verletzen- insbesondere die Dritte Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen bzgl. des Rechts auf humane Behandlung (Artikel 13), auf angemessene Haftbedingungen (Artikel 22, 25, 29), auf ausreichende Ernährung (Artikel 26), auf anfängliche medizinische Untersuchung und auf angemessene medizinische Versorgung (Artikel 15, 20, 30, 31, 46), dass Familienangehörige über den Zustand und die Gefangennahme der Kriegsgefangenen informiert werden, sowie das Recht, Informationen zu erhalten (Artikel 48, 69, 70). Russland ignoriert diese Pflichten: Weder werden offizielle Kriegsgefangenenlager und Durchgangslager eingerichtet, noch wird eine ausreichende Versorgung der Gefangenen mit Nahrung, sauberem Wasser und medizinischer Betreuung sichergestellt oder der regelmäßige Kontakt mit ihren Familien ermöglicht.

 

Ein besonders gravierender Fall ist jener Maksym Butkewytschens, Journalist und einer der bekanntesten Menschenrechtsaktivisten der Ukraine. Nachdem er in der besetzten Region Luhansk im Juni 2022 im Kampf von russischen Streitkräften gefangen genommen worden war, wurde er zu 13 Jahren Lagerhaft verurteilt und verbrachte über zwei Jahre in russischer Gefangenschaft, bevor er im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freikam. Während seiner Haft wurde er gefoltert und gezwungen, ein Geständnis zu unterschreiben.[7]

 

Durch internationale Vermittlung und im Zuge direkter Gespräche zwischen der Ukraine und Russland in Istanbul kam es zum Austausch von Kriegsgefangenen, der fortgesetzt werden soll.

 

Österreich hat bisher bilateral über 334 Millionen Euro an staatlicher, inkl. humanitärer Hilfe, für die Ukraine und ihre besonders betroffenen Nachbarstaaten bereitgestellt und wird diese Unterstützung auch weiter fortsetzen.  

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

E N T S C H L I E S S U N G S A N T R A G

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten, wird aufgefordert,

  1. sich weiterhin für einen Waffenstillstand und einen umfassenden, gerechten und nachhaltigen Frieden in der Ukraine einzusetzen und Verhandlungen für den weiteren Austausch und die Freilassung von Kriegsgefangenen zu unterstützen;
  2. weiterhin auf internationaler Ebene – im Besonderen bei den Vereinten Nationen, der OSZE und dem Europarat – entschieden die begangenen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, insbesondere erzwungenes Verschwindenlassen und die Anwendung von Folter, in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine zu verurteilen;
  3. alle diplomatischen und völkerrechtlichen Mittel zu nutzen, um eine lückenlose Dokumentation sowie die strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen zu unterstützen, sowie die Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof in diesem Zusammenhang zu intensivieren;
  4. gemeinsam mit internationalen Partnern sich dafür einzusetzen, dass unabhängige Beobachtung, insbesondere das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, Zugang zu den besetzten Gebieten erhält;
  5. Programme zur Unterstützung von Opfern dieser Menschenrechtsverletzungen zu unterstützen;
  6. sich im Verbund mit der EU dafür einzusetzen, dass Personen und Institutionen, die für Kriegsverbrechen und schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden.

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Menschenrechte und Volksanwaltschaft



[1] Urteil des EGMR vom 9.7.2025 im Fall Ukraine und Niederlande gegen Russland (N° 8019/16, 43800/14, 28525/20 and 11055/22).

[2] Parliamentary Assembly Council of Europe (2025). Resolution 2606 (2025) https://pace.coe.int/en/files/34488/html?__cf_chl_tk=XqZuulvyiRt.eWiF1AW7VzwutruWtwKxbuNYK3alOSY-1751441862-1.0.1.1-XxkMnqufjtS9zTBqFs9VkHFPbola6c2fiosmTbVx0xY

[3]OHCHR (2025) Report on the human rights situation in Ukraine https://ukraine.ohchr.org/sites/default/files/2025-01/2024-12-31%20OHCHR%2041st%20periodic%20report%20on%20Ukraine.pdf (aufgerufen am 2.7.2025)

[4] Clasen, Bernhard (2024): „Freiheit aus russischer Lagerhaft“, Taz, online unter: https://taz.de/ Gefangenenaustausch-im-Ukraine-Krieg/!6043739/ (aufgerufen am 20.3.2025).

[5] ODIHR. (2024). Sixth Interim Report on reported violations of international humanitarian law and international human rights law in Ukraine. In Sixth Interim Report On Reported Violations Of International Humanitarian Law And International Human Rights Law in Ukraine. https://www.osce.org/files/f/documents/6/9/582835_0.pdf

[6] Parliamentary Assembly Council of Europe (2025). Resolution 2606 (2025) https://pace.coe.int/en/files/34488/html?__cf_chl_tk=XqZuulvyiRt.eWiF1AW7VzwutruWtwKxbuNYK3alOSY-1751441862-1.0.1.1-XxkMnqufjtS9zTBqFs9VkHFPbola6c2fiosmTbVx0xY

[7] Schocher, Stefan (2025): „Freigelassener ukrainischer Soldat: "Mordor existiert, und ich war dort" in Der Standard, online unter: https://www.derstandard.at/story/3000000252619/freigelassener-ukrainischer-soldat-mordor-existiert-und-ich-war-dort (aufgerufen am 21.3.2025); Amnesty International (2024), online unter: https://www.amnesty.at/ueber-amnesty/erfolge/russland-maksym-butkevych-freigelassen/ (aufgerufen am 21.3.2025).