42/A(E) XXVIII. GP
Eingebracht am 26.02.2025
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Parlamentarische Materialien
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Süleyman Zorba, Freundinnen und Freunde
betreffend Desinformation bekämpfen und Meinungsvielfalt sichern auf Social Media
BEGRÜNDUNG
Desinformation stellt eine zunehmende Bedrohung für den gesellschaftlichen Diskurs und die demokratische Meinungsbildung dar. Durch gezielte Manipulation werden falsche Tatsachenbehauptungen verbreitet, die zu gesellschaftlicher Spaltung, Unsicherheit und Radikalisierung führen können. Besonders problematisch ist dabei die Rolle sozialer Medien, deren algorithmische Empfehlungssysteme polarisierende Inhalte bevorzugen und so Desinformation aktiv begünstigen.
Gesetzliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Desinformation und zur Sicherung der Meinungsvielfalt werden immer wieder infrage gestellt. Dabei wird häufig behauptet, dass Regulierungen wie der Digital Services Act (DSA) eine Einschränkung der Meinungsfreiheit darstellten. Tatsächlich geschieht die eigentliche Zensur jedoch bereits durch die Plattformen selbst: Algorithmen filtern Inhalte vor, verstärken polarisierende Darstellungen und entziehen fundierten Informationen oft die notwendige Reichweite. Die Entscheidung darüber, welche Inhalte sichtbar sind und welche nicht, liegt damit in den Händen weniger internationaler Tech-Konzerne und kann gezielt zur Beeinflussung des gesellschaftlichen Diskurses genutzt werden.
Desinformation wird nicht nur von einzelnen politischen Akteuren ausgenutzt, sondern ist auch Teil hybrider Bedrohungsstrategien. Ein Beispiel dafür ist der Einfluss Russlands auf die rumänische Präsidentschaftswahl 2024: Eine massive Kampagne mit 66.000 Fake-Accounts und 10 Millionen gefälschten Followern beeinflusste das Wahlergebnis zugunsten eines zuvor kaum bekannten Nationalisten.[1] Zeitgleich fanden 85.000 Cyberangriffe statt.[2] Die Wahl muss jetzt wiederholt werden.[3] Dieses Beispiel zeigt, wie effektiv externe Akteure soziale Medien zur Manipulation demokratischer Prozesse nutzen können.
Auch die jüngsten Entscheidungen großer Plattformen, Faktenchecks und Inhaltsmoderation zunehmend abzubauen, verschärfen das Problem.[4] Ohne faktenbasierte Korrektive werden soziale Medien zunehmend zur Verbreitungsplattform für gezielte Falschinformationen, die demokratische Entscheidungsprozesse untergraben und das Vertrauen in Institutionen und demokratische Prozesse schwächen.
Um dieser Bedrohung entgegenzuwirken, sind entschlossene Maßnahmen erforderlich. Neben einer konsequenten Durchsetzung bestehender Gesetze, insbesondere des Digital Services Act, ist es essenziell, die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung gegen Desinformation zu stärken. Die Einführung des Unterrichtsfaches „Digitale Grundbildung“ ab der 5. Schulstufe war hier ein wichtiger erster Schritt.
Es gilt aber, der gesamten Bevölkerung das Rüstzeug zu geben, um Desinformation und Manipulation zu erkennen und die Funktionsweise von algorithmischen Empfehlungssystemen zu verstehen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Förderung von Medienkompetenz und digitaler Bildung, und zwar für alle Bürgerinnen und Bürger. Das beinhaltet:
· flächendeckende, geförderte Fortbildungen in Zusammenarbeit mit den Interessenverbänden, Kammern (Wirtschaftskammer, Landwirtschafts-kammer, Arbeiterkammer etc) und Berufsvertretungen freier Berufe zu den Risiken der digitalen Informationslandschaft (Desinformation, algorithmische Empfehlungssysteme, Phishing) und Medienkompetenz (Verifikation von Informationen);
· flächendeckende, geförderte Fortbildungen für Arbeitnehmer:innen zu den Risiken der digitalen Informationslandschaft und Medienkompetenz;
· verpflichtende AMS-Kurse zu den Risiken der digitalen Informationslandschaft und Medienkompetenz für Arbeitssuchende;
· Fortbildungen im Zusammenarbeit mit den Pensionistenverbänden und Ausbau der Digital-Überall-Workshops auf Gemeindeebene, um insbesondere auch ältere Bevölkerungsgruppen zu erreichen.
Zusätzlich braucht es eine stärkere Förderung unabhängiger Faktenchecker wie Correctiv, Mimikama oder den APA-Faktencheck. Eine Zertifizierung könnte hier Transparenz und Vertrauenswürdigkeit stärken.
Die Gefahr, die von unregulierter Desinformation ausgeht, ist real und akut. Es liegt in unserer Verantwortung, die Demokratie vor gezielter Manipulation und Meinungsmache zu schützen. Dies kann nur durch eine konsequente Umsetzung bestehender Gesetze, die Stärkung der Medienkompetenz und die Förderung vertrauenswürdiger Informationsquellen gelingen.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung und die zuständigen Bundesminister:innen werden aufgefordert,
· die österreichische Bevölkerung im wahlfähigen Alter auch außerhalb schulischer Bildungsangebote gegen Risiken der digitalen Informationslandschaft (Desinformation, algorithmische Empfehlungssysteme, Phishing etc) zu wappnen und Medienkompetenz (Verifikation von Informationen) zu fördern, insbesondere durch geförderte Fortbildungen für Selbständige, Arbeitgeber:innen, Arbeitnehmer:innen, Pensionist:innen, verpflichtende AMS-Kurse sowie durch den flächendeckenden Ausbau der Digital Überall Workshops auf Gemeindeebene,
· eine umfassende Arbeitsgruppe mit beruflichen Interessenvertretungen, Pensionistenverbänden, dem AMS sowie Bildungsinstituten einzurichten, in der konkrete und zeitnahe Fortbildungsangebote für alle Bevölkerungsgruppen erarbeitet werden,
· eine Zertifizierung sowie eine finanzielle Förderung für unabhängige Fakten-Checker-Dienste zu schaffen.“
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Digitalisierung vorgeschlagen.
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4sidentschaftswahl_in_Rum%C3%A4nien_2024
[2] https://www.zeit.de/politik/ausland/2024-12/eu-kommission-prueft-einfluss-tiktok-auf-wahlen
[3] https://www.presidency.ro/ro/media/comunicate-de-presa/comunicat-de-presa1733327193
[4] https://www.derstandard.at/story/3000000251957/mehr-boeses-zeug-zuckerberg-dreht-den-faktencheck-ab; https://www.diepresse.com/19234572/ende-von-faktenchecks-auf-facebook-zuckerbergs-kniefall-vor-trump; https://www.derstandard.at/story/3000000258183/insider-tiktok-entl228sst-inhalte-moderatoren