456/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 24.09.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Parlamentarische Materialien

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Leonore Gewessler, Freundinnen und Freunde

 

betreffend: Das EU-Klimaziel 2040 kann nicht warten

 

 

BEGRÜNDUNG

 

 

Die dänische Ratspräsidentschaft hat vorgeschlagen das EU-Klimaziel 2040 im EU-Umweltrat am 18. September 2025 abzustimmen, um rechtzeitig vor der Weltklimakonferenz ein europäisches Klimaziel vorweisen zu können. Doch Österreich hat gemeinsam mit anderen Mitgliedsstaaten die Abstimmung verzögert und eine Befassung im Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs unterstützt. Damit riskiert die Österreichische Regierung, dass die EU ihre eigene Klimagesetzgebung unterläuft und ohne verbindliche Ziele zur Weltklimakonferenz (COP30) nach Brasilien fährt. Im schlimmsten Fall könnte eine Einigung am Widerstand einzelner Staatschefs wie Viktor Orbán überhaupt scheitern. Vierzehn österreichische Ökonominnen und Ökonomen kritisierten die Positionierung Österreichs auf EU-Ebene in einem offenen Brief Anfang September: „Österreich gefährdet mit seiner Verzögerungstaktik nicht nur das globale Vertrauen in die EU, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Wirtschaft.“[1]

 

Die Temperatur in Österreich ist seit 1900 um rund 3,1 °C gestiegen – mehr als doppelt so stark wie im globalen Durchschnitt. Der vollständige Ausstieg aus fossilen Energieträgern und die rasche Elektrifizierung von Industrie, Mobilität und Wärmeversorgung, sind laut dem 2. Österreichischen Klimasachstandsbericht zentrale Hebel zur Erreichung der Klimaziele. Im Regierungsprogramm hat sich die Regierung zur Klimaneutralität bis 2040 bekannt. Um auch in der EU einen klaren Fahrplan zur Emissionsreduktion zu verankern und Planungssicherheit zu geben, ist es entscheidend, dass Österreich ein ambitioniertes EU-Klimaziel für 2040 unterstützt. Das Klimaziel für 2040 ist ein wichtiger Meilenstein um sicherzustellen, dass die EU bis 2050 klimaneutral wird.

 

Das Ziel der Klimaneutralität steht im Mittelpunkt des Europäischen Green Deals und ist ein rechtsverbindliches Ziel, das im Europäischen Klimagesetz festgelegt ist. Die EU-Kommission hat am 2. Juli 2025 offiziell einen Entwurf für das EU-Klimaziel 2040 vorgestellt und schlägt in der Verordnung vor, die Treibhausgas-Emissionen bis 2040 um 90 Prozent (verglichen mit 1990) zu reduzieren[2]. Sie gibt den EU-Mitgliedsstaaten dafür eine Reihe von Flexibilitäten, die die Zielerreichung sicherstellen sollen.

 

Dass jeder Prozentpunkt Emissionsreduktion zählt, zeigt der Vergleich mit den aktuellen Emissionen einiger EU-Staaten. Ein Prozentpunkt EU-weiter Reduktion bedeutet in etwa eine Emissionseinsparung von rund 47 Millionen Tonnen CO - das entspricht aktuell etwa den jährlichen Emissionen Dänemarks. Drei Prozentpunkte EU-weiter Reduktion entsprechen den derzeitigen Emissionen von Österreich und Griechenland in einem Jahr zusammen.

 

Europa hat die Mittel und die Kapazitäten, seine Klimaziele und die nötige Reduktion der Emissionen innerhalb der EU zu erreichen. Zu diesem Ergebnis kommen die Folgenabschätzung der Europäischen Kommission zum Ziel für 2040 und der Europäische Wissenschaftliche Beirat für Klimawandel (ESABCC), die beide ein Netto-Inlandsziel von 90-95 Prozent Emissionsreduktion verglichen mit 1990 empfehlen. Der ESABCC bekräftigt in seinem jüngsten Bericht, dass zusätzlich zu der Emissionsreduktion um mindestens 90 Prozent in der EU auch Maßnahmen zur Emissionsreduktion außerhalb der EU erfolgen sollen, um einen angemessenen und global betrachtet fairen Beitrag der EU zu gewährleisten.

 

Nicht nur Wissenschafter:innen, auch mehr als hundert Unternehmen, unter ihnen der französische Energiekonzern EDF sowie Ikea, Unilever, SAP, Otto und Allianz, haben die EU Mitgliedsstaaten aufgerufen, den Kommissionsvorschlag zu unterstützen um Klarheit zu schaffen und Investitionen freizusetzen. Das von der EU-Kommission ausgegebene Ziel solle "als Mindestambition und nicht als Obergrenze betrachtet werden", schrieben die Unternehmen in einem Brief an die EU-Institutionen[3]. Sie fordern auch, dass das Klimaziel für 2040 vorrangig Maßnahmen vorsehen soll, die Emissionen an der Quelle reduzieren. Natürliche und technologische Maßnahmen zur Abscheidung und Speicherung von Treibhausgasemissionen sollen hingegen klar eingegrenzt eingesetzt werden.

 

Über 130 Organisationen der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und der Wirtschaft fordern ebenfalls ein verbindliches Ziel von mindestens 90 % Emissionsreduktion bis 2040 und betonen, dass die EU-Länder dabei an der Praxis festhalten müssen, ihre verbindlichen Klimaziele (wie bisher das Ziel für 2030) und das Ziel der Klimaneutralität im eigenen Land zu erreichen, wie es im EU-Klimagesetz verankert ist[4]. Dafür spricht auch, dass die Investitionen, die für den Ausbau von Erneuerbaren Energien sowie die Dekarbonisierung in der Industrie und in Haushalten notwendig sind, am besten vor Ort investiert werden, wo sie lokale Wertschöpfung und Jobs generieren.

 

Alle Länder sind dazu verpflichtet vor der COP30, die vom 10. bis 20. November 2025 in Brasilien stattfinden wird, ihre neuen Klima-Zielvorgaben bis 2035 vorzulegen. Diese nationalen Klimaschutzbeiträge hat die EU-Kommission bisher nicht festgelegt, weil sie mit dem 2040-Ziel abgestimmt sein sollen. Ein umgehender Beschluss des EU-Klimaziels 2040 ist aus ökonomischer, ökologischer und gesellschaftspolitischer Perspektive das Gebot der Stunde.

 

Nicht zuletzt haben sich die Regierungsparteien in ihrem Regierungsprogramm „Jetzt das Richtige tun. Für Österreich.“ Zur Klimaneutralität 2040 bekannt, also dazu in Österreich bis 2040 netto-null Emissionen zu erreichen. Es ist im Interesse Österreichs ein ambitioniertes EU-weites Klimaziel 2040 zu beschließen, um auch die nationale Zielerreichung zu erleichtern. Die Regierungsparteien SPÖ und NEOS haben im Nationalratswahlkampf 2024 wiederholt versprochen, sich für ambitionierte, wissenschaftsbasierte Klimaziele einzusetzen. Es ist die Verantwortung der Regierung gegenüber den Bürger:innen, diese Wahlversprechen jetzt umzusetzen.

 

Ein wissenschaftsbasiertes Klimaziel 2040 ist ein Sicherheitsnetz für die Menschen in Österreich, um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise – z.B. Extremwetter, Hitzewellen, Versorgungsengpässe bei Lebensmitteln – zu verhindern und ein gutes Leben mit sauberer Luft, gesunden Lebensräumen und intakter Natur zu sichern. Es sorgt dafür, dass in Österreich und Europa Zukunfts-Jobs geschaffen werden und der Wirtschaftsstandort gestärkt wird. Investitionen in die Energie- und Mobilitätswende werden abgesichert und Planungssicherheit für Unternehmen geschaffen. Gleichzeitig macht ein starkes Klimaziel die EU unabhängiger von teuren Energieimporten und sorgt für langfristige Versorgungssicherheit.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler sowie der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft, wird aufgefordert:

·         Sich für ein ambitioniertes, wissenschaftsbasiertes EU-Klimaziel 2040 einzusetzen und mindestens eine Reduktion der Netto-Treibhausgasemissionen der EU bis 2040 um 90 Prozent verglichen mit 1990 im Rat und in den Ratsarbeitsgruppen vollinhaltlich zu unterstützen.


 

·         Eine Abstimmung über das EU-Klimaziel im Umweltministerrat zu befürworten, die Einberufung eines außerordentlichen Umweltministerrats vor der Klimakonferenz COP30 zu unterstützen und in der Sitzung mindestens für den Vorschlag der EU-Kommission für das EU-Klimaziel 2040 zu stimmen.

·         Ein ambitioniertes NDC der EU für 2035, im Einklang mit dem EU-Klimaziel 2040, vor der Klimakonferenz COP30 zu unterstützen.“

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Umweltausschuss vorgeschlagen.



[1] https://www.diepresse.com/20091864/klimapolitik-ist-wirtschaftspolitik-eine-blockade-schadet-oesterreich

[2] https://climate.ec.europa.eu/document/download/e1b5a957-c6b9-4cb2-a247-bd28bf675db6_en

[3] https://www.corporateleadersgroup.com/news/business-and-investors-call-eu-set-greenhouse-gas-emissions-reduction-target-least-90-2040

[4] https://caneurope.org/dont-outsource-climate-action-2040/