632/A XXVIII. GP

Eingebracht am 11.12.2025
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ANTRAG

der Abgeordneten Alma Zadić, Meri Disoski, Freundinnen und Freunde

 

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 50/2025, wird wie folgt geändert:

In § 205a Abs. 1 wird die Wortfolge „gegen deren Willen“ durch die Wortfolge „ohne deren Einverständnis“ ersetzt.

 

BEGRÜNDUNG

 

 

Es ist höchste Zeit, das Prinzip „Nur Ja heißt Ja“ im Sexualstrafrecht zu verankern und das Konsensprinzip klar gesetzlich festzuschreiben. Sexuelle Handlungen dürfen nur dann als einvernehmlich gelten, wenn alle Beteiligten eindeutig zustimmen. Künftig soll das Gericht prüfen, ob eine Zustimmung vorlag, und nicht mehr, ob sich die betroffene Person gewehrt oder zu erkennen gegeben hat, dass die sexuelle Handlung gegen ihren Willen erfolgte. Damit wird sexualisierte Gewalt ohne Einverständnis endlich klar als strafbar definiert – und nicht nur dann, wenn Betroffene sich aktiv wehren oder „Nein“ sagen.

Ein modernes Sexualstrafrecht muss der Realität gerecht werden und die sexuelle Selbstbestimmung und Integrität aller Menschen konsequent schützen – so wie es zahlreiche europäische Länder tun, darunter Spanien, Schweden, Frankreich und seit dem 6. Juni 2025 auch Norwegen. Auch Österreich muss sich diesem europäischen Standard anschließen. Angesichts der Tatsache, dass jede dritte Frau[1] im Erwachsenenalter sexuelle Gewalt erlebt, ist es höchste Zeit für ein klares Vorgehen gegen sexualisierte Gewalt und für eine Gesellschaft, in der Konsens an erster Stelle steht.

Die derzeit in Österreich geltende Widerspruchslösung („Nur Nein heißt Nein“) greift zu kurz, da sie Opfer, die in Schockstarre (sog. Freezing) verfallen oder (von Dritten) handlungsunfähig gemacht werden, nicht ausreichend schützt. Der im Zuge des StRÄG 2015 eingeführte § 205a StGB („Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung“) knüpft in seiner ersten Tatbegehungsvariante („gegen deren Willen“) lediglich an eine nach außen hin erkennbare Ablehnung des Opfers an[2] und verfehlt damit das Ziel, nicht einvernehmliche sexuelle Handlungen generell unter Strafe zu stellen.

Der gegenständliche Antrag soll das Konsensprinzip im österreichischen Strafrecht verankern.

Die im Antrag vorgeschlagene Fassung der ersten Tatbegehungsvariante des § 205a Abs. 1 StGB („ohne deren Einverständnis“) wurde vom Bundesministerium für Justiz bereits im März 2015 als Teil des Ministerialentwurfs über ein Strafrechtsänderungsgesetz 2015 (98/ME XXV. GP) einer Begutachtung unterzogen.[3] In den Erläuterungen wurde auf die Notwendigkeit einer Strafbestimmung für vorsätzliche sexuelle Handlungen ohne den Konsens betont: „In diesem Sinn wird auch im vorliegenden Zusammenhang vorgeschlagen, ein deutliches, aber doch maßvolles [sic!] Zeichen zur Vorbeugung und Hintanhaltung sexueller Gewalt zu setzen, indem die [sic!] Spektrum der strafrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten auf konsenslose Sexualkontakte erweitert werden soll.“

Der Vorschlag sollte der vollständigen Umsetzung von Artikel 36 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt dienen, das die Vertragsparteien verpflichtet, nicht einverständliche sexuell bestimmte Handlungen unter Strafe zu stellen.

Die damalige SPÖ-ÖVP-Regierung entschied sich aber, in der überarbeiteten Regierungsvorlage (689 d.B. XXV. GP) von der ursprünglich als Strafbestimmung für nicht-konsensualen Beischlaf oder nicht-konsensuale beischlafsähnliche Handlungen intendierten Fassung des § 205a abzuweichen. Stattdessen wurde auf die Ablehnung des Opfers abgestellt: „Hatte die erste RV zum StRÄG 2015 ein noch weitergehendes Handeln ‚ohne Einverständnis‘ des Opfers vorgesehen, ist nun als erster Fall ein solches gegen den Willen erforderlich. Das Opfer muss also nach außen bekunden, dass es in die (qualifiziert) geschlechtliche Handlung nicht einwilligt. Dies kann ausdrücklich (durch verbale Ablehnung), durch entsprechende Gestik (Abwenden etc) oder auch konkludent (Opfer beginnt zu weinen etc) geschehen.“[4]

Mit diesem Antrag soll der § 205a StGB das Prinzip „Nur Ja heißt Ja“ für ein konsensbasiertes modernes Sexualstrafrecht abbilden.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen. 



[1] https://www.sexuellegewalt.at/informieren/zahlen-fakten/

[2] Philipp in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 205a [Stand 27.4.2020, rdb.at]

[3] Fassung des 98/ME XXV. GP: § 205a. (1) Wer mit einer Person ohne deren Einverständnis oder nachdem er das Einverständnis durch Ausnützung einer Zwangslage oder Einschüchterung erlangt hat, den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vornimmt, ist, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer eine Person auf die im Abs. 1 beschriebene Weise zur unfreiwilligen Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung mit einer anderen Person oder, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, dazu veranlasst, eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unfreiwillig an sich selbst vorzunehmen.“ (https://www.parlament.gv.at/dokument/XXV/ME/98/fname_389871.pdf)

[4] Philipp in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 205a [Stand 27.4.2020, rdb.at]