93/A(E) XXVIII. GP
Eingebracht am 07.03.2025
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Parlamentarische Materialien
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Lukas Hammer, Freundinnen und Freunde
betreffend „Lobauautobahn“: Umsetzung der Erkenntnisse aus der SP-V zur S 1
BEGRÜNDUNG
Bei zahlreichen Projekten des hochrangigen Bundesstraßennetzes liegt der Beginn der Planungen mittlerweile Jahrzehnte in der Vergangenheit. Seitdem haben sich Rahmenbedingungen und verbindliche Zielsetzungen erheblich verändert.
Deshalb wurde in der letzten Gesetzgebungsperiode ein Klimacheck und eine Evaluierung hochrangiger Straßenbauvorhaben in Österreich durchgeführt. Im Zuge der Evaluierung wurde unter anderem das Vorhaben der S 1 zwischen Schwechat und Süßenbrunn begutachtet. Dabei wurde von den Expert:innen festgestellt, dass die Umsetzung des Straßenbauvorhabens mit dem Lobautunnel zusätzliche Verkehrsbelastungen verursacht. Eine gern behauptete Verkehrsentlastung zB der A 23 Wiener Südosttangente durch das Vorhaben wird im Übrigen auch von den Einreichunterlagen zur S 1 längerfristig nicht bestätigt. Die Umsetzung würde weiters auch zu negativen Auswirkungen auf Umwelt, Klima und Raumstrukturen führen, die den erwarteten Nutzen deutlich übersteigen würden.
Somit widerspricht dieses Vorhaben zahlreichen Zielsetzungen und Vorgaben auf Bundes- und Landesebene in den genannten Bereichen.
Dieses eindeutige Ergebnis der Evaluierung liegt seit 2022 vor. Die betreffende Strecke wurde daher in der Folge gesetzeskonform nicht mehr im Bundesstraßen-Bauprogramm der ASFINAG berücksichtigt.
Aus dem bei der Evaluierung hervorgekommenen Sachverhalt ergab sich weiters die Notwendigkeit, das Straßenbauvorhaben S 1 einer Strategischen Prüfung Verkehr (SP-V) zu unterziehen. Geprüft wird darin eine Netzveränderung gemäß § 4 des in Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie entstandenen Bundesgesetzes über die strategische Prüfung im Verkehrsbereich (SP-V-Gesetz, BGBl. I Nr. 96/2005 idgF).
Konkreter Prüfgegenstand ist eine Streichung des Straßenzugs der S 1 Wiener Außenring Schnellstraße zwischen dem Knoten Schwechat und der Anschlussstelle (ASt) Groß-Enzersdorf sowie des Straßenzugs der S 1 zwischen dem Knoten Wien/Süßenbrunn (S 2) und der ASt Groß-Enzersdorf aus dem Bundesstraßengesetz.
Im Rahmen dieser Strategischen Prüfung Verkehr zu Lobautunnel und Lobauautobahn liegt seit Anfang Jänner 2025 der entscheidende, von den Expert:innen des Umweltbundesamts mit Expert:innen von TU Graz und TU Wien erstellte Umweltbericht iSv § 6 SP-V-Gesetz vor.
Die Expert:innen haben letztlich vier Alternativen ergebnisoffen und detailliert untersucht:
· Alternative I / Nullalternative: Umsetzung S 1 Schwechat – Süßenbrunn incl. Lobautunnel
· Alternative II: Umsetzung des Vorhabens als Schnellstraße von Ast Süßenbrunn bis Groß-Enzersdorf, Ausbau öffentlicher Verkehr
· Alternative III: keine Umsetzung der zusätzlichen Straßenverkehrsinfrastrukturvorhaben; Ausbau öffentlicher Verkehr (Infrastruktur für Personen- und Güterverkehr) und Maßnahmen zur Verkehrslenkung und zur Förderung der Aktiven Mobilität
· Alternative IV: Umsetzung des Vorhabens als Landesstraße von Ast Süßenbrunn bis Groß-Enzersdorf.
Laut dieser gut 500 Seiten starken fundierten Untersuchung wäre die Tunnel-Variante wie bisher verfolgt und „redaktionell“ im Bundesstraßengesetz enthalten (Alternative I) die schlechteste Lösung und „in fast allen untersuchten Belangen den Alternativen unterlegen": Sie ist nicht nur trotz zurückhaltend-konservativer Kostenschätzung die teuerste Variante mit den größten negativen Wirkungen auf Umwelt, Klima und Bevölkerung, sondern auch aus Mobilitätssicht die schlechteste Variante, denn sie „führt in Summe zur höchsten Verkehrsbelastung unter allen Alternativen“.
Hingegen zeigt die Untersuchung, „dass Alternativen bzw. Maßnahmen zur Verfügung stehen, welche unter Beibehaltung eines hohen Mobilitätsniveaus einen deutlich höheren Erfüllungsgrad der Zielkriterien gemäß SP-V-G aufweisen“.
Der Umweltbericht schlägt daher im Sinne von Alternative III die Streichung des Projekts aus dem Gesetz vor. Dies zuzüglich eines Bündels an intensiven begleitenden Maßnahmen im öffentlichen Verkehr, im Güterverkehr, zur Verkehrslenkung und zur Förderung der aktiven Mobilität, um die abgeschätzten positiven Wirkungen sicherzustellen und ein nachhaltiges, leistungsfähiges Verkehrssystem zu ermöglichen. Die Expert:innen betonen hier weiters, dass diese Entwicklung zur Umsetzung der Zielsetzungen des Nationalen Energie- und Klimaplans, des nationalen Mobilitätsmasterplans sowie der Klimastrategien und ‑programme der Stadt Wien und des Landes Niederösterreich erforderlich ist. Die alternativen Infrastrukturentwicklungsoptionen und Begleitmaßnahmen tragen zudem zu den teils verbindlichen Zielsetzungen länderspezifischer und bundesweiter Vorgaben im Klima- und Umweltbereich bei.
Derzeit ist der nach § 5 SP-V-G und Art. 6 RL 2001/42/EG zwingende nächste Verfahrensschritt der Strategischen Prüfung, die Konsultation der Öffentlichkeit und der Behörden nach § 8 SP-V-G, im Gang. Die Frist hierfür läuft vom 05.02. bis 21.03.2025.
Zusätzlich legte mittlerweile ein Rechtsgutachten der Universität Innsbruck/Univ.Prof. Dr. Müller offen, dass historisch EU-Recht verletzt wurde und der Eintrag der S 1 im Verzeichnis 2 des Bundesstraßengesetzes daher wegen Unionsrechtsvorrangs unangewendet zu lassen ist. Es fehlt deshalb auch die Rechtsgrundlage für die Erteilung noch ausständiger Genehmigungen für den Tunnelabschnitt. Jede Aussage, dass der Lobautunnel „sicher umgesetzt wird“[1], entbehrt daher jedenfalls der nötigen rechtlichen Basis.
Konkret folgt aus dem EuGH-Urteil in der Rechtssache C-24/19, das die Rechtsprechungslinien zu den Folgewirkungen unterlassener SUP und UVP fortsetzt und konkretisiert: Pläne und Programme, die unionsrechtswidrig keiner SUP unterzogen wurden, sind auszusetzen/nicht anzuwenden oder aufzuheben. Diese Unionsrechtswidrigkeit strahlt auch auf die Ebene der Individualgenehmigungen aus: Diese dürfen auf Basis eines derart unionsrechtswidrigen Plans nicht erteilt werden. Andernfalls leiden die betroffenen Genehmigungen an einem „Wurzelmangel“ und können daher selbst Gegenstand der Aussetzung oder Zurücknahme sein. Die Einträge in Verzeichnis 1 und 2 des Bundesstraßengesetzes sind als derartige „Pläne und Programme“ im Sinne der SUP-RL der EU einzustufen.
Im Sinne der Rechtsbereinigungspflicht hat eine redaktionelle Herausnahme des Vorhabens aus dem Bundesstraßengesetz zu erfolgen, eine Verletzung dieser Pflicht wäre – so das Gutachten - eine unionsrechtswidrige Unterlassung.
Die Streichung der S 1 Lobauautobahn aus dem Bundesstraßengesetz ist somit sowohl aus verkehrspolitischer als auch aus unionsrechtlicher Sicht geboten.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird aufgefordert, dem Nationalrat in Anerkennung der Rechtslage und in Umsetzung der Empfehlung aus der Strategischen Prüfung Verkehr zur S 1 Wiener Außenring Schnellstraße Schwechat-Süßenbrunn (Lobauautobahn mit Lobautunnel) zügig eine Regierungsvorlage mit dem Inhalt einer Streichung dieser hochrangigen Straße aus dem Bundesstraßengesetz bzw. dessen Verzeichnis 2 zuzuleiten.“
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Verkehr und Mobilität vorgeschlagen.
[1] zB „Deshalb wird es hier sicher die notwendige Umsetzung geben.“, HBM Hanke in Kronen Zeitung 01.03.2025 S.6