43/A(E) XXVIII. GP
Eingebracht am 26.02.2025
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Parlamentarische Materialien
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Süleyman Zorba, Freundinnen und Freunde
betreffend Radikalisierung und Terror durch Social Media beenden
BEGRÜNDUNG
Am 14. Februar 2025 verübte ein Messerangreifer in Villach einen tragischen Anschlag, bei dem ein 14-jähriger Jugendlicher getötet und fünf weitere Menschen verletzt wurden. Nur durch das mutige Eingreifen eines Essenszustellers konnte der Täter gestoppt werden.
· Der mutmaßliche Attentäter hatte sich über Social Media, insbesondere TikTok und Telegram, radikalisiert.
Am 19. Februar 2025 wurde bekannt, dass bereits am 10. Februar eine Hausdurchsuchung bei einem 14-Jährigen stattfand, der detaillierte Anschlagspläne für den Wiener Westbahnhof vorbereitet hatte.
· Auch dieser Jugendliche hatte sich über Social Media, insbesondere TikTok, radikalisiert.
Im August 2024 mussten die Taylor-Swift-Konzerte in Wien aufgrund konkreter Anschlagspläne abgesagt werden.
· Der 19-jährige Verdächtige hatte sich über Social Media, insbesondere TikTok, radikalisiert.
Diese Fälle sind nur einige Beispiele für eine besorgniserregende Entwicklung: Die Radikalisierung junger Menschen über Social Media führt zu konkreten Terrorplänen und gewalttätigen Angriffen.
Die Gemeinsamkeit in all diesen Fällen ist die Rolle von Social Media-Plattformen, insbesondere von TikTok, bei der Verbreitung von radikalisierenden Inhalten und Islamismus. Dies geschieht durch algorithmische Empfehlungssysteme, die nicht neutral agieren, sondern polarisierende Inhalte verstärken und Hass sowie Hetze bevorzugt verbreiten.
Social Media-Plattformen sind darauf ausgerichtet, maximale Aufmerksamkeit und Interaktion zu generieren. Polarisierende Inhalte, die starke Emotionen wie Wut, Angst oder Hass auslösen, fesseln Nutzer:innen und steigern die Verweildauer. Dies führt zu höheren Werbeeinnahmen für die Plattformbetreiber und macht Polarisierung zu einem lukrativen Geschäftsmodell.[1]
Ein Selbstversuch des Satiremagazins "Tagespresse" belegte die problematische Funktionsweise von TikToks Empfehlungssystem. Ohne aktive Nutzung von Suchfunktionen oder Interaktionen wurden neun fiktiven österreichischen Teenagern bereits nach wenigen Minuten zunehmend radikalisierte Inhalte bis hin zu Islamismus und Rechtsextremismus angezeigt.[2]
Die Folgen dieser Mechanismen sind gravierend: Wissenschaftliche Erkenntnisse werden untergraben, ausgewogene Meinungsbildung erschwert und demokratische Diskurse durch Falschinformationen und gezielte Desinformation bedroht. Im schlimmsten Fall münden diese Prozesse in Gewalt und Terrorismus.
Es ist dringend notwendig, die Polarisierung und Radikalisierung durch Social Media als akute Bedrohung für unsere Demokratie und Gesellschaft anzuerkennen. Die jüngsten Vorfälle zeigen, dass diese Entwicklung jetzt auch schon Menschenleben gefordert hat.
Die EU hat mit dem Digital Services Act (DSA) einen rechtlichen Rahmen geschaffen, der große Online-Plattformen zur Risikoeinschätzung und Minimierung verpflichtet (Artikel 34 f DSA). Dies umfasst:
· die Bekämpfung rechtswidriger Inhalte,
· den Schutz grundlegender Rechte, insbesondere der Menschenwürde, der Meinungsfreiheit und des Verbraucherschutzes,
· die Sicherstellung eines ausgewogenen gesellschaftlichen Diskurses und Schutz der öffentlichen Sicherheit,
· den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt sowie die Wahrung der psychischen und physischen Gesundheit der Nutzer:innen.
Trotz dieser gesetzlichen Vorgaben zeigt die jüngste Terrorwelle in Österreich und Deutschland, dass die Vorgaben des DSA offenkundig missachtet werden. Besonders besorgniserregend ist, dass Plattformen wie TikTok, Instagram und X (ehemals Twitter) Faktenchecks aussetzen und Moderationsmaßnahmen reduzieren, wodurch die Verbreitung von Falschinformationen und radikalisierten Inhalten, insbesondere auch die Verbreitung von Islamismus, ungehindert weitergeht.[3]
Deshalb fordern wir:
1. Die konsequente Durchsetzung des DSA, insbesondere:
o verbindliche Maßnahmen zur Risikominimierung für die öffentliche Sicherheit und den gesellschaftlichen Diskurs
o Transparenzpflichten für Empfehlungssysteme und Algorithmen, um deren Funktionsweise offenzulegen
2. Sofortige einstweilige Maßnahmen gemäß Artikel 70 DSA durch die EU-Kommission, insbesondere:
o die Aussetzung radikalisierender algorithmischer Empfehlungssysteme bis zur Klärung der eingeleiteten Verfahren gegen Social Media-Plattformen
3. Strenge Sanktionen für Plattformbetreiber, die ihren Verpflichtungen nach dem DSA, insbesondere zur Risikominimierung nicht nachkommen:
o Konsequenzen bei systematischem Versagen in der Einhaltung des DSA
o Verpflichtende Maßnahmen zur Anpassung von Algorithmen, um Radikalisierung zu verhindern und ausgewogene Meinungsvielfalt zu ermöglichen.
Die Durchsetzung dieser Maßnahmen ist essenziell für den Schutz unserer Demokratie und für die Verhinderung weiterer Radikalisierungsprozesse über Social Media. Das Ende manipulativer Algorithmen ist notwendig, um Menschenleben zu retten.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung und die zuständigen Bundesminister:innen werden aufgefordert,
· sich auf europäischer Ebene einzusetzen, dass die EU-Kommission ohne Verzögerungen die im Digital Services Act (DAS) vorgesehenen regulatorischen Regelungen durchsetzt, insbesondere betreffend die von sehr großen Online-Plattformen („VLOP“ laut DSA) zu treffenden Maßnahmen zur Risikominimierung sowie betreffend die verpflichtende Offenlegung und verständliche Erklärung von Empfehlungssystemen und Algorithmen,
· sich weiters für die rasche Fortführung der laufenden Verfahren gegen VLOP wie X und TikTok einzusetzen,
· sich angesichts der jüngsten durchgeführten und verhinderten Terror-Anschläge dafür einzusetzen, dass über VLOP auch einstweilige Maßnahmen gem Art 70 DSA verhängt werden, insbesondere betreffend die Aussetzung algorithmischer Empfehlungssysteme bis zum Abschluss der Verfahren und
· sich schließlich dafür einzusetzen, dass die EU-Kommission bei Nicht-Einhaltung der Vorgaben des DSA Konsequenzen setzt und abschreckende Geldbußen verhängt.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Digitalisierung vorgeschlagen.
[1] Sind soziale Medien eine Gefahr für unsere Demokratie?, Stellungnahme der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, https://www.oeaw.ac.at/fileadmin/NEWS/2024/pdf/aid-fug-6-2024.pdf
[2] https://dietagespresse.com/selbstversuch-so-radikalisiert-tiktok-oesterreichische-teenager/
[3] https://www.derstandard.at/story/3000000251957/mehr-boeses-zeug-zuckerberg-dreht-den-faktencheck-ab ; https://www.diepresse.com/19234572/ende-von-faktenchecks-auf-facebook-zuckerbergs-kniefall-vor-trump ; https://www.derstandard.at/story/3000000258183/insider-tiktok-entl228sst-inhalte-moderatoren; https://www.derstandard.at/story/3000000189097/vor-wahljahr-2024-musk-reduziert-moderation-bei-x; https://kurier.at/wirtschaft/musk-entliess-ueber-tausend-mitarbeiter-fuer-moderation-und-sicherheit/402737251