50/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 26.02.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Parlamentarische Materialien

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Olga Voglauer, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Faire Erzeuger:innen-Preise

 

BEGRÜNDUNG

 

Innerhalb von 20 Jahren ging fast ein Drittel aller landwirtschaftlichen Betriebe verloren. Betroffen sind hier vor allem die kleinen Betriebe – die Zahl der Betriebe mit weniger als 10ha sank in 20 Jahren sogar um zwei Drittel. Im EU-Vergleich gilt die österreichische Landwirtschaft jedoch weiterhin als kleinstrukturiert.

Ein genauerer Blick auf die Einkommenssituation der österreichischen Bäuerinnen und Bauern zeigt: insbesondere kleine landwirtschaftliche Betriebe können oft nicht einmal ihre Lebenshaltungskosten decken und leben prekär. Die realen landwirtschaftlichen Einkommen schwanken jedes Jahr stark. Die Erzeuger:innenpreise reichen oft nicht, um die Produktionskosten zu decken. Eine Folge davon ist auch der Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe.

Während wir in Österreich kontinuierlich bäuerliche Familienbetriebe verlieren, machen die Supermärkte hingegen, als letztes Glied in der Wertschöpfungskette von landwirtschaftlichen Produkten hin zum:r Konsumenten:in, gute Gewinne: Die Spar Holding AG machte im Jahr 2023 einen Umsatz von 14,8 Mrd Euro und hatte ein Jahresergebnis von 168 Mio Euro. Die REWE Holding hatte einen Umsatz von 83 Mrd Euro und ein Jahresergebnis von 736 Mio Euro.

Die Top 4 des Lebensmitteleinzelhandels (REWE, Spar, Hofer und Lidl) haben in Österreich einen gemeinsamen Marktanteil von 91%. Dadurch konzentriert sich enorme Marktmacht bei diesen vier Unternehmen. Vier Fünftel der von der Bundeswettbewerbsbehörde BWB in ihrer „Branchenuntersuchung Lebensmittel“[1] befragten Lieferant:innen an den LEH sagten, dass eine Auslistung beim für sie umsatzstärksten LEH-Unternehmen starke wirtschaftliche Folgen für sie hätte. Die BWB hat daher in dieser Branchenuntersuchung festgehalten, dass der Lebensmitteleinzelhandel bzw. deren Top Unternehmen relative Marktmacht im Sinne des § 4a Kartellgesetz hat.

Zur Sicherstellung fairer Handelsbeziehungen in der Wertschöpfungskette im Agrar- und Lebensmittelbereich wurde im Jahr 2021 mit einer Novelle des Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetzes die EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette umgesetzt. Nach mittlerweile drei Jahren der Umsetzung liegen mehrere Berichte vor, aus denen die Notwendigkeit von Nachbesserungen abgeleitet werden kann bzw. in denen sich konkrete Empfehlungen finden. In der Branchenuntersuchung der BWB ist festgehalten: „Die Ergebnisse der Branchenuntersuchung geben zu der Vermutung Anlass, dass unlautere Handelspraktiken im Sinne des FWBG auf dem österreichischen Markt in nicht unerheblichem Ausmaß vorkommen.“

Laut einer Befragung der Lieferant:innen des LEH durch die BWB waren etwa 40% der Lieferant:innen bereits mit mindestens einer absolut verbotenen Praktik laut FWBG konfrontiert. Am stärksten betroffen sind Lieferant:innen von Obst und Gemüse und von Fleisch und Wurstwaren. Am häufigsten kommen die Zahlung mehr als 30 Tage nach Lieferung bei verderblichen Produkten, die einseitige Änderung von Liefervereinbarungen, die Zahlungsaufforderung ohne Gegenleistung, und die Zahlung für nicht vom Lieferanten verschuldeten Qualitätsverlust vor. Von den Praktiken, die nur bei vorhergehender klarer Vereinbarung erlaubt sind, werden am häufigsten genannt die Zahlung für Werbemaßnahmen, die Zahlung für Vermarktungsmaßnahmen, und die Zahlungen für Preisnachlässe deren Dauer und Ausmaß nicht abgeschätzt werden kann. Ein relevanter Anteil davon war entweder nicht vereinbart (und damit verboten) oder nur unter Druck seitens des LEH auf die Lieferant:innen zustande gekommen.

Im Jahresbericht 2023 des Fairness-Büros[2], der 2022 eingerichteten Erstanlaufstelle für Produzent:innen/Lieferant:innen, die von unfairen Handelspraktiken betroffen sind, sind einige Fälle exemplarisch dargestellt, sowie weitere Wahrnehmungen des Fairness Büros aufgelistet, die insgesamt ein verheerendes Bild der bestehenden Praktiken zeichnet. Daran anschließend finden sich zahlreiche Anregungen, wie die Situation der Produzent:innen mittels Novelle des FWBG verbessert werden könnte.

Auch die Europäische Kommission hat sich in Reaktion auf die Proteste von Bäuer:innen in ganz Europa zu Jahresbeginn 2024 die Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedsstaaten angesehen.[3] Hier zeigt sich, dass zahlreiche Mitgliedsstaaten über die in der EU-Richtlinie verbotenen Praktiken hinausgegangen sind und noch weitere verbotene Handelspraktiken definiert haben. Die EK beschäftigt sich hier ganz besonders mit dem Verbot des Verkaufs unter dem Einstandspreis bzw. dem Verbot des Verkaufs mit Verlust, wofür es Regelungen in 5 Mitgliedsstaaten gibt. Auch andere für Österreich relevante Regelungen, wie dass nur kalkulierbare Preise vereinbart werden dürfen – d.h. Rabattaktionen deren Dauer und Ausmaß nicht vorab definiert ist, dürfen unter keinen Umständen von den Produzent:innen getragen werden – gibt es in anderen Mitgliedsstaaten.

Die Grünen haben zu diesen Punkten sowie zu geplanten Verbesserungen des Faire-Wettbewerbs-Bedingungen-Gesetzes im Dezember 2024 eine parlamentarische Anfrage an die zuständigen Minister für Landwirtschaft und für Wirtschaft eingebracht. In ihrer Beantwortung verweisen beide auf eine Evaluierung der EU, die erst Ende des Jahres 2025 vorliegen soll – und dass erst danach über etwaige Novellierungen des österreichischen Gesetzes gesprochen werden soll.

Das ist definitiv zu spät. Die Bäuerinnen und Bauern brauchen faire Handelsbeziehungen so rasch wie möglich. Auf Basis der genannten Berichte soll daher das FWBG zügig novelliert werden, um ein deutlich höheres Maß an Fairness und bessere Erzeuger:innen-Preise bei der Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte in der Lebensmittelversorgungskette zu erreichen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu Novellierung des Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetzes (FWBG) zuzuleiten. Ziel der Novelle muss sein, ein deutlich höheres Maß an Fairness und bessere Erzeuger:innen-Preise bei der Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte in der Lebensmittelversorgungskette zu erreichen. Diese Novelle des FWBG soll die Empfehlungen der Bundeswettbewerbsbehörde und des Fairness-Büros sowie die Erfahrungen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten berücksichtigen, und mindestens die folgenden Punkte umfassen:

 

·         Verbot der Kostenüberwälzung auf Lieferant:innen für vorab nicht exakt kalkulierte und vertraglich fixierte Kosten von Preisnachlässen.

·         Verbot des Verkaufs unter dem Einstandspreis, unter Berücksichtigung des Kampfs gegen die Lebensmittelverschwendung.

·         Verpflichtende Schriftform für alle Verträge, die vom FWBG 2. Abschnitt umfasst sind.

·         Explizites Gebot der Freiwilligkeit für die Vereinbarung von Handelspraktiken gemäß Anhang II FWBG und Beweislastumkehr, so dass der:die Käufer:in den Anschein einer seitens der:s Lieferanten:in nicht-freiwilligen Vereinbarung widerlegen muss. 

·         Deutliche Erhöhung der Strafen nach dem FWBG, wobei sich die Höchststrafe am Jahresumsatz des Käufers:der Käuferin bemessen soll.

·         Das Recht auf Durchführung einer Branchenuntersuchung durch die Bundeswettbewerbsbehörde soll im FWBG verankert werden.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Landwirtschaftsausschuss vorgeschlagen.



[1] https://www.bwb.gv.at/fileadmin/user_upload/BU-LM_final_original1_inh_NEU2.pdf

[2] https://www.fairnessbuero.gv.at/

[3] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/EU/181399/imfname_11365234.pdf und https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/EU/181400/imfname_11365235.pdf