549/A XXVIII. GP

Eingebracht am 16.10.2025
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ANTRAG

 

des Abgeordneten Ing. Harald Thau

und weiterer Abgeordneter

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungs-gesetz (B-VG) geändert wird

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBI. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBI. I Nr. 89/2024, wird wie folgt geändert:

 

1.    Art. 62 lautet:

 

„(1) Der Bundespräsident leistet bei Antritt seines Amtes vor der Bundesversammlung das Gelöbnis:

‚Ich gelobe, dass ich die Verfassung, alle Gesetze der Republik und die immerwährende Neutralität getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde.‘

(2) Die Beifügung einer religiösen Beteuerung ist zulässig.“

 

2.    Art. 72 lautet:

 

„(1) Die Mitglieder der Bundesregierung leisten vor Antritt ihres Amtes vor dem Bundespräsidenten das Gelöbnis:

‚Ich gelobe, dass ich die Verfassung, alle Gesetze der Republik und die immerwährende Neutralität getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde.‘

(2) Die Beifügung einer religiösen Beteuerung ist zulässig.

(3) Die Bestallungsurkunden des Bundeskanzlers, des Vizekanzlers und der übrigen Bundesminister werden vom Bundespräsidenten mit dem Tag der Angelobung ausgefertigt und vom neubestellten Bundeskanzler gegengezeichnet.

(4) Diese Bestimmungen sind auch auf die Fälle des Art. 71 sinngemäß anzuwenden.“


 

Begründung

 

Die Republik Österreich bekennt sich seit 1955 zur immerwährenden Neutralität. Dieses Bekenntnis bildet einen zentralen Pfeiler der außenpolitischen Identität unseres Landes und ist tief im kollektiven Selbstverständnis der Zweiten Republik verankert. Die immerwährende Neutralität ist nicht nur eine völkerrechtlich relevante Festlegung, sondern auch ein innenpolitisch und gesellschaftlich wirksames Symbol für Unabhängigkeit, Friedenspolitik und Souveränität. Sie stellt eine bewusste und dauerhafte Entscheidung dar, sich aus militärischen Bündnissystemen herauszuhalten, keine fremden Truppen auf dem eigenen Staatsgebiet zuzulassen und sich nicht an Kriegen fremder Staaten zu beteiligen.

 

Dieses Bekenntnis wurde im Nationalrat am 26. Oktober 1955 mit Verfassungsrang beschlossen. Seither ist die Neutralität nicht nur Bestandteil der österreichischen Außenpolitik, sondern hat sich auch zu einem identitätsstiftenden Element der politischen Kultur unseres Landes entwickelt. In Meinungsumfragen genießt sie regelmäßig hohe Zustimmung in der Bevölkerung, oft jenseits parteipolitischer Grenzen. Gerade in Zeiten internationaler Instabilität, wachsender geopolitischer Spannungen und globaler Konflikte wird der Ruf nach einer glaubwürdigen und aktiven Neutralitätspolitik in Österreich wieder lauter.

 

Die österreichische Neutralität ist wie eine Medaille mit zwei Seiten. Einerseits steht die Neutralität durch das Neutralitätsgesetz im Verfassungsrang. Andererseits besteht zur Einhaltung der Neutralität aber auch eine völkerrechtliche Pflicht. Rechtsgrundlage der völkerrechtlichen Verpflichtung ist die Notifikation des Neutralitätsgesetzes, die verbunden mit dem Ersuchen um Anerkennung ab November 1955 an alle Staaten erging, mit denen Österreich damals diplomatische Beziehungen unterhielt, sowie die ausdrückliche Anerkennung oder Kenntnisnahme seitens der Mehrzahl dieser Staaten.

 

Artikel I des Neutralitätsgesetzes proklamiert eine immerwährende Neutralität, wie Prof. Öhlinger schreibt. Die Materialien zum Neutralitätsgesetz machen unmissverständlich deutlich, dass unter „immerwährender“ eine dauernde Neutralität im Sinne des Völkerrechts gemeint ist. Der Inhalt der österreichischen Neutralität ergibt sich demnach sowohl aus den im BVG-Neutralität (Art I Abs 1 2. Satz und Abs 2) explizit normierten Verpflichtungen, als auch aus dem völkerrechtlichen Gewohnheits- und Vertragsrecht.[1]

 

Zur Wahrung und Einhaltung der anerkannten Regeln des Völkerrechts ist Österreich laut Art. 9 B-VG verpflichtet, der diese als Bestandteile des Bundesrechts normiert. Die bestehenden Gelöbnisse stellen jedoch lediglich auf die Verfassung und Gesetze ab, nicht aber auf die anerkannten Regeln des Völkerrechts. Die Neutralität eines Staates aus völkerrechtlicher Sicht hängt von der Wahrnehmung anderer Staaten ab. Daher ist es wichtig die Neutralität voranzustellen und mit Leben zu erfüllen.


 

Vor diesem Hintergrund sollen sich der Bundespräsident und die Bundesminister ausdrücklich und vollumfänglich zur immerwährenden Neutralität im Einklang mit dem Völkerrecht bekennen. Durch die Aufnahme der Neutralität in die Gelöbnisformel wird der Einhaltung der Neutralität im Sinne völkerrechtlicher Verpflichtungen Rechnung getragen. Zugleich wird ein klares Signal für die Außenwirksamkeit der immerwährenden Neutralität Österreichs gesetzt.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird beantragt, diesen Antrag dem Verfassungsausschuss zuzuweisen.



[1]    https://360.lexisnexis.at/d/kommentar/bvg_neutralitat_ohlinger/j_43900_700150_43900_B_VG_
Kommentar_BVG_aa6ba24802
, RZ 8