579/A(E) XXVIII. GP
Eingebracht am 19.11.2025
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Süleyman Zorba, Agnes-Sirkka Prammer, Freundinnen und Freunde
betreffend Missbrauchsprävention der Überwachungsmaßnahmen
BEGRÜNDUNG
Am 18. Juni 2025 beschloss die Bundesregierung die Grundlagen für die Gefährder-Überwachung, also die Möglichkeit der Überwachung unverschlüsselter und verschlüsselter Nachrichten auf Handys durch den Verfassungsschutz. Der tiefgreifende Grundrechtseingriff sollte von zahlreichen Missbrauchsvorkehrungen begleitet werden, deren Einführung allerdings noch immer auf sich warten lässt. So sah der Ministerratsvortrag der Regierung ausdrücklich vor, dass der Missbrauch der Gefährder-Überwachung hoch bestraft werden und so eine präventive Wirkung entfalten sollte:
„Darüber hinaus bekennt sich die Bundesregierung, noch vor Kundmachung der Verordnung gemäß § 18 Abs. 10 SNG, mit der die technischen Voraussetzungen zum Einsatz einer Software festgestellt werden, eine Erweiterung des § 302 Abs 2 StGB vorzunehmen oder alternativ ein neues Delikt im StGB zu schaffen, um die missbräuchliche Ausübung von Befugnissen gemäß § 11 Abs 1 Z 9 SNG zu verhindern. Diese Novellierung des StGB soll durch eine erhöhte Strafdrohung eine zusätzliche generalpräventive Wirkung entfalten und somit potenziellem Missbrauch entgegenwirken.“[1]
NEOS-Klubobmann Yannick Shetty erklärte anlässlich einer Pressekonferenz im Juni 2025, bei der die Messenger-Überwachung präsentiert wurde, dass das StGB vor Inbetriebnahme der Spyware dahingehend novelliert würde, dass der Strafrahmen für Missbrauch deutlich nach oben gesetzt würde.
Doch seit der Einführung der Gefährder-Überwachung ist es rund um dieses Vorhaben still geworden. Die Vorlage eines Gesetzes mit hoher Bestrafung für den Missbrauch wurde bis heute nicht vorgelegt. Die Sondierung möglicher Spyware-Angebote für den Bundestrojaner findet hingegen bereits statt.[2]
Derartige strafrechtliche Maßnahmen gegen Missbrauch wären auch dringend erforderlich, um das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat zu sichern. Denn selbst die bloße Ankündigung staatlicher Überwachungsmaßnahmen kann zu einem Rückgang offener Meinungsäußerung und gesellschaftlicher Teilhabe führen – dem sogenannten „Chilling Effect“.
Amnesty International beschreibt diesen Effekt als Form des vorauseilenden Gehorsams: „"Chilling effect" beschreibt die Art des vorauseilenden Gehorsams, eine Selbstzensur, die stattfindet, wenn Menschen davon ausgehen, überwacht und beobachtet zu werden. Um etwaige spätere Konflikte zu vermeiden, um nicht aufzufallen oder verdächtig zu erscheinen, wird von allem Abstand genommen, was suspekt erscheinen könnte. "Ich habe nichts zu verbergen" hieß die gängige Devise vieler Menschen nach den Enthüllungen von Edward Snowden, und dennoch gibt es Verhaltensänderungen in der Art und Weise, wie das Internet genutzt wird.“[3]
Das Ziel der Terrorismusbekämpfung und Gefahrenabwehr ist zweifellos legitim. Doch gerade in diesem Bereich muss sich der Rechtsstaat daran messen lassen, dass Sicherheitsmaßnahmen verhältnismäßig, transparent und kontrollierbar sind. Überwachung darf nicht zu einem Klima des Misstrauens führen, das die Demokratie selbst schwächt. Ein Bericht des Büros des Hochkommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen empfiehlt daher, die Öffentlichkeit, betroffene Personen und Gemeinschaften angemessen über bestehende Überwachungsmaßnahmen zu informieren, um nachvollziehen zu können, wie stark ihre Rechte tatsächlich eingeschränkt werden.[4] Größtmögliche Transparenz ist somit ein wesentliches Instrument, um dem „Chilling Effect“ entgegenzuwirken und Vertrauen wiederherzustellen.
Neben der Veröffentlichung vergangener Überwachungsmaßnahmen, würde es zum Aufbau von Vertrauen allerdings auch die Aufarbeitung verfassungsschutzrelevanter Vorfälle benötigen. In Österreich zählen dazu etwa der Terroranschlag 2020 oder der Einsatz am Peršmanhof 2025, deren unabhängige Aufarbeitung zweifelsfrei einen vertrauensfördernden Beitrag leisten konnten. Andere Einsätze, wie die Operation Luxor 2020, bei der über 60 Hausdurchsuchungen wegen Terrorverdachts stattfanden – viele davon wurden danach als rechtswidrig befunden – wurden dagegen bislang keiner solchen Aufarbeitung unterzogen.
Die Einführung der Gefährder-Überwachung war von zahlreich geäußerten Bedenken begleitet, die die Verfassungskonformität des Vorhabens in Frage stellen. Der Eingriff in die Privatsphäre des Einzelnen wird auch von den unterfertigten Abgeordneten als zu tiefgreifend und unverhältnismäßig beurteilt. Während es für diese Eingriffe allerdings einige wenige Kontrollmaßnahmen innerhalb des Verfassungsschutzes gibt – deren Effektivität noch auf dem Prüfstand gestellt werden wird – wurde den gesellschaftlichen Auswirkungen kaum Bedeutung beigemessen.
Die Bundesregierung muss daher unverzüglich einen Gesetzesentwurf vorlegen, der den Missbrauch der ohnehin verfassungsrechtlich höchst umstrittenen Gefährder-Überwachung strenger sanktioniert. Darüber hinaus sind die gesellschaftlichen Auswirkungen der neuen Überwachungsmaßnahmen umfassend zu evaluieren und durch Transparenzmaßnahmen wie öffentliche Berichte über Überwachungstätigkeiten und verfassungsschutzrelevante Vorfälle Vertrauen und Rechtsstaatlichkeit zu stärken.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres und die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, entsprechend ihren öffentlichen Ankündigungen einen Gesetzesentwurf vorzulegen um das Strafgesetzbuch anzupassen, und einen Missbrauch der Überwachung von Nachrichten (§ 11 Abs. 1 Z. 8 und 9 SNG) mit strafrechtlichen Sanktionen zu versehen.
Darüber hinaus sind die gesellschaftlichen Auswirkungen der neuen Überwachungsmaßnahmen umfassend zu evaluieren und durch Transparenzmaßnahmen wie öffentliche Berichte über Überwachungstätigkeiten und verfassungsschutzrelevante Vorfälle Vertrauen und Rechtsstaatlichkeit zu stärken.“
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für innere Angelegenheiten vorgeschlagen.
[1] https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:868067bb-5a92-42e3-b98f-402a450f8282/15_24_mrv.pdf
[2] https://www.youtube.com/watch?v=H-QStnPC5W4, Minute 1:40:40
[3] https://www.amnesty.de/informieren/blog/deutschland-wie-ueberwachung-die-meinungsfreiheit-gefaehrdet
[4] https://documents.un.org/doc/undoc/gen/g22/442/29/pdf/g2244229.pdf?, S. 16