560/A(E) XXVIII. GP
Eingebracht am 19.11.2025
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DRINGLICHER ANTRAG
der Abgeordneten Leonore Gewessler, Meri Disoski, Alma Zadic, Freundinnen und Freunde
betreffend Gewaltfrei leben: Für konsequenten Schutz, klare Gesetze und echte Gleichstellung
BEGRÜNDUNG
Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist in Österreich bittere Realität. Jede dritte Frau erfährt im Laufe ihres Lebens körperliche und/oder sexualisierte Gewalt. Hinter diesen Zahlen stehen Mütter, Töchter, Schwestern, Freundinnen und Kolleginnen – Frauen, die belästigt, bedroht, erniedrigt, geschlagen, vergewaltigt oder im schlimmsten Fall getötet werden. Gewalt betrifft Frauen aller Alters- und Gesellschaftsschichten, die Täter sind überwiegend Männer aus dem engsten Umfeld. Der gefährlichste Ort für eine Frau bleibt ihr eigenes Zuhause.
2025 verzeichnen wir Mitte November 14 Femizide – der niedrigste Wert seit 20 Jahren, aber noch immer 14 zu viel. Femizide sind die Spitze eines umfassenden Systems geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Folgen sind für Betroffene verheerend – körperlich, psychisch, sozial und wirtschaftlich – und verursachen auch für den Staat hohe Kosten. Österreich hat weiterhin ein strukturelles Gewaltproblem, das entschlossene politische Antworten braucht.
Die Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ erinnert jährlich daran, dass Betroffenheit allein keine Frau schützt. Wir brauchen konkrete politische Maßnahmen für Prävention, Opferschutz und die Bekämpfung von Männergewalt.
Fortführung einer konsequenten Gewaltschutzpolitik
In der XXVII. Gesetzgebungsperiode hat die ÖVP-GRÜNE-Bundesregierung wichtige Schritte gesetzt, um Gewalt gegen Frauen systematisch zu bekämpfen, wie z.B.:
Zu den besonders wichtigen Maßnahmen zählen die Gewaltambulanzen in Wien und Graz, die eine niederschwellige, standardisierte und gerichtstaugliche Beweissicherung für Gewaltbetroffene ermöglichen. Besonders bei sexualisierter Gewalt ist dies entscheidend, um Spuren von Übergriffen rechtlich wirksam zu sichern und die Strafverfolgung zu verbessern.
Sexualisierte Gewalt und „Nur Ja heißt Ja“
Wir haben in Österreich nach wie vor eine sehr niedrige Verurteilungsrate auch im Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen, sexualisierter Gewalt und Vergewaltigung. Es ist höchste Zeit für ein klares Vorgehen gegen sexualisierte Gewalt und für eine Gesellschaft, in der Konsens an erster Stelle steht. Österreich muss die sexuelle Selbstbestimmung und Integrität aller Menschen konsequent schützen und das geht nur mit der Umsetzung des „Nur Ja heißt Ja“ Prinzips. Nur das Konsensprinzip wird einem modernen Sexualstrafrecht gerecht. Zahlreiche europäische Länder darunter Spanien, Schweden, Frankreich oder Norwegen haben das bereits umgesetzt. Auch Österreich muss sich diesem europäischen Standard anschließen.
Sexuelle Handlungen dürfen nur dann als einvernehmlich gelten, wenn alle Beteiligten eindeutig zustimmen. Vor Gericht braucht es endlich eine Umkehr von der bisherigen rechtlich notwendigen Praxis, bei der betroffene Person beweisen muss, ob sie sich gewehrt hat oder aktiv und laut „Nein“ gesagt zu hat. Es ist unerlässlich in einem modernem Rechtstaat, dass es der Täter ist, der sich vor Gericht zu rechtfertigen hat, ob eine Zustimmung vorlag. Die Scham muss die Seite wechseln
Schutzzonen für sichere medizinische Versorgung
Neben der Reform des Sexualstrafrechts besteht gesetzlicher Änderungsbedarf auch beim Thema Schwangerschaftsabbruch: Dieser ist in Österreich als einziger medizinischer Eingriff im Strafgesetzbuch verankert. Betroffene Frauen sind somit nicht nur mit einer Straftat bedroht, sondern auch nicht ausreichend vor psychischer Gewalt und Einschüchterung geschützt, die häufig direkt vor medizinischen Einrichtungen stattfinden.
Um die Rechte und die körperliche und psychische Unversehrtheit von Frauen zu sichern, muss der Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafrecht in das Gesundheitsrecht überführt werden. Zusätzlich braucht es bundesweit einheitliche Schutzzonen rund um Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden. Diese Schutzzonen schützen Frauen und das medizinische Personal vor Belästigung, Einschüchterung oder psychischer Gewalt durch sogenannte „Gehsteigberatungen“.
Internationale Beispiele, etwa aus Kanada, Neuseeland, Spanien, Großbritannien oder Deutschland, zeigen: Schutzzonen und klare gesetzliche Regelungen sichern den Zugang zu reproduktiver Gesundheitsversorgung nachhaltig und verhindern psychische Gewalt gegenüber Betroffenen.
Ökonomische Unabhängigkeit von Frauen
Strukturelle Ursachen von Gewalt werden besonders wirksam bekämpft, wenn Frauen ökonomisch unabhängig sind. Die Bundesregierung aus ÖVP und GRÜNEN hat deshalb zahlreiche Maßnahmen dazu gesetzt: Dazu gehören neben der Valorisierung von Familien- und Sozialleistungen v.a. auch der Ausbau der Kinderbetreuung. Denn hochwertige, verlässliche und flächendeckende Betreuungsangebote ermöglichen es Eltern, Vollzeit- oder besser bezahlte Arbeit aufzunehmen, ihre Karrierechancen zu nutzen und sich dauerhaft aus Abhängigkeitsverhältnissen zu lösen. Mit der Pflegereform wurden die weiblich dominierten Pflegeberufe finanziell aufgewertet.
Zudem wurden gezielt Maßnahmen zur Stärkung der Frauenpension gesetzt, wie etwa die Einführung des Frühstarter:innen-Bonus, der besonders Frauen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien zugutekommt. Finanzielle Unabhängigkeit erhöht die Handlungsmacht von Frauen, reduziert Abhängigkeiten in Partnerschaften und ist somit ein wesentlicher Baustein der Gewaltprävention.
Leere Ankündigungen & Politik zu Lasten von Frauen
Die Regierung aus ÖVP, SPÖ und NEOS trägt Frauenpolitik und Gewaltschutz auf dem Papier vor sich her, kündigt Reformen wie „Nur Ja heißt Ja“ oder Schutzzonen an und arbeitet an einem Nationalen Aktionsplan zum Schutz von Frauen vor Gewalt – doch es werden keine zusätzlichen Mittel bereitgestellt.
Im Gegenteil: Die Regierung saniert das Budget auf dem Rücken von Frauen und Familien, wie die Arbeiterkammer und das Momentum Institut kritisieren. Sie kürzt Familien- und sozialpolitische Leistungen und setzt auch in der Frauengesundheit den Sparstift an.
Steigende Lebenshaltungskosten, fehlende finanzielle Absicherung und unzureichende Kinderbetreuungsangebote erhöhen das Risiko, dass Frauen in Gewaltbeziehungen verharren müssen. Ankündigungen allein schützen keine Frau – nur entschlossenes Handeln, klare gesetzliche Regelungen und ausreichende Finanzierung schaffen wirksamen Schutz.
Vor diesem Hintergrund fordern wir die Bundesregierung dazu auf, raschest möglich gesetzliche Änderungen und Maßnahmen umzusetzen, um Frauen umfassend vor Gewalt zu schützen, ihre ökonomische Unabhängigkeit zu stärken und den Zugang zu reproduktiver Gesundheitsversorgung legal, sicher und gewaltfrei zu gewährleisten.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung in Zusammenarbeit mit der Bundesministerin für Justiz, der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie dem Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, Gesetzesvorschläge vorzulegen bzw. Maßnahmen zu setzen, um
3. die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen zu stärken, durch
· die ehestmögliche Einführung eines Rechtsanspruches auf Kinderbetreuung ab dem 1. Geburtstag und die Sicherstellung einer nachhaltigen Finanzierung bundesweiter Kinderbildungs- und Betreuungsplätze,
· eine ehestmögliche Neugestaltung von Elternkarenzen mit dem Ziel, die Karenzzeiten nach skandinavischem Vorbild zwischen beiden Elternteilen fair aufzuteilen, sowie
· verpflichtende Einkommensberichte für Unternehmen ab 35 Mitarbeitenden, inklusive Offenlegung aller Gehaltsbestandteile und wirksamer Sanktionen bei festgestellter ungleicher Bezahlung.“
In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 74a iVm § 93 Abs. 2 GOG verlangt. Zuständiges Regierungsmitglied ist die Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung.