548/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 16.10.2025
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Alma Zadic, Freundinnen und Freunde

 

betreffend wirksame Maßnahmen gegen Postenschacher, Parteibuchwirtschaft und Ämterkorruption im öffentlichen Dienst

 

 

BEGRÜNDUNG

 

 

Die Reaktionen von Bundeskanzler Stocker und der Bundesregierung auf die „Causa Wöginger“ haben ein beunruhigendes Licht auf den Umgang mit der tief verwurzelten Parteibuch- und Freunderlwirtschaft in Österreich geworfen.

 

NR Abg. August Wöginger und zwei Beamte mussten sich am 7. Oktober 2025 wegen Missbrauchs der Amtsgewalt vor dem Landesgericht Linz verantworten. Ihnen war vorgeworfen worden, bei der Besetzung der Leitung des Finanzamts Braunau-Ried-Schärding aus parteipolitischen Motiven interveniert bzw. unsachgemäß entschieden zu haben. Die Finanzbeamtin Christa Scharf, die bei objektiver Beurteilung als besser geeignete Kandidatin gelten musste, wurde bei der Personalauswahl übergangen – offenbar, weil Partei-Loyalität wichtiger war als Qualifikation. Das Verfahren endete mit einer nicht rechtskräftigen Diversion, in deren Rahmen NR Abg. Wöginger eine Geldbuße von 44.000 Euro an die Republik sowie 500 Euro an die Betroffene leisten muss.

 

Die Anwendung der Diversion in der Causa bedeutet, dass der dem Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt hinreichend geklärt war und eine hohe Verurteilungswahrscheinlichkeit vorlag – sonst wäre eine Diversion erst gar nicht möglich gewesen[1]. Zudem hat NR Abg. August Wöginger in der Verhandlung die Verantwortung für das ihm zur Last gelegte Tatgeschehen übernommen, also die ihm angelastete Tat als Fehlverhalten einbekannt.[2] Trotzdem wird vom Bundeskanzler bzw. ÖVP-Parteivorsitzenden und vom ÖVP-“Ethik“-Rat die Entscheidung des Gerichts und die Schwere des Fehlverhaltens bagatellisiert und zu einer Reinwaschung umgedeutet.

 

Die Reaktionen der Bundesregierung und insbesondere von Bundeskanzler Christian Stocker auf diesen Fall blieben völlig unzureichend.[3] Anstatt staatspolitische Verantwortung zu übernehmen und klare Konsequenzen zu ziehen, wurde der Fall verharmlost. Dieses Verharmlosen von Postenschacher, wonach rechtswidrige parteipolitische Interventionen als Wahrnehmung von Bürgeranliegen dargestellt werden, ist ein fatales und demokratiegefährdendes Signal.

 

Auch die SPÖ und die NEOS gehen zur Tagesordnung über, anstatt Konsequenzen einzufordern und das Fehlverhalten klar zu verurteilen. Die darauffolgende harsche Kritik von Medien und Expert:innen unterstrich die unzureichende Reaktion der Bundesregierung auf den Fall.[4]

 

Der sog. ÖVP-“Ethik“-Rat, repräsentiert von Ex-Minister Werner Fasslabend, konnte sich ebenfalls nicht durchringen, das Handeln des NR Abg. August Wöginger klar als Fehlverhalten zu bezeichnen. „Das ist ganz tägliches Geschäft. Wenn ich Ihnen sage, ich habe heute, obwohl ich schon lange nicht mehr aktiv bin als Mandatar, noch am Nachmittag ein Interventionsschreiben abgefasst“, gab Werner Fasslabend in der ZIB2 am 8. Oktober 2025 freimütig Einblick ins Politikverständnis der ÖVP. Was NR Abg. Wöginger getan habe, sei „durchaus im Sinne der üblichen Tätigkeit der Mandatare“.

 

Der ÖVP-“Ethik“-Rat scheint auch die Verantwortungsübernahme vor Gericht zu relativieren. Es sei nach eigenen Erhebungen des “Ethik“-Rats „kein Fehlverhalten im Sinne einer Schädigungsabsicht in irgendeiner Form erkennbar gewesen (...).“ Wenn NR Abg. Wöginger „jetzt die Verantwortung übernommen hat, dann sicherlich auch deshalb, um dieses Verfahren einfach zu beenden“, so Werner Fasslabend weiter in der ZIB2.

 

Korruption, Postenschacher und das systematische „Zuschieben“ oder „Schieben“ von Posten an parteitreue Personen zerstören das Vertrauen der Bevölkerung in die Verwaltung. Sie befeuern den Eindruck, dass persönliche Nähe und Parteibuch mehr zählen als Kompetenz und Leistung. Politiker müssen die Folgen ihrer Handlungen kennen und endlich Verantwortung übernehmen.

 

Wie groß das Problem ist, zeigt eine gemeinsame Recherche von profil und ORF-Report, wonach österreichische Ministerien seit 2006 insgesamt 439.730,82 Euro an Schadenersatz wegen Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung zahlen mussten.[5] Diese Gelder müssen am Ende die Steuerzahler:innen aufbringen – ein weiteres Indiz dafür, dass das System der Parteibuchwirtschaft auch finanziell zulasten der Allgemeinheit geht.

 

Erst diese Woche wurde durch einen Bericht der Zeitung Die Presse ein weiterer Fall von Postenschacher in einem ehemaligen ÖVP-Ressort bekannt: Die Republik muss einem Diplomaten 15.000 Euro Schadenersatz leisten, der aus weltanschaulichen Gründen in einem Besetzungsverfahren diskriminiert wurde. Die Botschafterstelle in Abu Dhabi ging im Jahr 2022 an den ehemaligen Sprecher und langjährigen Vertrauten von Sebastian Kurz, Etienne Berchtold, obwohl der übergangene Bewerber besser geeignet gewesen wäre.[6]

 

Politik muss für die Menschen im Land arbeiten, nicht für die eigenen Netzwerke. Die Bundesregierung, die sich im Regierungsprogramm zu „Transparenz und objektiver Postenbesetzung“ verpflichtet, hat sich umgehend ihrer Verantwortung zu stellen.

 

Dieser Antrag zielt darauf ab, das Vertrauen der Bevölkerung in die Objektivität und Integrität der öffentlichen Verwaltung wiederherzustellen. Nur wenn Qualifikation vor Loyalität steht und Parteibuchwirtschaft, Intervention und Freunderlwirtschaft konsequent bekämpft werden, kann eine faire und leistungsorientierte Verwaltung gewährleistet werden.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, wird aufgefordert, dem Nationalrat ein Maßnahmenpaket gegen Postenschacher, Parteibuchwirtschaft und Ämterkorruption zuzuleiten, das insbesondere folgende Punkte beinhaltet:

1.    Neubesetzung bei nachgewiesenem Postenschacher: In rechtskräftig festgestellten Fällen von Postenschacher ist die betroffene Stelle neu auszuschreiben.

2.    Rechtsschutz für unterlegene Bewerber:innen: Die Einführung von
(Eil-)Rechtsmitteln für unterlegene Bewerber:innen gegen Besetzungs-entscheidungen bei qualifiziertem Verdacht auf Postenschacher, Diskriminierung oder parteipolitische Einflussnahme soll geprüft werden.

3.    Stärkung der Unabhängigkeit von Begutachtungskommissionen: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Tätigkeit und die Organisation der Begutachtungskommissionen sind so anzupassen, dass die Kommissionen ihrer Aufgabe, die am besten geeigneten Bewerber:innen zu ermitteln, künftig ohne Einfluss der Parteipolitik nachgehen können.

4.    Besserer Hinweisgeber:innenschutz: Der Anwendungsbereich des Hinweis-geber:innenschutzgesetzes ist auf Fälle von Postenschacher, Diskriminierung und parteipolitischer Einflussnahme auszudehnen.“

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.



[1]  Schroll/Kert in Fuchs/Ratz, WK StPO § 198 Rz 3 (Stand 15.3.2025, rdb.at)

[2] ebda., RZ 36/3

[3] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20251007_OTS0142/statement-von-bundeskanzler-und-bundesparteiobmann-christian-stocker

[4] https://www.derstandard.at/story/3100000291146/die-regierung-hat-auf-woegingers-postenschacher-causa-klaeglich-reagiert; https://epaper.vn.at/lokal/vorarlberg/2025/10/07/spaete-reue.vn; https://www.profil.at/oesterreich/postenschacher-woeginger-innenministerium-finanzamt-polizei/403090886; https://www.diepresse.com/20181291/die-tutto-paletti-diversion-des-august-woeginger

[5] https://www.profil.at/oesterreich/postenschacher-woeginger-innenministerium-finanzamt-polizei/403090886

[6] Kommenda, 15.000 € für übergangene Bewerber, Die Presse - Recht 2025/268