466/A XXVIII. GP

Eingebracht am 24.09.2025
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ANTRAG

der Abgeordneten Meri Disoski, Freundinnen und Freunde

 

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz – SPG) BGBl. Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 50/2025, wird wie folgt geändert:

 

1. Nach § 36a Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Die Sicherheitsbehörde hat einen bestimmten Ort im örtlichen Nahebereich zu Einrichtungen und Beratungsstellen für Schwangerschaftsabbrüche, an dem auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, dass der öffentliche Zugang zu diesen Einrichtungen erschwert oder behindert wird oder es zu Belästigung oder zu organisiertem versuchtem Kontakt und Einflussnahme auf die Schwangere und deren Begleitpersonen oder auf medizinisches Fachpersonal kommt, etwa durch Übergabe von Gegenständen, mit Verordnung zur Schutzzone zu erklären. Die Schutzzone umfasst diese Einrichtungen und Beratungsstellen für Schwangerschaftsabbrüche (Schutzobjekt) sowie einen genau zu bezeichnenden Bereich im Umkreis von höchstens 150m um dieses Schutzobjekt und ist nach Maßgabe der Erfordernisse eines wirkungsvollen Schutzes festzulegen.“

 

2. In § 36a Abs. 2 erster Satz wird nach der Bezeichnung „nach Abs. 1“ die Bezeichnung „und Abs. 1a“ eingefügt.

 

3. Nach § 36a Abs. 3 wird folgender Abs. 3a eingefügt:

„(3a) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt und dazu angehalten, einem Menschen, von dem auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch sein Verhalten den öffentlichen Zugang zu den in Abs. 1a genannten Einrichtungen erschweren oder behindern oder Schwangere, deren Begleitpersonen oder medizinisches Fachpersonal belästigen oder organisiert zu kontaktieren versuchen werde, das Betreten der Schutzzone nach Abs. 1a zu verbieten und ihn gegebenenfalls aus derselben wegzuweisen. Dem Betroffenen ist die Dauer dieses Betretungsverbotes bekannt zu geben. Kann er berechtigte Interessen für die Notwendigkeit des Betretens der Schutzzone glaubhaft machen, ist darauf entsprechend Bedacht zu nehmen.“

 

4. Dem § 94 wird folgender Abs. 57 angefügt:

„(57) § 36a Abs. 1a, 2 und 3a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2025 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“

 

 

 

Begründung:

 

Zu § 36a Abs. 1a:

 

Internationale Institutionen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sehen den Zugang zu sicheren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen als ein grundlegendes Menschenrecht an. Bereits seit 1994 gelten reproduktive Rechte und Gesundheit international als Menschenrechte: Alle Menschen haben das Recht, selbstbestimmt und frei über den eigenen Körper und die eigene Sexualität zu entscheiden. Hierzu gehören ausdrücklich die freie Entscheidung zur Elternschaft, das Recht über die Anzahl und den Zeitpunkt der Geburt der Kinder zu entscheiden, sowie das Recht auf die dafür nötigen Mittel. Dazu gehört auch ihr Recht, diese Entscheidungen frei von Diskriminierung, Zwang und Gewalt zu treffen.[1] Auch das Europäische Parlament erklärt den ungehinderten Zugang zu Abtreibungen offiziell als Menschenrecht: Der Zugang zu sicherer und legaler Abtreibung muss gewährleistet und alle Hindernisse beim Zugang zu Diensten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit müssen beseitigt werden.[2] Verschiedenste Institutionen sprechen daher Empfehlungen für eine Gesetzgebung aus, die die Gesundheit von Schwangeren priorisiert und den Zugang zu sicheren Abbrüchen gewährleistet. Die gesetzlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch in Österreich verabsäumen seit 1975 die internationalen menschenrechts- und gesundheitsorientierten Empfehlungen und schränken die Gesundheitsrechte von Schwangeren somit nach wie vor ein.

 

Nicht zuletzt geschehen gezielte Belästigungen und Aufmärsche vor Abtreibungsklinken und Beratungsstellen durch Abtreibungsgegner:innen, wie wir sie in Österreich bereits seit Jahrzehnten erleben müssen. Ungewollt Schwangere und medizinisches Personal sind zum Teil täglich sogenannten „Gehsteigberatungen“ oder „Protestaktionen“ ausgesetzt, die immer radikalere Formen annehmen: Ungefragt und unfreiwillig mit fanatischen Plakaten, Rosenkränzen, Bibeln oder Gebetsbüchern konfrontiert, erleiden professionelle Beratung und medizinische Behandlung suchende Frauen und Paare in einer ohnehin schwierigen Lebenssituation und seelischen Lage ein Ausmaß an psychischem Druck, das für sie mitunter unzumutbare emotionale und psychische Folgen haben kann. Wie der Europarat 2022 festhält, untergräbt der behinderte Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten die Rechtssicherheit – und damit ein wesentliches Element der Rechtsstaatlichkeit, zu deren Schutz die nationalen Behörden verpflichtet sind.[3]

 

Erst im Juni 2024 hat Amnesty International Austria in einem Bericht erneut aufgezeigt[4], wie sowohl Frauen als auch Ärzt:innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, in Österreich viel zu oft Ziel von Angriffen werden. Betroffene berichten immer wieder von Hassnachrichten bis zu Aktionen vor Kliniken mit blutbeschmierten Babypuppen, die psychischer Gewalt gegen Frauen gleichkommen. Wie Amnesty International bestätigt, kommen „diese Herausforderungen insbesondere im ländlichen Raum, wo die Versorgungsdichte mit Ärztinnen und Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, ohnedies gering ist, stärker zu tragen, da dort die Anonymität der Ärztinnen und Ärzte geringer ist“[5].

 

Es muss in Österreich endlich möglich sein, Beratungsstellen bzw. Ambulatorien ohne Belästigungen und Schikanen anonym aufsuchen und der Tätigkeit als Mediziner:in ohne Furcht vor Repressalien nachgehen zu können. Wirksame Schutzmaßnahmen sind längst überfällig. Wien hat dabei gezeigt, dass das Instrument der Wegweisung allein kein ausreichend probates Mittel gegen radikale Abtreibungsgegner:innen darstellt. Vielmehr beweisen andere Länder, wie Kanada, Neuseeland, Spanien, Großbritannien oder jüngst auch Deutschland sowie offizielle Empfehlungen des Europarates[6], was es wirklich braucht, um einen sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen gewährleisten zu können: Buffer Zones bzw. Schutzzonen. Sie sichern den Zugang zu Beratungsstellen und zu Einrichtungen, die Abbrüche vornehmen: „Innerhalb der Schutzzonen sollten alle Informations- und Aufklärungsmaßnahmen gegen Abtreibung sowie Proteste verboten werden, unabhängig davon, ob sie sich an die Öffentlichkeit oder an Einzelpersonen richten“[7].

 

Das in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argument der Meinungs- bzw. Versammlungsfreiheit muss vor dem Recht auf Privatsphäre zurücktreten, schließlich zählt eine Schwangerschaft zum intimsten Bereich der Privatsphäre. Und die Verletzung dieser Intimsphäre durch Protestaktionen vor Beratungs- und Behandlungsstellen ist enorm. Staatliche Schutzmaßnahmen, um die Intimsphäre zu wahren, sind dementsprechend erforderlich, ganz besonders, wenn eine Schwangerschaft nach außen noch nicht sichtbar ist, also genau im ersten Schwangerschaftsdrittel, wenn ungewollt Schwangere anonym medizinische Beratung und Behandlung aufsuchen möchten[8]. Proteste und Mahnwachen von Abtreibungsgegner:innen sind hier als nichts weniger als persönliche An- und Übergriffe auf ungewollt schwangere Frauen zu verstehen, schließlich wird von ihnen der Ort ihrer Protestaktionen „bewusst als Mittel zum Zweck eingesetzt“ – „weil es gerade darum [geht], auf die ungeplant Schwangeren (unzulässig) einzuwirken“[9]. Ginge es Abtreibungsgegner:innen um eine allgemeine Meinungsäußerung, wären sie an keinen speziellen Ort wie Abtreibungskliniken oder Beratungsstellen gebunden. Dass es Abtreibungsgegner:innen jedoch nicht um ihr Recht auf Versammlungsfreiheit oder freie Meinungsäußerung geht, sondern vielmehr um das ungefragte Aufdrängen ihrer Meinungen als Abschreckungstaktik, hat auch das höchste australische Gericht treffend formuliert: Allein „die Beobachtung von Personen, die eine Klinik zum Zwecke des Schwangerschaftsabbruchs aufsuchen, kann als Mittel zur Abschreckung ebenso wirksam sein wie lautstarke Demonstrationen“[10].

 

Eine in solchen Fällen errichtete Schutzzone kann eine notwendige und verhältnismäßige Einschränkung des Versammlungsrechts darstellen. In selber Konsequenz wurden 2022 Schutzzonen nach § 36a SPG als sicherheitspolizeiliche Maßnahme rechtlich entsprechend auf Gesundheitseinrichtungen ausgeweitet. Damals mussten Patient:innen und Personal vor der „vermehrt stattfindende[n] öffentliche[n] Radikalisierung“[11] durch Impfgegner:innen geschützt werden – in selber Manier, wie sie zukünftig vor radikalen Abtreibungsgegner:innen geschützt werden sollen.

 

Schutzzonen schränken dabei das Versammlungsrecht nicht unverhältnismäßig ein, sondern schützen das öffentliche Wohl und die Gesundheit von Menschen vor Einzelpersonen und kleinen Gruppen. Denn – so hat es Herr Bundesminister für Inneres Gerhard Karner selbst richtig formuliert – „[e]s wurden mehrfach rote Linien überschritten, Gesundheitspersonal bedroht und Menschenleben gefährdet. Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut, das selbstverständlich zu schützen ist. Wo es Rechte gibt, gibt es aber auch Pflichten. Wir werden alles tun, um jene zu schützen, die für uns da sind und unsere Gesundheit schützen.“[12] Und dazu zählt Österreichs Personal in den Beratungs- und Behandlungsstellen für Schwangerschaftsabbrüche.

 

Den Sicherheitsbehörden obliegt nach § 27 Abs. 1 SPG die Aufrechterhaltung der Ordnung an öffentlichen Orten. In den vergangenen Jahren kam es in den USA aber auch im benachbarten europäischen Ausland immer wieder zu teils auch gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen fundamentalen Abtreibungs-gegner:innen und Gegendemonstrant:innen. Auch in Österreich sind zahlreiche Grenzüberschreitungen von Seiten radikaler Abtreibungsgegner:innen vor Einrichtungen und Beratungsstellen für Schwangerschaftsabbrüche dokumentiert, wie beispielsweise der jährliche Gebetsmarathon 40 Tage für das Leben, der ungewollt Schwangere „24/7 vor der Klinik“ aktiv einschüchtern und diskriminieren soll, offiziell zum Ziel hat, "dass durch das Gebet die Kundschaft abnimmt und die Klinik schließen muss“, und noch dazu „besonders an alle mutigen und abenteuerlustigen jungen Männer“ anspornend appelliert, ungewollt Schwangere und medizinisches Personal zu bekehren und zu belästigen[13].

 

Des Weiteren umfassen die den Sicherheitsbehörden zugewiesenen Aufgaben nach dem SPG zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit neben der Gefahrenabwehr insbesondere auch den vorbeugenden Schutz der kritischen Infrastruktur. Als kritische Infrastruktur unterliegen bspw. wesentliche Gesundheitseinrichtungen (z.B. Krankenhäuser) dieser vorbeugenden, sicherheits-polizeilichen Aufgabe. Vor diesen Einrichtungen finden regelmäßig Zusammenkünfte von organisierten Abtreibungsgener:innen statt.

 

§ 36a SPG ermächtigt die Sicherheitsbehörden bereits jetzt, zum Schutz Minderjähriger (§ 21 Abs. 2 ABGB) durch Verordnung Schutzzonen bei Schulen, Kindergärten oder vergleichbaren Schutzobjekten festzulegen. Durch die gegenständliche Änderung soll nunmehr die Möglichkeit geschaffen werden, im Umkreis von Einrichtungen und Beratungsstellen für Schwangerschaftsabbrüche Schutzzonen einzurichten. Dies einerseits zum Zwecke der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit samt Gefahrenabwehr, andererseits zur Aufrechterhaltung der Ordnung an öffentlichen Orten. Das LKH Bregenz fordert entsprechend selbst eine Schutzzone rund um das Krankenhaus, um Abtreibungsgegner:innen fernhalten zu können[14].

 

Die Schutzzone umfasst die Beratungs- und Behandlungsstellen für Schwangerschaftsabbrüche (Abs. 1a) als Schutzobjekt sowie einen Bereich im Umkreis von bis zu 150 Metern um diesen herum. Die Entfernungsangabe von 150 Metern ist von den äußeren Grenzen des Schutzobjektes zu berechnen. Ob eine um die Beratungs- und Behandlungsstelle für Schwangerschaftsabbrüche liegende Freifläche zum Schutzobjekt zu zählen ist, hängt von den Umständen ab, etwa davon, ob die Freifläche noch spezifisch der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitsdienstes (Abs. 1a) dient. Insbesondere Zufahrten und Zugänge zu diesem sind daher Teil des Schutzobjekts.

 

Die Gefährdungsprognose nach Abs. 1a muss sich dabei auf bestimmte Tatsachen, beispielsweise auf Vorfälle in der Vergangenheit oder Aufrufe etwa in sozialen Netzwerken stützen.

 

Zu § 36a Abs. 2:

Die Regelungen des Abs. 2 zu Umfang, Inkrafttreten, Kundmachen und Dauer der Verordnung gelten auch für die Schutzzonen gemäß Abs. 1a.

 

Zu § 36a Abs. 3a:

Mit der Einrichtung von Schutzzonen ist die Befugnis der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes verbunden, gegen bestimmte Personen ein Betretungsverbot auszusprechen und diese – falls das Betretungsverbot innerhalb der Schutzzone ausgesprochen wird oder trotz Betretungsverbot betreten wird – aus der Schutzzone wegzuweisen (Abs. 3a). Das Betretungsverbot kann demnach innerhalb oder außerhalb einer Schutzzone ausgesprochen werden. Diese Befugnis bezieht sich auf Menschen, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie durch ihr Verhalten innerhalb der Schutzzone den öffentlichen Zugang zu den in Abs. 1a genannten Einrichtungen erschweren oder behindern oder Schwangere, deren Begleitpersonen oder medizinisches Fachpersonal belästigen oder organisiert zu kontaktieren versuchen werden. Die bloße Möglichkeit, ein bestimmter Mensch könnte ein solches Verhalten setzen, reicht für die Erlassung eines Betretungsverbotes nicht aus. Die Regelungen des Abs. 4 zur Mitteilung an die Sicherheitsbehörde, deren Prüfpflicht und die Dauer des Betretungsverbotes gelten auch für Betretungsverbote gemäß Abs. 3a.

 

Im Übrigen kommen die bestehenden Bestimmungen im Zusammenhang mit Schutzzonen gemäß § 36a SPG zur Anwendung: Zum Zweck der Verhängung und Durchsetzung von Betretungsverboten nach Abs. 3a ist gemäß § 35 Abs. 1 Z 8 SPG die Feststellung der Identität zulässig. Übertretungen von Betretungsverboten sind gemäß § 84 Abs. 1 Z 4 SPG verwaltungsbehördlich strafbar. Die Evidenthaltung von Wegweisungen und Betretungsverboten nach § 36a SPG erfolgt auf Grundlage von § 53a Abs. 4 SPG.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gleichbehandlungsausschuss vorgeschlagen.

 

 



[1] Programme of Action - Adopted at the International Conference on Population and Development (ICPD), Cairo, 1994 (unfpa.org)

[2] Allgemeinen Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit sicherstellen | Aktuelles | Europäisches Parlament (europa.eu)

[3] Res. 2439 - Resolution - Adopted text (coe.int)

[4] Schwangerschaftsabbruch: Angriff auf Ärzt*innen in Österreich | Amnesty International Österreich

[5] Ebd.

[6] Res. 2439 - Resolution - Adopted text (coe.int)

[7] Ebd.

[8] Spießrutenlauf für Schwangere – Verfassungsblog

[9] Ebd.

[10] Clubb v Edwards [2019] HCA 11 - BarNet Jade - BarNet Jade

[11] 147. Sitzung des Nationalrates am 23.03.2022 | Parlament Österreich

[12] Gesundheitseinrichtungen sollen zu Schutzzonen erklärt werden (kurier.at)

[13] Bluesky, 2025 und 40 Tage für das Leben Wien - Jugend für das Leben

[14] vorarlberg.orf.at