543/A(E) XXVIII. GP
Eingebracht am 16.10.2025
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Meri Disoski, Agnes-Sirkka Prammer, Freundinnen und Freunde
betreffend Österreichs Bemühungen für einen nachhaltigen Friedensprozess im israelisch-palästinensischen Konflikt
BEGRÜNDUNG
Am 7. Oktober 2023 griff die Terrororganisation Hamas Israel mit einer beispiellosen Brutalität an. Tausende Raketen wurden abgefeuert, bewaffnete Kämpfer drangen in israelische Ortschaften und Kibbuzim ein, überfielen Häuser und ermordeten mehr als 1.200 Zivilist:innen und Sicherheitskräfte. Es kam zu Folterungen, Vergewaltigungen, Verstümmelungen, Plünderungen und Brandanschlägen. 251 Kinder, Frauen und Männer wurden in den Gazastreifen verschleppt. Dieses Massaker war der größte Massenmord an Jüdinnen und Juden seit der Shoah. Es markiert eine Zäsur für Israel und für jüdische Gemeinschaften weltweit und ist auf das Schärfste zu verurteilen. Die alleinige Verantwortung für diesen Angriff trägt die Hamas. Die israelische Regierung hat nach dem Versagen ihrer Sicherheitsdienste eine militärische Großoffensive gestartet, deren Folgen katastrophal sind. Die humanitären Auswirkungen des Gaza-Krieges haben ein kaum vorstellbares Ausmaß angenommen. Internationale Expert:innen sowie Vertreter:innen der Vereinten Nationen bezeichnen die Krise in Gaza als „vermeidbar und menschengemacht“.
Seit Beginn des Krieges am 7. Oktober 2023 starben nach UN-Angaben rund 65.000 Menschen durch israelische Angriffe, mehr als 165.000 wurden verletzt.[1] Die Zivilbevölkerung leidet unter systematischer Vertreibung, Hunger und fehlender medizinischer Versorgung. Kinder sind in besonderem Maße betroffen. Hilfsorganisationen berichteten von Menschen, die bei der Verteilung von Nahrungsmitteln erschossen wurden. Von Ende Mai bis Anfang Oktober 2025 sollen über 1.000 Menschen in der Nähe von Hilfskonvois und Verteilzentren getötet worden sein. Auch Mitarbeiter:innen humanitärer Hilfsorganisationen und Journalist:innen sind gezielt getroffen worden. Laut Reporter ohne Grenzen wurden seit Oktober 2023 mehr als 200 Medienschaffende in Gaza getötet. Das UN-Nothilfebüro OCHA dokumentiert, dass im Jahr 2024 fast die Hälfte der weltweit 383 getöteten Hilfskräfte in Gaza ums Leben kam.
Fast die gesamte landwirtschaftliche Fläche in Gaza ist zerstört oder unzugänglich[2]. Die Verwendung von Hunger als Kriegswaffe stellt einen eklatanten Bruch des Völkerrechts dar. Israel trägt als Besatzungsmacht die Verantwortung für den Schutz der in Gaza lebenden Bevölkerung, einschließlich ihrer Versorgung mit Nahrung, Wasser und medizinischer Hilfe. Mit Beginn der Großoffensive auf Gaza-Stadt am 16.9.2025 mussten abermals Hunderttausende Menschen Richtung Süden fliehen.
In der Nacht auf 9.10.2025 wurde nun zwei Jahre nach dem grauenvollen Hamas-Massaker eine Einigung auf einen Waffenstillstand und Freilassung der Geiseln sowie von palästinensischen Gefangenen auf Grundlage des von den USA eingebrachten Friedensplans erzielt. Die 20 noch lebenden Geiseln konnten am Montag, den 13.10.2025 nach Israel zurückgebracht werden.
Das ist ein großer und wichtiger Fortschritt, doch es sind noch viele Fragen offen, sowohl bezüglich des Zeitplans, einer Verwaltung für den Gazastreifen nach dem Krieg und wer nach Kriegsende regieren wird.
Der am Montag, den 13.10. stattgefundene Friedensgipfel von Scharm el Scheich behandelte Fragen, wie die Entwaffnung der Hamas sichergestellt werden kann, wie der Wiederaufbau im Gaza-Streifen organisiert werden soll und wie eine Nachkriegsordnung in Gaza aussehen könnte. Auch wenn Expert:innen von einer gemeinsamen internationalen Anstrengung sprechen: der Gipfel fand ohne Vertreter:innen Israels und auch ohne Vertreter der Terrororganisation der Hamas statt. Der Weg zu einer nicht nur kurzfristigen Beruhigung des israelisch-palästinensischen Konflikts ist noch ein langer.
Nun muss alles darangesetzt werden, dass der Waffenstillstand hält und der nächste Schritt im Friedensprozess gesetzt werden kann.
Währenddessen schreitet jedoch die illegale Ausweitung israelischer Siedlungen im Westjordanland unvermindert fort. Im August 2025 genehmigte ein Planungsausschuss den Ausbau im sogenannten E1-Gebiet zwischen Ost-Jerusalem und der Siedlung Maale Adumim. Dieses Projekt würde das Westjordanland faktisch in zwei Teile zerschneiden und einen zusammenhängenden palästinensischen Staat verunmöglichen. Die Regierungsparteien „Religious Zionism“ und „Otzma Yehudit“ treten offen für die vollständige Souveränität Israels über das gesamte Westjordanland ein und rufen zu ethnischen Säuberungen auf. Radikale Siedlerangriffe auf Palästinenser:innen nehmen stark zu. Seit dem 7. Oktober 2023 wurden im Westjordanland 979 Palästinenser:innen getötet und über 9.500 verletzt – überwiegend durch israelische Soldaten.[3]
Die Einigung zur ersten Phase des Friedensplans inklusive Waffenruhe und Freilassung aller Geiseln sowie Freilassung von palästinensischen Gefangenen gibt nun Hoffnung auf einen schnellen uneingeschränkten Zugang für humanitäre Hilfe, und weitere konkrete Schritte für einen Friedensprozess, der in eine Zweistaatenlösung mündet, und in der die Terrororganisation der Hamas keine Rolle mehr in der politischen Zukunft der Palästinenser:innen spielt.
Der Krieg in Gaza muss endgültig beendet, die illegale Siedlungspolitik gestoppt, die Hamas dauerhaft entmachtet und die Zweistaatenlösung als einziger Weg hin zu einem stabilen Frieden zwischen Israel und Palästina vorangetrieben werden. Dafür müssen sich die Europäische Union und Österreich konstruktiv und konsequent auf allen Ebenen einsetzen.
Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen, ob das von der EU-Kommission am 17. September 2025 vorgestellte Sanktionspaket, das eine teilweise Aussetzung des EU-Assoziierungsabkommens mit Israel, höhere Zölle auf bestimmte Waren, sowie Sanktionen gegen Hamas-Funktionäre, extremistische israelische Siedler und die israelischen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben Gvir vorsieht, noch als Druckmittel gegen Menschenrechtsverletzungen notwendig sein wird.
Unbestritten bleibt, dass die Europäische Union und Österreich bei weiterhin bestehenden Völkerrechts- und Menschenrechtsverletzungen nur dann glaubwürdig bleiben, wenn sie im Fall der Nichteinhaltung von völkerrechtlichen Verpflichtungen Konsequenzen setzen.
Die Vorbereitung und Umsetzung der Zweistaatenlösung müssen auch von Österreich weiterentwickelt und unterstützt werden. Ein unabhängiger palästinensischer Staat wird derzeit von Israels Ministerpräsident noch abgelehnt. Es muss dringend geprüft werden, welche diplomatischen Schritte zu einem glaubwürdigen Bekenntnis zur Zweistaatenlösung gesetzt werden könnten.
Weiters ist es dringend notwendig, als Bestandteil einer effektiven Friedenspolitik, zivilgesellschaftliches Engagement für Frieden und Versöhnung auf israelischer wie palästinensischer Seite zu stärken und Menschrechtsverteidiger:innen vor Ort aktiv zu unterstützen. Die Zivilgesellschaft kann Brücken bauen, wo Regierungen zu keinen Lösungen kommen. Der Kampf gegen Antisemitismus, mit und ohne Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt, muss konsequent intensiviert werden.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Österreichische Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten, wird aufgefordert,
- sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass humanitäre Hilfe in ausreichender Menge und ohne weitere Einschränkungen die Bevölkerung in Gaza erreicht;
- sich mit allen zur Verfügung stehenden diplomatischen Mitteln für einen Wiederaufbau Gazas unter einer international legitimierten Verwaltung ohne Beteiligung der Terrororganisation Hamas als Vorbereitung für eine Zweistaatenlösung einzusetzen;
- die Europäische Union dabei zu unterstützen, einen Platz in dem geplanten Gremium („bord of peace“) zur Überwachung einer künftigen Übergangsregierung für den Gazastreifen zu erhalten;
- sich für eine gemeinsame europäische Positionierung und die Unterstützung von EU-Missionen, wie die Überwachungsmission des Grenzübergangs zwischen Ägypten und dem Gazastreifen in Rafah einzusetzen;
- die Vorbereitung und Umsetzung der Zweistaatenlösung sowohl bilateral wie auch über europäische und internationale Institutionen aktiv zu unterstützen und voranzutreiben;
- sich gleichzeitig auch weiterhin für die im Rat Auswärtige Angelegenheiten vorliegenden Sanktionen auf europäischer Ebene aufgrund des fortgesetzten illegalen Siedlungsbaus im Westjordanland einzusetzen;
- sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass die Anwendung des Völkerrechts bzw. die unabhängige rechtliche Aufklärung der Verletzungen des humanitären Völkerrechts im Gaza-Streifen sichergestellt wird;
- solange nicht auf europäischer Ebene beschlossen, auf bilateraler Ebene Sanktionen gegen die ultrarechten israelischen Minister, Finanzminister Bezalel Smotrich und Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir zu erlassen, solange diese weiterhin zu schweren Menschenrechtsverletzungen und Gewalt gegen Palästinenser:innen aufrufen und den illegalen Siedlungsbau im Westjordanland ungehindert fortsetzen;
- zivilgesellschaftliches Engagement für Frieden und Versöhnung auf israelischer und palästinensischer Seite zu stärken und Menschrechtsverteidiger:innen vor Ort aktiv zu unterstützen sowie die Sicherheit von Journalist:innen zu gewährleisten.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Menschenrechte und Volksanwaltschaft vorgeschlagen.
[1] Die Zahlen beziehen sich auf die Angaben des Ministry of Health (MoH) in Gaza. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1417316/umfrage/opferzahlen-im-terrorkrieg-der-hamas-gegen-israel/ (14.10.2025)
[2] https://unicef.at/news/gaza-hungersnot-offiziell-festgestellt/ (22.9.2025)
[3] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1417316/umfrage/opferzahlen-im-terrorkrieg-der-hamas-gegen-israel/ (22.9.2025)