538/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 16.10.2025
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Albert Royer, Markus Leinfellner

und weiterer Abgeordneter

betreffend Dringende Einholung eines EuGH-Gutachtens gem. Art. 218 Abs. 11 AEUV betreffend die Vereinbarkeit des Mercosur-Abkommens mit den EU-Verträgen durch die Bundesregierung

 

 

Mit der Verabschiedung der Verhandlungsrichtlinien für ein Abkommen mit dem südamerikanischen Staatenbündnis Mercosur durch den Rat am 17. September 1999 und der entsprechenden Erteilung des Verhandlungsmandats an die Europäische Kommission wurde der Grundstein gelegt für ein Freihandelsabkommen mit tiefgreifenden Auswirkungen insbesondere für den Bereich der Landwirtschaft.

 

Ein durch dieses Abkommen weitgehend unregulierter Freihandel mit Südamerika droht den europäischen Markt mit Rindfleisch und weiteren Agrarrohstoffen zu überschwemmen. Die Standards insbesondere im Tier- und Pflanzenschutz, unter denen Südamerika aktuell produziert, sind hierfür noch nicht ausreichend. Das stellt insbesondere eine enorme Gefahr für unsere kleinstrukturierte österreichische Rinder-Landwirtschaft dar.

 

Während sich die heimischen Bauern wesentlich strengeren Regeln zu unterwerfen haben, produziert die Konkurrenz in den Mercosur-Ländern auf Kosten von Umwelt, Tierwohl und Qualität. Seit Jahren weisen wir in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein derartiges Abkommen im höchsten Maße verantwortungslos insbesondere gegenüber unseren bäuerlichen Familienbetrieben ist.

 

Dessen ungeachtet unterzeichnete Kommissionspräsidentin von der Leyen Ende des Jahres 2024 eine vorläufige Vereinbarung bei einem Gipfel in der uruguayischen Hauptstadt Montevideo.[1] Am 3. September 2025 gab die Europäische Kommission schließlich grünes Licht für dieses Freihandelsabkommen[2] und wählte nunmehr für die Beschlussfassung eine demokratiepolitisch sowie europarechtlich höchst fragwürdige Vorgangsweise, die geeignet ist, die Mitgliedstaaten beim Zustandekommen des Abkommens massiv zu entmachten, das demokratische Mitentscheidungsrecht zu umgehen und damit kritische Stimmen auszuschalten. Dazu bedient man sich des sogenannten „Splittings“, um das Erfordernis einer Einstimmigkeit und damit eine Ratifizierung durch alle EU-Mitgliedstaaten zu umgehen.

 

Man teilt nunmehr das Abkommen in einen der ausschließlichen Kompetenz der EU zuzurechnenden handelspolitischen und einen weiterhin als gemischtes Abkommen ausgestalteten allgemein- und handelspolitischen Teil. Damit ergibt sich für die Europäische Kommission die komfortable Situation, dass für den Teil eines handelspolitischen Abkommens als Konsequenz das Einstimmigkeitsprinzip im Rat über dieses Abkommen fällt.

 

Dieses handelspolitische Abkommen kann im Rat mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Das bedeutet mindestens 72 Prozent der Mitglieder des Rates, sofern diese mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung darstellen, müssen zustimmen. Damit kann der inhaltliche Teil des Abkommens als sogenanntes Interimsabkommen in Kraft treten, und zwar ohne Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten bzw. ohne die Genehmigung durch die nationalen Parlamente. Ob dann noch der zweite Teil, der dann die Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfordern würde, tatsächlich noch beschlossen wird, ist somit nebensächlich.

 

Im Gegensatz dazu bräuchte es bei einem Abschluss des vollumfänglichen Mercosur-Abkommen als gemischtes Abkommen Einstimmigkeit und damit eben die Ratifizierung durch die EU-Mitgliedstaaten. Dieser demokratiepolitische Skandal und Putsch gegen die demokratische Mitsprache der Mitgliedstaaten ist massiv abzulehnen. Österreich bzw. die Bundesregierung ist gefordert, dagegen mit aller Entschiedenheit auf Europäischer Ebene vorzugehen und umgehend von den entsprechenden sich aus den Europäischen Verträgen ergebenden diesbezüglichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen.

 

So normiert in diesem Zusammenhang Art. 218 Abs. 11 AEUV wie folgt:

 

„Ein Mitgliedstaat, das Europäische Parlament, der Rat oder die Kommission können ein Gutachten des Gerichtshofs über die Vereinbarkeit einer geplanten Übereinkunft mit den Verträgen einholen. Ist das Gutachten des Gerichtshofs ablehnend, so kann die geplante Übereinkunft nur in Kraft treten, wenn sie oder die Verträge geändert werden.“[3]

 

Entsprechend einer gutachterlichen Stellungnahme zu Fragen in Zusammenhang mit dem Verhandlungsmandat der EU-Kommission für das EU-Mercosur-Assoziierungs-abkommen (im Auftrag von Greenpeace) von Prof. Dr. Markus Krajewski sowie Julian Werner (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) wäre ein Splitting des Mercosur-Abkommens ein rechtswidriger ultra vires Akt. Dazu heißt es in der genannten gutachterlichen Stellungnahme wie folgt:

 

„Die Aufteilung eines Abkommens in zwei selbständige Abkommen dürfte vor allem dann ohne Mandatsänderung nicht zulässig sein, wenn die Aufteilung eines Abkommens Rechtsfolgen für die EU-Rechtsordnung hat. Wenn die Aufteilung Folgen für die Beteiligung von EU-Organen, die Abstimmungs-modalitäten zur Beschlussfassung im Rat oder das Verhältnis der EU zu ihren Mitgliedstaaten hat, dürfte die Aufteilung eines Abkommens in zwei so wesentlich sein, dass sie ohne Mandatsänderung nicht zulässig ist.

 

Die Notwendigkeit einer Mandatsveränderung besteht vor allem dann, wenn das vom Rat avisierte Abkommen ein gemischtes Abkommen ist, d.h. Inhalte enthält, die sowohl in die Kompetenz der EU als auch in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fallen. In diesem Fall enthalten die Verhandlungsrichtlinie des Rats nämlich nicht nur die Beauftragung der Kommission im Namen der EU-Vertragsverhandlungen durchzuführen. Vielmehr erteilen die im Rat vereinten Vertreter:innen der Mitgliedstaaten der EU uno acto der Kommission das Mandat auch in ihrem Namen, also im Namen der Mitgliedstaaten, Vertragsverhandlungen durchzuführen. So wird vermieden, dass die Kommission über Vertragsgegenstände Verhandlungen durchführt, für die es der EU an der Kompetenz fehlt. Ohne ein „Doppelmandat“, also ein Mandat des Rats im Namen der EU und ein Mandat der im Rat vereinten Vertreter:innen der Mitgliedstaaten, handelt die Kommission bei Vertragsverhandlungen über ein gemischtes Abkommen ultra vires.

 

Bei Erteilung des Mandats zur Aushandlung eines gemischten Abkommens waren der Rat und die im Rat vereinten Vertreter:innen der Mitgliedstaaten davon ausgegangen, dass das Abkommen in seiner Gesamtheit sowohl von der EU als auch dem Mitgliedstaaten ratifiziert werden müsste. Auch wenn es sich hierbei um eine rechtspolitische Willensbildung gehandelt hatte, ist diese für die Auslegung der Verhandlungsrichtlinien maßgeblich. Eine Aufteilung eines gemischten Abkommens in einen in die ausschließliche Kompetenz der EU fallenden Abkommensteil und ein weiterhin gemischtes Abkommen, wäre daher eine fundamentale Abweichung vom ursprünglichen Verhandlungsmandat.[4]

 

Vor diesem Hintergrund hat aus Sicht der unterfertigten Abgeordneten die Bundesregierung umgehend ein Gutachterverfahren gemäß Art. 218 Abs. 11 AEUV einzuleiten, um die Unvereinbarkeit des gegenständlichen Mercosur-Abkommens mit den Verträgen einer gerichtlichen Klärung zuzuführen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, gemäß Art. 218 Abs. 11 AEUV ein Gutachten des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen, um angesichts der Unvereinbarkeit des geplanten Mercosur-Abkommens mit den EU-Verträgen ein Inkrafttreten der Übereinkunft zu verhindern.“

 

 

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft zuzuweisen.



[1]   https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-und-mercosur-erzielen-politische-einigung-uber-wegweisende-partnerschaft-2024-12-06_de (aufgerufen am 15.10.2025)

[2]   https://orf.at/stories/3404403/ (aufgerufen am 15.10.2025)

[3]   https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:12008E218:de:HTML (aufgerufen am 15.10.2025)

[4]   https://www.greenpeace.de/publikationen/Rechtsgutachten_Splitting_EU-Mercosur_Greenpeace.pdf (aufgerufen am 15.10.2025)