554/A(E) XXVIII. GP

Eingebracht am 16.10.2025
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Meri Disoski, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Frauen mit Behinderungen beim Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen nicht vergessen!

BEGRÜNDUNG

In Österreich leben rund 410.000[1] Frauen mit einer sogenannten „registrierten“ Behinderung, d. h. sie haben eine amtlich festgestellte Behinderung und/oder beziehen Sozialleistungen, wie beispielsweise Pflegegeld, aufgrund einer Behinderung. Das sind in etwa doppelt so viele Menschen, wie in Linz leben. Hinzu kommen noch alle Frauen, die zwar mit Einschränkungen leben, deren Behinderung als solche aber oft nicht anerkannt wird, wie etwa Post-Virale-Erkrankungen.

Zahlreiche internationale Studien zeigen, dass diese Frauen häufig stärker von Gewalt betroffen sind als Frauen ohne Behinderungen.[2] Auch eine österreichische Studie zu Gewalterfahrungen von Menschen mit Behinderungen, welche in österreichischen Einrichtungen leben und arbeiten, kommt zum Schluss, dass Frauen mit Behinderungen teilweise häufiger Gewalt ausgesetzt waren, als Frauen ohne Behinderungen.[3] Zu Gewalterfahrungen von Frauen mit Behinderungen in Österreich außerhalb von Institutionen gibt es bedauerlicherweise keine Daten.

Im Leben von Frauen mit Behinderungen existieren häufig viele Barrieren, sei es bei der Bildung, im Beruf oder die Möglichkeit, auch mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben zu führen . Diese Barrieren führen häufig zu erhöhter Abhängigkeit von Angehörigen, Freund:innen oder Betreuungspersonen – sei es, weil Frauen mit Behinderungen Alltagsunterstützung brauchen oder sie mangels Ausbildung und Beruf kein eigenes Einkommen haben und finanziell vollkommen von Partner:innen abhängig sind.

Solche Gegebenheiten stellen für sich genommen schon erhöhte Risikofaktoren für Gewalt dar. Dazu kommt, dass Sexualität bei Menschen mit Behinderungen und insbesondere bei Frauen bis heute häufig tabuisiert wird, was zur Folge hat, dass viele Frauen mit Behinderungen sexuelle Grenzverletzungen nicht als solche erkennen und benennen können.

Sind Frauen mit Behinderungen von Gewalt betroffen, haben sie es ungleich schwerer, Hilfe zu bekommen. Viele Gewaltschutzzentren sind nicht umfassend barrierefrei gestaltet und das dort tätige Personal hat wenig Erfahrungen mit der Lebensrealität von Frauen mit Behinderungen. Zu spezifischen Gewaltformen, wie sie in Einrichtungen oder bei der Pflege vorkommen können, gibt es häufig wenig Wissen. österreichweit gibt es derzeit nur eine Peer-Beratungsstelle, wo Frauen mit Behinderungen andere Frauen mit Behinderungen beraten. Deshalb wurde auch bei der letzten Staatenprüfung Österreichs zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ein verbesserter Gewaltschutz für Frauen mit Behinderungen gefordert.[4]

Um hier Verbesserungen zu erreichen und der UN-Behindertenrechtskonvention zu entsprechen, muss der von Regierungsseite angekündigte Nationale Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen die Bedarfe von Frauen mit Behinderungen explizit . berücksichtigen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert im Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen explizit die Anliegen und Bedarfe von Frauen mit Behinderungen mit eigenen Maßnahmen zu berücksichtigen. Darin sollen insbesondere folgende Punkte enthalten sein:

      umfassend barrierefreier Zugang zu Schutzunterkünften und Beratungsstellen (inklusive bedarfsgerechte Ausstattung) für alle Frauen mit Behinderungen unabhängig von der jeweiligen Art der Behinderung.

      Etablierung einer permanenten Arbeitsgruppe im BMFWF unter Einbindung von Organisationen von Menschen mit Behinderungen zum Thema Frauen mit Behinderungen, um kontinuierlich Lücken und Barrieren für Frauen mit Behinderungen in frauenspezifischen und gewaltspezifischen Angeboten für Frauen mit Behinderungen zu identifizieren und zu bearbeiten.

•       Beauftragung einer Studie zu Gewalterfahrungen von Frauen mit Behinderungen im institutionellen und außerinstitutionellen Kontext.

•       flächendeckender Ausbau der Peer-Beratungsstellen für Frauen und Mädchen mit Behinderungen in ganz Österreich (eventuell angeschlossen an frauenspezifische und weitere oder gewaltpräventive Angebote).

•       freier, flächendeckender Zugang zu Empowerment-Maßnahmen für Frauen und Mädchen mit Behinderungen, mit dem Ziel, Gewalt zu erkennen , zu benennen und sich bei Bedarf Unterstützung zu suchen.

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gleichbehandlungsausschuss vorgeschlagen.



[1] Vgl. BMSGPK (2024) Menschen mit Behinderungen in Österreich II. Demografische einen Merkmale von Personen mit „registrierter Behinderung“ 2022. S. 11

[2] https://www.gewaltinfo.at/fachwissen/gewalt-gegenueber-menschen-mit-behinderung.html

[3] Vgl. BMSGPK (2019): Erfahrungen und Prävention von Gewalt an Menschen mit Behinderungen, S. 154 ff

[4] UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (2023): Abschließende Bemerkungen zum kombinierten zweiten und dritten Bericht Österreichs*, S. 3f:

URL: https://www.behindertenrat.at/wp-content/uploads/2023/10/UN-BRK_Abschliessende_Bemerkungen_2023.pdf