479/A(E) XXVIII. GP
Eingebracht am 24.09.2025
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Parlamentarische Materialien
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Elisabeth Götze, Freundinnen und Freunde
betreffend Wettbewerbsverzerrungen und Österreich-Preisaufschlag beenden, Bundeswettbewerbsbehörde stärken
BEGRÜNDUNG
In Österreich sind Lebensmittel um bis zu 25% teurer als in Deutschland. Schuld daran ist der „Österreich-Aufschlag“, eine Praktik großer Markenartikel-Konzerne, die mit territorialen Lieferbeschränkungen dafür sorgen, dass ihre Produkte in Österreich teurer sind als zB in Deutschland. Das funktioniert so: Internationale Lebensmittelkonzerne verkaufen ihre Produkte ausschließlich an nationale Großhändler und diese wiederum ausschließlich an die jeweiligen Supermärkte. So können österreichische Supermärkte nur vom österreichischen Großhändler kaufen – zu höheren Preisen als etwa in Deutschland. Es handelt sich also um territoriale Lieferbeschränkungen (Territorial Supply Constraints - TSCs), durch die österreichischen Händlern untersagt wird, Produkte billiger aus anderen Mitgliedsstaaten, etwa aus Deutschland, zu beschaffen.
Die von der Bundesregierung angestoßene, sommerliche Debatte zu Lebensmittel-preisen war trotz der Dringlichkeit des Problems nicht von neuen Erkenntnisgewinnen geprägt: Der größte Hebel für niedrigere Lebensmittelpreise liegt in der Bekämpfung des „Österreich-Aufschlags“ bzw. der TSCs. Soweit nichts Neues, die Problematik der TSCs war bereits lange vor der Branchenuntersuchung der Bundeswettbewerbs-behörde (BWB)[1] vor zwei Jahren bekannt[2]. Unmittelbar nach der Branchenunter-suchung wandte sich die damalige Bundesregierung im Verbund mit der BWB an die Europäische Kommission, um Tempo zu machen, damit diese territorialen Lieferbeschränkungen (TSCs) ein Ende haben. Eine solche Preisdifferenzierung ist eines Binnenmarkts schlicht unwürdig. Auch die EU hat das anerkannt und die TSCs als Kostentreiber identifiziert. Bis Ende 2026 sollten bindende gesetzliche Instrumente verabschiedet werden.
Dazu ist es aber nun vorläufig nicht gekommen, wie dem Protokoll der Ratsarbeitsgruppensitzung Wettbewerb vom Juni 2025 zu entnehmen ist: Während zahlreiche andere Mitgliedsstaaten, wie etwa Belgien, aber auch das nicht betroffene Deutschland, sehr klar für gesetzliche Änderungen bis Ende 2026 und damit eine regulatorische Verschärfung eintraten, mahnten die Vertreter des ÖVP-Wirtschaftsministeriums zu „Zurückhaltung“ und beschränkten sich auf klassischen ÖVP-Sprech: Neue regulatorische Maßnahmen seien nicht „zielführend“, „bestehende Instrumente“ seien auszuschöpfen, und vielleicht könnte ja eine Beschwerdestelle das lange bestehende Problem lösen[3]. Auf gut Deutsch: Lieber nichts Verbindliches. Klare und verpflichtende Regelungen kamen daher nicht zustande; und das obwohl sich insbesondere auch österreichische Handelsketten für ein Ende wettbewerbs-verzerrender und preistreibender territorialer Lieferbeschränkungen auf EU-Ebene stark gemacht haben.
Zumindest öffentlich war diese Position der ÖVP nicht haltbar, bereits kurz nach Veröffentlichung der Recherche zur Ratsarbeitsgruppensitzung wurde zurückgerudert, inzwischen fordert Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer ein europaweites Verbot von TSCs[4]. Auf dieses Bekenntnis müssen nun Taten folgen und mit Ernsthaftigkeit Maßnahmen gesetzt werden, die die vergleichsweise hohen Lebensmittelpreise in Österreich tatsächlich dämpfen können.
Dazu wird es nicht reichen, nur auf EU-Ebene bei den TSCs in die Gänge zu kommen (sprich: nicht weiter zu verzögern), was auch die Regierung erkannt hat. Im Ministerrat vom 03.09.2025 wurden verschiedene Maßnahmen, von der Erhöhung der Preistransparenz bis hin zu verstärkten Kontrollen, präsentiert. Auffällig ist, dass der Abschnitt zur Stärkung des Wettbewerbs am unkonkretesten bleibt. Hier sollen lediglich „die Eingriffsmöglichkeiten der BWB nach Branchenuntersuchungen gestärkt werden“, indem ein „Optionenkatalog“ erarbeitet wird, um den Wettbewerb auf wettbewerbsbeschränkten Märkten wieder in Gang zu setzen.[5]
Das ist insofern verwunderlich, als die Optionen bereits seit längerem auf dem Tisch liegen, unter anderem, weil sie die BWB einfordert. Aus Sicht der Antragsteller müssen auf nationaler Ebene die folgenden Maßnahmen unverzüglich umgesetzt werden:
· Die BWB soll die Möglichkeit erhalten, bei Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung auch ohne Missbrauchsverfahren Auflagen verhängen zu dürfen.
· Stellt die BWB bei einer Branchenuntersuchung eine fortwährende Störung des Wettbewerbs fest, muss sie zusätzliche Abhilfe- und Eingriffsbefugnisse erhalten. Dazu ist eine Novellierung des Wettbewerbsgesetzes auszuarbeiten, durch die die BWB mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestattet wird. Derartige Abhilfemaßnahmen sollten insbesondere folgende Kompetenzen beinhalten: Es sind das die Befugnisse
o bindende Empfehlungen auszusprechen,
o zusätzliche Daten und Informationen anzufordern,
o Vorgaben, insbesondere auch zu Vertragsgestaltungen, zu machen,
o bei Nicht-Befolgung von Empfehlungen oder Vorgaben die Kompetenz Bußgelder zu verhängen, sowie
o bei weiterem Fortdauern oder Vorliegen einer erheblichen Störung des Wettbewerbs, Maßnahmen bis hin zur Zerschlagung von Konzernen zu veranlassen.
Diese Befugnisse benötigt die BWB auch ohne Vorliegen eines Verstoßes gegen das Kartellgesetz.
· Auf europäischer Ebene soll sich die Bundesregierung für die Entwicklung eines „New Competition Tool“ einsetzen.
Das sogenannte "New Competition Tool" war bereits seit längerer Zeit Thema auf EU-Ebene.[6] Demnach soll ein neues Wettbewerbstool als ein Ex-ante-Instrument geschaffen werden, mit dem Regulierungsbehörden in Märkte mit einem strukturellen Mangel an Wettbewerb eingreifen können, ohne dass in diesen Märkten wettbewerbswidrige Vereinbarungen, abgestimmte Verhaltensweisen oder der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung festgestellt werden müssen.
Auf europäischer Ebene wurde entschieden, dieses Tool vorerst nur für digitale Märkte anzuwenden. Jedoch haben einige Mitgliedsstaaten, wie beispielsweise Deutschland, das Instrument auf nationaler Ebene umfassend eingeführt. So kann gem. § 32f Abs 3 dGWB das Bundeskartellamt gegenüber Unternehmen, die durch ihr Verhalten und ihre Bedeutung für die Marktstruktur zur Störung des Wettbewerbs wesentlich beitragen, durch Verfügung feststellen, dass eine erhebliche und fortwährende Störung des Wettbewerbs vorliegt. Das Bundeskartellamt kann im Fall so einer Feststellung den Unternehmen alle Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben, die zur Beseitigung oder Verringerung der Störung des Wettbewerbs erforderlich sind. Diese Abhilfemaßnahmen können insbesondere Folgendes umfassen:
1. die Gewährung des Zugangs zu Daten, Schnittstellen, Netzen oder sonstigen Einrichtungen,
2. Vorgaben zu den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen auf den untersuchten Märkten und auf verschiedenen Marktstufen,
3. Verpflichtung zur Etablierung transparenter, diskriminierungsfreier und offener Normen und Standards durch Unternehmen,
4. Vorgaben zu bestimmten Vertragsformen oder Vertragsgestaltungen einschließlich vertraglicher Regelungen zur Informationsoffenlegung,
5. das Verbot der einseitigen Offenlegung von Informationen, die ein Parallelverhalten von Unternehmen begünstigen,
6. die buchhalterische oder organisatorische Trennung von Unternehmens- oder Geschäftsbereichen.
Nach § 32f Abs 4 GWB kann das Bundeskartellamt marktbeherrschende Unternehmen sowie Unternehmen mit einer überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb auch durch Verfügung dazu verpflichten, Unternehmensanteile oder Vermögen zu veräußern, wenn zu erwarten ist, dass durch diese Maßnahme die erhebliche und fortwährende Störung des Wettbewerbs beseitigt oder erheblich verringert wird. Das deutsche New Competition Tool des §32f GWB[7] wird nun auch erstmals im Kraftstoffgroßhandel in Stellung gebracht.[8]
· Preisvergleichsplattform
Eine Plattform zum Vergleich von Lebensmittelpreisen bzw. ganzen Warenkörben ist ebenfalls eine aus Sicht der BWB „strukturelle Transparenzmaßnahme zur Stärkung des Wettbewerbs“[9]. Für eine solche Plattform braucht es einen klaren rechtlichen Rahmen und eine Schnittstelle zu den IT-System der Supermärkte. Die BWB hat bereits Bereitschaft gezeigt, eine entsprechende Plattform aufzusetzen[10].
Nach dem Vorbild dieser Regelungen in anderen europäischen Ländern können auch in Österreich rasch wirksame Maßnahmen gesetzt werden, bis auf europäischer Ebene Einigkeit erzielt werden kann.
Während die österreichische Regierung bis dato leider wieder nur Ankündigungen macht und „Optionenkataloge“ überlegt, zahlen die österreichischen Konsument:innen völlig ungerechtfertigte Preisaufschläge. Das ist nicht länger hinzunehmen.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert,
· der BWB die erforderlichen Kompetenzen und Ressourcen zur Erstellung einer Preisvergleichsplattform zuzuweisen;
· eine Novellierung des Wettbewerbsgesetzes auszuarbeiten, mit der die BWB mit zusätzlichen Kompetenzen im Gefolge von Branchenuntersuchungen ausgestattet wird. Diese Kompetenzen sollen die Befugnis beinhalten Abhilfemaßnahmen zu setzen, wenn bei einer Branchenuntersuchung eine fortwährende Störung des Wettbewerbs festgestellt wird, insbesondere bindende Empfehlungen auszusprechen, weitere Daten zu erlangen sowie Vorgaben, insbesondere zu Vertragsgestaltungen, zu machen. Bei Nicht-Befolgung dieser Abhilfemaßnahmen soll die Bundeswettbewerbsbehörde die Befugnis erhalten, Bußgelder zu verhängen sowie bei weiterem Fortdauern oder Vorliegen einer erheblichen Störung des Wettbewerbs Maßnahmen bis hin zur Zerschlagung von Konzernen zu veranlassen; alle Maßnahmen sollen auch ohne Vorliegen eines Verstoßes gegen das Kartellgesetz gesetzt werden
· sich auf EU-Ebene für ein gesetzliches Verbot von wettbewerbsverzerrenden territorialen Lieferbeschränkungen proaktiv einzusetzen;
· sich auf EU-Ebene für die Schaffung eines umfassenden „New Competition Tool“ als Ex-Ante-Instrument für strukturelle Wettbewerbsprobleme proaktiv einzusetzen.“
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie vorgeschlagen.
[1] https://www.bwb.gv.at/news/news-2022/detail-1/bundeswettbewerbsbehoerde-praesentiert-den-abschlussbericht-der-branchenuntersuchung-lebensmittel
[2] https://www.derstandard.at/story/1339638931463/einserkastl-rau-oesterreich-aufschlag
[3] https://www.derstandard.at/story/3000000283310/eu-will-preisaufschlaege-fuer-kleinere-mitgliedsstaaten-bekaempfen-aber-oesterreich-blockte-ab
[4] https://orf.at/stories/3402508/
[5] https://www.bmwkms.gv.at/ministerium/gesetzesentwuerfe/ministerratsbeschluesse-2025.html
[6] https://academic.oup.com/jeclap/advance-article-abstract/doi/10.1093/jeclap/lpaf014/8046864?redirectedFrom=fulltext&login=false
[7] https://www.gesetze-im-internet.de/gwb/__32f.html
[8]https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2025/03_06_2025_Verfahren_32f.html?nn=52004
[9]https://www.bwb.gv.at/fileadmin/user_upload/Fokuspapier_Preisvergleichsplattformen_Sept_2023_barrierefrei_14.09.2023.pdf
[10] https://www.derstandard.at/story/3000000284862/chefin-der-bundeswettbewerbsbehoerde-transparenz-kann-preise-senken