475/A(E) XXVIII. GP
Eingebracht am 24.09.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Parlamentarische Materialien
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Elisabeth Götze, Freundinnen und Freunde
betreffend Schluss mit Zollbetrug und der Billigpaket-Flut: Plattformhaftung jetzt!
BEGRÜNDUNG
Die Zahl der Pakete aus Fernost von Plattformen wie Temu, Shein oder AliExpress nimmt drastisch zu. Seit die USA im April 2025 ihre Zollfreigrenze abgeschafft haben, ist eine Verschiebung der Geschäftstätigkeit und ein massives Wachstum der Importe in die EU zu beobachten. Im Mai 2025 verzeichnete Shein bei den EU-Lieferungen ein Wachstum von +19% und Temu ein Wachstum von +63 % im Vergleich zum Vormonat. Aus dem am 31. August 2025 veröffentlichten Transparenz-Report von Temu[1] nach dem Digital Services Act ergibt sich, dass die Nutzerzahlen von Temu im Zeitraum November 2024 bis Juni 2025 um 23,5% gestiegen sind.[2]
Der europäische Markt wird mehr denn je mit Billig- und Dumping-Produkten geflutet. Denn für Sendungen unter 150 Euro fällt in der EU noch immer kein Zoll an und das nutzen die Konzerne aus. Im Juli hat Temu angekündigt, auch in den Lebensmittelhandel in Europa (und Österreich) einsteigen zu wollen.[3]
Laut EU-Kommission werden bis zu 65% der Pakete aus Drittstaaten absichtlich zu niedrig deklariert, damit sie unter die Zollfreigrenze fallen.[4] Dieser Zollbetrug hat darüber hinaus zur Folge, dass auch weniger Umsatzsteuer abzuführen ist.[5]
Darüber hinaus werden teurere Bestellungen in mehrere Teilsendungen aufgesplittet, die jeweils unter die Zollfreigrenze fallen. Der EU entgehen damit jährlich EUR 750 Mio an Zolleinnahmen.[6] Neben diesem finanziellen Schaden verursacht diese Praktik erhebliche Umweltschäden: Täglich landen in der EU etwa 150 bis 200 Frachtflugzeuge aus China, ein Großteil davon transportiert Billigstprodukte der Online-Plattformen Temu, Shein und AliExpress.
Und schließlich bricht die Konkurrenz aus Fernost häufig die europäischen bzw. österreichischen Gesetze bzgl. Produktsicherheit sowie Konsumentenschutz. Krebserregende Flip-Flops werden ebenso verkauft wie giftige Kinder-Regenmäntel, lebensgefährliche Schnuller[7], bleihaltige Schuhe oder gesundheitsgefährdende Cremes und Schminke. Erst kürzlich wurden in Lichterketten, Tischdecken, Pappbechern von AliExpress, Temu und Shein krebserregende und fortpflanzungsschädigende Stoffe festgestellt.[8] Problematisch ist in dem Zusammenhang darüber hinaus, dass die Plattformen als Vermittler keine Verantwortung für die Produkte übernehmen, sondern auf nicht greifbare, oft chinesische Händler verweisen.[9]
Haftbar für Schäden, die mangelhafte Produkte dann in der Folge nach dem Import verursachen, ist jedenfalls der/diejenige, der/die die Ware importiert hat – das ist bei Temu-Bestellungen der/die Kund:in – egal ob Unternehmen oder Konsument:in.[10] Kund:innen sind sich dieser Haftung oft gar nicht bewusst.
Auch das Widerrufsrecht von Verbraucher:innen im Fernabsatz wird ausgehebelt: Wer einen Widerruf durch Rücksendung eines Pakets nach China ausüben will, wird mit erheblichen Kosten konfrontiert. Versteckte Kontaktangaben machen die Widerrufserklärung zudem oft unmöglich. Hinzu kommen addictive design (also süchtig machende Gestaltung), das massenhafte Angebot von Produktfälschungen und irreführende Rabattaktionen.
Für den heimischen Handel ist diese Entwicklung desaströs: Österreichische Unternehmen stehen in direkter Konkurrenz zu Anbietern, die Umsatzsteuer und Zölle in betrügerischer Absicht drücken, Vorgaben zu Produktsicherheit ignorieren und alles tun, um Konsumentenschutz zu torpedieren.
AliExpress, Temu und Shein wurden als sehr große Online-Plattformen im Sinne des Digital Services Act (DSA) eingestuft. Die EU-Kommission hat nach dem DSA gegen Temu (u.a. wegen rechtswidriger Produkte)[11], gegen Shein (wegen illegaler Produkte, falscher Rabattaktionen, Irreführung, versteckter Kontaktinformationen etc.)[12] sowie gegen AliExpress (u.a. wegen illegaler Produkte)[13] Verfahren eingeleitet.
Fakt ist: Sowohl jahrelang dauernde Verfahren nach dem DSA als auch das geplante Ende der Zollfreigrenze in der EU ab 1.3.2028[14] wirken zu spät auf den Markt. Schon jetzt zeigen sich die Folgen der rechtswidrigen und wettbewerbsverzerrenden Billig-Produktschlacht im österreichischen Einzelhandel. Das Einzelhändlersterben nimmt ein gravierendes Ausmaß an. Es gilt, fairen Wettbewerb unverzüglich wiederherzustellen.
Dazu braucht es jedenfalls ein schnelleres Ende der 150-Euro-Zollfreigrenze in der EU. Weiters sind einheitliche und moderne technologische Standards bei Zollkontrollen sowie die Einführung einer Bearbeitungsgebühr pro Importpaket aus Drittstaaten erforderlich, um die entstehenden Kosten zumindest teilweise abzudecken.
Darüber hinaus gilt es, Plattformen für fehlerhafte Wertangaben auf Zolldokumenten in die Pflicht zu nehmen. Diese Praktiken einer zu niedrigen Wertangabe, um Zoll und Umsatzsteuer zu hinterziehen, haben bei über Plattformen wie Temu, Shein und AliExpress abgewickelte Verkäufe ein systemisches Ausmaß angenommen. Eine ähnliche Entwicklung war in der Vergangenheit bereits bei der verpflichtenden Verpackungsentpflichtung zu beobachten. Der österreichische Gesetzgeber hat darauf mit einer Novellierung des Abfallwirtschaftsgesetzes reagiert und in § 12c AWG Pflichten für elektronische Marktplätze und für Fulfillment-Dienstleister festgeschrieben. Eine ähnliche Regelung könnte auch für fehlerhafte Angaben beim Warenwert bei zu verzollenden Paketen getroffen werden.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert,
- sich auf EU-Ebene für ein Ende der 150-Euro-Zollfreigrenze bis 2026, für die EU-weite Einführung einheitlicher und technologisch moderner Standards bei Zollkontrollen sowie für die Einführung einer Bearbeitungsgebühr für jedes Paket aus Drittstaaten einzusetzen;
- eine gesetzliche Regelung vorzusehen, die Betreiber elektronischer Marktplätze verpflichtet, in ihren Verträgen mit Händler:innen, die den Marktplatz für ihren Vertrieb nutzen, sicher zu stellen, dass diese ihre Lieferungen in die EU den Zollbestimmungen entsprechend deklarieren, um eine korrekte Erhebung der Einfuhrabgaben zu ermöglichen. Für einen Verstoß gegen diese Verpflichtung sind hinreichend abschreckende Verwaltungsstrafen vorzusehen.“
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie vorgeschlagen.
[1] Temu-Transparenz-Report vom 31.8.2025: https://dl.kwcdn.com/upload-common/common/Temu-DSA-Transparency-Report-Qualitative-Report_8.25.pdf
[2] Temu-Transparenz-Report vom 30.11.2024: https://dl.kwcdn.com/upload-common/dsa_transparency_report/Temu-Transparency-Report-No1-20241130.pdf
[3] https://www.derstandard.at/story/3000000278736/temu-will-lebensmittel-in-europa-verkaufen-auch-in-214sterreich
[4] https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-zollreform-soll-zollverfahren-moderner-und-effizienter-machen-2023-05-17_de
[5] https://www1.wdr.de/nachrichten/temu-billigwaren-zollvorschriften-100.html
[6] https://marie.wko.at/unternehmertum/zollfreigrenze-150-euro-paket-das-europa-millionen-kostet.html
[7] https://www.theguardian.com/business/2025/jul/20/eu-commissioner-shocked-dangerous-goods-sold-shein-temu
[8] https://www.bund.net/themen/aktuelles/detail-aktuelles/news/partyartikel-voller-verbotener-schadstoffe-bund-test-findet-schadstoffe-in-produkten-von-shein-temu-und-aliexpress/
[9] Siehe Temu Nutzungsbedingungen, insbes Punkt 10.1 https://www.temu.com/at/terms-of-use.html?_x_sessn_id=qvni6jpnf7&refer_page_name=home&refer_page_id=10005_1758012647771_98jzq3tde3&refer_page_sn=10005=
[10] https://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/Temu-Shop-Darauf-sollten-Verbraucher-beim-Einkauf-achten,temu102.html; siehe auch Temu Nutzungsbedingungen
[11] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_25_1913
[12] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_25_1331
[13] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_25_1551
[14] https://www.europarl.europa.eu/RegData/docs_autres_institutions/commission_europeenne/com/2023/0259/COM_COM(2023)0259_EN.pdf