16 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVIII. GP

 

Bericht

des Budgetausschusses

über den Antrag 15/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Justizbetreuungsagentur-Gesetz und das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 geändert werden (Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024)

Die Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 20. November 2024 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Hauptgesichtspunkte des Antrags:

Der vorliegende Initiativantrag soll die bisher bestehende Möglichkeit der Sicherstellung ‚aus Beweisgründen‘ in Folge des Erkenntnisses des VfGH vom 14.12.2023, G 352/2021, einem grundlegenden und den Anforderungen des VfGH entsprechenden Rechtsrahmen zuführen und zu einer Stärkung von Beschuldigten- und Opferrechten sowie zu einer Erhöhung der Effizienz und Beschleunigung von Ermittlungsverfahren führen sowie auf Basis von Erfahrungen und Reformvorschlägen aus dem Bereich der Staatsanwaltschaften betreffend den Bereich der Cyberkriminalität und unter Berücksichtigung aktueller Rechtsprechung und Literatur beruhende legistische Anpassungen vornehmen.

I. Allgemeiner Teil

I. Änderungen in Folge des Erkenntnisses des VfGH vom 14.12.2023, G 352/2021

Nach dem Erkenntnis des VfGH vom 14.12.2023, G 352/2021, mit dem er die Bestimmungen der § 110 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 StPO sowie § 111 Abs. 2 StPO, wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 DSG und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK mit Ablauf des 31.12.2024 als verfassungswidrig aufgehoben hat, variieren – abhängig von der durch die konkrete gesetzliche Ausgestaltung bewirkten Intensität des Eingriffes – die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die neu zu schaffenden Regelungen. Im Lichte des vom VfGH dargestellten beweglichen Systems und des von ihm insoweit dem Gesetzgeber zugestandenen Gestaltungsspielraums sowie der im Begutachtungsverfahren geäußerten Bedenken werden Neuregelungen vorgeschlagen, die das öffentliche Interesse an der Verfolgung und Aufklärung von Straftaten mit den grundrechtlich geschützten Interessen der Betroffenen gegeneinander abwägt und entsprechend in Ausgleich bringt, dabei jedoch die gesetzlichen Leitungs- und Kontrollbefugnisse der Staatsanwaltschaft klarstellt und das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung berücksichtigt. Dadurch sollen auch Aspekte, die derzeit nicht gesetzlich geregelt sind, abgebildet werden:

-       Einführung einer neuen Ermittlungsmaßnahme für die ‚Beschlagnahme von Datenträgern und Daten‘, die eine vorherige gerichtliche Entscheidung auf Begründung einer Sicherstellung über Datenträger und Daten zum (Ermittlungs-)Zweck der Auswertung (iSd § 115i StPO) verlangt. Dadurch sollen im Sinne des Erkenntnisses des VfGH Fälle der Sicherstellung von Gegenständen generell von jenen von Datenträgern, die potentiell sensible Daten enthalten, sowie von Daten getrennt und diese an eine vorherige richterliche Kontrolle geknüpft werden. Den Praxisbedürfnissen Rechnung tragend soll zudem die vom Erkenntnis des VfGH unberührt gebliebene Möglichkeit der Sicherstellung von Datenträgern zu anderen (materiellen) Zwecken (§ 110 Abs. 1 StPO) weiterhin möglich sein. Ebenso soll die Sicherstellung von Daten, die bloß ein punktuelles Bild über das Verhalten von Betroffenen ermöglichen, wie insbesondere solchen, die mittels Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten an öffentlich oder öffentlich zugänglichen Orten aufgenommen wurden, weiterhin möglich sein; diese sollen – wie bisher – iSd § 91 Abs. 2 dritter Fall StPO ausgewertet werden können. In allen übrigen Fällen ist eine gerichtliche Beschlagnahme von Datenträgern und Daten erforderlich, für die folgende Vorgaben gelten:

-       Erhöhung der Begründungspflicht für die Anordnung der Staatsanwaltschaft und die gerichtliche Entscheidung durch Anlehnung an andere bereits bestehende Ermittlungsmaßnahmen (etwa Auskunft von Daten einer Nachrichtenübermittlung nach §§ 135 ff StPO). Die zusätzlich vorgeschlagene Verpflichtung der Einschränkung durch Umschreibung der Datenkategorien und Dateninhalte, die zu beschlagnahmen sind, und in Bezug auf welchen Zeitraum dies zu erfolgen hat, soll bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht erforderlich sein. Die auf Ebene der Einzelfallprüfung stattzufindende Verhältnismäßigkeitsprüfung sowohl durch die Staatsanwaltschaft im ersten Schritt als auch durch den Richter bzw. die Richterin im entscheidenden Schritt soll letztlich zielgerichtet eine klare Abwägung ermöglichen.

-       Ausdrückliche gesetzliche Verankerung der Möglichkeit der Beschlagnahme auch von Daten, die in anderen (externen) Speicherorten als einem Datenträger gespeichert sind, soweit auf sie von diesem aus zugegriffen werden kann. Damit sollen sämtliche Fälle umfasst werden, die aufgrund der technischen Entwicklung eine Auslagerung der Speicherkapazitäten vom Datenträger erlauben (z. B. Cloud-Computing, Server) und auf die vom beschlagnahmten Datenträger aus zugegriffen werden kann.

-       Einführung einer Nichtigkeitssanktion von Ergebnissen einer Auswertung, wenn die Ermittlungsmaßnahme nicht rechtmäßig angeordnet und bewilligt wurde.

-       Die vorgeschlagene Neugestaltung der gesetzlichen Voraussetzungen und Durchführungsbestimmungen verbunden mit einer Gliederung der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten in mehrere Phasen soll zu einer erhöhten Transparenz beitragen und eine stärkere rechtliche Determinierung, insbesondere der Beteiligungsmöglichkeiten von Beschuldigten und Opfern bei der Selektion von erheblichen Tatsachen, von Informationspflichten der Behörden an alle betroffene Personen und somit einen erhöhten Rechtsschutz gewährleisten.

-       Schaffung einer Transparenz durch strenge Dokumentation der Durchführung der Ermittlungsmaßnahme von der Phase der (technischen) Aufbereitung von Daten bis zur Phase der (inhaltlichen) Auswertung von Daten.

-       Die Phase der Aufbereitung von Daten unter Einhaltung forensischer Standards soll die – sofern überhaupt erforderlich – Entsperrung von Speichermedien (z. B. Datenträger, Cloudspeicher, Server), die Sicherung von Daten (allenfalls samt Wiederherstellung gelöschter Daten) in Form einer Originalsicherung (der Rohdaten) des gesamten Datenbestandes sowie die Erstellung einer Arbeitskopie (eine Kopie der Originalsicherung, anhand derer die konkrete forensisch-technische Aufbereitung durch die Kriminalpolizei bzw. die Staatsanwaltschaft erfolgt) umfassen.

-       Auf die Originalsicherung und Arbeitskopie, deren Verwahrung zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit der nachfolgenden Aufbereitungs- und Auswertungsprozesse und der Integrität der Daten erforderlich ist, soll ausschließlich im Fall einer (neuerlichen) richterlichen Entscheidung zugegriffen werden können, was auch durch eine entsprechende Verwahrung sowie Schutz vor unbefugter Einsichtnahme oder Veränderung sicherzustellen ist. Die Arbeitskopie dient der Umsetzung des Ergebnisses der Datenaufbereitung iSd gerichtlichen Entscheidung (in Bezug auf die Datenkategorien und den Zeitraum, die keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Daten erfordern. Die Kriminalpolizei bzw. die Staatsanwaltschaft, die für die technische Umsetzung Hilfskräfte hinzuziehen oder Sachverständige beauftragen kann, hat anhand der Arbeitskopie die Aufbereitung der Daten durchzuführen, das Ergebnis der Datenaufbereitung herzustellen und einen Aufbereitungsbericht zu erstellen. Durch die strenge Dokumentation der einzelnen Schritte soll gewährleistet werden, dass die Arbeitskopie ausschließlich für die Umsetzung der gerichtlichen Entscheidung verwendet wird und der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft eine Einsichtnahme nur in jene Daten zukommt, die in Bezug auf die Datenkategorien und den Zeitraum der gerichtlichen Bewilligung entsprechen. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass ein im Vergleich zur derzeitigen Praxis weit geringerer Datensatz den eigentlichen strafrechtlichen Ermittlungen zugrunde liegt, wodurch auch die Betroffenheit jener Personen, deren Datensätze und Daten von einer Beschlagnahme betroffen sind, deutlich gemindert wird. Zugleich ermöglicht der Aufbereitungsbericht eine nachprüfende Kontrolle, ob die gerichtliche Entscheidung in diesem Umfang richtig und vollständig umgesetzt wurde.

-       Die Phase der Auswertung von Daten soll daher nur mehr diesen begrenzten Datenbestand umfassen, der als Ergebnis der Datenaufbereitung gewonnen wurde. Die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaft haben diesen Datenbestand sodann im Rahmen der gerichtlichen Bewilligung auf erhebliche Tatsachen zu untersuchen, wobei sie auch Suchparameter zum Zweck der Auswertung festlegen können. Um die Transparenz der (konkreten) Auswertung zu gewährleisten, müssen die Ergebnisse und gegebenenfalls die Suchparameter im Akt dokumentiert werden. Zusätzlich soll ausdrücklich auch Beschuldigten und Opfern das Recht eingeräumt werden, weitere Suchparameter zu beantragen, womit zum einen die Waffengleichheit iSd Art. 6 EMRK hergestellt wird und zum anderen Opferschutzinteressen Rechnung getragen wird. Jene Personen, deren Datenträger und Daten beschlagnahmt wurden, sollen überdies die Möglichkeit haben, in das Ergebnis der Datenaufbereitung Einsicht zu nehmen. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass es sich um den eigenen (aufbereiteten) Datenbestand handelt, zweckmäßig, um u.a. die Waffengleichheit mit den Strafverfolgungsbehörden herzustellen; andere (Mit-)Beschuldigte und Opfer sollen hingegen aufgrund des unverhältnismäßigen Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre einer anderen Person nicht das Recht haben, in das Ergebnis der Datenaufbereitung Einsicht zu nehmen. Ein Ausgleich soll jedoch dadurch geschaffen werden, dass sie die Möglichkeit haben sollen, Suchparameter zu beantragen und auf diese Weise gegebenenfalls weitere erheblichen Tatsachen zu ermitteln.

-       Darüber hinaus wird vorgeschlagen, auch sämtlichen betroffenen Personen – sohin auch sonstigen Personen, deren Daten (mit)gesichert, ausgelesen, aufbereitet und letztlich ausgewertet wurden – das Recht einzuräumen, in das (als erhebliche Tatsache eingestufte und daher zum Ermittlungsakt genommene) Ergebnis der Auswertung insoweit einzusehen, als ihre Daten betroffen sind. Zu diesem Zweck sollen – vergleichbar der Überwachung von Nachrichten – die Personen über dieses Recht informiert werden, sofern ihre Identität bekannt ist oder ohne besonderen Verfahrensaufwand feststellbar ist und auf ihren Antrag oder von Amts wegen Ergebnisse der Auswertung vernichtet werden, wenn sie für ein Strafverfahren nicht von Bedeutung sein können oder als Beweismittel nicht verwendet werden dürfen. Gleiches gilt auf Antrag des bzw. der Beschuldigten, der bzw. die damit eine (partielle) Datenlöschung erreichen kann.

-       Die vorgeschlagene Regelung für Zufallsfunde kann aufgrund der vorgeschlagenen Vorgehensweise (insb. Zugriff auf die Originalsicherung oder Arbeitskopie nur bei einer – erneuten – gerichtlichen Entscheidung) ausschließlich die Phase der Auswertung von Daten in Bezug auf das Ergebnis der Datenaufbereitung betreffen. Darüber hinaus gehende Daten können davon per se nicht betroffen sein, weil den Strafverfolgungsbehörden ein rechtmäßiger Zugriff darauf durch den Bewilligungsumfang verwehrt ist.

-       Ergänzend soll im Sinne der Anforderungen des VfGH eine (zusätzliche) unabhängige Aufsicht dadurch verankert werden, in dem die Befugnisse der bzw. des langjährigen und bewährt in der Strafrechtspflege tätigen Rechtsschutzbeauftragten der Justiz auch in Bezug auf die neue vorgeschlagene Ermittlungsmaßnahm ausgebaut werden sollen. Seine bzw. ihre vorgeschlagenen besonderen Befugnisse erfordern nicht nur die gesetzliche Verankerung von Informations-, Auskunfts- und Akteneinsichtsrechten, sondern zur Gewährleistung einer effektiven Kontrolle auch die Zurverfügungstellung der zu seiner bzw. ihrer Tätigkeit notwendigen Sach- und Personalressourcen, wobei die Unabhängigkeit insbesondere auch dadurch sichergestellt werden soll, dass die bei ihr bzw. ihm tätigen Personen, sofern sie Aufgaben nach § 115l oder § 147 StPO besorgen, nicht auch bei einem Gericht oder einer Staatsanwaltschaft tätig sein dürfen. Neben juristischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird dabei auch an technische Expertinnen bzw. Experten zu denken sein, die ihn bzw. sie etwa bei der Kontrolle unterstützen können, ob die Aufbereitung von Daten oder die Auswertung von Daten hinsichtlich eines Zeitraumes der gerichtlichen Entscheidung tatsächlich entspricht. Darüber hinaus soll der bzw. die Rechtsschutzbeauftragte der Justiz Zutrittsrechte in Räume haben, in denen Originalsicherungen, Arbeitskopien, Datenträger und Ergebnisse der Datenaufbereitung aufbewahrt werden und die Aufbereitung von Daten vorgenommen wird. Der Jahresbericht des bzw. der Rechtsschutzbeauftragte über seine bzw. ihre Tätigkeit und Wahrnehmungen im Rahmen seiner bzw. ihrer Aufgabenerfüllung soll künftig auch die neue Ermittlungsmaßnahme umfassen.

Die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit entspricht den für Ermittlungsmaßnahmen generell üblichen Maßstäben. Verantwortlicher gemäß § 36 Abs. 2 Z 8 DSG im Bereich der Strafjustiz ist die zuständige Behörde, die über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Demgegenüber ist Auftragsverarbeiter nach § 36 Abs. 2 Z 9 DSG jene Behörde, die personenbezogene Daten im Auftrag des Verantwortlichen verarbeitet. Bedient sich nun die Staatsanwaltschaft zur Durchführung einer Analyse einer (zuständigen) Spezialabteilung im Bundesministerium für Inneres, so bleibt die Staatsanwaltschaft Verantwortlicher der Datenverarbeitung. Die unterstützende Einheit wird zum Auftragsverarbeiter. Ersucht daher die Staatsanwaltschaft darum, eine bestimmte Ermittlungshandlung durchzuführen, welche die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat (etwa die Auswertung sichergestellter Daten), ist die Kriminalpolizei als Auftragsverarbeiterin anzusehen (vgl. Kristoferitsch/Bugelnig in Fuchs/Ratz, WK StPO § 74 Rz 32 und 38), datenschutzrechtlich verantwortlich ist die jeweilig zuständige Staatsanwaltschaft.

II. Stärkung der Beschuldigten- und Opferrechte sowie Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung

1. Der Stärkung der Beschuldigtenrechte dient dabei insbesondere die Neuregelung bei Beginn und Beendigung des Ermittlungsverfahrens. Durch die vorgeschlagene Beseitigung von ‚Vorfeldermittlungen‘ iSd § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO als Schwelle zum Beginn des Ermittlungsverfahrens und die Einbeziehung von im 1. Teil der StPO verorteten Handlungen sollen derzeit bestehende Rechtsschutzdefizite während der (mitunter längerdauernden) Phase der ‚Vorfeldermittlungen‘, deren Umfang durch die Rechtsprechung zudem in den vergangenen Jahren deutlich ausgeweitet wurde, beseitigt werden. Es soll gesetzlich klargestellt werden, dass ein Ermittlungsverfahren gegen angezeigte Personen bereits dann eingeleitet wird, wenn und sobald die Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei aufgrund einer Anzeige oder eines Verdachts tätig werden, und damit auch der europarechtlich gebotene Zustand (vgl. S. 41) (wieder) hergestellt werden. Davon ausgenommen sollen lediglich Erkundigungen zur Klärung bleiben, ob auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass ein Sachverhalt einem gesetzlichen Tatbild entspricht (§ 91 Abs. 3 StPO). Damit soll der Kriminalpolizei in einem eng definierten Bereich (in der Regel nach einem Geschehen unmittelbar vor Ort) ebenso wie der Staatsanwaltschaft (im Regelfall bei Eingaben im Hinweisgebersystem; § 2a Abs. 6 StAG) auch weiterhin das Verlangen von Auskunft und das Entgegennehmen einer Mitteilung von einer Person möglich sein, ob überhaupt eine Straftat vorliegt; gegen eine Person gerichtete Tätigkeiten der Strafverfolgungsbehörden sollen jedoch in jedem Fall ein Ermittlungsverfahren auslösen. Damit soll die Rechtssicherheit erhöht werden, weil die Unklarheit, ob eine Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bereits ein Ermittlungsverfahren auslöst, entfällt. Gegenüber der geltenden Rechtslage werden dadurch (mit Ausnahme der weiterhin bestehenden engen Möglichkeit von Erkundigungen nach § 91 Abs. 3 StPO) zwar im Fall eines Tätigwerdens von Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft Personen früher als Verdächtiger bzw. Verdächtige erfasst, allerdings wird ihr Rechtsschutz deutlich erhöht: so sollen ihnen künftig ab jeglichem Tätigwerden einer Strafverfolgungsbehörde – anders als derzeit – auch alle Verfahrensgarantien und Beschuldigtenrechte (wie etwa das Recht auf Akteneinsicht oder auf Einspruch wegen Rechtsverletzung) zustehen und – entsprechend der Intention des Strafprozessreformgesetzes, BGBl. I Nr. 19/2004, – (wieder) eine Verrechtlichung des Ermittlungsverfahrens erreicht werden. Ein Schutz vor der anlasslosen Einleitung eines Strafverfahrens besteht auch weiterhin, weil Ermittlungsverfahren auslösende Ermittlungen weiterhin nur bei Vorliegen eines Anfangsverdachts zulässig sind.

Dem bzw. der Angeklagten soll zudem auch richtlinienkonform die Möglichkeit eingeräumt werden, am Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof teilzunehmen.

2. Auch die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung dienen infolge der dadurch bedingten Verfahrensverkürzung letztlich der Stärkung der Beschuldigtenrechte. Die Arbeitsgruppe im Projekt ‚Qualitätssicherung und Effizienz im Ermittlungsverfahren‘ sprach sich betreffend die Höchstdauer von Ermittlungsverfahren (§ 108a StPO) überwiegend gegen die Einführung eines neuen Einstellungsgrunds der langen Verfahrensdauer und für die Beibehaltung des geltenden § 108a StPO mit der Abänderung aus, dass die Einstellung nur auf Antrag möglich sein und die Berechnung der Fristen beschuldigtenbezogen erfolgen sollte. Im Zusammenhang mit der amtswegig vorzunehmenden Überprüfung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens konstatierte der Wahrnehmungsbericht von Vizekanzler und Bundesminister für Justiz a.D. DDr. Clemens Jabloner einen sich daraus ergebenden hohen Verwaltungsaufwand durch die erforderliche Kalendierung von Akten, die Vorlage an das Gericht und die Abgabe einer Stellungnahme. Er sprach sich dafür aus, den Verwaltungsaufwand durch eine antragsgebundene Ausgestaltung zu verringern. Die Staatsanwaltschaft müsste dann nicht von sich aus an das Gericht herantreten, sondern der Beschuldigte würde die Möglichkeit einer entsprechenden Antragstellung in die Hand bekommen. Dies könnte dadurch ausgeglichen werden, dass die normierte Höchstdauer von drei auf zwei Jahre herabgesetzt wird.

Auf dieser Basis und unter Berücksichtigung aktueller Rechtsprechung und Literatur ist aus systematischen Gründen künftig eine Differenzierung zwischen § 108 StPO und § 108a StPO kaum mehr argumentierbar, weshalb eine Zusammenführung der beiden Bestimmungen vorgeschlagen wird. Durch die vorgeschlagenen Änderungen zum Antrag auf Einstellung sowie der Überprüfung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens und deren Zusammenführung in einem neu gestalteten § 108 StPO sollen für Beschuldigte die in der praktischen Anwendung mit Unklarheiten behafteten Fristen für die Erhebung von Anträgen auf Einstellung entfallen. Zudem soll klargestellt werden, dass auch Anträge auf und die Einstellung von einzelnen Fakten zulässig sind, was zu einer Verschlankung und somit Beschleunigung des Verfahrens führen soll. Daran gebunden ist die Erwartung, dass diese erweiterte Reaktionsmöglichkeit auch zu einer Reduzierung jener Fälle führt, in denen die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens überhaupt erreicht oder überschritten wird.

Darüber hinaus soll ein Gericht im Rahmen der Prüfung eines Antrages auf Einstellung – unabhängig von einer allfälligen Überschreitung der Höchstdauer des Verfahrens – bei einer behaupteten Verletzung des Beschleunigungsgebots (§ 9 StPO) der Staatsanwaltschaft stets konkrete verfahrensbeschleunigende Maßnahmen auftragen können, wenn eine Verletzung des Beschleunigungsgebots festgestellt wurde und dadurch zu einer fokussierten Führung des Ermittlungsverfahrens beitragen; der bzw. die Beschuldigte soll nicht wie bisher diesbezüglich auf die (zusätzliche) Erhebung eines Einspruchs wegen Rechtsverletzung angewiesen sein. Änderungen im Bereich der Fristenberechnung sollen ebenfalls zu einer Verfahrensbeschleunigung beitragen.

Dem Vorschlag von Bundesminister a.D. DDr. Jabloner folgend soll zudem die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens von drei auf zwei Jahre herabgesetzt werden; überdies soll auch die allfällige Verlängerung des Verfahrens nicht mehr zwingend um die Dauer von zwei Jahren zu erfolgen haben, vielmehr soll das Gericht die Dauer einzelfallbezogen um bis zu zwei Jahre verlängern können, womit ebenfalls die Erwartung einer Verfahrensbeschleunigung einhergeht. An Stelle des Neubeginns der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens nach Fortführung oder Wiederöffnung soll überdies künftig die bereits begonnene Frist nach Wegfall der Einstellung bzw. Abbrechung weiterlaufen, was ebenfalls zu einer Verkürzung der Fristen und damit der Verfahrensbeschleunigung dienen soll.

Betreffend die Trennung von Verfahren soll einerseits klargestellt werden, dass die bislang bereits in § 27 StPO aufgezählten Gründe demonstrativer Natur sind, gleichzeitig soll als ein weiterer Grund für die Trennung von Verfahren die Wahrung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen (§ 1 Abs. 1 DSG) eines bzw. einer Beschuldigten ergänzt werden. Zur Stärkung der Beschuldigtenrechte soll Beschuldigten ein subjektives Recht auf Trennung von Verfahren eingeräumt und damit sichergestellt werden, dass das pflichtgebundene Ermessen einer Staatsanwaltschaft im Rahmen eines Einspruchs wegen Rechtsverletzung (§ 106 StPO) überprüfbar ist (§ 49 Abs. 1 StPO).

Darüber hinaus sollen Gerichte künftig im Rahmen der Rufbereitschaft im Fall der mündlichen Bewilligung einer Zwangsmaßnahme den wesentlichen Inhalt des Vorbringens der Staatsanwaltschaft sowie die Gründe für die Dringlichkeit in einem zum Ermittlungsakt zu nehmenden Amtsvermerk festzuhalten haben (§ 105 Abs. 3 StPO). Klargestellt werden soll zudem, dass eine Bewilligung von Zwangsmitteln im Rahmen der Rufbereitschaft oder des Journaldienstes nur erfolgen darf, wenn damit nicht bis zum Beginn der nächsten gerichtlichen Dienststunden zugewartet werden kann. Dementsprechend ist auch die Gültigkeit der gerichtlichen Bewilligung für die Anordnung der Staatsanwaltschaft eng zu befristen.

Ebenso kommen die vorgeschlagenen Änderungen im Gerichtssachverständigenwesen vor dem Hintergrund der dadurch intendierten Verfahrensbeschleunigung sowie der Sicherung der Qualität der Sachverständigengutachten dem bzw. der Beschuldigten zugute. Zunächst soll dem bzw. der Sachverständigen (wie auch Dolmetschern bzw. Dolmetscherinnen) künftig im Zuge seiner bzw. ihrer Bestellung eine angemessene Frist zu setzen sein, binnen der Befund oder Gutachten (bzw. Übersetzung) zu erstatten ist. Diese sollen im Zeitpunkt der Befassung bzw. Bestellung künftig nicht nur den Umstand aktueller Fristüberschreitungen bei bereits erfolgten gutachterlichen Beauftragungen in mehr als zehn Verfahren gegenüber der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht bekanntzugeben, sondern überdies –von wenigen Ausnahmen abgesehen – auch glaubhaft zu machen haben, dass für die Einhaltung der gesetzten Frist zur Gutachtenserstattung hinreichend vorgekehrt ist, anderenfalls sie nicht bestellt werden dürfen.

3. Darüber hinaus sollen mit dem Initiativantrag auch die jahrzehntelangen stetigen Verbesserungen im Bereich des Opferschutzes weiter fortgesetzt werden. So soll das bestens etablierte und international anerkannte Instrument der psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung im Strafverfahren neuerlich ausgeweitet werden. Da für Minderjährige das Miterleben jeglicher Form von Gewalt und die neuerliche Konfrontation damit im Rahmen der Vernehmung bei der Polizei oder bei Gericht eine schwerwiegende psychische Belastung darstellen kann, die professioneller Unterstützung bedarf, soll der Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung im Strafverfahren künftig nicht mehr auf Minderjährige beschränkt sein, die Zeuginnen bzw. Zeugen von Gewalt im sozialen Nahraum (Gewalt in der Familie, Gewalt an Kindern) waren, sondern allen Minderjährigen, die Zeuginnen bzw. Zeugen von Gewalt waren, zustehen. Opfer sollen zudem die Übermittlung ihrer personenbezogenen Daten an eine durch die Bundesministerin für Justiz vertraglich mit der Wahrnehmung von Prozessbegleitung beauftragte Opferschutzeinrichtung (§ 66b Abs. 3 StPO) ihrer Wahl verlangen können, soweit dies zum Zweck einer Kontaktaufnahme und Beratung iZm der Inanspruchnahme von psychosozialer und/oder juristischer Prozessbegleitung erforderlich ist.

Im Bereich der Neuregelung bei Beginn und Beendigung des Ermittlungsverfahrens soll – anders als bisher – durch die Möglichkeit der Stellung eines Antrags auf Verfolgung ein gerichtlicher Rechtsschutz gegen das Absehen von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens für Personen, die Opfer der angezeigten Tat sein könnten, geschaffen werden. Überdies soll durch die massive Einschränkung zulässiger ‚Vorfeldermittlungen‘ auch der Rechtsschutz für Opfer weiter ausgebaut werden, indem ihnen ab Tätigwerden von Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft (abgesehen vom Fall der Durchführungen von Erkundigungen nach § 91 Abs. 3 StPO) bereits die Opferrechte zukommen.

Darüber hinaus sollen in Privatanklageverfahren zur Erwirkung von Anordnungen nach § 135 Abs. 1a oder Abs. 2 Z 2 StPO zur Ausforschung des Täters (§ 71 Abs. 1 StPO) bei typischen ‚Hass‑im-Netz-Delikten‘ Opfern von Hass im Netz durch Klarstellungen zur Zuständigkeit bei der Akteneinsicht der Zugang zum Recht erleichtert und Zuständigkeitsprobleme vermieden werden. Darüber hinaus soll auch die durch das Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz (HiNBG, BGBl. I Nr. 148/2020) entfallene Klarstellung, dass in Privatanklageverfahren ein Ermittlungsverfahren nicht stattfindet, wieder in den Gesetzestext aufgenommen werden; eine inhaltliche Änderung ist damit nicht verbunden.

Für die Einbringung eines Fortführungsantrags sollen formale Voraussetzungen, die bei anderen Rechtsmitteln und Rechtbehelfen nicht vorgesehen sind und insbesondere für anwaltlich oft nicht vertretene Opfer eine große Hürde darstellen können, entfallen.

4. Letztlich sollen die vorgeschlagenen Änderungen auch zu einer Entlastung der Staatsanwaltschaften führen, die es ihnen erleichtern soll, sich auf die eigentliche Ermittlungstätigkeit zu fokussieren. So sollen durch den Entfall des § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO und die Ermöglichung nur sehr eingeschränkter, klar determinierter ‚Vorfeldermittlungen‘ mitunter rechtlich komplexe Überlegungen, ob eine Tätigkeit bereits ein Ermittlungsverfahren auslösen kann, hinfällig werden. Ebenso soll das Vorgehen bei einer Einstellung eines Ermittlungsverfahrens durch Beseitigung von Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich der beiden Ziffern des § 190 StPO entfallen. Eine gewisse Entlastung soll zudem mit der Umgestaltung der Überprüfung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens von einem amtswegigen Vorgehen der Staatsanwaltschaft zu einer Prüfung im Rahmen eines Antrags des bzw. der Beschuldigten auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens erfolgen.

III. Darüber hinaus sollen mit dem gegenständlichen Initiativantrag auf Basis von Erfahrungen und Reformvorschlägen aus dem Bereich der Staatsanwaltschaften betreffend den Bereich der Cyberkriminalität (insbesondere der Sonderreferentinnen bzw. –referenten der Kompetenzstellen sowie Kontakt- und Verbindungsstellen Cybercrime im Rahmen des rezent etablierten Cybercrime‑Qualitätszirkels im Bundesministerium für Justiz), Reformvorschlägen der Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (StAV) und unter Berücksichtigung aktueller Rechtsprechung und Literatur sollen weitergehende legistische Anpassungen im Bereich der Sicherstellung, Beschlagnahme, Ausfolgung und (auch vorzeitigen) Verwertung vorgenommen werden. Damit soll zum einen Bedürfnissen der Praxis und der technischen Entwicklung Rechnung getragen werden, die Terminologie und Systematik der StPO in diesem Bereich vereinheitlicht und insgesamt zu einem moderneren und besseren Verständnis der Gesetzesbestimmungen als auch zu einer deutlichen Verbesserung der Rechtsposition der Opfer im Bereich der Entschädigung beigetragen werden.

Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll insbesondere von der bislang zum Teil bestehenden Gegenstandsbezogenheit der Bestimmungen über die Sicherstellung, Beschlagnahme, Ausfolgung und Verwertung abgegangen und das System breitflächig um (auch immaterielle) Vermögenswerten ergänzt werden. Unter einem soll in Umsetzung der Richtlinie 2024/1260/EU über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten, ABl. Nr. L 1260 vom 24.04.2024 S 1 (in weiterer Folge: Richtlinie 2024/1260/EU) – der Begriff der Vermögenswerte klar, umfassend und technologieneutral in die StPO eingeführt werden.

IV. Überdies sollen verschiedene in der strafprozessualen Praxis zu Tage getretene Problemstellungen gesetzlich geregelt bzw. klargestellt werden:

So soll eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht für die Bekanntgabe von personenbezogenen Daten aus einem Strafverfahren im Rahmen einer ‚Fallkonferenz Staatsschutz‘ (§ 6a Abs. 1 SNG) geschaffen werden.

Trotz verfassungsrechtlich höherwertiger Absicherung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10a StGG) gegenüber dem Bankgeheimnis (§ 38 Abs. 2 Z 1 BWG) haben derzeit Kredit- und Finanzinstitute bei der Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte (§ 116 StPO) mehr Rechtsschutz und Zugang zu personenbezogenen Daten aus einem Strafverfahren als Anbieter von Telekommunikationsdiensten bei der Überwachung von Nachrichten nach § 138 StPO. Diese Ungleichbehandlung soll behoben und der Schutz personenbezogener Daten der von der durch eine Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte betroffenen Personen gestärkt werden, indem künftig die verfahrensrechtlichen Bestimmungen für Kredit- und Finanzinstitute an die bereits seit Jahren geltenden Regelungen für Anbieter von Telekommunikationsdiensten angeglichen werden.

Darüber hinaus sollen für den Bereich der Staatsanwaltschaften mit der Ablöse der bisherigen ‚Einschau‘ durch zwei gesonderte Systeme, nämlich die ‚Innenrevision‘ einerseits und die ‚Nachschau‘ andererseits, nach dem schon bewährten Modell im Gerichtsbereich im Rahmen der Aufsicht unterschiedlich risikogeneigte Bereiche auf zwei komplementäre Prüfkreise verteilt werden. Diese sollen in verschiedenen Intervallen zum Einsatz kommen und einen jeweils unterschiedlichen Fokus bei der Durchführung der Prüfung legen, womit ein wirksames und effizientes System zur Qualitätssicherung bei den Staatsanwaltschaften eingerichtet wird.

V. Schließlich sollen in Entsprechung der Zielsetzung, die letztinstanzlichen rechtskräftigen Entscheidungen der Oberlandesgerichte in der Entscheidungsdokumentation Justiz zu veröffentlichen, eine allgemeine Veröffentlichungspflicht der rechtskräftigen Entscheidungen der Oberlandesgerichte (§ 48a GOG) verankert und damit Entscheidungen der Gerichte besser zugänglich werden. Weiters sollen Spezialzuständigkeiten für Verfahren wegen Gewalt im sozialen Nahraum bei den Bezirksgerichten und Gerichtshöfen erster Instanz gesetzlich verankert werden.

VI. Die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich der StPO hinsichtlich des Ermittlungsverfahrens sollen auch für den Bereich des FinStrG nachvollzogen sowie Regelungen zum Verteidigungskostenersatz vorgeschlagen werden.

So sollen § 201 FinStrG (‚Zu § 108‘) und § 205 FinStrG (‚Zu den §§ 195, 196, 197b und 197c‘) an den vorliegenden Initiativantrag angepasst werden. Darüber hinaus soll neben rein sprachlichen Änderungen (Umwandlung des als veraltet und diskriminierend eingestuften Begriffes ‚stumm‘ in ‚hochgradig sprachbehindert‘) § 228a FinStrG, der bis dato den Verteidigungskostenersatz in gerichtlichen Finanzstrafverfahren regelt, indem er auf den – mit Erkenntnis des VfGH vom 22.9.2022, G 90/2022 aufgehobenen – § 393 Abs. 2 StPO verweist, auch an das aktuelle Regime der StPO (§ 196a, § 393a StPO) angepasst und insofern auch hier der Stärkung der Beschuldigtenrechte Rechnung getragen werden.

VII. Im Justizbetreuungsagentur-Gesetz (JBA-G) ist eine geringfügige Erweiterung des Geschäfts- und Aufgabenbereiches der Justizbetreuungsagentur vorgesehen.

VIII. Im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) soll – in Präzisierung der verfassungsgesetzlichen Amtshilferegelung des Art. 22 B-VG – eine gemäß § 76 Abs. 4 StPO erforderliche ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung geschaffen werden, um den Behörden eine ordnungsgemäße Vollziehung zu ermöglichen (vgl. OGH 10.12.2019, 11 Os 76/19i).

IX. Im Jugendgerichtsgesetz 1988 (JGG) wird eine punktuelle Anpassung an die neuen Bestimmungen über das Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, die im Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024 enthalten sind, insofern vorgeschlagen, als ein Verfolgungsantrag eines Privatbeteiligten ausgeschlossen werden soll.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (‚Strafrechtswesen‘) und Art. 11 Abs. 2 B-VG (‚Verwaltungsverfahren‘).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

§ 69 Abs. 3, § 109 Z 1 lit. a, § 109 Z 1a, § 110 Abs. 3, § 113 Abs. 2, § 114 Abs. 1, Abs. 1a und 2, § 115 Abs. 1, § 115e Abs. 2, § 367, § 379 und § 408 Abs. 2 StPO dienen der Umsetzung der Richtlinie 2024/1260/EU über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten, ABl. Nr. L 1260 vom 24.04.2024 S 1. § 115i StPO dient der Umsetzung der Richtlinie 2016/680/EU zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, ABl. Nr. L 119 vom 27.4.2016 S. 1. § 195 Abs. 2, § 197b und § 197c StPO dienen der Umsetzung der Richtlinie 2012/29/EU über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI, ABl. Nr. L 315 vom 14.11.2012 S. 57. § 286 Abs. 1 und 2, § 294 Abs. 5, § 296 Abs. 3 und § 471 StPO dienen der Umsetzung der Richtlinie 2016/343/EU über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung im Strafverfahren, ABl. Nr. L 65 vom 11.03.2016 S. 1.

II. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung der Strafprozeßordnung 1975)

I. Änderungen aus Anlass des Erkenntnisses des VfGH vom 14.12.2023, G 352/2021:

Allgemeines zu den Änderungen in Z 1, Z 2, Z 13, Z 14, Z 32, Z 34, Z 37, Z 38, Z 40, Z 41, Z 43, Z 44, Z 49, Z 56 und Z 63 (Eintrag im Inhaltsverzeichnis zur Überschrift des 1. Abschnitts des 8. Hauptstücks und zu den § 115 folgenden Einträgen, § 47a Abs. 4a und 7, Überschrift 1. Abschnitts des 8. Hauptstücks, § 109 Z 1 lit. a, Z 2a bis Z 2e, § 110 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4, § 111 Abs. 2, § 112 Abs. 1 und 2, § 112a Abs. 1, §§ 115f bis 115l, § 157 Abs. 2, § 281 Abs. 1 Z 3, § 281 Abs. 1 Z 3, § 345 Abs. 1 Z 4 und § 468 Abs. 1 Z 3 StPO):

Digital gespeicherte Daten (sowohl Metadaten als auch Inhaltsdaten) sind ein zunehmend wichtiger Bestandteil moderner strafrechtlicher Ermittlungen, wobei digitale Aspekte in vielfältiger Weise eine Rolle spielen. Die damit verbundenen mannigfaltigen Herausforderungen– in technischer und (datenschutz-)rechtlicher Hinsicht – sind nicht zuletzt vor diesem Hintergrund in den letzten Jahren vermehrt sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene immer wieder Gegenstand von Diskussionen geworden. So haben der Europäische Rat, das Europäische Parlament, der Gerichtshof der Europäischen Union und die Agenturen der EU sowie der Europarat wiederholt Schlussfolgerungen zu verschiedenen rechtlichen und politischen Aspekten des Zugangs zu elektronischen Kommunikationsdaten, einschließlich technischer Verkehrs- und Standortdaten (Metadaten) und allgemein zu elektronischen Beweismitteln, erörtert und formuliert. Zuletzt behandelte die Große Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in einem österreichischen Vorabentscheidungsverfahren die Frage der (eigenmächtigen) Sicherstellung eines Mobiltelefons durch die Kriminalpolizei im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen und denerfolglosen Versuch, dieses zu entsperren (Urteil vom 4.10.2024, C-548/21, Bezirkshauptmannschaft Landeck, ECLI:EU:C:2024:830). Der EuGH hat sich dabei mit dem unionsrechtlichen Datenschutzrahmen, insbesondere auch mit der Richtlinie 2016/680/EU, auseinandergesetzt.

Darüber hinaus leitet die Europäische Kommission gemeinsam mit dem jeweiligen Ratsvorsitz eine im Jahr 2023 eingesetzte hochrangige Expertengruppe (High Level Group) für den Zugang zu Daten für eine wirksame Strafverfolgung, der auch Expertinnen bzw. Experten des Bundesministeriums für Inneres und des Bundesministeriums für Justiz angehören. Die High Level Group hat drei Arbeitsgruppen eingerichtet, von denen sich eine Fragen der Sicherstellung von Datenträgern und Daten gewidmet hat.

Während die vielfältigen Überlegungen und Arbeiten auf europäischer Ebene zur Sicherstellung von Datenträgern und Daten fortschreiten, sind aufgrund der jüngsten Rechtsprechung des VfGH und der von ihm festgesetzten Reparaturfrist grundrechtskonforme und zeitnah umsetzbare Reformen geboten.

Zu den aufgehobenen Bestimmungen und den vom VfGH festgelegten Anforderungen an die neu zu erlassenden gesetzlichen Regelungen:

Der VfGH hat sich aus Anlass eines auf Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit d B-VG gestützten Antrags auf Normenkontrolle mit den Bestimmungen zur Sicherstellung intensiv auseinandergesetzt und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in seinem Erkenntnis vom 14.12.2023, G 352/2021, die Bestimmungen der § 110 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 sowie § 111 Abs. 2 StPO wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 DSG und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK mit Ablauf des 31.12.2024 als verfassungswidrig aufgehoben.

In seinem Erkenntnis G 352/2021 erkannte der VfGH grundsätzlich die Bedeutung der Sicherstellung an und hob hervor, dass die Verfolgung strafbarer Handlungen mittels Sicherstellung von Beweismitteln ein legitimes Ziel iSd § 1 Abs. 2 DSG und Art. 8 Abs. 2 EMRK darstellt. Die Befugnisse der Strafverfolgungsorgane zur Sicherstellung seien grundsätzlich auch abstrakt geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Der Eingriff sei jedoch im Fall der Sicherstellung von Datenträgern, die die Sicherstellung von potentiell sensiblen Daten letztlich einschließe, unverhältnismäßig und nicht mit der Sicherstellung von gewöhnlichen (nicht auslesbaren) Gegenständen vergleichbar. § 1 Abs. 2 DSG ziehe die Grenzen für Eingriffe in das Grundrecht enger als dies im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 EMRK der Fall sei; an die Verhältnismäßigkeit einer materienspezifischen Regelung, die die Fälle zulässiger Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz konkretisiere und begrenze, müsse iSd § 1 Abs. 2 DSG ein strengerer Maßstab angelegt werden, als er sich bereits aus Art. 8 EMRK ergebe.

Aus Sicht des VfGH ist aufgrund der besonderen Eingriffsintensität der Ermittlungsmaßnahme die richterliche Vorabkontrolle alleine nicht ausreichend, sondern sind weitere (besondere) Garantien erforderlich. Zur Begründung weist der VfGH neben der (potentiellen) Schwere des Eingriffs zusätzlich darauf hin, dass die (technischen) Veränderungen an sichergestellten Daten im Nachhinein nicht nachvollziehbar seien bzw. nicht feststellbar sei, welche Daten konkret geändert worden seien. Er ortet während des Ermittlungsverfahrens und im anschließenden (Haupt-)Verfahren für die von einer Sicherstellung (Zugriff und Auswertung) von Datenträgern Betroffenen zudem keinen angemessenen Rechtsschutz. Obwohl teilweise geeignete Rechtsschutzmöglichkeiten bestünden, um gegen eine Sicherstellung vorzugehen oder unrechtmäßige Datenverarbeitungen zu beseitigen (vgl. § 106 StPO und § 75 StPO), seien diese nicht vollumfänglich. Zudem sei für alle Personen, die von der Sicherstellung betroffen sind, der Prozess der Auswertung nicht transparent und dritte Personen, deren Daten verarbeitet werden, hätten keine Kenntnis von der Verarbeitung. In Bezug auf Beschuldigte würde dies erhebliche Auswirkungen auf die Verteidigungsmöglichkeit haben.

Der Gesetzgeber müsse bei der Neuregelung der Sicherstellung (Zugriff und Auswertung) von Datenträgern das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung und die Grundrechte der Betroffenen gegeneinander abwägen und in Ausgleich bringen. Es genüge allerdings nicht, dass der Gesetzgeber den Strafverfolgungsorganen die (allgemeine) Geltung des § 5 StPO im Rahmen der ‚Auswertung‘ auftrage; dies mit Blick auf die ‚mannigfaltigen technischen Möglichkeiten und rechtlichen Befugnisse, welche intensive Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 DSG und das Grundrecht auf Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK ermöglichen‘ (vgl. Rn. 92).

Insofern müsse der Gesetzgeber selbst die wesentlichen Schranken für die Zulässigkeit ‚der jeweils zu setzenden Ermittlungsschritte‘ festlegen (Rn. 94), womit der faktische ‚Zugriff‘ auf den Datenträger als weniger intensiv und die ‚nachfolgende Auswertung‘ als intensiver Grundrechtseingriff zu verstehen ist (Rn. 91 ff). Welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen dieser Ausgleich genügen muss, hänge im Ergebnis davon ab, wie intensiv der Grundrechtseingriff sei. Der Gesetzgeber habe daher – abhängig von der durch die konkrete gesetzliche Ausgestaltung bewirkten Intensität des Eingriffs – exemplarisch mehrere Gesichtspunkte für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit auf Gesetzesebene zu berücksichtigen.

Für den VfGH ist – neben der geforderten gerichtlichen Vorabkontrolle der Ermittlungsmaßnahme (Beschlagnahme von Datenträgern und Daten) – das Informationsrecht einer betroffenen Person ein wesentlicher Eckpfeiler: Demnach hat der Gesetzgeber zu gewährleisten, dass die von der Sicherstellung eines Datenträgers und der Auswertung der darauf (lokal oder extern) gespeicherten Daten Betroffenen in geeigneter Weise jene Informationen erhalten (können), die zur Wahrung ihrer Rechte im (Ermittlungs- und allenfalls nachfolgenden Haupt-) Verfahren notwendig sind.

Daneben kann es nach dem VfGH – innerhalb eines beweglichen Systems – einen Unterschied machen,

-       ob eine Sicherstellung von Datenträgern bei allen oder nur bei bestimmten Straftaten vorgesehen wird, z. B. nur bei schweren Straftaten oder etwa nur bei Cyberkriminalität,

-       ob der Gesetzgeber Vorkehrungen trifft, dass die Auswertung nachvollziehbar sowie überprüfbar ist und der Datenträger nur im erforderlichen Ausmaß ausgewertet wird, und

-       ob der Gesetzgeber für Betroffene – im Hinblick auf die Art und den Umfang der auf einem sichergestellten Datenträger zugänglichen Daten und deren Auswertung – effektive Maßnahmen einer unabhängigen Aufsicht vorsieht, die gewährleistet, dass sich die Strafverfolgungsorgane bei der Auswertung von Daten im Rahmen der gerichtlichen Bewilligung bewegen und die Rechte der Betroffenen in verhältnismäßiger Weise gewahrt sind.

Die vorgeschlagenen Änderungen orientieren sich an den Ausführungen des VfGH, indem gesetzlich geregelt wird, dass der Zugriff auf Datenträger und Daten an eine richterliche Vorabkontrolle geknüpft wird und ab der haptischen Wegnahme des Datenträgers jegliche Zugriffe und Zugriffsversuche durch die ermittelnden Strafverfolgungsbehörden begrenzt, nachvollziehbar und überprüfbar sind. Der Zugriff auf die Daten soll letztlich nur im erforderlichen Ausmaß erfolgen und in unterschiedlichen Phasen des Auswertungsprozesses (auch nachprüfend) der unabhängigen Aufsicht durch die Rechtsschutzbeauftragte bzw. den Rechtsschutzbeauftragten der Justiz unterzogen werden (können). Die Informationsrechte und die Beteiligungsmöglichkeiten von Beteiligten des Strafverfahrens sollen einen grundlegenden Ausgleich gewährleisten.

Einführung einer neuen Ermittlungsmaßnahme:

De lege lata besteht (unabhängig von einer vorangegangenen Sicherstellung und damit vor einem Zugriff) die Möglichkeit einer – der richterlichen Vorabkontrolle zugänglichen – Beschlagnahme von (körperlichen) Gegenständen; gleichfalls ist auch die Beschlagnahme von auf Datenträgern abgespeicherten Daten nicht ausgeschlossen (vgl. Reindl-Krauskopf/Salimi/Stricker, IT-Strafrecht 5.22). In der Praxis gewann allerdings das Antragsrecht der Staatsanwaltschaft (§ 115 Abs. 2 StPO) auf eine (ursprüngliche) Begründung einer Sicherstellung im Wege der Beschlagnahme kaum an Bedeutung; selbst im Regelfall, in dem eine Beschlagnahme zur Fortsetzung der Sicherstellung möglich ist, wird davon kaum Gebrauch gemacht, was unter anderem auch daran liegt, dass betroffene Personen ihr Antragsrecht nicht ausüben (vgl. § 115 Abs. 2 StPO) und § 113 Abs. 3 StPO lediglich im Fall des § 109 Z 1 lit. b StPO eine unverzügliche Pflicht der Staatsanwaltschaft zur Beantragung der Beschlagnahme vorsieht.

Um die vom VfGH verlangte allgemeine Garantie der vorherigen gerichtlichen Genehmigung bereits bei der Begründung der Verfügungsmacht über einen Datenträger umzusetzen, wird vorgeschlagen, an die schon nach der geltenden Rechtslage bestehende Möglichkeit der Beschlagnahme (arg. ‚gerichtliche Entscheidung auf Begründung einer Sicherstellung‘; vgl. § 109 Z 2 lit. a StPO) anzuknüpfen. Damit soll die Systematik der (vorläufigen) Sicherstellung und der Beschlagnahme, die auch nach der hM Fälle einer gerichtlichen Entscheidung auf (ursprüngliche) Begründung einer Sicherstellung umfasst (vgl. Tipold/Zerbes; Flora in Fuchs/Ratz, WK StPO § 109 Rz. 5; Keplinger/Prunner/Pühringer/Rebisant in Birklbauer/Haumer/Nimmervoll/Wess (Hrsg), StPO – Linzer Kommentar zur Strafprozessordnung zu § 109 StPO Rn. 12f.; ebenda Rebisant zu § 115 StPO Rz. 1), beibehalten werden. Dabei soll in § 115f Abs. 2 stopp – wie auch bei vergleichbaren Ermittlungsmaßnahmen (z. B. §§ 134 ff StPO) – die Bewilligung einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung zu erfolgen haben.

Dogmatisch handelt es sich bei der Neuregelung um eine neue Ermittlungsmaßnahme, die sich von der Sicherstellung von Gegenständen grundlegend unterscheidet und zudem eine Reihe von Begleitbestimmungen erforderlich macht. Es wird vorgeschlagen, die Ermittlungsmaßnahme als Sonderform der Beschlagnahme (‚gerichtliche Entscheidung auf Begründung einer Sicherstellung‘) in §§ 115f bis 115l StPO zu verorten. Dies scheint auch zur klaren Abgrenzung von jenen Fällen erforderlich, in denen im geltenden Recht (und auch künftig) vor oder nach einer Sicherstellung iSd obigen Ausführungen eine Beschlagnahme möglich (bzw. im Fall des § 109 Z 1 lit. b StPO zwingend) ist.

Die vorgeschlagene Ermittlungsmaßnahme der ‚Beschlagnahme von Datenträgern und Daten’ (§ 115f StPO) unterscheidet sich von der Beschlagnahme nach § 115 StPO nicht nur durch die zwingende Voraussetzung einer vorherigen gerichtlichen Bewilligung, womit eine ohne gerichtliche Bewilligung erfolgende Sicherstellung (mit Ausnahme der in § 115f Abs. 4 sowie in § 115g Abs. 1 StPO geregelten Fälle) weder notwendig noch zulässig ist, sondern auch dadurch, dass sie einen spezifischen Anwendungsbereich sowie besondere Voraussetzungen normiert.

Neben der Einführung von Legaldefinitionen in § 109 StPO, die zu einer besseren Verständlichkeit des Gesetzestexts beitragen sollen, sollen die inhaltlichen und formalen Voraussetzungen der ‚Beschlagnahme von Datenträgern und Daten’ in § 115f StPO geregelt werden. In den darauffolgenden Bestimmungen sollen die etablierten, mehrstufigen und mit jeweils unterschiedlichen rechtsstaatlichen Garantien ausgestatteten Phasen des Auswertungsvorgangs der ‚Beschlagnahme von Datenträgern und Daten’, nämlich die ‚Aufbereitung von Daten‘ (§ 115h StPO) und die ‚Auswertung von Daten‘ (§ 115i und § 115j StPO), übersichtlich dargestellt und normiert sowie die vom VfGH geforderte Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit (s. auch § 115f Abs. 4 StPO) gewährleistet werden. Weiters vorgesehen sind besondere Vorschriften für die ‚Verwahrung von Datenträgern und Daten‘ (§ 115k StPO) und für den ‚Rechtsschutz‘ (§ 115l StPO). Dabei bildet § 111 Abs. 2 StPO eine grundsätzliche Ausnahme zur ‚Beschlagnahme von Datenträgern und Daten‘: demnach fallen punktuelle Daten oder Daten, die mittels Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten an öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Orten aufgenommen wurden, nicht unter diese Ermittlungsmaßnahme. § 109 Z 1 lit.a StPO ermöglicht daher die Sicherstellung von Gegenständen (somit auch Datenträgern) und Daten, die unter den (materiellen) Voraussetzungen des § 111 Abs. 2 StPO ausgewertet werden können (wobei bereits de lege lata die Auswertung nach § 91 Abs. 2 dritter Fall StPO möglich ist und auch künftig möglich sein soll). Demgegenüber normiert § 115i StPO eine (s. oben) Auswertung, die über die Fälle des § 111 Abs. 2 StPO hinausgeht. Der Bezugspunkt der (Ermittlungs-)Tätigkeit der ‚Auswertung’ ist daher materiell verschieden.

Um die vorgeschlagene Ermittlungsmaßnahme der ‚Beschlagnahme von Datenträgern und Daten’ möglichst friktionsfrei in das bestehende System strafprozessualer Regelungen einzufügen, soll umfangreich auf bewährte Bestimmungen der StPO aus dem Bereich der Sicherstellung und Beschlagnahme, der Durchsuchung von Orten und Gegenständen und der Auskunft über Daten einer Nachrichtenüberwachung zurückgegriffen werden.

Die vom VfGH geforderten Garantien sowie die prozessualen und organisatorischen Vorkehrungen stellen im Übrigen ohnedies hohe Anforderungen an die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten (z. B. gerichtliche Genehmigung vor dem Zugriff auf den Datenträger und die Daten). Rechtsvergleichend ist daher festzuhalten, dass etwa in Deutschland die Durchsicht vorläufig sichergestellter Unterlagen und elektronischer Daten ohne vorherige gerichtliche Bewilligung und ohne Strafschwelle möglich ist. Ein solches Durchsichtsverfahren hat zum Ziel, erst den verfahrensrelevanten Teil des Datenbestandes der gerichtlichen Beschlagnahme zu unterwerfen (vgl. § 110 sowie § 94 Abs. 2 iVm § 98 Abs. 1 erster Satz sowie § 94 Abs. 2, § 98 Abs. 1 erster Satz iVm Abs. 2 erster Satz dStPO; vgl. Park, Aktuelle Fragen zur Durchsuchung und Beschlagnahme in Wirtschaftsstrafsachen, NStZ 11/2023, S. 646 ff.). Ein Gestaltungsspielraum, der eine Ausgestaltung der Neuregelung nach diesem Vorbild sowie eine (vorläufige) Sicherstellung weiterhin ermöglicht hätte, scheidet aber aus, weil der VfGH die richterliche Vorabkontrolle grundsätzlich bereits für den Zugriff auf den Datenträger verlangt. Die Beschlagnahme von Daten soll daher von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung angeordnet werden können; die Durchführung der Ermittlungsmaßnahme soll – der allgemeinen Programmatik der StPO folgend – grundsätzlich der Kriminalpolizei zukommen (§ 115f Abs. 2 StPO; vgl. § 110 Abs. 2, § 171 Abs. 2 StPO uam.). Bereits die Heranziehung dieser (programmatischen) Bestimmungen für die Durchführung der vorgeschlagenen Ermittlungsmaßnahme zeigt, dass durch die Neuregelung die Leitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft (§ 101 Abs. 1 StPO) – entgegen den im Begutachtungsverfahren geäußerten Befürchtungen – nicht beeinträchtigt werden soll und die Staatsanwaltschaft auch in diesem Bereich ihre Kontrollbefugnis ausüben kann (speziell im Bereich der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten durch den vorgeschlagenen ‚Aufbereitungsbericht’; vgl. § 115h Abs. 1 StPO). Auch durch die Möglichkeit nach § 103 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 StPO ist die Ausübung der allgemeinen Leitungs- und Kontrollbefugnisse durch die Staatsanwaltschaft weiterhin gewährleistet.

Zu Z 1, Z 2 und Z 33 (Eintrag im Inhaltsverzeichnis zur Überschrift des 1. Abschnitts des 8. Hauptstücks und zu den § 115 folgenden Einträgen sowie Überschrift des 1. Abschnitts des 8. Hauptstücks):

Die Einführung der neuen Ermittlungsmaßnahme ist konsequenter Weise in die Überschrift des Bezug habenden 1. Abschnitts des 8. Hauptstücks der StPO aufzunehmen; überdies hat die Ergänzung des Inhaltsverzeichnisses um die vorgeschlagene neue Ermittlungsmaßnahme und deren Begleitbestimmungen zu erfolgen, wobei auch der bislang aufgrund eines Redaktionsversehens fehlende Eintrag im Inhaltsverzeichnis zu den Bestimmungen § 115a bis § 115e StPO vorgenommen werden soll.

Zu Z 34 und Z 37 (§ 109 Z 1 lit. a und Z 2a bis Z 2e):

Die neue Ermittlungsmaßnahme soll systemkonform in § 109 StPO definiert werden. Es wird vorgeschlagen, in einem neu zu schaffenden § 109 Z 2a StPO die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten zu umschreiben. Künftig sollen ausdrücklich drei Fälle unterschieden werden, nämlich die Beschlagnahme von ‚Datenträgern und darauf gespeicherten Daten’ (lit. a), ‚Daten, die an anderen Speicherorten als dem Datenträger gespeichert sind, soweit auf sie von diesem aus zugegriffen werden kann’ (lit. b) und ‚Daten, die auf Datenträgern oder an anderen Speicherorten gespeichert sind (lit. a und b), die zuvor nach Z 1 lit. a sichergestellt wurden’ (lit. c). Grundvoraussetzung soll in allen drei Fällen sein, dass die Begründung der Verfügungsmacht über die Datenträger und/oder Daten erfolgt, um diese unter den (materiellen) Voraussetzungen der §§ 115f ff StPO auszuwerten (§ 109 Z 2a StPO). Soll eine Ermittlungstätigkeit eine Auswertung von Daten iSd § 115i StPO (und nicht bloß eine Auswertung iSd § 111 Abs. 2 StPO iVm § 91 Abs. 2 dritter Fall StPO) erfordern, sind die neuen Regelungen zur Beschlagnahme von Datenträgern und Daten anzuwenden. Nach der Legaldefinition in § 109 Z 2b StPO muss daher zunächst eine Sicherung und Vorabbegrenzung eines Datenbestandes im Umfang der richterlichen Bewilligung vorgenommen werden. Anschließend ist die Auswertung (Selektion) erheblicher Tatsachen durch die Strafverfolgungsbehörden vorzunehmen, um die Daten zielgerichtet auszuwerten. Dadurch soll eine klare Abgrenzung zu anderen Ermittlungsmaßnahmen erreicht werden, insbesondere zur Sicherstellung: so soll in diesem Zusammenhang im Rahmen einer Sicherstellung insbesondere die Auswertung von punktuell gesicherten Daten weiterhin möglich sein und nicht unter die Neuregelung fallen, wenn dabei keine richterlichen Bewilligung und keine darauf basierende Auswertung von Daten iSd § 115i StPO erforderlich ist (s. dazu insb. § 111 Abs. 2 StPO und die Ausführungen zu § 109 Z 2a lit. c StPO).

Zur eindeutigen Trennung der Fälle der Sicherstellung (§§ 110 ff. StPO) von den Fällen der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten (§§ 115f ff. StPO) wird zudem auch vorgeschlagen, bereits in der Legaldefinition der Sicherstellung in § 109 Z 1 lit. a StPO in Zusammenhalt mit § 110 Abs. 1 Z 1 StPO klarzustellen, dass eine Sicherstellung von Datenträgern (die unter den Begriff des Gegenstandes bzw. Vermögenswerts zu subsumieren sind) und Daten auch weiterhin möglich ist, sofern die Voraussetzungen des § 111 Abs. 2 StPO vorliegen. Damit soll der gesetzgeberische Wille zum Ausdruck gebracht werden, dass eine Sicherstellung niemals (auch nicht vorsorglich, um in weiterer Folge auf (gespeicherte) Daten zugreifen zu können) erfolgen kann, wenn die Bestimmungen über die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten zur Anwendung kommen (vgl. näher die Ausführungen zu Z 44 und Z 45).

§ 109 Z 2a lit. a StPO umfasst den Fall der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten, die auf einem Datenträger (‚darauf’) originär gespeichert sind (z. B. die Beschlagnahme eines USB-Sticks, einer externen Festplatte oder eines Smartphones und der auf diesen Datenträgern gespeicherten Daten).

Im geltenden Recht ist der Zugriff auf Daten bei ausgelagerter Datenbetreuung nicht ausdrücklich geregelt. Nach der Rechtsprechung des OGH muss die Sicherstellung nicht zwingend auch die Gegenstände umfassen, in denen der sicherzustellende Datenträger eingebaut ist (wie etwa PCs, Laptops udgl.). Weiters müsse sich die Sicherstellung nicht zwingend auf den Datenträger beziehen, auf dem (neben anderen) jene Daten originär gespeichert wurden, die für das Ermittlungsverfahren relevant sind. Es gibt nach der Rechtsprechung des OGH nicht den einzig möglichen Gegenstand der Sicherstellung von (originalen) Datenträgern – vor allem mit Rücksicht darauf, dass betroffene Personen mitunter über den Datenträger gar nicht verfügen, wie etwa bei der Nutzung externer Speicherplätze, ‚vor allem – in Zeiten internetbasierter Netzwerke regelmäßiger – ausgelagerter Datenbetreuung durch Cloud-Computing- oder Cloud-Storage-Dienste’ (14 Os 51/18h). Die hL bejaht zwar, dass die ausgelagerten bzw. auf räumlich entfernten Servern gespeicherten Datenbestände von der Sicherstellung umfasst sind, allerdings wurde zum Teil auch eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die Möglichkeit der Sicherstellung solcher extern gespeicherten Daten gefordert (vgl. Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz, WK StPO § 111, Rz. 14 ff.; Zerbes, Durchsuchung und Beschlagnahme in Wirtschaftsstrafsachen, ÖJZ 2012/93, 845 ff.; Zerbes, Beweisquelle Handy, ÖJZ 2021/24, 176 ff. mwN; zum Teil aA Reindl-Krauskopf/Salimi/Stricker, IT-Strafrecht Rz. 5.11 ff.; Schrank/Stücklberger/Kleinbrod, Sicherstellung im digitalen Zeitalter, ZWF 2020, 289; Ainedter/Poppenwimmer, Sicherstellung und Auswertung von auf Datenträgern gespeicherten Informationen – aktuelle Rechtsprobleme, ZWF 2022, 17). Die Einführung des § 109 Z 2a lit. b. StPO soll dieser Kritik begegnen und eine explizite gesetzliche Rechtsgrundlage für den Zugriff auf Daten, die an anderen Speicherorten als dem Datenträger selbst gespeichert sind, schaffen. Dadurch wird klargestellt, dass auch die Beschlagnahme extern gespeicherter Daten, soweit auf sie von dem beschlagnahmten Datenträger (§ 109 Z 2a lit. a StPO) aus zugegriffen werden kann, nach den Voraussetzungen der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten nach §§ 115f ff. StPO zulässig ist. Die Bestimmung orientiert sich dabei weitgehend an der deutschen Bestimmung des § 110 Abs. 3 dStPO.

§ 109 Z 2a lit. c StPO soll schließlich die Beschlagnahme von Daten umfassen, die auf Datenträgern oder an anderen Speicherorten gespeichert sind (lit. a und b), die zuvor nach Z 1 lit. a sichergestellt wurden. Davon sollen ausschließlich Fälle umfasst sein, in denen ein Datenträger nicht zum Zweck der Auswertung der auf ihm (lokal oder extern) gespeicherten Daten sichergestellt wurde, sondern lediglich für einen anderen in § 110 Abs. 1 StPO genannten Zweck. Dies betrifft etwa den Fall, dass ein Datenträger ursprünglich aus Beweisgründen (§ 110 Abs. 1 Z 1 StPO), etwa zur Sicherung von Spuren (z. B. Blutspuren, Fingerabdrücken udgl.), sichergestellt wurde, im Nachhinein jedoch darauf gespeicherte Daten ausgewertet werden sollen. Praktisch bedeutsam sein könnte § 109 Z 2a lit. c StPO etwa auch für die Sicherstellung eines (mit einem Datenträger ausgestatteten modernen) Fahrzeugs zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche (§ 110 Abs. 1 Z 2 StPO) oder zur Sicherung vermögensrechtlicher Anordnungen (§ 110 Abs. 1 Z 3 StPO). Erscheint eine – über die Befugnis nach § 111 Abs. 2 StPO hinausgehende – Auswertung von Daten, die auf solchen Datenträgern gespeichert sind, zu einem späteren Zeitpunkt aus Beweisgründen erforderlich, sollen auch hier die Voraussetzungen der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten nach § 115f ff. StPO gelten. Da in diesen Fällen die Verfügungsmacht über den Datenträger bereits hergestellt ist, beschränkt sich die Zwangsbefugnis auf den Zugriff auf die Daten (vgl. dazu auch die Ausführungen zu § 115f StPO).

§ 109 Z 2b StPO soll die ‚Aufbereitung von Daten’ als eine aus Beweisgründen erfolgende technische Aufbereitung, einschließlich der Wiederherstellung von Daten, und deren Einschränkung auf jenen Umfang, der der gerichtlichen Entscheidung nach § 109 Z 2a StPO in Bezug auf die Datenkategorien und den Zeitraum entspricht, definieren, wobei in Ausnahmefällen von der gerichtlichen Bewilligung auch der Zugang zu Datenbeständen umfasst sein kann, die aus (ausschließlich) technischen Gründen nicht einem bestimmten Zeitraum zuordenbar sind (dies ist derzeit nach dem Stand der Technik etwa regelmäßig bei wiederhergestellten Daten der Fall, die keinen Zeitstempel aufweisen).. Grundlage der Tätigkeit der mit der Aufbereitung von Daten befassten Forensikerinnen bzw. Forensiker der Kriminalpolizei und der – mit forensischer Expertise ausgestatteten – Hilfskräfte der Staatsanwaltschaft und der von ihnen vorzunehmenden Einschränkung der Daten soll daher ausschließlich die gerichtliche Bewilligung sein. Um jenes Ergebnis herzustellen, das der gerichtlichen Bewilligung in Bezug auf die Datenkategorien und den Zeitraum (somit jener Parameter, die ohne inhaltliche Durchsicht der Daten technisch umsetzbar sind) entspricht, sind zwei Schritte notwendig, die für die Aufbereitung der Daten unabdingbar sind und auch bereits derzeit langgeübte und bewährte Praxis darstellen: Die Herstellung einer ‚Originalsicherung’ und die Herstellung einer ‚Arbeitskopie’:

§ 109 Z 2c StPO definiert die ‚Originalsicherung’ als eine unter Verwendung forensischer Sicherungsmechanismen gewonnene Kopie des Originaldatenbestandes. Diese hat – wie derzeit – in der forensischen Arbeit als Imagesicherung (eine 1:1-Kopie des Datenträgers) zu erfolgen und ist unter Verwendung von entsprechenden forensischen Sicherungsmechanismen (Schreibschutz, Schreibblocker) zu erstellen. Diese gewährleisten, dass ab dem Beginn der Imageerstellung kein Schreibvorgang auf dem zu sichernden Datenträger mehr möglich ist. Die Gewährleistung der Datenintegrität liefert der Hash-Wert (Prüfsumme auf Grund eines mathematischen Algorithmus), der sich auf den Dateninhalt des gesicherten Mediums zum Zeitpunkt der Sicherung und den Dateninhalt des angefertigten Images bezieht. Dies dient der Beweisbarkeit der Unveränderlichkeit des Images, somit, dass keine Veränderung von Daten stattgefunden hat). Nach der – schon aus technischen Gründen notwendigen und auch derzeit gesetzlich vorgesehenen (vgl. § 111 Abs. 2 letzter Satz StPO, wonach die Herstellung einer Sicherungskopie der auf den Datenträgern gespeicherten Informationen zu dulden ist) – Herstellung einer Originalsicherung dient diese als Grundlage für die Herstellung einer ‚Arbeitskopie’, mit welcher die Aufbereitung der konkreten Daten vorgenommen wird.

§ 109 Z 2d StPO definiert die ‚Arbeitskopie’ als eine Kopie der Originalsicherung, anhand derer die Aufbereitung von Daten nach § 109 Z 2b StPO erfolgt. Diese Kopie dient – anders als die Originalsicherung, die bereits aus Gründen der Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit unverändert bleiben muss – zur Umsetzung der gerichtlichen Entscheidung.

§ 109 Z 2e StPO schließlich definiert das ‚Ergebnis der Datenaufbereitung’ als einen der gerichtlichen Entscheidung in Bezug auf die Datenkategorien und den Zeitraum entsprechenden Datensatz, wobei in Ausnahmefällen von der gerichtlichen Entscheidung auch der Zugang zu Datenbeständen umfasst sein kann, die aus (ausschließlich) technischen Gründen nicht einem bestimmten Zeitraum zuordenbar sind (vgl. näher § 109 Z 2b StPO). Dieser Datensatz stellt das Ergebnis der Aufbereitung von Daten nach Z 2b und somit den (reduzierten) Datensatz dar, der den Ermittlungen (inhaltlich) zugrunde gelegt werden darf.

Zu Z 38 und Z 40 (§ 110 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 StPO):

Die Bestimmungen nach § 110 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 StPO idF BGBl. I Nr. 19/2004 wurden vom VfGH vor dem Hintergrund, dass die Sicherstellung von Daten und Datenträgern nach geltender Gesetzeslage keiner vorhergehenden Bewilligung durch das Gericht bedarf, ebenfalls als verfassungswidrig aufgehoben. Diese Regelungen sind jedoch auch weiterhin erforderlich und sollen daher (§ 110 Abs. 4 StPO mit geringfügigen sprachlichen, nicht jedoch inhaltlichen Änderungen) neu erlassen werden, weil sie für die Sicherstellung von (sonstigen) Gegenständen, Daten, soweit diese nicht iSd §§ 115f ff StPO aufbereitet und ausgewertet werden sollen (s. dazu oben bei Z 34 und Z 37), sowie für Vermögenswerte nach wie vor Bedeutung haben. Um eine klare Abgrenzung zu der neu vorgeschlagenen Ermittlungsmaßnahme nach §§ 115f ff StPO zu schaffen, wird in § 110 Abs. 1 Z 1 StPO auf Daten nach § 111 Abs. 2 StPO Bezug genommen (siehe dazu näher Z 41).

Zu Z 41 (§ 111 Abs. 2 StPO):

Der in Geltung stehende § 111 Abs. 2 StPO regelt die Sicherstellung von ‚auf Datenträgern gespeicherten Informationen’; darunter ist die ‚Auswertung’ als – zeitlich nachgelagerte – Phase der ‚Sicherstellung im weiteren Sinn’ zu verstehen; derzeit greifen so die allgemeinen Voraussetzungen (§§ 110 ff. StPO). Insoweit ist für den Datenzugriff auch der Rückgriff auf die Erforderlichkeit ‚aus Beweisgründen’ (§ 110 Abs. 1 Z 1 StPO), das Anordnungserfordernis und die Durchführungskompetenz der Kriminalpolizei (§ 110 Abs. 2 StPO), die Subsidiarität der Sicherstellung (§ 110 Abs. 4 StPO) und die Informationspflicht einer von der Sicherstellung betroffenen Person (§ 111 Abs. 4 StPO) notwendig. Die Vorschrift für den Datenzugriff in § 111 Abs. 2 StPO soll künftig aufgrund der Aufhebung durch den VfGH nur mehr einen eingeschränkten Anwendungsbereich haben. Im Gegenzug sollen als leges speciales Bestimmungen in den §§ 115f bis 115l StPO geschaffen werden, die technologieneutral auf den Sammelbegriff Datenträger abstellen und den Zugriff auf die darauf (lokal oder extern) gespeicherten Daten regeln, wenn eine Auswertung von Daten im Sinne des § 115i StPO erfolgen soll (s. dazu näher bei Z 49). Zur Abgrenzung von der neuen Ermittlungsmaßnahme der Beschlagnahme von Daten und Datenträgern siehe bereits die Ausführungen zu Z 34, wonach dafür über das (materielle) Maß des § 111 Abs. 2 StPO hinausgehende Auswertungen vorliegen müssen; im Fall bloßer Auswertung (vgl. § 91 Abs. 2 dritter Fall StPO) von nach § 111 Abs. 2 StPO sichergestellten Daten ist hingegen eben keine Aufbereitung von Daten und keine darauf aufbauende Auswertung von Daten iSd § 115i StPO erforderlich, sodass das Regime der §§ 115f ff. StPO nicht anwendbar ist.

Wie bisher soll nach § 111 Abs. 2 StPO insbesondere die Sicherstellung bei Dritten, etwa von auf Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten gespeicherten Daten, die an öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Orten aufgenommen wurden, zulässig sein, wenn iSd Verhältnismäßigkeitsgebots (§ 5 StPO) nicht der gesamte Datenträger und sämtliche Daten sichergestellt werden dürfen (vgl. 14 Os 51/18h), sondern nur – bezogen auf eine konkrete Person – jeweils ein punktueller Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 DSG und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK erfolgen soll.

Den Erwägungen des OGH in seiner Entscheidung zu 14 Os 51/18h folgend, wonach der Zugriff auf den gesamten Datenträger und alle Daten in bestimmten Fällen unverhältnismäßig sein kann und demnach nur eine gezieltere Maßnahme zulässig und geboten ist, wird vorgeschlagen, die Sicherstellung auf Kopien von punktuellen Daten oder Daten zu beschränken, die an öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Orten mittels Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten aufgenommen wurden. Von der Herausgabepflicht nach § 111 Abs. 2 StPO (vgl. zu den möglichen Folgen der Verletzung § 93 Abs. 2 StPO) sind Daten einer Nachrichtenübermittlung, geographische Standorte sowie gesendete, übermittelte oder empfangene Nachrichten auf dem Endgerät einer Person (vgl. § 134 Z 5 StPO) ausdrücklich ausgeschlossen, weil mit diesen nach dem Erkenntnis des VfGH umfassende Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellt werden können, die detailreiche Rückschlüsse auf das Verhalten, die Persönlichkeit und die Gesinnung des bzw. der Betroffenen zulassen und bereits auf einem Datenträger gespeicherte Verbindungsdaten u.a. ‚Vermutungen über Kommunikatonsinhalte nahelegen, weil offengelegt wird, ob, wann, wie oft und mit wem auf welchem Weg Kontakt aufgenommen wurde’ (vgl. Rn. 66). Die Beschlagnahme von Kommunikationsdaten im weiteren Sinn unterliegt daher jedenfalls den Sonderbestimmungen nach §§ 115f ff StPO; Eine Sicherstellung nach § 111 Abs. 2 StPO ist insofern hinsichtlich dieser Daten ausdrücklich unzulässig; gleichzeitig ist – abgesehen von diesen Fällen – eine solche Möglichkeit zur Entlastung der Gerichte und zur Verfahrensbeschleunigung grundsätzlich erforderlich, wobei mit dieser Aufwand sparenden Maßnahme kein Verlust an Rechtsschutz verbunden ist (vgl. insb. die gerichtliche Entscheidung nach § 115 Abs. 2 StPO).

In der Praxis soll die Bestimmung daher zur Anwendung kommen, wenn Videomaterial sichergestellt werden soll, das ein bestimmtes Geschehen festhält (z.B. Aufnahmen von Überwachungskameras in Supermärkten und Banken, öffentlichen Verkehrsmitteln, videoüberwachten Örtlichkeiten) oder Fotos aus Bankomatkameras. Insofern macht nicht die Gesamtheit der Menschen, die auf einem Video zu sehen sind, die Eingriffsintensität aus, sondern der konkrete Eingriff für eine Person, die im Übrigen – idR aufgrund der Eröffnung des Anwendungsbereiches der DSGVO – auf eine ‚Aufnahme’ hingewiesen wird (bzw. werden sollte), sodass ihr insoweit die Aufnahme bekannt ist. Diese Unterscheidung ist darüber hinaus auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des OGH zu 14 Os 51/18h, in der dieser in Bezug auf Videoaufzeichnungen die Verhältnismäßigkeit des Zugriffs eingehend geprüft und bejaht hat, weiter zulässig. Den vom OGH angestellten Erwägungen steht auch das Erkenntnis des VfGH nicht entgegen. Die Verfassungswidrigkeit des § 111 Abs. 2 StPO begründete der VfGH nämlich damit, dass ‚(…) der Zugriff auf potentiell sämtliche auf einem Datenträger gespeicherten Daten (…) den Strafverfolgungsorganen nicht bloß ein punktuelles Bild über das Verhalten des Verdächtigten oder des Betroffenen (…)’ ermöglicht (vgl. Rn 66); dabei wies der VfGH auf die Gefahr hin, dass umfassende Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellt werden können, die detailreiche Rückschlüsse auf das Verhalten, die Persönlichkeit und die Gesinnung des Betroffenen zulassen. Demgegenüber liegt bei Aufnahmen z. B. auf für private oder berufliche Zwecke genutzten Mobiltelefonen an öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Orten ein solcher Hinweis auf Aufnahmen nicht vor, sodass die Anwendung dieser Bestimmung auf die Erlangung solcher Daten jedenfalls nicht möglich ist; sofern eine Herausgabe im Vorfeld nicht freiwillig erfolgt, ist vielmehr nach §§ 115f ff. StPO vorzugehen.

Die vom VfGH geortete erhebliche Eingriffsintensität einer Sicherstellung von Daten(trägern) ergibt sich nämlich aus mehreren Faktoren, die in der Praxis jedoch nicht notwendigerweise in allen Fällen vorliegen. Ein solcher nicht eingriffsintensiver Fall liegt etwa bei den im Gesetzestext ausdrücklich genannten Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten mit Blick auf die Rechtsprechung des OGH zu 14 Os 51/18h dann vor, wenn dem Zweck der Beweismittelsicherung (§ 110 Abs. 1 Z 1 StPO) schon dadurch entsprochen werden kann, dass die Daten, die von einer Bankomatkamera angefertigt wurden, und auf der Festplatte im Bankomaten gespeichert sind, im Wege eines – mit Kopien dieser (solcherart materiell verkörperten) Daten – bespielten Datenträgers (etwa eines USB-Sticks) sichergestellt werden, zu dessen Ausfolgung oder Duldung seiner Herstellung die Bank nach § 111 Abs. 2 StPO verpflichtet ist. Zudem stellt das Innehaben von Kopien oder anderen Ersatzgegenständen schon nach § 110 Abs. 4 StPO keine eigenständige Ermittlungsmaßnahme dar, sondern das gelindere Mittel gegenüber einer grundsätzlich zulässigen Sicherstellung des Originals (vgl. Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz, WK StPO § 110, Rz. 76).

Nach den Erwägungen des OGH ist die Verhältnismäßigkeit auch dadurch gewährleistet, dass solche Aufzeichnungen von den verpflichteten Personen (Kredit- und Finanzinstitut, Supermärkte, Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel etc.) selbst spezifiziert und gesichert werden (können). Eine Suche nach oder eine Durchsuchung von Datenträgern ist im Falle der Sicherstellung einer Videoaufzeichnung nicht notwendig (vgl. 14 Os 51/18h). Insofern wird in der Praxis auch nicht der (alle Daten enthaltende ursprüngliche) Datenträger durch die Kriminalpolizei sichergestellt (bzw. gesichert, aufbereitet, auf Relevanz geprüft und ausgewertet), vielmehr stellt die verpflichtete Person nach Anordnung der Sicherstellung (lediglich) das relevante Bild- oder Videomaterial in Bezug auf einen bestimmten Zeitpunkt bereit, sodass letztlich die vom VfGH georteten Gefahren (wie etwa die Erstellung umfassender Persönlichkeits- und Bewegungsprofile durch Strafverfolgungsorgane, die detailreiche Rückschlüsse auf das Verhalten, die Persönlichkeit und die Gesinnung der Betroffenen zulassen) nicht gegeben sind.In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob die nach § 111 Abs. 2 StPO zur Herausgabe verpflichtete Person die Aufnahme unter Einhaltung der für sie geltenden datenschutzrechtlichen Pflichten erstellt hat.

Die Überlegungen des OGH zur Beurteilung der Geringwertigkeit sollen nach den dargestellten Ausführungen mit dem Kriterium des ‚punktuellen Eingriffs’ einbezogen werden und auf alle entsprechenden Fälle übertragen werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der OGH der automatisierten Anfertigung von Daten durch die Kamera eines Bankomaten, des gespeicherten Motivs oder des Alters der Bilddaten keinen besonderen Wert oder wirtschaftlichen (Tausch-)Wert beigemessen hat, der die Schwelle der Geringwertigkeit gemäß § 110 Abs. 3 lit. d StPO überschreiten würde. Der OGH berücksichtigt dabei bereits für die Bewertung der Geringwertigkeit (§ 141 StGB) den wirtschaftlichen (Tausch-)Wert der Daten. Mit der vorgeschlagenen Änderung von § 109 Z 1 lit. a StPO, der nunmehr nicht nur auf Gegenstände, sondern auch Vermögenswerte und Daten umfasst, ist § 110 Abs. 3 lit. d StPO aufgrund der spezifischen Bezugnahme auf Gegenstände diesbezüglich einschränkend zu verstehen. § 111 Abs. 2 StPO soll daher nun ausdrücklich – analog zur bisherigen Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 110 Abs. 3 lit. d erster Fall stopp – regeln, dass die Sicherstellung von Kopien punktueller Daten erlaubt ist. Angesichts der Vielzahl von praktischen Fallkonstellationen, auf die diese Überlegungen zutreffen, ermöglicht die Einfügung von ‚punktuellen Daten’ im Einklang mit den Anregungen aus dem Begutachtungsverfahren und der damit verbundenen geringeren Eingriffsintensität die Sicherstellung bestimmter Daten, insbesondere auch von Bild- und Tonaufzeichnungen. Zu den punktuellen Daten, die idR iSd dargestellten Überlegungen geringwertige Daten als eine Unterkategorie einschließen, zählen beispielsweise Kundenkarteien, Versicherungspolizzen, Dokumentationen einer Begutachtung gemäß § 57a StVO oder einzelne Dokumente der Buchhaltung, sofern iSd Erkenntnisses des VfGH bloß ein punktuelles Bild über eine Person gewonnen wird und sich die Herausgabe der Kopien dieser Daten unter den oben dargestellten Voraussetzungen erfolgt. Dieser Systematik folgend fallen etwa Krankenbefunde zu einem konkret eingegrenzten Behandlungsverhältnis unter den Begriff der ‚punktuellen’ Daten. Als ‚punktuelle’ Daten werden insgesamt Daten verstanden, die ein bestimmtes, zeitlich eng begrenztes vertragliches oder öffentlich-rechtliches Rechtsgeschäft oder Rechtsverhältnis betreffen. Privat genutzte Datenträger und Daten(träger), die Informationen über die Persönlichkeit einer herausgabepflichtigen Person oder anderer Personen (wie das Verhalten eines Verdächtigen) enthalten, sind von dieser Bestimmung hingegen nicht umfasst. Rechtsschutz bieten der Einspruch wegen Rechtsverletzung (§ 106 StPO) sowie die besonderen Schutzbestimmungen im Regime der §§ 115f ff StPO: Werden nicht bloß punktuelle Daten sichergestellt, wäre grundsätzlich keine Sicherstellung rechtmäßig gewesen, sondern hätte eine Beschlagnahme von Datenträgern und Daten nach den §§ 115f ff StPO erfolgen müssen; nach § 115j Abs. 1 StPO dürfen Ergebnisse einer Auswertung als Beweismittel bei sonstiger Nichtigkeit nur verwendet werden, wenn die Ermittlungsmaßnahme rechtmäßig angeordnet und bewilligt wurde (vgl. auch § 75 Abs. 1 erster Satz StPO).

Mit Blick auf den vom VfGH eingeräumten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des OGH wird daher – den Bedürfnissen der Praxis nach effizienter Strafverfolgung Rechnung tragend – eine verhältnismäßige gesetzliche Grundlage für die Sicherstellung von Daten, die mittels Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten an öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Orten aufgenommen wurden, vorgeschlagen und – im Unterschied zum Initativantrag – um Fallkonstellationen erweitert, die im Fall punktueller Daten gleichwertige Eingriffe zur Folge haben, zumal in diesen Fällen ganz gezielt lediglich diese punktuellen Informationen, nicht jedoch der gesamte originale Datenträger erlangt werden sollen.

Unter öffentlich zugänglichen Orten sind z.B. frei zugängliche Geschäfte oder Kaufhäuser während der Geschäftsöffnungszeiten; der Schalterraum einer Bank- oder Postfiliale; öffentliche Verkehrsmittel bzw. deren Haltebereiche; Sportplätze und Sportstadien; allgemein zugängliche Schulhöfe; der Eingangsbereich eines Hotels (Lobby); für den Publikumsverkehr geöffnete Flure, Treppenhäuser oder Parkgaragen bzw. Parkplätze etc. zu verstehen. Der Begriff ‚Ort’ ist weit und nicht als abgeschlossener Platz oder Raum zu verstehen, es können daher auch frei zugängliche Flächen wie ein Waldgebiet, ein Park, ein Naherholungsgebiet oder die Fußgängerzone einer Stadt darunterfallen (vgl. Thiele/Wagner, Praxiskommentar zum Datenschutzgesetz (DSG)2 § 12 Rz 44); der höchstpersönliche Lebensbereich soll hingegen von dieser Regelung nicht umfasst sein, eindeutig eingriffsintensive Sicherstellungen unterliegen daher der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten nach §§ 115f ff StPO. Kommt eine mitwirkungspflichtige Person einer Anordnung nicht nach und kann auch mit Beugemitteln kein Auslangen erzielt werden (§ 93 Abs. 2 StPO), wird mit Beschlagnahme nach §§ 115f ff StPO vorzugehen sein.

Zu Z 43 und Z 44 (§ 112 Abs. 1 und 2, § 112a Abs. 1 StPO):

Da § 112 und § 112a StPO im Bereich der Ermittlungsmaßnahme der Sicherstellung geregelt sind, soll anstelle der Bezugnahme auf Datenträger, die von der Ermittlungsmaßnahme der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten umfasst sind, eine solche auf Fälle der Sicherstellung von Daten nach § 111 Abs. 2 StPO erfolgen. Datenträger und Daten sollen jedoch systemkonform in §§ 115f ff. StPO Eingang finden (s. dazu näher bei Z 49 zu § 115g Abs. 2 StPO).

Zu Z 11, Z 12, Z 49 und Z 63 (§ 47a Abs. 4a und 7, §§ 115f bis 115l samt Überschriften, § 281 Abs. 1 Z 3, § 345 Abs. 1 Z 4 und § 468 Abs. 1 Z 3 StPO):

Zur Beschlagnahme von Datenträgern und Daten (§ 115f und § 115g StPO):

Das bislang in der StPO verankerte grundsätzliche Konzept der Trennung in ein Stadium der (vorläufigen) Sicherstellung und der anschließenden Beschlagnahme kann bei der Neuregelung der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten aufgrund der vom VfGH festgelegten Anforderungen nicht aufrechterhalten werden. Schon die Begründung der Verfügungsmacht über einen Datenträger sowie die darauf (lokal oder extern) gespeicherten Daten soll einer gerichtlichen Bewilligung unterliegen, wodurch es sich bei dieser Ermittlungsmaßnahme – sogleich – um eine (originäre) Beschlagnahme handelt. § 109 Z 2a StPO definiert die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten daher – als eine ‚gerichtliche Entscheidung auf Begründung einer Sicherstellung […], zum Zweck der Auswertung von Daten. § 115f Abs. 1 StPO orientiert sich ebenso in seinen materiellen Voraussetzungen am Wortlaut des § 110 Abs. 1 Z 1 StPO, wonach die Ermittlungsmaßnahme ‚aus Beweisgründen […] erforderlich scheint’, und nicht an jenem des § 115 Abs. 1 StPO, der konzeptuell darauf abstellt, dass ‚sichergestellte Gegenstände’ voraussichtlich (weiterhin) als ‚Beweismittel erforderlich sein werden’. Letztere Regelung weist eine nähere Beurteilungsgrundlage auf als in den nun vorgesehenen Fällen, in denen die Erwartung an den Beweiswert erst nach Erlangung der Verfügungsmacht über den Datenträger und den Zugriff auf die Daten messbar wird. Die Erforderlichkeit der Beschlagnahme ‚aus Beweisgründen’ in einem bestimmten Verfahren verlangt jedoch, dass der Datenträger und die Daten geeignet sind, das Beweisthema zu führen; die Bedeutung für die konkrete Untersuchung muss – begründend – nachvollziehbar sein (vgl. die schon dahingehende Voraussetzung zur Sicherstellung, Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz, WK StPO § 110 Rz. 5).

In Konkretisierung der erwähnten Voraussetzungen sollen darüber hinaus bestimmte Tatsachen vorliegen müssen, dass durch die Ermittlungsmaßnahme Informationen ermittelt werden können, die für die Aufklärung einer Straftat wesentlich sind. Die Beschlagnahme darf demnach keinesfalls ‚zur Sicherheit’, ‚bloß zur Vorsicht’ oder erst aus Anlass einer sehr vagen Sachverhaltskonstellation durchgeführt werden, um dadurch erst einen (Anfangs-)Verdacht zu begründen (Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz, WK StPO § 110 Rz. 10; Kroschl in Schmölzer/Mühlbacher (Hrsg), StPO Kommentar, Band 1 Ermittlungsverfahren2 § 110 StPO Rz. 15; Keplinger/Prunner/Pühringer in Birklbauer/Haumer/Nimmervoll/Wess (Hrsg), StPO – Linzer Kommentar zur Strafprozessordnung zu § 110 StPO Rz. 8). Es muss somit ein begründeter Verdacht vorliegen, dass durch die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten iSd § 115f StPO beweiserhebliche Tatsachen gewonnen werden können, die für die Aufklärung der Straftat wesentlich sind. Um die Aufklärung von Straftaten nicht zu erschweren, sollen allerdings – auch mit Blick auf den Wissensstand von Strafverfolgungsbehörden – keine (weiteren) erhöhten Voraussetzungen festgelegt werden. Zudem hat auch der VfGH nicht verlangt, dass für die Sicherstellung von Datenträgern und Daten eine über einen (Anfangs-)Verdacht hinausgehende Verdachtsdichte (z. B. ein dringender Tatverdacht) vorliegen muss. Eine solche hohe Voraussetzung wäre zudem nicht systemkonform und stünde insbesondere in einem Widerspruch zur Durchsuchung von Orten (§§ 119 ff. StPO), die ebenfalls nicht an einen dringenden Tatverdacht anknüpft. Weiters würde eine erhöhte Verdachtsdichte bedeuten, dass die Strafverfolgungsbehörden die Ermittlungen in Fällen nicht fortsetzen könnten, in denen die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten der einzige Anhaltspunkt für die Aufklärung der Straftat ist.

Da der VfGH nicht zwingend eine Einschränkung auf bestimmte Straftaten vorschreibt und die vorgeschlagenen Regelungen die weiteren vom VfGH vorgegebenen Gesichtspunkte aufgreifen, wird auch ohne Einschränkung auf bestimmte Straftaten insgesamt ein umfassender Ausgleich geschaffen. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der VfGH zur Begründung der Schwere des Eingriffs auch (weitere potentielle) Gefahren anführt (z. B. die Möglichkeit einer prädiktiven Analyse; vgl. Rz. 68, für die jedoch de lege lata keine Rechtsgrundlage besteht).

Der Gesetzgeber muss zudem berücksichtigen, dass kein Wertungswiderspruch zu bestehenden Ermittlungsmaßnahmen erfolgt. So gilt es insbesondere einen nicht nachvollziehbaren Wertungswiderspruch mit der in der Praxis häufig korrespondierenden Ermittlungsmaßnahme der Durchsuchung von Orten (§§ 119 ff. StPO) zu vermeiden: Da die Zulässigkeit einer Durchsuchung nicht von einer bestimmten Schwere der Straftat abhängt, könnten die Strafverfolgungsbehörden im Wege einer Durchsuchung ansonsten zwar etwa Zugang zu einer Wohnung erlangen, um dort beweiserhebliche Gegenstände und Daten (z. B. physische Unterlagen) sicherzustellen. Würde jedoch die Zulässigkeit der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten an eine bestimmte Schwere der Straftat geknüpft werden, dürften im Ergebnis die Strafverfolgungsbehörden bei einer Durchsuchung – trotz ihrer (ebenfalls) richterlichen Genehmigung – eine Beschlagnahme von Datenträgern und (digitalen) Daten gegebenenfalls nicht vornehmen. Eine solche Differenzierung scheint weder erforderlich noch sachgerecht.

Bei einer Einschränkung auf bestimmte Straftaten bliebe eine Vielzahl von Fallkonstellationen unberücksichtigt, in denen eine Beschlagnahme von Datenträgern und Daten eine zielführende Ermittlungsmaßnahme darstellen könnte. Vielmehr soll die Zulässigkeit im Einzelfall – im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage – künftig durch einen Richter bzw. eine Richterin beurteilt werden, der bzw. die nach kritischer Würdigung zu entscheiden hat, ob beispielsweise bei einer nicht ‚schweren Straftat’ die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten für die Aufklärung der Straftat erforderlich erscheint und welche Eingrenzung des Datenumfangs einen ausreichenden Ausgleich bietet.

Der VfGH hat mehrere Gesichtspunkte zum (grundrechtlichen) Ausgleich der mit der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten einhergehenden Eingriffsintensität genannt. Die vorgeschlagenen Phasen der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten, die – anders als im geltenden Recht – nicht nur eine stärkere rechtliche Determinierung und erhöhte Transparenz des Auswertungsprozesses vorsehen, sondern auch ausdrücklich Beteiligungsmöglichkeiten von Beschuldigten und Opfern bei der Selektion von erheblichen Tatsachen sowie Informationspflichten der Behörden an alle betroffenen Personen schaffen, tragen zum geforderten Ausgleich ebenso bei wie die vorgeschlagene unabhängige Aufsicht durch den Rechtsschutzbeauftragten bzw. die Rechtsschutzbeauftragte der Justiz. Schließlich ist der richterlich eingegrenzte Datenbestand zum Zweck der Auswertung – verbunden mit den damit einhergehenden Zugriffsbeschränkungen der Strafverfolgungsbehörden auf den gesamten Datenbestand und festgelegten Löschungsverpflichtungen – ein wichtiger Eckpfeiler für den Ausgleich des Eingriffs.

§ 115f Abs. 1 StPO erlaubt die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten – neben anderen materiellen Voraussetzungen – aus Beweisgründen. § 109 Z 2a StPO legt fest, dass die Ermittlungsmaßnahme dann zulässig ist, wenn sie zum Zweck der Auswertung (iSd § 115i StPO) erfolgt. Zum Tragen kommen die Regelungen nur dann und verdrängen damit grundsätzlich die allgemeinen Bestimmungen der Sicherstellung und Beschlagnahme (§§ 110 ff. StPO), wenn die Beschlagnahme aus Beweisgründen und zum Zweck der Auswertung iSd § 115i StPO erfolgt, die auf mehrere (Vor-)Phasen zur Begrenzung eines Datenbestandes im Umfang der richterlichen Bewilligung aufbaut; diesfalls ist (durch den Zugang auf nicht bloß punktuelle Daten;vgl. dazu die Ausführungen zu § 111 Abs. 2 StPO) die vom VfGH erkannte Schwere des Eingriffs gegeben, sodass in diesem Fall ausnahmslos die Regelungen in §§ 115f ff. StPO zur Anwendung gelangen sollen.

Nach § 115f Abs. 2 StPO hat die Staatsanwaltschaft eine Beschlagnahme von Datenträgern und Daten aufgrund einer gerichtlichen Bewilligung gegenüber der Kriminalpolizei anzuordnen; der Kriminalpolizei obliegt die Durchführung der gerichtlich bewilligten Ermittlungsmaßnahme.

Sowohl die staatsanwaltschaftliche Anordnung als auch die gerichtliche Bewilligung müssen der in § 115f Abs. 3 StPO enthaltenen erhöhten Begründungspflicht gerecht werden. Der Begründungsumfang orientiert sich an den Erfordernissen bestehender, strenger geregelter Ermittlungsmaßnahmen (etwa Auskunft von Daten einer Nachrichtenübermittlung nach § 135 StPO). Sie geht allerdings auch darüber hinaus, indem sowohl die staatsanwaltschaftliche Anordnung als auch die gerichtliche Bewilligung der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten die Umschreibung der Datenkategorien und Dateninhalte, die zu beschlagnahmen sind, zu enthalten hat und aus ihnen auch ausreichend klar hervorgehen muss, in Bezug auf welchen Zeitraum die Beschlagnahme zu erfolgen hat. Unter Datenkategorien sind allgemeine Festlegungen, wie etwa Kommunikationsdaten, Metadaten, Fotos, Videos, Standortdaten, etc. zu verstehen, die jedoch keine inhaltsbezogene Differenzierung vornehmen (wie etwa Identitätsdaten oder spezifische Bilder einer Person). Im Gegensatz dazu beziehen sich Dateninhalte auf den Ermittlungszweck und das gesuchte Beweismaterial (z.B. Bilder, auf denen in rechtlicher Hinsicht ein bildliches sexualbezogenes Kindesmissbrauchsmaterial und bildliche sexualbezogene Darstellungen minderjähriger Personen iSd § 207a StGB feststellbar sind). Die Forensikerinnen bzw. Forensiker der Kriminalpolizei und die – mit forensischer Expertise ausgestatteten – Hilfskräfte der Staatsanwaltschaft, die im Rahmen der Aufbereitung von Daten (§ 109 Z 2b StPO) Zugang zum gesamten Datenbestand haben, sollen im Sinne der Legaldefinition die Dateninhalte nicht prüfen und damit ganz generell Datenbestände nicht inhaltlich bewerten, sondern den Datenbestand bloß auf den der gerichtlichen Entscheidung in Bezug auf die Datenkategorien und den Zeitraum entsprechenden Umfang eingrenzen. Damit soll sichergestellt werden, dass trotz der technisch bedingten, umfassenden Zugriffsmöglichkeit auf Daten die Phase der Aufbereitung von Daten lediglich eine technische Umsetzung der gerichtlichen Bewilligung darstellt, indem Datenkategorien und Zeiträume, die von der Staatsanwaltschaft nicht beantragt und daher auch nicht vom Gericht bewilligt wurden, von den Datenbeständen getrennt werden, die tatsächlich den Ermittlungen zugrunde liegen dürfen.

Auf diese Weise erhalten die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaft etwa sämtliche Bilder (arg.: Datenkategorie) aus einem bestimmten Zeitraum, die als Ergebnis der Datenaufbereitung nunmehr auf ihre Relevanz geprüft werden müssen. Dies gewährleistet, dass weder mehr noch weniger Daten in die eigentliche Auswertung (des Ergebnisses der Datenaufbereitung) einfließen können, als es dem Umfang der gerichtlichen Bewilligung entspricht.

Die Beschlagnahme darf jeweils nur für jenen Zeitraum angeordnet und bewilligt werden, in Bezug auf welchen dies zur Erreichung ihres Zwecks voraussichtlich erforderlich ist, wobei von der gerichtlichen Bewilligung neben der vom VfGH zwingend vorgegebenen Festlegung eines bestimmten Zeitraumes in Ausnahmefällen auch der Zugang zu Datenbeständen umfasst sein kann, die aus (ausschließlich) technischen Gründen nicht einem bestimmbaren Zeitraum zuordenbar sind, jedoch der Zugang zu diesen Daten erforderlich sein kann (vgl. unten die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit), um einen Konnex zum Strafverfahren überhaupt prüfen zu können (dies ist derzeit nach dem Stand der Technik etwa regelmäßig bei wiederhergestellten Daten der Fall, die keinen Zeitstempel aufweisen). Diese zusätzliche Begründungspflicht zum Zeitpunkt der Antragstellung und Bewilligung ist im Wesentlichen den Anforderungen des VfGH nachgebildet (vgl. dazu die Ausführungen in der Rn. 79 des Erkenntnisses). Damit sind die Anforderungen an die Ausgestaltung der Anordnung und Bewilligung der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten höher als bei einer gewöhnlichen Sicherstellung (§ 110 Abs. 2 iVm § 102 Abs. 1 StPO) oder einer (allgemeinen) Beschlagnahme (§ 115 StPO). Sie sind zwar an § 138 Abs. 1 StPO angelehnt, gehen aber über die erforderlichen Angaben einer Anordnung nach § 135 Abs. 2b StPO sowie einer Anordnung und Bewilligung nach den § 135 Abs. 2, 2a und 3 StPO und § 136 StPO hinaus.

Die vorgeschlagene Verpflichtung der Einschränkung soll einen gesetzlichen Rahmen bieten, auf welche Datenkategorien und Dateninhalte sowie auf welchen Zeitraum die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten abzielen soll. Sie bietet dadurch nicht nur eine Überprüfbarkeit, sondern auch eine Vorhersehbarkeit für betroffene Personen, welcher Datenumfang konkret ausgewertet werden soll. Letztlich wird dadurch den von einer solchen Beschlagnahme betroffenen Personen auch ermöglicht, das von den Strafverfolgungsbehörden Gesuchte selbst herauszugeben, ihrer Mitwirkungspflicht nachzukommen (vgl. unten § 115g StPO) und damit die Durchführung der Zwangsmaßnahme der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten abzuwenden. Die nach dem Gesetz in der gerichtlichen Entscheidung zwingend enthaltenen und entsprechend begründeten Parameter dienen letztlich auch dazu, die forensische Aufbereitung von Daten (§ 109 Z 2b StPO) zu ermöglichen (vgl. die Ausführungen zu § 115h StPO).

Die maßgebliche Richtschnur für die Beurteilung im Einzelfall ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wobei die Staatsanwaltschaft im ersten Schritt und der Richter bzw. die Richterin im folgenden Schritt die Umstände des Einzelfalls (z. B. Schwere der Straftat, Begehungsform, Verdachtsdichte, Haftsache) sowie andere Faktoren (z. B. verhältnismäßige Eingrenzung in zeitlicher Hinsicht oder im Datenumfang) berücksichtigen muss. An die Verhältnismäßigkeit wird ein weniger strenger Maßstab anzulegen sein, wenn sich (neben einer Teilmenge, die sich auf personenbezogene Daten bezieht) ein weiterer Zeitraum – innerhalb einer Datenkategorie bzw. eines bestimmten Programms – auf nicht personenbezogene Daten bezieht (z.B. Datenerfassungsprotokoll einer Registrierkasse, um Unregelmäßigkeiten oder Manipulationen festzustellen). Ein besonders strenger Maßstab wird bei der Prüfung, ob eine Beschlagnahme erforderlich ist, in jenen Fällen anzulegen sein, in denen die Ermittlungsmaßnahme bei einer nicht verdächtigen Person durchgeführt werden soll. Bei der Abwägung im Einzelfall kann es darüber hinaus einen Unterschied machen, ob die Ermittlungsmaßnahme lediglich auf Daten abzielt, die auf einem Datenträger selbst gespeichert sind (z. B. Daten, die auf einem USB-Stick oder lokal auf einem Smartphone gespeichert sind; § 109 Z 2 lit. a StPO) oder nicht. Soll daher (auch) ein Zugriff auf Daten erfolgen, die in anderen Speicherorten als dem Datenträger gespeichert sind (§ 109 Z 2 lit. b StPO), kann dies im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ebenso eine Rolle spielen (z. B. wenn die Gefahr besteht, dass vermehrt unbeteiligte Personen betroffen sind). Weiters kann es einen Unterschied machen, ob auf einen (weiteren) Datensatz zugegriffen wird, für den aus technischer Sicht eine eigene Originalsicherung (§ 109 Z 2c StPO) und Arbeitskopie (§ 109 Z 2d StPO) hergestellt werden muss (vgl. dazu näher die Ausführungen zu § 115h StPO). Eine solche Konstellation stellt sich vor allem im Fall des Zugangs auf Cloud-Daten, die dann erreichbar sind, wenn die auf einem Datenträger gespeicherten Daten (z. B. der Arbeitsspeicher im Online-Modus) gesichert werden und sich darin ein Schlüssel befindet, der einen Zugang zur Cloud ermöglicht.

Obwohl eine Beschlagnahme von Datenträgern und Daten grundsätzlich eine vorherige gerichtliche Bewilligung erfordert (§ 115f Abs. 2 StPO), soll im Hinblick auf die im Begutachtungsverfahren geäußerten Bedenken eine eng definierte, Praxisbedürfnissen Rechnung tragende Ausnahme vorgesehen werden, und der Kriminalpolizei eine Sicherstellung aus eigenem in den in § 115f Abs. 4 Z 1 bis 3 StPO genannten Fällen bei Gefahr im Verzug möglich sein.

Aufgrund von Bedenken im Begutachtungsverfahren soll ausdrücklich festgelegt werden, dass die Kriminalpolizei bei Gefahr im Verzug vorläufig und ohne vorherige Anordnung oder Bewilligung auch Zugang zu den Daten erhalten darf. Diese Regelung ist jedoch auf die im Gesetz genannten und klar definierten (engen) Ausnahmefälle beschränkt, wobei die Kriminalpolizei das Vorliegen von Gefahr im Verzug zu begründen sowie jeden Zugriff und jede Einsichtnahme detailliert zu protokollieren hat. Diese (spezifische) Protokollierungspflicht des Zugriffs und der Einsicht von Daten durch die Kriminalpolizei soll sicherstellen, dass die vorgeschlagene Regelung eine verhältnismäßige Ausnahme vom grundsätzlichen Erfordernis der vom VfGH verlangten richterlichen Vorabgenehmigung darstellt und iSd Erkenntnisses des VfGH die Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit des Datenzugriffs ausdrücklich hervorheben. Damit wird auch gewährleistet, dass weder die Sicherstellung eines Datenträgers noch der Zugriff und die Einsicht in Daten auf (unkontrollierbare) Eigeninitative der Kriminalpolizei erfolgt. Aufgrund der Einschränkung auf eine vorliegende Gefahrensituation lässt sich zudem zwingend ableiten, dass diese Regelung keine Rechtsgrundlage für einen umfassenden und unkontrollierten Zugang der Kriminalpolizei zu allen auf einem Datenträger gespeicherten Daten darstellt. Insoweit lässt sich durch ein solches Vorgehen letztlich auch kein genaues Bild des Privatlebens der betroffenen Person gewinnen, worauf sich die strengeren Vorgaben des VfGH beziehen. Darüber hinaus ist in Bezug auf die erforderliche Protokollierung insb. auf die in § 115f Abs. 6 StPO vorgesehene Möglichkeit hinzuweisen, beispielsweise Bildaufnahmen zur Sicherung der erforderlichen Daten anzufertigen (§ 74 Abs. 2 StPO).

Anwendungsfälle werden beispielsweise Fälle von Suchtgiftkriminalität sein, in denen die Kriminalpolizei die Beschuldigte bzw. den Beschuldigten auf frischer Tat betritt und ihm bzw. ihr ein Mobiltelefon abnimmt (vgl. § 110 Abs. 3 Z 3 StPO). Eine solche auf absolute – in der Regel situative – Ausnahmefälle beschränkte Befugnis der Kriminalpolizei, Datenträger von sich aus vorläufig sicherzustellen und bei Gefahr in Verzug auf die Daten zuzugreifen und einzusehen, stellt auch mit Blick auf die Protokollierungspflicht der Kriminalpolizei einen maßvollen Eingriff dar. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kriminalpolizei schließlich auch berechtigt ist, wesentlich grundrechtsintensivere Maßnahmen aus eigenem durchzuführen, etwa den Beschuldigten von sich aus festzunehmen, was letztlich auch eine praktische Fallkonstellation darstellt, auf die § 110 Abs. 3 Z 3 StPO abstellt (vgl. § 170 Abs. 1 Z 1 StPO sowie bei Gefahr im Verzug § 171 Abs. 2 Z 2 StPO). Ob der Zugriff und die Einsicht in einen (vorerst sichergestellten) Datenträger erforderlich ist (§ 5, § 74 Abs. 2 und § 115f Abs. 6 StPO), hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Je nach Einzelfall kann es von entscheidender Bedeutung sein, dass die Kriminalpolizei sofort auf relevante Daten zugreifen kann, um eine effektive Strafverfolgung sicherzustellen. Insofern wird vorgeschlagen, nicht auf eine bestimmte Schwere einer Straftat abzustellen, sondern allgemein auf eine Gefahrensituation, die einen sofortigen Zugriff auf die Daten bzw. die Einsicht in Daten erlaubt. Verzögerungen bei der Datenbeschaffung können die Ermittlungen erheblich gefährden, insbesondere wenn es sich um akute Bedrohungen handelt, die an einem angekündigten Ort realisiert werden sollen. Die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit kann sich besonders in Terrorismusverfahren ergeben, bei denen ein sofortiger Zugriff etwa erforderlich sein kann, wenn zur Verhinderung eines geplanten Anschlags sofortige Maßnahmen erforderlich sind, um zu klären, ob die bzw. der festgenommene Verdächtige bereits konkrete Vorbereitungen getroffen hat oder ob weitere Mittäterinnen bzw. Mittäter existieren. Ebenso kann der sofortige Zugriff und die Einsicht in jenen Fällen erheblich sein, um Hinweise auf flüchtige Mittäterinnen bzw. Mittäter zu gewinnen.

In jedem Fall ist das Vorliegen von jenen Umständen, die Gefahr im Verzug begründen, von der Kriminalpolizei aktenmäßig zu dokumentieren. Die Verpflichtung dafür ergibt sich ausdrücklich aus § 115g Abs. 3 iVm § 100 Abs. 1 und § 100 Abs. 2 Z 2 StPO: das Vorliegen der Voraussetzungen von Gefahr im Verzug sind im Anlassbericht darzulegen. Nach § 100 Abs. 1 StPO hat die Kriminalpolizei hat Ermittlungen generell aktenmäßig festzuhalten, sodass Anlass, Durchführung und Ergebnis dieser Ermittlungen nachvollzogen werden können. Die Ausübung von Zwang und von Befugnissen, die mit einem Eingriff in Rechte verbunden sind, hat sie zu begründen.

Rechtsschutz bietet § 115g Abs. 3 StPO, der (vgl. § 122 Abs. 1 StPO betreffend die Durchsuchung bei Gefahr im Verzug durch die Kriminalpolizei) nicht nur Berichtspflichten der Kriminalpolizei und Handlungspflichten der Staatsanwaltschaft (Anordnung der Aufhebung der Sicherstellung oder Antrag auf Beschlagnahme von Datenträgern und Daten) vorsieht, sondern auch festhält, dass im Fall einer Nichtbewilligung durch das Gericht die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln den der gerichtlichen Entscheidung entsprechenden Rechtszustand herzustellen und die durch diese Ermittlungsmaßnahme gewonnenen Ergebnisse zu vernichten haben. Verneint hingegen das Gericht lediglich, dass Gefahr im Verzug vorgelegen hat, ist dies – im Sinne der bisherigen Systematik – für sich kein Grund, die nachträgliche Bewilligung nicht zu erteilen (vgl. etwa zur Durchsuchung von Orten Kirchbacher, StPO15 § 122, Rn. 2). Darüber hinaus sieht § 115f Abs. 8 StPO (wie auch derzeit nach § 111 Abs. 4 StPO) Informationspflichten für die betroffene Person in den Fällen des § 115f Abs. 4 StPO vor, damit diese umfassend über ihre Rechte in Kenntnis gesetzt wird und diese auch effektiv wahrnehmen kann. Weiters verweist § 115j Abs. 1 StPO (wonach Ergebnisse einer Auswertung als Beweismittel bei sonstiger Nichtigkeit nur verwendet werden dürfen, wenn die Ermittlungsmaßnahme rechtmäßig angeordnet und bewilligt wurde) ausdrücklich auch auf § 115f Abs. 4 StPO und soll etwa zur Anwendung gelangen, wenn zwar die Kriminalpolizei die Voraussetzungen des § 115f Abs. 4 StPO angenommen hat, die Staatsanwaltschaft diese jedoch verneint und die Aufhebung der Sicherstellung anordnet (vgl. auch § 75 Abs. 1 erster Satz StPO).

Nach § 115f Abs. 5 StPO soll ein (neuerlicher) Zugriff auf die Originalsicherung und die Arbeitskopie (vgl. die Ausführungen zu § 109 Z 2c StPO) ausschließlich dann zulässig sein, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen oder Umstände anzunehmen ist, dass ein weiterer Zugriff erforderlich ist. In diesem Fall müssen die Voraussetzungen des Abs. 1 leg. cit. erfüllt sein. Bestimmte Tatsachen sind etwa dann anzunehmen, wenn die auf Basis des aufbereiteten Datenmaterials (vgl. die Ausführungen zu § 115h StPO) vorgenommene Auswertung (vgl. die Ausführungen zu § 115i StPO) ergeben hat, dass ein Zeitraum von der gerichtlichen Bewilligung nicht erfasst ist, der aus Beweisgründen zur Aufklärung der Straftat wesentlich ist (z. B. Besitz von bildlichem sexualbezogenem Kindesmissbrauchsmaterial bereits in einem davorliegenden Zeitraum). Darüber hinaus können auch Umstände die Annahme eines neuerlichen – richterlich genehmigten – Zugriffs auf die Originalsicherung und Arbeitskopie rechtfertigen, etwa wenn äußere Vorgänge Zweifel auslösen und eine neuerliche Aufbereitung der Daten durch den Zugriff auf die Originalsicherung erforderlich ist (z. B. wenn im Rahmen der unabhängigen Aufsicht durch den Rechtsschutzbeauftragten bzw. die Rechtsschutzbeauftragte der Justiz nach § 115l StPO technische Umstände bekannt werden, die die Prüfung der Verlässlichkeit der Daten erfordern). Die Bestimmung nach Abs. 5 soll daher dazu beitragen, die am geltenden Recht vom VfGH kritisierte Intransparenz des Auswertungsprozesses zu beseitigen. Umgekehrt soll die Regelung dem Interesse der Strafrechtspflege Rechnung tragen und den Strafverfolgungsbehörden verdeutlichen, dass kein Datenverlust zu befürchten ist (vgl. auch zur Bestimmung der Verwahrung die Ausführungen zu § 115k StPO), weil auf die Originalsicherung und die Arbeitskopie unter den Voraussetzungen des Abs. 1 letztlich (erneut) zugegriffen werden kann. Die Anordnung und die gerichtliche Bewilligung müssen jedoch die Voraussetzungen des Abs. 3 erfüllen.

§ 115f Abs. 6 StPO soll im Hinblick auf im Begutachtungsverfahren geäußerte Kritik für die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten nicht lediglich die sinngemäße Anwendung der § 110 Abs. 4 und § 115 Abs. 6 StPO anordnen, sondern ausdrücklich klarstellen, dass eine Beschlagnahme von Datenträgern und Daten aus Beweisgründen nicht zulässig ist, wenn der Beweiszweck durch Bild-, Ton- oder sonstige Aufnahmen oder durch Kopien automationsunterstützt verarbeiteter Daten erfüllt werden kann und nicht anzunehmen ist, dass die Datenträger selbst oder die Originale der beschlagnahmten Daten in der Hauptverhandlung in Augenschein zu nehmen sein werden. Dadurch soll die Verhältnismäßigkeit der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten iSd bestehenden Systematik gewahrt und weiter verstärkt werden.

Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend normiert nämlich bereits § 110 Abs. 4 StPO zur Sicherstellung, dass in einem solchen Fall die Sicherstellung unzulässig und jedenfalls auf Verlangen der betroffenen Person aufzuheben ist. Dabei kommt es nicht auf den Aufwand der Anfertigung von digitalen Bilddateien bzw. Kopien wegen einer großen Menge an. Dies dient auch einem effizient geführten Ermittlungsverfahren, um sich möglichst frühzeitig auf die strafrechtlich relevanten Sachverhalte zu konzentrieren (vgl. OLG Linz 9 Bs 73/10i). Gleiches gilt für die Beschlagnahme nach § 115 Abs. 3 StPO, die auf die dort angeführten Aufnahmen und Kopien zu beschränken ist (vgl. Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz, WK StPO Vor §§ 110–115, Rz. 8). Vor diesem Hintergrund sollen daher nach § 115f Abs. 6 StPO zumindest nach einer Sichtung der Unterlagen die Originale – nach Anfertigung entsprechender Bild-, Ton- oder sonstiger Aufnahmen bzw. Kopien – ausgefolgt werden; die (weitere) Beschlagnahme ist dann unzulässig.

Da die Anfertigung digitaler Bilddateien oder Kopien sowie die digitale Sicherung von Daten häufig dazu führt, dass eine physische Sicherstellung oder Beschlagnahme des Datenträgers selbst (bzw. die Herstellung einer Originalsicherung über den gesamten Datenbestand) entfällt, bietet § 110 Abs. 4 StPO bereits de lege lata eine Grundlage für eine verhältnismäßige Begrenzung des Eingriffs.

Darauf aufbauend soll nunmehr auch in § 115f Abs.7 klargestellt werden, dass unter Beibehaltung der geübten Praxis ein sofortiger Zugriff auf Datenträger und Daten sowie die Einsichtnahme in diese zulässig ist, um (lediglich) die erforderlichen Daten zu sichern. Diese Regelung soll gewährleisten, dass der Vollzug der gerichtlichen Bewilligung – auch im Hinblick auf den Grundsatz der Datenminimierung – nach einer erster Vorselektion (Erstsichtung) auf jene Sicherungsdaten beschränkt wird, die anschließend aufbereitet und ausgewertet werden sollen. In der Praxis findet eine solche Vorselektion großer Datenmengen etwa im Rahmen einer Hausdurchsuchung statt, vor allem wenn die von der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten betroffene Person (z.B. auch Unternehmen aus Gründen der Compliance) mit den Strafverfolgungsbehörden kooperiert. Der Verweis auf § 74 Abs. 2 StPO stellt klar, dass die Sicherung dem Grundsatz der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit (§ 5 StPO) zu entsprechen hat und im Rahmen der gerichtlichen Bewilligung auf erforderliche Daten zu beschränken ist, die Sicherung sich daher – aufgrund der schon durch das Gericht vorgenommenen Prüfung iSd § 5 StPO – jedenfalls im Rahmen der gerichterlichen Bewilligung bewegen muss. Erfolgen Zugriff und Einsichtnahme in überschießender Weise, greift u.a. die Rechtsfolge nach § 115j Abs. 1 StPO.

§ 115f Abs. 9 StPO orientiert sich an § 115 Abs. 6 StPO, wonach die Beschlagnahme von Daten, einschließlich derjenigen, die auf Kopien beschränkt sind (vgl. hierzu auch die bestehende Regelung in § 115 Abs. 3 StPO für die Beschlagnahme von Kopien), aufzuheben ist, wenn die Voraussetzungen für die Beschlagnahme nicht oder nicht mehr bestehen. Die Notwendigkeit einer Beschlagnahme kann sich auch erst zu einem späteren Zeitpunkt als nicht mehr gegeben erweisen. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn ein Original beschlagnahmt wurde, aber später digitale Kopien oder Sicherungen angefertigt werden können, oder wenn sich beschlagnahmte Kopien später als nicht relevant herausstellen (vgl. zur Beschlagnahme von Kopien Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz, WK StPO § 110 Rz. 76).

Für die gerichtliche Bewilligung der Beschlagnahme ist der Einzelrichter bzw. die Einzelrichterin des Landesgerichts zuständig (§ 31 Abs. 1 Z 2 StPO). Nach § 105 Abs. 1 StPO hat das Gericht für die Durchführung einer Zwangsmaßnahme eine Frist zu setzen. Nach Ablauf dieser Frist darf die Zwangsmaßnahme nicht mehr angeordnet werden. Der Beschluss ist den zur Beschwerde Berechtigten (§ 87 StPO) zuzustellen. Der Beschwerde kommt mangels ausdrücklicher Regelung grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zu (§ 87 Abs. 3 StPO; s. jedoch die Ausnahme in § 115g Abs. 3 StPO). Gibt das Oberlandesgericht der Beschwerde Folge, und stellt fest, dass kein Anfangsverdacht gemäß § 1 Abs. 3 StPO vorgelegen ist, sind die beschlagnahmten Daten zu vernichten (§ 115f Abs. 9 iVm § 89 Abs. 4 StPO) bzw. ist der beschlagnahmte Datenträger zurückzustellen (vgl. Stricker in Birklbauer/Haumer/Nimmervoll/Wess (Hrsg), StPO – Linzer Kommentar zur Strafprozessordnung zu § 89 StPO Rz. 26). Diese eingeschränkte Vernichtungs- und Zurückstellungsanordnungen nach einer erfolgreichen Beschwerde sollen aufgrund der vom VfGH festgestellten Eingriffsintensität einen spürbaren Ausgleich bieten, wenn nicht einmal ein Anfangsverdacht vorgelegen ist. Die ausdrückliche Vernichtungsanordnung in diesem Fall bezweckt damit nicht bloß die Anerkennung der Unzulässigkeit des Eingriffs, wie es im Fall der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung von Orten (§ 119 ff. StPO) der Fall ist (vgl. OGH 14 Os 46/09k mit dem Hinweis, dass eine wirksame Beschwerde iSd Art. 13 EMRK im Hauptverfahren durch die Verfahrensrüge des § 281 Abs. 1 Z 4 StPO gegeben ist). Vielmehr soll bei mangelndem Anfangsverdacht im Gleichklang mit dem Fall einer (nachträglich) vom Oberlandesgericht ausgesprochenen Unzulässigkeit einer im 5. und 6. Abschnitt des 8. Hauptstücks der StPO (§§ 134 bis 143 StPO) geregelten Ermittlungsmaßnahme festgelegt werden, dass das Gericht sogleich anzuordnen hat, dass alle durch die Ermittlungsmaßnahme gewonnenen Ergebnisse zu vernichten sind (vgl. zur Missachtung der Vernichtungsanordnung OGH 13 Os 83/08t; weiters Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 281 Rz. 368). In diesem Sinne sollen in § 281 Abs. 1 Z 3, § 345 Abs. 1 Z 4 und § 468 Abs. 1 Z 3 StPO die Fälle der Nichtigkeit auf § 115j Abs. 1 StPO erweitert werden.

§ 115f Abs. 8 StPO regelt die Verpflichtung zur Information der von der Sicherstellung betroffenen Personen, die – wie derzeit (vgl. § 111 Abs. 4 StPO) – längstens binnen 24 Stunden über ihre Rechte zu informieren sind.

§ 115g Abs. 1 StPO soll zum einen als lex specialis zu § 111 Abs. 1 StPO die Herausgabe eines Datenträgers sowie zum anderen als Nachfolgebestimmung des aufzuhebenden § 111 Abs. 2 StPO die Pflicht zur Herausgabe von auf Datenträgern gespeicherten Daten regeln und damit der Ermöglichung der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten dienen. Die Pflicht betrifft sowohl verdächtige als auch unverdächtige Personen. Kommt eine Person der Herausgabepflicht nicht nach, so ist die Beschlagnahme mit Zwang durchzusetzen. Abs. 1 enthält in diesem Zusammenhang nunmehr klarstellend einen expliziten Hinweis auf § 93 Abs. 2 StPO.

Gemäß dem in § 7 Abs. 2 StPO geregelten nemo tenetur-Prinzip darf ein Verdächtiger bzw. eine Verdächtige oder ein Beschuldigter bzw. eine Beschuldigte jedoch nicht gezwungen werden, sich selbst zu belasten. Dieses Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung bezieht sich auch auf Beweismittel, zu deren eigenhändigen Herausgabe der bzw. die Beschuldigte nicht gezwungen werden darf (Haslwanter in Fuchs/Ratz, WK StPO § 7 Rz. 37). Auch bei gesetzlichen Befreiungen von der Aussagepflicht oder bei Vorliegen von Aussageverweigerungsrechten darf eine Mitwirkungspflicht nicht mittels Zwang bei Personen durchgesetzt werden, die von der Pflicht zur Aussage gesetzlich befreit sind (§ 93 Abs. 2 StPO). Beschuldigte und bestimmte schweigeberechtigte Personengruppen dürfen also keinesfalls gezwungen werden, Zugang zu Daten zu gewähren und z. B. Zugangscodes bekanntzugeben. Der Zugang darf – wenn möglich – nur anderweitig erlangt werden (z. B. durch allfällige Abnahme eines Zettels, auf dem der Zugangscode vermerkt ist).

Ob bzw. inwieweit es gegebenenfalls gegen das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung verstoßen würde, wenn ein Mobiltelefon zum Entsperren vor das Gesicht eines bzw. einer Beschuldigten gehalten oder sein bzw. ihr Finger dafür auf den Sensor eines Mobiltelefons geführt würde, ist in der Literatur strittig und wird letztlich von den zur Beurteilung der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit des Handelns der Strafverfolgungsbehörden zuständigen Gerichten zu beurteilen sein (vgl. Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz, WK StPO § 111 Rz. 4 und 13/1; Zerbes, Beweisquelle Handy, ÖJZ 2021/24; Schrank/Stücklberger/Kleinbrod, Sicherstellung im digitalen Zeitalter, ZWF 2020, 289; Seidl/Schönborn, Dürfen Strafverfolgungsbehörden Beschuldigte zur (biometrischen) Entschlüsselung von Endgeräten zwingen?, JBl 2022, 361).

Die Pflichten der genannten Personengruppen, Zugang zu Daten zu gewähren, ist mit der Herausgabe des Datenträgers erschöpft (vgl. Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz, WK StPO § 111 Rz. 13/1). Aus der Pflicht, Zugang zu Daten zu gewähren, lässt sich darüber hinaus für die Entschlüsselung eines Datenträgers keine weitergehende Pflicht zur Aktivität ableiten: Ein von der gerichtlichen Beschlagnahme Betroffener bzw. eine solche Betroffene kann daher nicht zu einem persönlichen Arbeitseinsatz gezwungen werden.

Abgesehen von den genannten Personengruppen sind alle anderen Personen, die von einer Beschlagnahme betroffen sind, grundsätzlich verpflichtet, im Umfang der gerichtlichen Bewilligung Zugang zu den Daten zu gewähren. Diese Mitwirkungspflicht kommt freilich nur dann zum Tragen, wenn die Daten nicht bereits ohne weiteres ausgelesen werden können (etwa, weil das beschlagnahmte Mobiltelefon nicht durch einen Code gesperrt ist). In diesem Fall ist schon mit der Beschlagnahme des Datenträgers bzw. der Herstellung einer Originalsicherung alles Erforderliche für den Zugriff auf die Daten getan. Ist ein Datenträger hingegen durch Passwörter oder sonstige Zugangsschlüssel geschützt, können jene Personen, bei denen die Beschlagnahme durchgeführt wird, – mittels Beugemitteln – gezwungen werden, Zugangscodes preiszugeben (vgl. Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz, WK StPO § 111 Rz. 13/1).

Die betroffene Person trifft die schon im geltenden Recht verankerte Pflicht, auf Verlangen Daten in einem allgemein gebräuchlichen Format zur Verfügung zu stellen. Dazu hat sie entweder Daten in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat auszufolgen oder durch die Kriminalpolizei herstellen zu lassen. Die sinngemäße Anwendung des § 111 Abs. 3 StPO dient dem angemessenen Kostenersatz.

Ist die von einer Beschlagnahme betroffene Person freiwillig bereit, die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten zuzulassen, indem sie der Staatsanwaltschaft oder der Kriminalpolizei Zugang zu den Daten verschafft, kann es – je nach Einzelfall – geboten sein, die Daten auch bloß in Form eines Augenscheins (§ 149 StPO) zu sichern, etwa wenn ein Opfer der Kriminalpolizei freiwillig Einschau in sein Mobiltelefon gewährt, um einzelne Nachrichten zu sichern, in denen eine gefährliche Drohung ausgesprochen wurde. In diesem Fall sind gemäß § 149 Abs. 2 letzter Satz StPO Art und Weise der Durchführung des Augenscheins und seine Ergebnisse in einem Amtsvermerk festzuhalten (s. auch die Möglichkeit nach § 115f Abs. 6 StPO).

Die sinngemäße Anwendung des § 112 StPO und des § 112a StPO in § 115g Abs. 2 StPO ist vor dem Hintergrund der Ausgestaltung der Vorschriften der §§ 115f ff. StPO als leges speciales erforderlich; eine inhaltliche Änderung ist damit nicht verbunden (s. dazu bereits bei Z 48 und 49). Präzisierend wird – basierend auf Anregungen im Begutachtungsverfahren – eine Klarstellung der Vorgehensweise vorgeschlagen: der beschlagnahmte Datenbestand soll im Sinne der gerichtlichen Bewilligung der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten zunächst vom Gericht (bzw. von seinen Hilfskräften) selbst technisch aufbereitet werden und lediglich das Ergebnis dieser Datenaufbereitung (§ 109 Z 2e StPO) der Bezeichnungspflicht zugrunde liegen. Dies soll zu einer deutlichen Beschleunigung des Sichtungsverfahrens beitragen, indem es sich nur noch auf den verfahrensrelevanten reduzierten Datenbestand bezieht.

§ 115g Abs. 3 StPO regelt die Berichtspflicht der Kriminalpolizei, wenn Daten(träger) vorläufig aus Eigenem sichergestellt wurden (§ 115f Abs. 4 StPO). In Anlehnung an § 113 Abs. 2 StPO soll die Berichtspflicht unverzüglich, längstens jedoch binnen 14 Tagen erfolgen. Die Staatsanwaltschaft hat in diesem Fall sogleich die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten nach § 115f StPO zu beantragen oder die Aufhebung der Sicherstellung anzuordnen (vgl. § 113 Abs. 3 StPO). Wird die Bewilligung nicht erteilt, hat die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen solchen Beschluss des Gerichts aufschiebende Wirkung. Diese Regelung soll - Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend - sicherstellen, dass keine Ausfolgungsansprüche vor einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung geltend gemacht werden können und ein Verlust von Beweismitteln eintritt. Sollte die Beschlagnahme der Datenträger und Daten rechtskräftig abgewiesen werden, bleiben die aufgrund Gefahr im Verzug erlangten Datenträger und Daten nach wie vor vorläufig sichergestellt, sodass die allgemeinen Regelungen zur Sicherstellung weiterhin Anwendung finden (vgl. näher zur Beendigung der Sicherstellung § 113 StPO); Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei haben jedoch mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln den der gerichtlichen Entscheidung entsprechenden Rechtszustand herzustellen .

Zur Aufbereitung von Daten (§ 115h StPO):

Im Rahmen des Begutachtungsverfahren wurden Bedenken geäußert, dass das ursprünglich vorgeschlagene Konzept der Aufbereitung durch eine ausschließlich für die forensische Aufbereitung zuständige Organisationseinheit der Kriminalpolzei in einem Spannungsverhältnis zur Leitungsfunktion der Staatsanwaltschaft steht., Nunmehr verweist § 115h Abs. 1 letzter Satz StPO darauf, dass – zusätzlich zu der konzeptuellen Zuständigkeit der Kriminalpolizei zur Durchführung der Ermittlungsmaßnahme (§ 115f Abs. 2 StPO; vgl. auch ähnlich § 110 Abs. 2 StPO) – die Aufbereitung von Daten durch das Gericht (§ 101 Abs. 2 zweiter Satz StPO) oder durch die Staatsanwaltschaft (§ 103 Abs. 2 StPO) erfolgen kann. In beiden Fällen kann dies durch technische Hilfskräfte in Form von IT-Experten oder -Expertinnen oder durch eigens beauftragte Sachverständige erfolgen. Der Verweis auf die besonderen Bestimmungen dient daher zur Klarstellung der Zuständigkeiten.Als Ausgleich für einen (potentiell) möglichen Zugriff auf den gesamten Datenbestand (somit auch außerhalb der gerichtlichen Bewilligung) dienen neben Regelungen für Zufallsfunde (§ 115j Abs. 1 und Abs. 2 StPO) und Vernichtungsanordnungen (§ 115f Abs. 9 StPO) insbesondere nunmehr ausdrücklich verankerte engmaschige Dokumentationspflichten im Hinblick auf die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Aufbereitung von Daten (§ 115h Abs. 1 StPO).

Grundsätzliche Aufgabe im Zusammenhang mit dieser Bestimmung soll es lediglich sein, einen sicheren Zugang zu den Daten zu verschaffen, diese zu sichern und die Daten in Umsetzung der gerichtlichen Bewilligung aufzubereiten. Ausdrücklich anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Umgehung gesetzlicher Vorgaben einen Fehlgebrauch von Befugnissen zur Aufklärung einer Straftat begründen würde.

Gemäß § 115h Abs. 1 StPO ist eine Originalsicherung (§ 109 Z 2c StPO), somit eine Imagesicherung (1:1-Kopie) des Datenträgers, zu erstellen und mittels entsprechender forensischer Sicherungsmechanismen (Schreibschutz, Schreibblocker) zu sichern. Damit ist gewährleistet, dass ab dem Beginn der Imageerstellung kein Schreibvorgang auf dem zu sichernden Datenträger und somit keine Änderung am Datenbestand mehr möglich ist. In der Praxis wird der Datenbestand mit einem Hash-Wert (Prüfsumme auf Grund eines mathematischen Logarithmus) versehen. Nach Herstellung einer Originalsicherung dient diese als Grundlage für die Herstellung einer ‚Arbeitskopie’ (§ 109 Z 2d StPO), mit welcher die Aufbereitung der konkreten (immer noch Roh-)Daten vorgenommen wird. Ist von der gerichtlichen Bewilligung auch die Beschlagnahme von Daten umfasst, die an anderen Speicherorten liegen (§ 109 Z 2a lit. b StPO), ist eine weitere Originalsicherung und Arbeitskopie erforderlich; dies ist etwa dann der Fall, wenn eigens auf einen Cloud-Speicher zugegriffen werden soll.

Damit wird dieser Aufgabenbereich gesetzlich definiert; in dieser ersten (technischen) Phase darf darüber hinaus gehend weder eine Auswertung von Daten noch eine inhaltliche Bewertung der aufbereiteten Daten vorgenommen werden. Vielmehr soll das anhand der gerichtlichen Bewilligung aufbereitete Datenmaterial (‚Ergebnis der Datenaufbereitung’) in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat in strukturierter Form, sodass die Daten elektronisch weiterverarbeitet werden können, hergestellt werden. Die Wendung in Bezug auf das Dateiformat orientiert sich an § 116 Abs. 6 StPO und soll insbesondere nicht nur der leichteren Auswertung durch die Strafverfolgungsbehörden dienen, sondern auch den berechtigten Verfahrensparteien (s. § 115 Abs. 2 und 4 StPO) und dem bzw. der Rechtsschutzbeauftragten im Rahmen seiner bzw. ihrer unabhängigen Aufsicht (§ 115l Abs. 4 und 5 StPO) die effektive Wahrnehmung ihrer Rechte ermöglichen.

Darüber hinaus ist ein Aufbereitungsbericht zu erstellen, der die Ermittlungen aktenmäßig in einer Form festzuhalten hat, dass deren Anlass, Durchführung und Ergebnis nachvollzogen werden können (vgl. § 100 Abs. 1 StPO). Der Bericht hat – ebenfalls aus Gründen der Transparenz – jedenfalls den Ablauf der Aufbereitung von Daten zu dokumentieren und Informationen zum Umstand der Wiederherstellung von Daten sowie die Kriterien für die erfolgte Einschränkung von Daten festzuhalten.Mit dem Abschluss der forensischen Arbeiten (‚Ergebnis der Datenaufbereitung’) und der dargestellten Berichtspflicht (‚Aufbereitungsbericht’) soll die Arbeitskopie, die aufgrund der Originalsicherung hergestellt wurde, gemeinsam mit der Originalsicherung sicher verwahrt werden (§ 115k StPO). Damit wird auf gesetzlicher Ebene eine weitere organisatorische Vorkehrung getroffen, um jeden Anschein eines (vermuteten) Zugriffs auf den Gesamtdatenbestand zu beseitigen. Die Umgehung gesetzlicher Vorgaben würde auch diesbezüglich einen Fehlgebrauch von Befugnissen zur Aufklärung einer Straftat begründen.

Wesentlich ist, dass in dieser Phase ausschließlich jener reduzierten Datensatz erstellt wird, der das Ergebnis der Datenaufbereitung (§ 109 Z 2e StPO) ist und damit in Bezug auf die Datenkategorien und den Zeitraum dem gerichtlich bewilligten Datenumfang entspricht. Entgegen offenkundigen Missverständnissen im Begutachtungsverfahren soll in dieser Phase ausdrücklich keine inhaltliche Auseinandersetzung mit Dateninhalten erfolgen; die Aufbereitung von Daten ist ausschließlich (vgl. die Legaldefinition in § 109 Z 2e StPO) auf die Erstellung eines ‚der gerichtlichen Entscheidung (Z 2a) in Bezug auf die Datenkategorien und den Zeitraum entsprechende[n] Datensatz[es] beschränkt; eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Datensatz ist hingegen in der nachfolgenden Phase der Auswertung von Daten vorgesehen (vgl. § 115i Abs. 1 StPO: ‘Das Ergebnis der Datenaufbereitung (§ 109 Z 2d) ist inhaltlich auszuwerten; zu diesem Zweck können Suchparameter festgelegt werden.‘). Auf diese Weise ist sichergestellt, dass den eigentlichen strafrechtlichen Ermittlungen künftig ein im Vergleich zur derzeitigen Praxis weit geringerer Datensatz zugrunde liegt. Zugleich dient der Aufbereitungsbericht der Transparenz und ermöglicht eine Kontrolle, ob die gerichtliche Entscheidung in diesem Umfang richtig und vollständig umgesetzt wurde (s. in diesem Zusammenhang auch die unabhängige Aufsicht durch den Rechtsschutzbeauftragten der Justiz, § 115l StPO).

Für die Bestellung von Sachverständigen sind die allgemeinen Bestimmungen nach §§ 125 ff StPO anzuwenden. Die Tätigkeit von Sachverständigen im Dienste der Strafrechtspflege bedingt – neben strengen Berufspflichten – schon durch die allgemeinen Vorgaben aus der DSGVO eine durchgängige Nachvollziehbarkeit und Protokollierung der Datenverarbeitung sowie – auch im Lichte des Grundsatzes der Datenminimierung – eine Löschung von Datenbeständen, wenn der Auftrag erfüllt wurde. Damit jedoch die allgemeinen Vorgaben zur Verwahrung von Datenträgern und Daten (§ 115k StPO) sowie die das Gericht in § 115h Abs. 2 StPO treffende Pflicht zur Löschung der Originalsicherung und der Arbeitskopie nach rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens erhalten bleiben, wird die Originalsicherung und die Arbeitskopie – im Regelfall auch über einen Auftrag – an die Staatsanwaltschaft oder das Gericht zu übermitteln sein. Dies auch vor dem Hintergrund, damit der bzw. die Rechtsschutzbeauftragte (§ 115l StPO) die ihm bzw. ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben erfüllen kann.

§ 115h Abs. 2 StPO regelt, dass die Staatsanwaltschaft das Ergebnis der Datenaufbereitung dem Gericht bei Einbringung der Anklage zu übermitteln hat. Dadurch soll das Gericht in der Hauptverhandlung über jenen Datenbestand verfügen, der für die Auswertung von Daten (§ 115i StPO) erheblich war. Die Bestimmung sieht darüber hinaus vom Verfahrensstadium abhängige Löschungsverpflichtungen vor – im Fall der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens für die Staatsanwaltschaft, nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens für das Gericht. Diese haben sowohl die Ergebnisse der Datenaufbereitung selbst zu löschen als auch – sofern die Aufbereitung von Daten durch die Kriminalpolizei erfolgt ist – entsprechende Löschungsaufträge in Bezug auf die Originalsicherung und die Arbeitskopie an die Kriminalpolizei zu erteilen, damit sie dieser Verpflichtung auch nachkommen kann – jeweils soweit die Daten nicht in einem anderen, bereits anhängigen Strafverfahren als Beweismittel Verwendung finden. Eine Aufbewahrung ‚auf Vorrat’ für den Fall der allfälligen Einleitung eines (weiteren) Strafverfahrens ist daher unzulässig.

Zur Auswertung von Daten (§ 115i und § 115j StPO):

Sobald die Staatsanwaltschaft und die für Kriminalpolizei das Ergebnis der Datenaufbereitung herstellen, beginnt die zentrale Phase der Auswertung von Daten. Um diese friktionsfrei in das bestehende System strafprozessualer Regelungen einzufügen, erfolgt eine weitgehende Anlehnung an die Systematik der Überwachung von Nachrichten (§ 115i Abs. 1 Satz 2 StPO ist an § 138 Abs. 4 StPO angelehnt; in gleicher Weise entsprechen § 115i Abs. 3 bis Abs. 5 StPO im Wesentlichen den bestehenden Regelungen in § 139 Abs. 2 bis Abs. 4 StPO).

Anschließend an die (technische) Phase der Aufbereitung von Daten (§ 115h StPO) folgt in der nächsten Phase die inhaltliche Auswertung des Ergebnisses der Datenaufbereitung. Zu diesem Zweck und um die Auswertung des – bereits reduzierten – Datenbestandes auf das unvermeidbare Maß zu beschränken, wird in § 115i Abs. 1 erster Satz StPO vorgeschlagen, dass die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei Suchparameter festlegen können; diese sowie die durch den Einsatz dieser Suchparameter erzielten Suchtreffer sind zu dokumentieren. Damit soll auf Gesetzesebene ein weiterer (grundrechtlicher) Ausgleich erfolgen, um die vom VfGH kritisierte Intransparenz der Auswertung von Daten zu beseitigen. Die Möglichkeit des Einsatzes von Suchparametern ist als eine Kann-Bestimmung ausgestaltet, um der Staatsanwaltschaft – abhängig vom Datenbestand – ein Ermessen einzuräumen. In komplexen (Wirtschafts-)Verfahren ist der Einsatz von Suchparametern aufgrund der Datenmengen, aus denen potentiell (beweis-)erhebliche Tatsachen zu extrahieren sind, weitaus häufiger anzunehmen als dies etwa bei Verfahren wegen beharrlicher Verfolgung nach § 107a StGB der Fall sein wird, wo primär der Kommunikationsverlauf zwischen den Beteiligten auszuwerten sein wird. Unter Suchparameter sind etwa Suchwortlisten und die Suche nach bestimmten Merkmalen in einer Datenstruktur zu verstehen. Wie weit der Kreis allfälliger Suchparameter gezogen werden kann, liegt letztlich im Ermessen der Staatsanwaltschaft, deren diesbezügliche Anordnungen die Kriminalpolizei – bei divergierenden Ansichten – zu beachten hat.

§ 115i Abs. 1 letzter Satz StPO soll nunmehr für diesen Bereich ausdrücklich gesetzlich normieren, dass die Staatsanwaltschaft nur diejenigen Ergebnisse der Auswertung zu den Akten zu nehmen hat, die für das Verfahren – entsprechend dem Grundsatz der materiellen Wahrheit (§ 3 StPO) alle be- und entlastenden Tatsachen – von Bedeutung sind und als Beweismittel verwendet werden dürfen. Im Sinne der Rechtsprechung des OGH (vgl. 11 Os 56/20z) soll damit die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft (sowie der Kriminalpolizei) gesetzlich festgelegt werden, strafrechtserhebliche Informationen (bzw. Daten) säuberlich von anderen zu trennen. Werden im Rahmen der Auswertung Informationen erhoben, deren Erheblichkeit für das konkrete Strafverfahren nicht erkennbar ist, sind sie nach der Rechtsprechung des OGH vom Verfahrensgegenstand nicht umfasst. Sie dürfen weder ermittelt noch zu den Akten genommen oder dort belassen werden. Der OGH folgert in ständiger Rechtsprechung, dass Ermittlungsakten nicht faktisch, sondern rechtlich determiniert sind (RIS-Justiz RS0133323). Insoweit erfassen Ergebnisse einer Auswertung nicht jene Tatsachen, die nicht als Beweismittel verwendet werden dürfen (konkret Fälle nach § 115j Abs. 1 StPO, § 144 StPO sowie § 157 Abs. 2 StPO).

In diesem Zusammenhang legt § 115i Abs. 2 StPO fest, dass Beschuldigte und Opfer zusätzliche (eigene) Suchparameter beantragen können. Diese Regelung stärkt – auch im Sinne eines (grundrechtlichen) Ausgleichs – die Beteiligungsmöglichkeit von Beschuldigten, womit die Waffengleichheit iSd Art. 6 EMRK hergestellt wird; sie trägt darüber hinaus auch den Opferschutzinteressen gebührend Rechnung. Die sinngemäße Anwendung des § 51 Abs. 2 StPO soll sicherstellen, dass die vorgeschlagene Einsicht in das Ergebnis der Datenaufbereitung – vergleichbar den Fällen der Akteneinsicht – aus den in dieser Bestimmung genannten Gründen beschränkt werden kann.

Einen wesentlichen Beitrag zu einem (grundrechtlichen) Ausgleich soll auch die Möglichkeit schaffen, dass Beschuldigte und Opfer, deren Datenträger und Daten beschlagnahmt wurden, die Ergebnisse der Datenaufbereitung einsehen können. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass es sich ohnehin um den eigenen (aufbereiteten) Datenbestand handelt, zweckmäßig, um u.a. die Waffengleichheit in diesen Konstellationen voll herzustellen; andere (Mit-)Beschuldigte und Opfer sollen hingegen nur das Recht auf Akteneinsicht haben (wobei Bezugspunkt dieses Rechts weiterhin (nur) erhebliche Tatsachen sind, die verpflichtend aktenmäßig zu dokumentieren sind; vgl. 14 Os 35/21k); aufgrund des unverhältnismäßigen Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre einer anderen Person sollen sie hingegen nicht das Recht haben, in das Ergebnis der Datenaufbereitung Einsicht zu nehmen, weil der Datenbestand den höchstpersönlichen Lebensbereich dieser Person betrifft und ohnedies gerade Gegenstand der Auswertung (bzw. Selektion) von erheblichen Tatsachen ist. In diesen Fällen soll die vorgeschlagene Möglichkeit, Suchparameter zu beantragen, eine ausreichende – verhältnismäßige – Beteiligung sichern. Ungeachtet dessen besteht nach den allgemeinen Regeln zusätzlich die Möglichkeit, Beweisanträge (§ 55 StPO) zu stellen, wenn (Mit‑)Beschuldigte im Ergebnis der Datenaufbereitung eines Dritten relevantes Beweismaterial behaupten. Künftig soll daher ein Beschuldigter bzw. eine Beschuldigte oder ein Opfer, dessen bzw. deren Datenträger und Daten beschlagnahmt wurden, die Möglichkeit haben, das Ergebnis der Datenaufbereitung im gleichen Umfang wie die Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei einzusehen. Der konkrete Ort der Einsichtnahme richtet sich nach dem Ort, an dem sich die Daten befinden; ab Berichterstattung geht dabei grundsätzlich die Zuständigkeit von der Kriminalpolizei über an die Staatsanwaltschaft.

Dieses Recht ermöglicht es ihm bzw. ihr auch – falls von der gerichtlichen Bewilligung umfasst – die Einsichtnahme auch in wiederhergestellte Daten, die von ihm bzw. ihr ursprünglich gelöscht wurden; die bisher erfolgte bloße Zurückstellung des Datenträgers an den Beschuldigten bzw. die Beschuldigte, wodurch für ihn bzw. sie jedoch der Umfang der Auswertung nicht klar war, wird beseitigt. Diese Möglichkeit der Einsicht soll auch dazu beitragen, dass auf Antrag (§ 55 StPO) etwa die vom Gericht bewilligten Datenzeiträume oder Datenkategorien – unter der Voraussetzung des § 115f Abs. 5 StPO – erweitert werden, womit die Verteidigungsrechte von Beschuldigten effektiv gestärkt werden.

Eine Ausfolgung des Ergebnisses der Datenaufbereitung soll nicht erfolgen, weil dies die Strafverfolgungsbehörden vor (zu) große praktische Hürden stellen würde. So sind beispielsweise verbotene Daten (wie etwa bildliches sexualbezogenes Kindesmissbrauchsmaterial oder Bombenbauanleitungen) zu vernichten; ob solche vorhanden sind, wird in aller Regel aber erst nach Auswertung feststehen, was insb. bei fremdsprachigen Personen und Kommunikationen eine Rolle spielen wird. Durch die geschilderten Beteiligungsmöglichkeiten soll jedoch ein angemessener grundrechtlicher Ausgleich möglich sein,

Die Bestimmungen in § 115i Abs. 3 bis Abs. 5 StPO fassen – wie im geltenden Recht etwa bei der Auskunft von Daten einer Nachrichtenüberwachung (§§ 135 ff StPO) – die Rechte von Beschuldigten, Opfern und anderen betroffenen Personen auf Information, Einsicht und Vernichtung zusammen. Damit werden die für andere, strenger geregelte Ermittlungsmaßnahmen geltenden Rechte für die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten verankert und gewährleisten in Fortsetzung der Systematik einen (grundrechtlichen) Ausgleich, um über die Ergebnisse der Auswertung informiert zu werden, diese einzusehen und – falls ein berechtigtes Interesse besteht – die Löschung dieser Ergebnisse zu beantragen.

Allgemein ist bei der Phase der Auswertung von Daten insbesondere auf die Bedeutung des § 74 Abs. 1 StPO hinzuweisen, wonach Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und – hier nicht relevant – Gericht im Rahmen ihrer Aufgaben die hierfür erforderlichen personenbezogenen Daten verarbeiten dürfen. § 74 Abs. 2 StPO verpflichtet beim Verwenden (Verarbeiten und Übermitteln) personenbezogener Daten dazu, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 5 StPO) zu beachten. Dabei sind schutzwürdige Interessen der Betroffenen an der Geheimhaltung zu wahren und der vertraulichen Behandlung von Daten Vorrang einzuräumen (vgl. Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 74 Rz 2). In diesem Sinne wird auch in § 115i Abs. 4 StPO ausdrücklich festgehalten, dass bei der Auswertung von Daten die Persönlichkeitsrechte (sämtlicher) Personen soweit wie möglich zu wahren sind; sie ist auf das unvermeidbare Maß zu beschränken.

In § 115j StPO soll der – im geltenden Recht nicht ausdrücklich verankerte – Umgang mit Ergebnissen einer Auswertung und Zufallsfunden in der Phase der Auswertung von Daten geregelt werden. Nach § 115j Abs. 1 StPO sollen – ergänzend zur Vernichtungsanordnung – auch Ergebnisse einer Auswertung bei sonstiger Nichtigkeit nur verwendet werden dürfen, wenn die Ermittlungsmaßnahme rechtmäßig angeordnet und bewilligt wurde. Es bedarf daher zur Verwertbarkeit der Ergebnisse der Ermittlungsmaßnahme einer ordnungsgemäßen Anordnung der Ermittlungsmaßnahme, wobei – wie schon in der Literatur zu § 140 StPO vertreten (vgl. Rohregger in Birklbauer/Haumer/Nimmervoll/Wess (Hrsg), StPO - Linzer Kommentar zur Strafprozessordnung [2020] zu § 140 StPO Rz 2) – für die rechtmäßige Anordnung und Bewilligung die formellen Voraussetzungen nach § 115f Abs. 2 und 4 StPO erfüllt sein müssen. Im Sinne der Rechtsprechung des OGH hindert ein Beweisverwendungsverbot jedoch nicht, die Ergebnisse zum Anlass weiterer Erhebungen zu nehmen und die Ergebnisse dieser Erhebungen als Beweismittel zu verwerten (vgl. RIS-Justiz RS0129378). Eine Verwendungsverbotskonsequenz soll nämlich im Sinne der Systematik der StPO nur in Ausnahmefällen greifen (vgl. dazu die Ausführungen zu § 115f Abs. 9 iVm § 89 Abs. 4 StPO; vgl. auch 13 Os 83/08t, RIS-Justiz RS0124162). Im Übrigen entspricht dies dem auch von der Rechtsanwaltschaft geforderten erhöhten Rechtsschutz (vgl. auch Stellungnahme von Zerbes/Ghazanfari vom 21.11.2022; s. im Übrigen oben die Ausführungen zur Beschlagnahme von Datenträgern und Daten).

Ergeben sich bei der Auswertung von Daten Hinweise auf die Begehung einer anderen strafbaren Handlung als derjenigen, die Anlass zur Beschlagnahme von Datenträgern und Daten gegeben hat, so ist gemäß Abs. 2 mit diesen – einer Anregung des ÖRAK folgend – nicht nur wie ursprünglich vorgesehen ein gesondertes Protokoll zu verfassen, sondern (der Bestimmung des § 140 Abs. 2 StPO folgend) ein neuer Akt anzulegen, soweit die Verwendung als Beweismittel zulässig ist. Die Regelung verweist zur Zulässigkeit der Verwendung als Beweismitteln auf § 115j Abs. 1, § 144 und § 157 Abs. 2 StPO.

Die Anlassfälle für Zufallsfunde können künftig nur das Ergebnis der Datenaufbereitung (§ 109 Z 2e StPO) betreffen, welches im Sinne der Bewilligung hergestellt wurde. Dem Anschein, dass Strafverfolgungsbehörden auf den gesamten Datenbestand zugreifen könnten (z. B. auf die Originalsicherung oder auf die Arbeitskopie), um dort nach weiteren Straftaten zu suchen, wird auf Gesetzesebene mehrfach begegnet, nämlich durch die gesetzliche Festlegung, dass auf die Originalsicherung und die Arbeitskopie nur bei einer (erneuten) gerichtlichen Entscheidung zugegriffen werden kann, sowie durch den (optionalen) Einsatz von Suchparametern in der Phase der Auswertung. Diese gesetzlichen und organisatorischen Vorkehrungen erlauben die Entdeckung von Zufallsfunden und damit letztlich die Verarbeitung von Daten, jedoch nur im eigentlichen – richterlich genehmigten – Datenausmaß.

Zur Verwahrung von Datenträgern und Daten (§ 115k StPO):

In Bezug auf die Originalsicherung werden auf gesetzlicher Ebene mehrere Vorkehrungen getroffen: Zum einen wird die Datenintegrität durch den technisch gewonnenen Hash-Wert gesichert. Zum anderen normiert § 115k StPO, dass die Originalsicherung sowie die Arbeitskopie auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte Einsichtnahme oder Veränderung zu sichern und bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens aufzubewahren sind; dies soll auf geeignete Weise in einer abgesicherten Umgebung erfolgen. Daneben wird normiert, dass auf die Originalsicherung ausschließlich im Fall des § 115f Abs. 5 StPO (somit bei Vorliegen einer neuerlichen gerichtlich bewilligten Anordnung) zugegriffen werden kann (was von dem bzw. der Rechtsschutzbeauftragten gemäß § 115l StPO auch kontrolliert werden kann; ihm bzw. ihr ist diesbezüglich Einblick in alle der Dokumentation dienenden Unterlagen und Zutritt zu allen Räumlichkeiten zu gewähren, überdies sind ihm bzw. ihr gegenüber alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen). In diesem Fall ist daher neuerlich eine Arbeitskopie auf Grundlage der Originalsicherung herzustellen. Nur in diesem Fall ist ein Zugriff auf die Originalsicherung zulässig. Sie haben nach Maßgabe der (neuen) gerichtlichen Bewilligung die Aufbereitung von Daten vorzunehmen; nach Abschluss der Arbeiten ist die Arbeitskopie neuerlich gesichert aufzubewahren und ein Aufbereitungsbericht zu erstellen. Nach rechtskräftiger Beendigung des Strafverfahrens sind die Originalsicherung und die Arbeitskopie zu löschen (s. dazu die verpflichtende Löschungsanordnung durch Staatsanwaltschaft bzw. Gericht in § 115h Abs. 2 StPO). Eine solche Löschungsverpflichtung greift – mangels Erforderlichkeit der weiteren Verarbeitung in Form der Speicherung (§ 74 Abs. 1 StPO) – insbesondere auch für bereits rechtskräftig abgeschlossene Strafverfahren. Angelehnt an die Bestimmung über die Verwahrung sichergestellter Gegenstände (§ 114 Abs. 1 StPO) soll für die Verwahrung von Datenträgern, sofern sie nicht zurückgestellt werden können, und des Ergebnisses der Datenaufbereitung (§ 109 Z 2e StPO) im Fall einer Aufbereitung der Daten durch die Kriminalpolizei bis zur Berichterstattung über die abschließende Auswertung der Daten (§ 115i StPO) die Kriminalpolizei, danach die Staatsanwaltschaft zu sorgen haben. Da jeder strafprozessuale Vorgang vor Einbringen der Anklage ‚im Ermittlungsverfahren’ stattfindet (15 Os 113/18h) und jede ‚Ermittlung’ nach § 91 Abs. 2 StPO der Sachverhaltsklärung durch die Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft – ‚soweit wie möglich im Einvernehmen’ (§ 98 Abs. 1 StPO), aber unter der Leitung der Staatsanwaltschaft (§ 101 Abs. 1 StPO) – dient, ist dieser Maßstab auch für die Beurteilung heranzuziehen, ob die Auswertung (tatsächlich) abschließend ist. Dadurch soll insbesondere eine Grundlage für die (zulässige) Verwahrung bei der Kriminalpolizei auch nach Berichterstattung geschaffen werden, wobei in der Praxis eine (Weiter‑)Verwahrung bei der Kriminalpolizei nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit erfolgen soll. Erfolgt die Aufbereitung der Daten hingegen durch die Staatsanwaltschaft, so hat diese für die Verwahrung in abgesicherter Umgebung zu sorgen.

Zum Rechtsschutz (§ 47a Abs. 4a und 7, § 115l StPO):

§ 115l StPO soll – im Gefüge der vorgeschlagenen Sonderbestimmungen – den vom VfGH genannten Gesichtspunkt der unabhängigen Aufsicht in einer eigenen Bestimmung umsetzen. Damit sollen die Befugnisse der bzw. des Rechtsschutzbeauftragten der Justiz ausgebaut werden, um an ihre bzw. seine langjährige und bewährte Tätigkeit in der Strafrechtspflege anzuknüpfen. Die unabhängige Aufsicht soll im Sinne des Erkenntnisses G 352/2021 des VfGH sicherstellen, dass diese ‚überprüft, ob sich die Strafverfolgungsorgane bei der Auswertung der auf dem Datenträger gespeicherten Daten im Rahmen der gerichtlichen Bewilligung und gesetzlichen Vorkehrungen bewegt haben sowie ob die Rechte der Betroffenen auf Schutz der Privatsphäre und Geheimhaltungsinteressen in verhältnismäßiger Weise im Prozess der Auswertung bzw. Verarbeitung der sichergestellten Datenträger gewahrt worden sind’ (vgl. Rn. 102).

Für den vorgeschlagenen Rechtsschutz durch den Rechtsschutzbeauftragen bzw. die Rechtsschutzbeauftrage der Justiz sind daher nicht nur Informations-, Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte vorgesehen, sondern – zur Gewährleistung einer ‚effektiven Maßnahme’ – auch (§ 91b Abs. 3 SPG nachgebildet) die Zurverfügungstellung der zu seiner bzw. ihrer Aufgaben nach § 23 Abs. 1a, § 115l, § 147,§ 195 Abs. 2a und § 209b Abs. 6 StPO notwendigen Sach- und Personalressourcen. Der bzw. die Rechtsschutzbeauftrage benötigt zur wirkungsorientierten Aufgabenbewältigung, insb. zur Abwicklung der administrativen Tätigkeiten, personelle Unterstützung und eine angemessene Sachmittel- und Raumausstattung. Das Bundesministerium für Justiz hat ihm bzw. ihr daher einen Hilfsapparat aus den dem Bundesministerium für Justiz zur Verfügung stehenden Ressourcen beizugeben. Zur effektiven Ausgestaltung muss die Ausstattung auf Dauer so angelegt sein, dass Gewähr dafür gegeben ist, die vorgesehenen Aufgaben effektiv besorgen zu können (vgl. Lienbacher, BMI 107). Erforderlichenfalls sind die Personal- und Sachressourcen anzupassen. Abgesehen von der rechtlichen und politischen Verantwortung des Bundesministers bzw. der Bundesministerin für Justiz kann der bzw. die Rechtsschutzbeauftrage im Falle einer abweichenden Auffassung über den erforderlichen Umfang der Zurverfügungstellung eine Klage nach Art. 137 B-VG, die mit einer Feststellungsklage nach § 38 VfGG verbunden werden kann, beim VfGH einbringen (vgl. Vogl, Rechtsschutzbeauftragte 73 und zu den Ausführungen insgesamt Thanner/Vogl, SPG2 § 91b Anm. 10).

Bereits derzeit legt § 47 Abs. 4 StPO fest, dass der bzw. die Rechtsschutzbeauftragte in Ausübung seines Amtes unabhängig und an keine Weisugen gebunden ist, der Amtsverschweigenheit unterliegt und seine bzw. ihre Stellvertreter bzw. Stellvertreterinnen die gleichen Rechte und Pflichten haben.

Der VfGH hat bereits im Rahmen seines Erkenntnisses vom 11.12.2019, G 72-74/2019-48, zur Einführung einer neuen Ermittlungsmaßnahme der Überwachung verschlüsselter Nachrichten nach § 135a StPO im Rahmen des sog. ‚Sicherheitspakets’ die Notwendigkeit einer begleitenden, effektiven – mit entsprechenden technischen Mitteln und personellen Ressourcen ausgestatteten – Aufsicht über die laufende Durchführung dieser Maßnahme durch das Gericht (oder durch eine mit gleichwertigen Unabhängigkeitsgarantien ausgestattete Stelle) gefordert. Den durch den Richtervorbehalt gewährleisteten Rechtsschutz bloß zu Beginn, nämlich bei der Bewilligung der Anordnung der Maßnahme, hat der VfGH nicht als ausreichend erachtet, vielmehr hat er es als erforderlich erachtet, dass sichergestellt wird, dass eine Einrichtung wie der Rechtsschutzbeauftragte auch tatsächlich in der Lage ist, die verdeckte laufende Überwachung eines Computersystems nach § 135a Abs. 1 StPO effektiv und unabhängig zu kontrollieren.

Die Unabhängigkeit des bzw. der Rechtsschutzbeauftragten soll insbesondere auch dadurch sichergestellt werden, dass ausschließlich Personen bei ihr bzw. ihm tätig sind, die – sofern sie Aufgaben nach § 115l oder § 147 StPO besorgen - nicht gleichzeitig auch bei einem Gericht oder bei eine Staatsanwaltschaft tätig sind (somit keine Doppel- oder Mehrfachverwendungen von Richtern bzw. Richterinnen, oder Staatsanwälten bzw. Staatsanwältinnen oder Experten bzw. Expertinnen iSd § 2 Abs. 5a JBA-G in diesem Bereich). Neben juristischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird dabei auch an technische Expertinnen bzw. Experten zu denken sein, die ihn bzw. sie etwa bei der Kontrolle unterstützen können, ob die Aufbereitung von Daten oder die Auswertung von Daten hinsichtlich eines Zeitraumes der gerichtlichen Entscheidung tatsächlich entspricht (§ 47a Abs. 4a StPO). Auch weiterhin sollen Zustellungen an den Rechtsschutzbeauftragten bzw. die Rechtsschutzbeauftragte im Wege der Geschäftsstelle des Obersten Gerichtshofes vorzunehmen sein; diese hat auch weiterhin die Kanzleigeschäfte des Rechtsschutzbeauftragten wahrzunehmen (§ 47a Abs. 5 StPO).

Der Jahresbericht des bzw. der Rechtsschutzbeauftragte über seine bzw. ihre Tätigkeit und Wahrnehmungen im Rahmen seiner bzw. ihrer Aufgabenerfüllung soll künftig auch die neue Ermittlungsmaßnahme umfassen (§ 47a Abs. 7 StPO).

Die inhaltliche Tätigkeit des bzw. der Rechtsschutzbeauftragten orientiert sich insbesondere an den bereits bestehenden, in gewissen Bereichen vergleichbaren Bestimmungen des § 147 StPO mit ergänzenden Anleihen an § 91c SPG und §§ 14 f. SNG.

In § 115l Abs. 1 StPO soll, Anregungen aus dem Begutachtungsverfahren aufgereifend, der Text zuerst die allgemeine, umfassende Kompetenz des bzw. der Rechtsschutzbeauftragten in allen Fällen einer Antragstellung nach § 115f StPO und im Anschluss in Bezug auf das besondere Ermächtigungsregime iZm Berufsgeheimnisträgern regeln. In Fällen einer Antragstellung nach § 115f StPO soll die Staatsanwaltschaft daher den Rechtschutzbeauftragten bzw. die Rechtschutzbeauftragte unter Anschluss einer Ausfertigung des Antrages und der Bewilligung ehestmöglich zu informieren haben. Die Bestimmung orientiert sich an § 91c Abs. 1 SPG und § 14 Abs. 2 SNG, jedoch ohne die dort jeweils vorgesehene Pflicht zur Prüfung, weil im Gegensatz zu SPG und SNG bei der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten, die zudem eine offene Ermittlungsmaßnahme darstellt, eine gerichtliche Bewilligung erforderlich ist, somit die Funktion des bzw. der Rechtsschutzbeauftragten eine andere als in den beiden anderen Materiengesetzen ist, bei denen keine gerichtliche Kontrolle zu diesem Zeitpunkt vorgesehen ist. Ein Tätigwerden des bzw. der Rechtsschutzbeauftragten in jedem Fall würde zudem aufgrund der Anzahl der Anwendungsfälle seine bzw. ihre Kapazitäten überlasten. Sehr wohl jedoch soll er bzw. sie auf diese Weise in die Lage versetzt werden, amtswegig tätig zu werden und unabhängige Kontrolle ausüben zu können.

Ist jedoch eine Beschlagnahme von Datenträgern und Daten gegen eine Person gerichtet, die gemäß § 157 Abs. 1 Z 2 bis 4 StPO berechtigt ist, die Aussage zu verweigern, ist eine Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten erforderlich. Die Bestimmung entspricht daher im Wesentlichen § 147 Abs. 2 und Abs. 3 StPO. Einer Anregung der österreichischen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Österreich folgend soll dieses Erfordernis zum Schutz der geistlichen Amtsverschwiegenheit auch gelten, wenn eine Beschlagnahme von Datenträgern und Daten gegen eine Person gerichtet ist, deren Vernehmung als Zeuge bzw. Zeugin nach § 155 Abs. 1 Z 1 verboten ist.

In diesen Fällen ist für die Bewilligung durch das Gericht eine Ermächtigung der bzw. des Rechtsschutzbeauftragten erforderlich. Die Staatsanwaltschaft hat dem bzw. der Rechtsschutzbeauftragten zugleich mit dem Antrag auf gerichtliche Bewilligung eine Ausfertigung dieses Antrags samt Kopien aller Aktenstücke, die für die Beurteilung der Anordnungsgründe von Bedeutung sein können, zu übermitteln und um Ermächtigung zur Antragstellung zu ersuchen. Eine Ermächtigung darf der bzw. die Rechtsschutzbeauftragte nur erteilen, wenn besonders schwerwiegende Gründe vorliegen, die diesen Eingriff verhältnismäßig erscheinen lassen. § 144 Abs. 1 und 3 StPO gilt sinngemäß.

§ 115l Abs. 2 und 3 StPO sehen – angelehnt an § 147 Abs. 3a StPO (vgl. auch § 15 Abs. 1 und 2 SNG) – vor, dass dem bzw. der Rechtsschutzbeauftragten jederzeit Gelegenheit zu geben ist, die Aufbereitung von Daten (§ 115h StPO) und die Auswertung von Daten (§ 115i StPO) zu überwachen und alle Räume zu betreten, in denen Originalsicherungen und Arbeitskopien, Datenträger und Ergebnisse der Datenaufbereitung aufbewahrt und die Aufbereitung von Daten vorgenommen wird; zu diesem Zweck stehen dem bzw. der Rechtsschutzbeauftragen auch Auskunfts- und Einsichtsrechte nach Abs. 3 zu, eine Amtsverschwiegenheit kann ihm gegenüber – auch durch Bedienstete des Bundesministeriums für Inneres und des Bundesministeriums für Finanzen – nicht geltend gemacht werden. Der bzw. die Rechtsschutzbeauftragte hat insbesondere darauf zu achten, dass bei der Aufbereitung von Daten (§ 115h StPO) und der Auswertung von Daten (§ 115i StPO) die Anordnung und die gerichtliche Bewilligung nicht überschritten werden.

Der Staatsanwaltschaft soll die Möglichkeit einer amtswegigen, zu begründenden Anregung eingeräumt werden, damit sie als Leiterin des Ermittlungsverfahrens nicht als Antragsteller aufzutreten hat (vgl. EBRV 25 BlgNR 22. GP 58 zu einer ähnlichen Konstellation in § 39 Abs. 3 StPO). Dies wird vor allem in clamorosen Fällen sowie in Verfahren gegen Berufsgeheimnisträger bzw. Berufsgeheimnisträgerinnen zweckmäßig sein, um Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Strafverfolgungsbehörden in allen Phasen der Durchführung dieser Ermittlungsmaßnahme bereits von Anfang durch eine effektive Kontrolle durch den Rechtsschutzbeauftragten bzw. die Rechtsschutzbeauftragte hintanhalten zu können.

Um die Rechtsposition und die Beteiligungsrechte der Verfahrensbeteiligten (weiter) zu stärken, soll ein entsprechendes Recht auf Anregung auf eine solche Prüfung neben der Staatsanwaltschaft auch dem bzw. der Beschuldigten und dem Opfer (§ 55 StPO) eingeräumt werden. Dies wird insbesondere eine Rolle spielen, wenn bei einem bzw. einer Verfahrensbeteiligten Zweifel an der Integrität der Daten, der Korrektheit des Umfangs des Ergebnisses der Datenaufbereitung oder einer den Vorgaben der gerichtlichen Bewilligung entsprechenden Auswertung der Daten vorliegt. Bedenken aus dem Begutachtungsverfahren aufgreifend, wonach das ursprünglich konzipierte ‚Antragsrecht’ dem bisherigen System des Rechtsschutzbeauftragen zuwidergelaufen wäre (u.a. weil der Rechtsschutzbeauftragte nicht als Entscheidungsorgan konzipiert sei und unklare Konsequenzen bei Nichtentsprechung des Antrags bestünden), soll Beschuldigten und Opfern (lediglich) ein Anregungsrecht zustehen. Als Ausgleich dafür soll der bzw. die Rechtsschutzbeauftragte jedoch jedenfalls mitzuteilen haben, ob er bzw. sie einer solchen Anregung nachkommt; diese Mitteilung hat eine Begründung zu enthalten (s. dazu die Stellungnahme des Rechtsschutzbeauftragen der Justiz im Begutachtungsverfahren).

Die Prüfung des bzw. der Rechtsschutzbeauftragten nach § 115l Abs. 4 StPO umfasst daher sowohl eine Rechtmäßigkeitskontrolle – zB die Frage, ob die geplante Ermittlung zu den angeführten Zwecken überhaupt zulässig ist – wie auch eine Ermessenskontrolle, zB hinsichtlich der Einschätzung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme in Hinblick auf die Dringlichkeit des Tatverdachts usw. Sollte nach seiner bzw. ihrer eine Eingriffsvoraussetzung nach der Beurteilung des Rechtsschutzbeauftragten fehlen, so hat er bzw. sie das Recht (aber auch die Pflicht), gegen die Bewilligung dieser Ermittlungsmaßnahme Beschwerde an das Oberlandesgericht (vgl. in Bezug auch die vergleichbare Bestimmung des § 147 StPO: Reindl-Krauskopf in Fuchs/Ratz, WK StPO § 147 Rz 4) und Einspruch wegen Rechtsverletzung (§ 106 StPO) gegen deren Anordnung und Durchführung (vgl. ebenda Rz 6) zu erheben. Dieses Recht erlischt mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Frist zur Erhebung des Rechtsbehelfs durch die bzw. den Beschuldigten. § 115l Abs. 5 StPO ist § 147 Abs. 4 StPO nachgebildet (vgl. auch § 5 Abs. 2 SNG), sodass auf die einschlägige Kommentierung verwiesen werden kann.

Zur Gewährleistung, dass der bzw. die Rechtsschutzbeauftragte die Kontrolltätigkeit tatsächlich umfänglich ausüben kann, soll auch ausdrücklich verankert werden, dass er bzw. sie diese auch nach Beendigung der Ermittlungsmaßnahme vornehmen kann und sich insbesondere auch nach Beendigung des Strafverfahrens von der ordnungsgemäßen Löschung sowohl der Originalsicherung, der Arbeitskopie als auch des Ergebnisses der Datenaufbereitung vergewissern kann (§ 115l Abs. 6 StPO). Diese Maßnahme stellt eine weitere Schutzmaßnahme (ergänzend – soweit hier relevant – speziell zu den Regelungen der besonderen Verwahrung der Originalsicherung und der Arbeitskopie) zu den der von der Ermittlungsmaßnahme Betroffenen dar, dass die Daten nicht weiterverwendet werden können: die verfahrensrelevanten Daten sind ohnedies zum Akt zu nehmen, der Rest soll jedoch mit Ende des Strafverfahrens nachweislich gelöscht werden.

Zu Z 56 (§ 157 Abs. 2 StPO):

Da die vorgeschlagene Ermittlungsmaßnahme nach §§ 115f ff. StPO die Bezeichnung ‚Beschlagnahme von Datenträgern und Daten’ tragen soll, ist eine terminologische Anpassung in § 157 Abs. 2 StPO erforderlich.

II. Allgemeines zu den Änderungen in Z 3 bis Z 5, Z 7, Z 10, Z 27, Z 28, Z 58, Z 59, Z 62 (Eintrag im Inhaltsverzeichnis zur Überschrift des 3. Teils, zu einem 10a. Hauptstück samt Überschrift sowie zu § 197a, § 197b und § 197c; § 1 Abs. 2, § 28 Abs. 2, § 31 Abs. 6 Z 3, § 91 Abs. 2 und 3, § 100 Abs. 3a, der Überschrift des 3. Teils, § 190 StPO, 10a. Hauptstück samt Überschrift):

Mit den am 1.1.2015 in Kraft getretenen Änderungen durch das StPRÄG 2014, BGBl. I Nr. 71/2014, sollte u.a. eine Präzisierung des Zeitpunkts des Beginns des Strafverfahrens erfolgen (vgl. EBRV 181 BlgNR 25. GP 1). Nach mehr als neunjähriger Geltung haben sich diese Regelungen grundsätzlich bewährt, die praktische Anwendung hat jedoch aufgezeigt, dass gewisse Nachschärfungen erforderlich sind. So wurden einerseits der Anwendungsbereich des § 35c StAG durch die Rechtsprechung deutlich ausgeweitet und andererseits die in der Praxis mitunter bestehenden Abgrenzungsprobleme, ob bereits ein Ermittlungsverfahren geführt wird oder ob es sich bei Tätigkeiten (noch) um Erkundigungen iSd § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO zur Klärung des Anfangsverdachts (sog. ‚Vorfeldermittlungen’) handelt, durch zunächst divergierende Entscheidungen des OGH weiter verstärkt, wobei diese letztlich selbst nach einer Entscheidung eines verstärkten Senats des OGH (12 Os 92/21b) nicht vollständig ausgeräumt scheinen.

Indem der OGH aussprach, dass ein Ermittlungsverfahren zu unterbleiben hat und vielmehr mangels Anfangsverdachts gemäß § 35c StAG von dessen Einleitung abzusehen ist, wenn eine Sachverhaltsklärung wegen eines in tatsächlicher Hinsicht feststehenden Strafausschließungsgrundes zu keinem Schuldspruch führen kann (OGH vom 25.6.2018, 17 Os 3/18x), hat er zu einer Ausweitung des Anwendungsbereiches von § 35c StAG beigetragen sowie klargestellt, dass in diesen Fällen Opfern ein Fortführungsantrag nicht zusteht und nur die Möglichkeit der Einbringung einer Aufsichtsbeschwerde nach § 37 StAG offen steht. Divergierende Entscheidungen des OGH zur Frage, was unter behördeninternen Informationsquellen iSd § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO zu verstehen ist (siehe oben und Z 30), haben zunächst weiter zu Abgrenzungsproblemen beigetragen, die im Ergebnis oft mehr Ressourcen binden als die Bearbeitung des eigentlichen Ermittlungsverfahrens (Sadoghi, Anfangsverdachtsermittlung, ÖJZ 2021/49 [365]).

Darüber hinaus wurde auch in der Literatur an der derzeitigen Rechtslage dahingehend Kritik geübt, dass das Gesetz den von sog. ‚Vorfeldermittlungen’ Betroffenen keinen Rechtsschutz zugesteht (vgl. Fuchs, Beginn des Strafverfahrens und Beschuldigtenstellung, in Lewisch/Nordmeyer [Hrsg], Liber Amicorum Eckart Ratz, 31 [41 f], wonach Mittel der Auslegung keinen Transfer solcher Verfahrensrechte der Strafprozessordnung in dieses Verfahrensstadium zulassen; zur fehlenden Möglichkeit, Akteneinsicht zu erlangen, s. Oshidari in Fuchs/Ratz, WK StPO § 77 Rz 1/1; aA Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO Vor §§ 280 – 296a Rz 8/4, der aus ‚logisch-systematischen’ Gründen eine analoge Zulässigkeit des Rechtsbehelfs nach § 106 StPO befürwortet; vgl. auch Ratz, Vom Übergang in ein Ermittlungs- und Hauptverfahren, ÖJZ 2020, 356, der den Rechtsschutz durch die Kontrolle des Amtshilfeersuchens auf dessen Rechtsmäßigkeit durch die ersuchte Behörde betont; zum Überblick s. auch OGH vom 10.9.2020, 12 Os 23/20d, und Sadoghi, Anfangsverdachtsermittlung, ÖJZ 2021/49 [365] mwN sowie Ratz, Aktuelle Rechtsprobleme des Ermittlungsverfahrens, ÖJZ 2021/100 [773], der den Einspruch wegen Rechtsverletzung nicht bloß nach [vgl. OGH vom 12.12.2018, 15 Os 113/18h, 15 Os 114/18f], sondern mit Blick auf diese Judikatur auch vor einem Ermittlungsverfahren für zulässig erachtet). Auch der OGH teilte diese Kritik und wies in seiner Entscheidung vom 10.9.2020, 12 Os 23/20d, ausdrücklich darauf hin, dass die engere Auslegung des Begriffs der behördeninternen Informationsquellen iSd § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO, die den Anwendungsbereich des § 35c StAG deutlich einschränkt, ‚überdies [diesem] Umstand Rechnung’ trägt.

Im Rahmen des Projekts ‚Qualitätssicherung und Effizienz im Ermittlungsverfahren’ hat eine hochrangige Arbeitsgruppe im Jahr 2019 einstimmig u.a. folgende legistische Eckpunkte betreffend die Regelungen über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens empfohlen, deren zwei erstgenannte Punkte auch zu Reformvorschlägen der Vereinigung der österreichischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zählen:

-       Beseitigung des § 35c StAG und Integration der von diesem erfassten Fälle in § 190 StPO;

-       legistische Überarbeitung des § 190 StPO mit dem Ziel, Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den beiden Ziffern der Bestimmung zu beseitigen; und

-       Ermöglichung eines Einstellungsantrags sowie einer diesbezüglichen Gerichtsentscheidung auch hinsichtlich einzelner Fakten.

Diese Empfehlungen fanden auch Eingang in den Wahrnehmungsbericht von Bundesminister a.D. DDr. Clemens Jabloner vom 11. November 2019 (abrufbar auf www.justiz.gv.at), der konstatierte, dass das derzeit geltende Regime der Einstellung des Ermittlungsverfahrens in §§ 190 ff. StPO und die Abgrenzung zum ‚Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens’ nach § 35c StAG Abgrenzungsschwierigkeiten in sich berge, die zu Anwendungsproblemen und damit zu einer Ressourcenbindung bei den Staatsanwaltschaften führen würden. Geboten sei eine klare Abgrenzung zwischen der Einstellung eines bereits begonnenen Ermittlungsverfahrens und der Ablehnung der Führung eines solchen durch die Staatsanwaltschaft. Wünschenswert sei ferner eine gerichtliche Kontrolle auch in jenen Fällen, in denen die Führung des Ermittlungsverfahrens aus rechtlichen Gründen – z.B. wegen Verjährung oder tätiger Reue – schon von vornherein unterbleiben müsse. Eine mögliche Maßnahme sei die legistische Überarbeitung der Regelungen über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens und die weitgehende Integration der Bestimmungen über das Absehen von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens (§ 35c StAG) in die StPO. Dies würde sich positiv auf den staatsanwaltlichen Arbeitsaufwand und damit insgesamt auf die Ressourcen der Justiz auswirken.

Diese Empfehlungen entsprechen gleichzeitig dem im Regierungsprogramm vorgesehenen Vorhaben der Stärkung der Staatsanwaltschaften zur unabhängigen Ermittlungsarbeit im verfassungsrechtlichen Rahmen durch Verkürzung der Ermittlungsverfahren (S. 26). Insgesamt werden daher Neuregelungen beim Beginn (vgl. insbesondere § 91 Abs. 2 und 3 StPO) und der Beendigung des Ermittlungsverfahrens (vgl. insbesondere § 190 StPO) bzw. beim Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen rechtlicher Unzulässigkeit der Führung eines Ermittlungsverfahrens sowie sonst mangels Anfangsverdachts samt Überführung dieser Thematik in die StPO durch Einfügung eines neuen 10a. Hauptstücks (vgl. dazu v.a. § 197a und § 197c StPO) vorgeschlagen. Mit den vorgeschlagenen Änderungen sollen der Rechtsschutz für Verdächtige, Beschuldigte und Opfer ausgebaut und verbessert, bestehende Unklarheiten beseitigt und der Arbeitsaufwand bei den Staatsanwaltschaften reduziert werden.

Zu Z 5 (§ 1 Abs. 2 StPO):

Wenngleich § 91 Abs. 2 StPO am Beginn des 2. Teils der StPO verortet ist, sollen nicht lediglich die im 2. Teil der StPO geregelten Ermittlungsmaßnahmen Ermittlungen iSd § 1 Abs. 2 erster Halbsatz StPO darstellen. Tatsächlich sind solche auch in anderen Teilen der StPO geregelt, etwa die in der Praxis durchaus häufigen Maßnahmen der Amts- und Rechtshilfe (§ 76 StPO). Es soll daher ausdrücklich klargestellt werden, dass auch solche Tätigkeiten ein Ermittlungsverfahren einleiten und den von diesen Betroffenen im Sinn der Stärkung des Rechtsschutzes auch ab diesem Zeitpunkt bereits sämtliche Rechte nach der StPO zukommen.

Zu Z 7 (§ 28 Abs. 2 StPO):

§ 28 Abs. 2 StPO wurde mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz I 2016 (StPRÄG I 2016), BGBl. I Nr. 26/2016, eingefügt, um – in Folge der Entscheidung der Generalprokuratur vom 20.10.2015, Gw 324/15b – klarzustellen, dass die Prüfung der Notwendigkeit einer Delegierung schon dann zu erfolgen hat, wenn (bloß) die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu prüfen ist (§ 1 Abs. 3 StPO und § 35c StAG). Mit der vorgeschlagenen Änderung soll diese Intention beibehalten werden und nur eine Anpassung an die Überführung des § 35c StAG in die StPO (wodurch das Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens künftig in gewissen Fällen auch gerichtlich überprüfbar sein soll) erfolgen.

Zu Z 10 (§ 31 Abs. 6 Z 3 StPO):

Für die Behandlung des neuen Antrags auf Verfolgung (dazu unten Z 62) wird aufgrund der Nähe zur Entscheidung über Fortführungsanträge die Zuständigkeit des Landesgerichts als Senat von drei Richterinnen bzw Richtern vorgeschlagen.

Zu Z 27 und 28 (§ 91 Abs. 2 und 3 sowie § 100 Abs. 3a StPO):

Mit dem StPRÄG 2014 wurde § 35c StAG als Bestimmung über das ‚Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens’ durch die Staatsanwaltschaft eingeführt. Gleichzeitig wurden damit in Zusammenhang stehende Bestimmungen der StPO – insbesondere § 1, § 2, § 91 und § 100 StPO – geändert bzw. ergänzt. Diese Änderungen sind mit 1. Jänner 2015 in Kraft getreten und bezweckten insbesondere eine Präzisierung des Zeitpunkts des Beginns des Strafverfahrens durch Einführung des Begriffs des ‚Anfangsverdachts’ in § 1 Abs. 3 StPO (vgl. EBRV 181 BlgNR 25. GP 1). Nach mehr als neunjähriger Geltung führen diese Regelungen allerdings nach wie vor zu – nicht unwesentlichen – Abgrenzungsschwierigkeiten in der Praxis.

Die Erledigungsart des § 35c StAG ermöglicht es den Staatsanwaltschaften von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn kein Anfangsverdacht iSd § 1 Abs. 3 StPO vorliegt. Ein Fortführungsantrag nach § 195 StPO steht in solchen Fällen nicht zu, weil dieser eine Verfahrenseinstellung nach §§ 190 ff. StPO und eine solche wiederum (bisher) ein bereits in Gang gekommenes Ermittlungsverfahren voraussetzt (vgl. dazu OGH vom 27.6.2013, 17 Os 13/13k; EBRV 181 BlgNR 25. GP 2).

Aufgrund der ausdrücklichen Ausnahme des § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO (‚Die bloße Nutzung von allgemein zugänglichen oder behördeninternen Informationsquellen sowie die Durchführung von Erkundigungen zur Klärung, ob ein Anfangsverdacht (§ 1 Abs. 3) vorliegt, stellen keine Ermittlung in diesem Sinn dar.’) ist es der Staatsanwaltschaft derzeit möglich, eine Anzeige nach § 35c StAG zu erledigen und von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, obwohl zuvor allgemein zugängliche oder behördeninterne Informationsquellen genutzt oder Erkundigungen zur Klärung, ob ein Anfangsverdacht (§ 1 Abs. 3 StPO) vorliegt, durchgeführt wurden.

Während ein Vorgehen nach § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO nach der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers nur in einem relativ engen Rahmen möglich sein sollte (vgl. EBRV 181 BlgNR 25. GP 22), ergibt sich auf Grundlage der ergangenen Rechtsprechung ein deutlich weiterer Anwendungsbereich für die Erledigungsart nach § 35c StAG:

So sprach der OGH aus, dass ein Vorgehen nach § 35c StAG nicht nur dann zulässig ist, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Person ein objektiv und subjektiv tatbestandsmäßiges Verhalten iS eines strafrechtlichen Delikts gesetzt hat, sondern auch dann, wenn bei grundsätzlich tatbestandsmäßigem Verhalten vom Vorliegen von Rechtfertigungs-, Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründen oder von Verfolgungshindernissen auszugehen ist (vgl. OGH vom 25.6.2018, 17 Os 3/18x; siehe dazu unten bei Z 59 [§ 190 StPO]).

Darüber hinaus legte der OGH die Wendung ‚behördeninterne Informationsquellen’ in § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO zunächst weit aus und sah davon alle Aufzeichnungen oder Speicherungen von Informationen umfasst, die bereits Gegenstand der Datenverarbeitung irgendeiner Behörde waren. Auch ob die Nutzung im Wege unmittelbarer Abfrage (elektronischer Datenbanken) oder durch schriftliches oder mündliches (telefonisches) Auskunftsersuchen erfolgt, sollte nicht von Bedeutung sein (OGH vom 25.6.2019, 14 Os 21/19y mit Verweisen auf dazu vertretene [unterschiedliche] Meinungen im Schrifttum).

In einer anderen Entscheidung stellte der OGH fest, dass jedenfalls jene Informationsquellen als behördeninterne im Sinn dieser Bestimmung anzusehen sind, welche die Behörde durch bloße Einsichtnahme ohne Inanspruchnahme Dritter nutzen kann und darf, worunter auch die gesamte für die Staatsanwaltschaften besonders praxisrelevante Einsicht in die Verfahrensautomation Justiz (VJ), auf die sie direkten Zugriff haben, fällt (vgl. OGH vom 10.7.2019, 15 Os 20/19h).

Schließlich stellte der OGH mit Entscheidung eines verstärkten Senates klar, dass mit Blick auf die Zielsetzung des § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO, bei leicht ausschließbarem Anfangsverdacht kein Strafverfahren einzuleiten, (nur) jene Informationsquellen als behördeninterne im Sinn dieser Bestimmung anzusehen sind, welche die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft durch bloße Einsichtnahme ohne Inanspruchnahme Dritter nutzen kann und darf. Demgemäß ist die Beischaffung eines Gerichtsakts durch die Staatsanwaltschaft – anders als die Einsichtnahme in die (gesamte) VJ oder die Abfrage des Strafregisters – nicht mehr als Nutzung einer behördeninternen Informationsquelle im Sinn dieser Bestimmung anzusehen (OGH [verstärkter Senat] vom 23.3.2022, 12 Os 92/21b, OGH vom 10.09.2020, 12 Os 23/20d, RIS-Justiz RS0133399; in diesem Sinn auch Sadoghi, Anfangsverdachtsermittlung, ÖJZ 2021/49 [369]).

Wenngleich zur Qualifizierung der Einsichtnahme in elektronische Datenbestände (noch) keine höchstgerichtliche Entscheidung vorliegt, hat dazu bereits die Generalprokuratur in Zusammenhang mit einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes festgehalten, dass unter behördeninternen Informationsquellen letztlich nur jene Quellen zu verstehen sind, die Zugang zum Inhalt bzw. zu den Ergebnissen eines anderen Ermittlungsverfahrens gewähren. Informationen aus einem erliegenden Datenbestand, deren Relevanz für ein anderes Ermittlungsverfahren noch nicht festgestellt wurde und die damit noch nicht Inhalt des betreffenden Ermittlungsakts (bzw. vorliegende Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens; vgl. § 51 Abs. 1 StPO; Ratz, ÖJZ 2020/103, 865 [872]) sind, genügen diesen Erfordernissen hingegen nicht; deren Sichtung (bzw. der Zugriff auf diese) stellt vielmehr eine Ermittlungshandlung dar (Generalprokuratur vom 13.1.2023, Gw 250/22f).

Die divergierende Rechtsprechung des OGH bringt ebenso wie die zitierte Festlegung der Generalprokuratur die Unklarheiten, die sich in der Praxis aufgrund der Wendung des § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO ergeben, deutlich zum Ausdruck. Bisweilen ist eine Tendenz zur Ausdehnung derartiger ‚Vorfeldermittlungen’ zu beobachten, was vor allem auch aus dem Blickwinkel des eingeschränkten Rechtsschutzes (dem durch die Neuregelung des Ermittlungsverfahrens mit dem Strafprozessreformgesetz ausdrücklich entgegengewirkt werden sollte), aber auch aufgrund des Umstands, dass mehr zulässige Erkundigungen vor Beginn des Strafverfahrens auch mehr Zeit in Anspruch nehmen und somit auch die ‚Verfahrens-’Dauer vor Beginn des Ermittlungsverfahrens steigt, aus grundrechtlicher Sicht problematisch ist (vgl. auch Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO Vor §§ 280–296a Rz 8/3, der konstatiert, dass sich der gerichtliche Rechtsschutz gegenüber der Rechtslage idF vor BGBl I Nr. 19/2004 verschlechtert hat, weil selbst bei Einleitung des Ermittlungsverfahrens ein Einspruchsgrund gegen die Führung des Strafverfahrens nicht besteht, sondern nur ein subjektives Recht nach Ablauf bestimmter Fristen durch Antrag auf Einstellung gerichtlich geltend gemacht werden kann). Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der Begriff des bzw. der ‚Verdächtigen’ ein autonomer Begriff des Unionsrechts ist, der als rechtliches Kriterium den Anwendungsbereich der Richtlinie 2012/13/EU über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren ABl. Nr. L 142 vom 01. 06. 2012 S 1 (RL Rechtsbeistand) erschließt und daher in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen ist (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Priit Pikamäe vom 23. März 2023 in der Rs. C-209/22, Rayonna prokuratura Lovech, ECLI:EU:C:2023:249, Rn. 49; dahingehend in dieser Rechtssache zuletzt auch das Urteil des EuGH vom 07.09.2023, Rn. 44). Insoweit steht prinzipiell jede nationale Norm, die Vorfeldermittlungen ermöglicht und letztlich einen Spielraum eröffnet, ab wann eine Person als ‚Verdächtiger’ gilt, in einem Spannungsverhältnis mit dem Unionsrecht. Trotz der Entscheidung des verstärkten Senats ist schließlich nicht auszuschließen, dass ‚Vorfeldermittlungen’ in die digitale Verfahrensführung verlagert werden, indem vermehrt – anstelle einer Aktenbeischaffung – Einsicht in Ermittlungsinhalte (Berichte, Vernehmungen, Auswertungsergebnisse udgl.) anderer Strafverfahren, die in der VJ abgespeichert sind, genommen wird und dadurch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens lediglich davon abhängig wäre, ob das Entscheidungsorgan den betreffenden Akt faktisch beischafft oder auf diesen digital im Wege der VJ zugreift.

Es wird daher vorgeschlagen, § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO zu streichen und in einem neuen § 91 Abs. 3 StPO eine Einschränkung der Zulässigkeit von ‚Vorfeldermittlungen’ auf eine einzige Tätigkeit, nämlich Erkundigungen (§ 151 Z 1; siehe dazu die einschlägige Kommentierung) zur Klärung, ob auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass ein Sachverhalt einem gesetzlichen Tatbild entspricht, vorzunehmen. Dies soll vor allem den Praxisbedürfnissen der Kriminalpolizei Rechnung tragen, und eine Rechtsgrundlage für die Möglichkeit der Klärung (insbesondere an einem Einsatzort) eröffnen, ob das stattgefundene Geschehen überhaupt in Richtung eines Anfangsverdachts deutet. Zu denken ist dabei insbesondere an z.B. Pistenunfälle, bei denen durch solche freiwilligen Auskünfte geklärt werden soll, ob es sich um einen Unfall handelt oder eine Straftat vorliegt. Ebenso sollen damit z.B. Rückfragen im Wege des Hinweisgebersystems nach § 2a Abs. 6 StAG möglich sein. Abgeklärt darf im Rahmen des § 91 Abs. 3 StPO in diesem Zusammenhang jedoch lediglich werden, ob auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass ein Sachverhalt einem gesetzlichen Tatbild entspricht (somit lediglich die objektiven Gegebenheiten einer Straftat). Zur Gewährleistung einer gebotenen unionskonformen (s. oben) Rechtslage sollen hingegen Erkundigungen zur Klärung, ob ein Anfangsverdacht gegen eine Person vorliegt, ausdrücklich keine zulässige ‚Vorfeldermittlung’ sein; die Abklärung eines gegen eine Person gerichteten (Anfangs-)Verdachts soll ausschließlich im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens möglich sein.

Um einer extensiven Auslegung bzw. Praxis im Zusammenhang mit solchen Vorfeldermittlungen grundlegend vorzubeugen, soll in diesem Zusammenhang klargestellt werden, dass die Kriminalpolizei unverzüglich, jedoch längstens drei Wochen nach Durchführung der ersten Erkundigungen nach § 91 Abs. 3 StPO gemäß § 100 Abs. 3a StPO an die Staatsanwaltschaft zu berichten hat.

Im Ergebnis soll im Sinne der vom OGH betonten Unterscheidung zwischen ‚Zur-Kenntnis-Gelangen des Verdachts einer Straftat’ und ‚Tätigwerden aufgrund eines zur Kenntnis gelangten Sachverhalts’ (vgl. RIS‑Justiz RS0127791) künftig eine klare Abgrenzung dahingehend erfolgen, dass das schon ‚vom Blatt weg’ zu verneinende Vorliegen eines Anfangsverdachts nach dem vorgeschlagenen § 197a StPO (s. Z 62) zu erledigen ist, während jede Ermittlung iSd § 91 Abs. 2 StPO – mit Ausnahme der Erkundigungen im Sinne des § 91 Abs. 3 StPO – den Beginn des Ermittlungsverfahrens auslöst. Sobald die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei somit grundsätzlich außerhalb bloßer Zuständigkeits- und Konnexitätsprüfung (vgl. Erlass des BMVRDJ vom 26. August 2019 zu Auslegungs- und Anwendungsfragen in Zusammenhang mit § 35c StAG, eJABl. Nr. 15/2019) tätig werden, soll ein Ermitteln iSd § 91 Abs. 2 StPO vorliegen; also grundsätzlich immer dann, wenn gegen eine Person in welcher Form auch immer vorgegangen wird. Das Ermittlungsverfahren hat sodann begonnen und kann bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Einstellung nur noch nach den §§ 190 bis 192 StPO eingestellt werden. Den Verdächtigen kommen ab diesem Zeitpunkt alle Beschuldigtenrechte zu (so etwa auch das Recht auf Einstellung nach § 108 StPO [dazu unten Z 35 f.], wobei dieser Zeitpunkt auch Bezugspunkt für die Bemessung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens ist). Auch weiterhin sollen jedoch ein Ermittlungsverfahren auslösende Ermittlungen nur bei Vorliegen eines Anfangsverdachts zulässig sein, für den ohnehin lediglich das Vorliegen bestimmter Anhaltspunkte, auf Grund derer angenommen werden kann, dass zumindest nach der sich bietenden Sachlage die Annahme einer verfolgbaren Tat indiziert ist und es daher im Gesamtbild aller Faktoren nach kriminalistischer Erfahrung bloß als möglich erscheinen muss, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt, (vgl. Markel in Fuchs/Ratz, WK StPO § 1 Rz 26), erforderlich sind.

Es wird nicht verkannt, dass nach der vorgeschlagenen Regelung ein Ermittlungsverfahren gegen angezeigte Personen ‚schneller’ eingeleitet werden wird, nämlich stets, wenn die Staatsanwaltschaft die Anzeige nicht ohne weiteres Tätigwerden sofort zurücklegen kann. Solange eine Person, gegen die zur Aufklärung eines Anfangsverdachts ermittelt wird, nicht konkret verdächtig ist, wird sie als Verdächtiger bzw. Verdächtige zu führen sein (§ 48 Abs. 1 Z 1 StPO); es stehen ihr jedoch ab diesem Zeitpunkt – anders als derzeit – auch alle Beschuldigtenrechte zu. Die Medienarbeit der Staatsanwaltschaften wird diesem Aspekt – und insbesondere der korrekten Bezeichnung als Verdächtiger bzw. Verdächtige oder Beschuldigter bzw. Beschuldigte – verstärkt durch präzise Medienauskünfte Rechnung zu tragen haben.

Eine Erweiterung des Rechtsschutzes erfolgt auch durch den Umstand, dass durch die Vorverlegung des Beginns des Ermittlungsverfahrens die Verfahrens- und Rechtsschutzgarantien der StPO auch den Opfern künftig bereits ab diesem Zeitpunkt (arg.: ‚Einsicht in Ergebnisse eines Ermittlungs- oder Hauptverfahrens’) zustehen. Darüber hinaus wird in diesem frühen Stadium in Zukunft überdies auch Personen, die ein begründetes rechtliches Interesse haben (wie insb. Versicherungsunternehmen) eine Akteneinsicht nach § 77 Abs. 1 StPO ermöglicht.

Zu Z 59 (§ 190 StPO):

§ 190 StPO normiert die Voraussetzungen für die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft aufgrund rechtlicher (Z 1) oder faktischer (Z 2) Verfolgungsschranken (vgl. dazu Hinterhofer/Oshidari, Das Strafverfahren [2018] Rz 7893 ff.). Die Abgrenzung zwischen den beiden Ziffern des § 190 StPO bereitet in der staatsanwaltlichen Praxis mitunter Schwierigkeiten. So war in der Vergangenheit auch wiederholt die Erteilung von Weisungen der Bundesministerin bzw. des Bundesministers für Justiz (vgl. die Weisungsberichte, www.justiz.gv.at) oder der Oberstaatsanwaltschaften (§§ 29 f StAG) erforderlich, um den Einstellungsgrund richtig zu stellen. Ob die Staatsanwaltschaft im Falle einer Einstellung nach § 190 StPO das Verfahren nach Z 1 oder nach Z 2 einstellt, hat verfahrensrechtlich allerdings keine unmittelbaren Konsequenzen, weil die Regelungen über die Fortführung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht (§ 193, § 195 StPO) nicht zwischen den beiden Ziffern unterscheiden.

In der vergleichbaren Vorschrift des § 259 StPO, der die Bedingungen regelt, unter denen das Gericht im Hauptverfahren einen Freispruch fällen muss, werden in Z 3 fehlende gerichtliche Strafbarkeit und Verfolgungshindernisse zusammengefasst (Hinterhofer/Oshidari, Das Strafverfahren [2018] Rz 8180). Zur Erleichterung des Vorgehens in der Praxis und Vermeidung rein formaler Weisungen (Anm.: auch bei Änderung der Ziffer des § 190 StPO, nach der ein Verfahren eingestellt werden soll, bleibt es im Ergebnis bei einer Verfahrenseinstellung) wird daher vorgeschlagen, § 190 StPO in Anlehnung an § 259 Z 3 StPO umzuformulieren und rechtliche und tatsächliche Einstellungsgründe unter Entfall der ziffernmäßigen Gliederung zu vereinen. Die Vorschriften, die sich mit der (näheren) Begründung der staatsanwaltlichen Erledigung auseinandersetzen (§ 34 Abs. 2 StAG; § 194 Abs. 2 zweiter Satz, § 195 Abs. 3 StPO) bleiben unverändert bestehen. In diesen Begründungen wird daher wie bisher auszuführen sein, aus welchen Gründen die Einstellung erfolgte. Die von der Justizverwaltung zur Verfügung gestellten Verständigungsformulare (vgl. dazu auch Nordmeyer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 194 Rz 2) werden entsprechend anzupassen sein.

Zu Z 62 (10a. Hauptstück, § 197a, § 197b und § 197c StPO):

Die Erledigungsart nach § 35c StAG (das Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens) soll grundsätzlich beibehalten, jedoch in Folge der Erfahrungen aus der praktischen Anwendung und der dazu ergangenen Rechtsprechung überarbeitet und aus systematischen Gründen in ein eigenes neues 10a. Hauptstück der StPO aufgenommen werden. Die im Rahmen des Projekts ‚Qualitätssicherung und Effizienz im Ermittlungsverfahren’ vorgeschlagene Integration der nach § 35c StAG zu erledigenden Fälle in § 190 StPO ist jedoch – abgesehen von jenen Fällen, die durch Entfall des § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO künftig gemäß §§ 190 ff. StPO zu erledigen sein werden – aus systematischen Gründen nicht möglich, setzt eine Einstellung nach §§ 190 bis 192 StPO doch immer ein bereits begonnenes Ermittlungsverfahren voraus. Der Forderung einer klaren Abgrenzung der unterschiedlichen Erledigungsformen könnte somit nicht hinreichend Rechnung getragen werden.

Bereits die Überschrift des § 197a StPO soll die Abgrenzung zu § 190 StPO klar zum Ausdruck bringen: Während eine Verfahrenseinstellung nach § 190 StPO immer ein bereits begonnenes Ermittlungsverfahren voraussetzt, soll nach dem vorgeschlagenen § 197a StPO - unter Übernahme des grundsätzlichen Regelungsinhalts des § 35c StAG - unter bestimmten Voraussetzungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen sein. Im Zusammenhang mit dem Entfall von § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO soll verdeutlicht werden, dass es sich bei § 197a StPO um eine Erledigung ‚vom Blatt weg’ ohne Vornahme jeglicher Ermittlungen (mit Ausnahme der wenigen weiterhin zulässigen ‚Vorfeldermittlungen’ nach § 91 Abs. 3 StPO) handelt.

Nach der Rechtsprechung ist ein Vorgehen nach § 35c StAG nicht nur dann zulässig, wenn nach dem Inhalt einer Anzeige (§ 80 Abs. 1 StPO) und dem Ergebnis allfälliger Erkundigungen nach § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Person ein objektiv und subjektiv tatbestandsmäßiges Verhalten iS eines strafrechtlichen Delikts gesetzt hat, sondern auch dann, wenn bei grundsätzlich tatbestandsmäßigem Verhalten vom Vorliegen von Rechtfertigungs-, Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründen oder von Verfolgungshindernissen auszugehen ist (vgl. OGH vom 25.6.2018, 17 Os 3/18x). Dieser Grundsatz soll in § 197a Abs. 1 erster Fall StPO ausdrücklich übernommen und vorgesehen werden, dass von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, also die Anzeige ‚vom Blatt weg’ zurückzulegen oder ein im Laufe eines (aus anderen Gründen geführten) Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gelangter (weiterer) Verdacht nicht zu verfolgen ist, wenn die Führung eines (diesbezüglichen) Ermittlungsverfahrens aus rechtlichen Gründen unzulässig ist. Ebenso soll von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen werden, wenn der angezeigte Sachverhalt gar keinen Anfangsverdacht einer Straftat begründet.

Sobald die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei jedoch außerhalb bloßer Zuständigkeits- und Konnexitätsprüfung tätig wird, soll künftig immer ein Ermitteln iSd § 91 Abs. 2 StPO vorliegen (sofern nicht ein Fall weiterhin zulässiger ‚Vorfeldermittlungen’ vorliegt; siehe auch Z 28 und Z 29); das Ermittlungsverfahren hat sodann begonnen und kann bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Einstellung nur noch nach den §§ 190 bis 192 StPO eingestellt werden.

Hat die Staatsanwaltschaft von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen, kann sie ein solches zu einem späteren Zeitpunkt nur dann einleiten, wenn die Strafbarkeit der Tat nicht verjährt ist, und entweder das Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde oder neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die für sich allein oder im Zusammenhalt mit übrigen Verfahrensergebnissen geeignet erscheinen, einen Anfangsverdacht zu begründen.

Vom Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach § 197a Abs. 1 erster Fall StPO sollen gemäß § 197b Abs. 1 StPO alle Personen zu verständigen sein, die im Fall der Führung eines Ermittlungsverfahrens nach der StPO von seiner Einstellung zu verständigen wären, somit Personen, die in einem solchen Fall als Beschuldigte betroffen oder zur Einbringung eines Antrags auf Fortführung berechtigt wären (also das Opfer und der bzw. die Rechtsschutzbeauftragte) sowie ggf. die Kriminalpolizei, wenn diese eingebunden war. Mit der vorgeschlagenen Aufnahme der Wendung ‚nach diesem Gesetz’ in § 197b Abs. 1 StPO soll Anregungen im Begutachtungsverfahren Rechnung getragen und klargestellt werden, dass lediglich Verständigungspflichten nach der StPO (§ 194) zu erfolgen haben, um weitere (für ein Absehen von einer Verfolgung überbordende) Verständigungspflichten nach anderen Materiengesetzen zu vermeiden.

Einem bloßen Anzeiger, der nicht zugleich Opfer ist, kommen hingegen mangels Eingriffs in seine Rechtsposition und aus Gründen des Datenschutzes keine (Verständigungs- oder sonstigen Verfahrens‑)Rechte nach der StPO zu; dementsprechend ist er auch bei einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht zu verständigen (vgl. Nordmeyer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 194 Rz 6). Aufgrund der durch den Entfall des § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO angestrebten massiven Reduktion der Anwendungsfälle des § 197a Abs. 1 zweiter Fall StPO im Einklang mit der durch § 197c StPO geschaffenen Rechtsschutzmöglichkeit im Fall des Vorgehens nach § 197a Abs. 1 erster Fall StPO wird daher systemkonform vorgeschlagen, die aus Gründen des Rechtsschutzes nicht erforderliche und darüber hinaus datenschutzrechtlich bedenkliche Verständigung des bloßen Anzeigers bzw. der bloßen Anzeigerin entfallen zu lassen.

In der Verständigung soll angeführt werden, aus welchem Grund von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen wurde. Personen, die zur Einbringung eines Antrags auf Verfolgung (§ 197c StPO) berechtigt sind, sollen überdies über die Möglichkeit der Einbringung eines solchen Antrags und seine Voraussetzungen zu informieren sein (§ 197b Abs. 2 StPO).

Die durch die Staatsanwaltschaft vorgenommene Bewertung, dass von vornherein rechtliche Gründe der Führung eines Ermittlungsverfahrens entgegenstehen, ist derzeit keiner gerichtlichen Überprüfung im Wege eines Fortführungsantrags (§ 195 StPO) zugänglich. In der Literatur wird daher auch die mangelnde gerichtliche Kontrolle bei Vorliegen rechtlicher Hindernisse aus dem Blickwinkel des Rechtsschutzes als unbefriedigend kritisiert (siehe ausführlich oben Z 28).

Mit dem vorgeschlagenen § 197c StPO soll daher eine Rechtsgrundlage in der StPO für einen Antrag auf Verfolgung geschaffen werden, wenn von der Führung eines Ermittlungsverfahrens aus rechtlichen Gründen abgesehen wurde (§ 197a Abs. 1 erster Fall StPO). Für diesen Antrag sollen die Bestimmungen über den Fortführungsantrag (§ 195, § 196 StPO) mit Ausnahme des § 196 Abs. 1 vorletzter und letzter Satz StPO sinngemäß gelten. Zur Stellung eines Antrags auf Verfolgung einer Straftat sollen jene Personen berechtigt sein, denen bei Führung eines Ermittlungsverfahrens Opferstellung zukäme (nicht hingegen bloßen Anzeigern bzw. Anzeigerinnen, die nicht auch Opfer sind; vgl. dazu bereits oben). Durch den Verweis auf § 65 Z 1 StPO wird klargestellt, dass diese Berechtigung sämtlichen Opferkategorien zukommen soll.

Nach dem verfassungsrechtlich in Art. 90 Abs. 2 B-VG verankerten Anklagegrundsatz (§ 4 StPO) darf gegen den Willen der Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren nicht (fort-)geführt werden. Dieser Grundsatz wirkt jedoch nicht absolut; bestimmte bestehende Rechtsinstitute – wie etwa der Fortführungsantrag oder die Subsidiaranklage –, deren Funktion in der Kontrolle der Einhaltung des Legalitätsprinzips (oder der gesetzmäßigen Ausübung des Opportunitätsprinzips) durch die Staatsanwaltschaft liegt, können den Anklagegrundsatz zulässig durchbrechen (vgl. Nordmeyer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 196 Rz 16). Dies soll gleichermaßen für den Antrag auf Verfolgung nach § 197c StPO gelten, dessen primäre Funktion – wie auch jene des Fortführungsantrags – in einer überwiegend für notwendig erachteten (vgl. Nordmeyer ebenda) Missbrauchskontrolle staatsanwaltlichen Handelns liegt.

Art. 90 Abs. 2 B-VG bleibt jedenfalls vollkommen gewahrt, so die Anklageerzwingung – wie vorgeschlagen – einem richterlichen Organ überantwortet ist, das in weiterer Folge über die Anklage nicht zu befinden hat (Wiederin in Fuchs/Ratz, WK StPO § 4 Rz 23).

Die Gerichtszuständigkeit für die Behandlung eines solchen Antrags ergibt sich aus § 31 Abs. 6 Z 3 StPO (siehe oben Z 10).

Allgemeines zu den Änderungen in Z 8, Z 31 und Z 32 (§ 31 Abs. 1 Z 5, § 108, § 108a StPO):

Das Regierungsprogramm sieht im Kapitel ‚Reformen im Straf- und Strafprozessrecht – Strafprozessrecht modernisieren’ die Prüfung der Ausweitung des Antrags auf Einstellung sowie die Stärkung der Staatsanwaltschaften zur unabhängigen Ermittlungsarbeit im verfassungsrechtlichen Rahmen durch Verkürzung der Ermittlungsverfahren vor.

Die Arbeitsgruppe im Projekt ‚Qualitätssicherung und Effizienz im Ermittlungsverfahren’ befürwortete u.a., dass ein Einstellungsantrag sowie eine diesbezügliche Gerichtsentscheidung auch hinsichtlich einzelner Fakten möglich sein sollen. In der staatsanwaltlichen Praxis stößt die Regelung des § 108a StPO wiederholt auf Kritik, weil einer relativ geringen Zahl an Ermittlungsverfahren, welche die Höchstdauer überschreiten (im Jahr 2023 waren von 222.435 von den Staatsanwaltschaften zu bearbeitenden [in den Vorjahren oder im Jahr 2023 angefallenen] St-, UT-, HST- und NSt-Verfahren insgesamt 187 Verfahren länger als 3 Jahre anhängig; 483 Anträge [bezogen auf die Zahl der betroffenen Beschuldigten) gemäß § 108a StPO wurden dem Gericht vorgelegt], ein hoher administrativer Aufwand zur Ermittlung dieser Verfahren gegenübersteht. Mit dem Argument, dass die Regelung noch nicht lange bestehe, sprach sich die Arbeitsgruppe überwiegend für die Beibehaltung des geltenden § 108a StPO, jedoch mit der Änderung aus, dass die Befassung des Gerichts künftig nur auf Antrag möglich und die Berechnung der Fristen beschuldigtenbezogen erfolgen solle.

Auch der Wahrnehmungsbericht von Vizekanzler und Bundesminister a.D. DDr. Clemens Jabloner sprach sich dafür aus, den Verwaltungsaufwand in Zusammenhang mit der Überprüfung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens durch die erforderliche Kalendierung von Akten, die Vorlage an das Gericht und die Abgabe einer Stellungnahme durch eine antragsgebundene Ausgestaltung zu verringern. Die Staatsanwaltschaft müsste sodann nicht von sich aus an das Gericht herantreten, sondern der Beschuldigte würde die Möglichkeit einer entsprechenden Antragstellung in die Hand bekommen. Dies könnte dadurch ausgeglichen werden, dass die normierte Höchstdauer von drei auf zwei Jahre herabgesetzt wird.

Auf dieser Basis und unter Berücksichtigung aktueller Rechtsprechung und Literatur scheint aus systematischen Gründen eine weitere Differenzierung zwischen § 108 StPO und § 108a StPO allerdings kaum argumentierbar, sondern vielmehr eine Zusammenführung der Regelungen und eine Überprüfung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens im Rahmen eines Rechtsbehelfs des Beschuldigten, und zwar des Antrags auf Einstellung, als sachgerechteste Lösung geboten. Gleichzeitig soll jedoch dem Gericht im Rahmen eines Antrags auf Einstellung bei festgestellter Verletzung des Beschleunigungsgebots (§ 9 StPO) stets die Möglichkeit eingeräumt werden, der Staatsanwaltschaft konkrete verfahrensbeschleunigende Maßnahmen aufzutragen; der Beschuldigte soll nicht wie bisher diesbezüglich auf die Erhebung eines Einspruchs wegen Rechtsverletzung angewiesen sein. Dem Vorschlag von Bundesminister a.D. DDr. Jabloner folgend soll zudem die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens von drei auf zwei Jahre herabgesetzt werden, womit sich die Zahl jener Ermittlungsverfahren, in denen die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens überschritten wird, in etwa verdoppelt (2023 waren 187 Verfahren länger als drei und 177 Verfahren zwischen zwei und drei Jahren anhängig). Überdies soll die allfällige Verlängerung des Verfahrens nicht mehr zwingend um die Dauer von zwei Jahren zu erfolgen haben, vielmehr soll das Gericht die Dauer einzelfallbezogen um bis zu zwei Jahre verlängern können. Zusammengefasst werden insbesondere folgende Änderungen vorgeschlagen, die in einem umgestalteten § 108 StPO ‚Antrag auf Einstellung’ verankert sind:

-       Ausdrückliche Zulässigkeit des Antrags auf Einstellung hinsichtlich einzelner Fakten, Klarstellung der Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft und des Gerichts bei Einstellung einzelner Fakten;

-       Vereinheitlichung und (teilweise) Senkung der Fristen für die Erhebung eines Antrags auf Einstellung;

-       Umgestaltung der Überprüfung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens von einem amtswegigen Vorgehen der Staatsanwaltschaft zu einer Prüfung im Rahmen eines Antrags des bzw. der Beschuldigten auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens;

-       Möglichkeit des Gerichts, der Staatsanwaltschaft konkrete verfahrensbeschleunigende Maßnahmen aufzutragen, wenn eine Verletzung des Beschleunigungsgebots festgestellt wurde;

-       Verringerung der gesetzlichen Höchstdauer von Ermittlungsverfahren von drei auf zwei Jahre und Ermöglichung deren Verlängerung um bis zu zwei Jahre (anstelle einer fixen Verlängerung um zwei Jahre);

-       Änderungen in der Fristenberechnung für die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens.

Zu Z 8 (§ 31 Abs. 1 Z 5 StPO):

Aufgrund der vorgeschlagenen Zusammenführung von § 108a StPO und § 108 hat der bisher in § 31 Abs. 1 Z 5 StPO normierte Zuständigkeitstatbestand zu entfallen.

Zu Z 31 und Z 32 (§ 108 StPO, § 108a StPO):

Aus den eingangs genannten Gründen wird vorgeschlagen, § 108a StPO in § 108 StPO zu integrieren. In Abs. 1 soll – entsprechend dem derzeitigen § 108a Abs. 1 StPO – die Festlegung der grundsätzlichen Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens erfolgen, die jedoch auf zwei Jahre gesenkt werden (s. dazu im Folgenden). Abs. 2 soll – inhaltlich unverändert – die Gründe beinhalten, nach denen das Gericht auf Antrag des bzw. der Beschuldigten das Ermittlungsverfahren einstellen kann (derzeit § 108 Abs. 1 StPO).

Allgemeines zum Antrag auf Einstellung:

Der vorgeschlagene Abs. 3 soll die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft im Fall eines Einstellungsantrags regeln und folgende Neuerungen beinhalten:

Es wird vorgeschlagen, die aktuell in § 108 Abs. 2 zweiter Satz StPO für Einstellungsanträge nach § 108 Abs. 1 Z 2 StPO vorgesehenen Fristen zur Antragsstellung entfallen zu lassen, zu denen hinsichtlich ihrer Berechnung in der Literatur Uneinigkeit besteht (vgl. Pilnacek/Stricker in Fuchs/Ratz, WK StPO § 108 Rz 33; Fuchs, Beginn des Strafverfahrens und Beschuldigtenstellung in Liber Amicorum Eckart Ratz [2018] 31 [41]) und an denen aus verschiedenen Gesichtspunkten Kritik geübt wird. So erweise sich die Fristberechnung aufgrund des materiellen Beschuldigtenbegriffs als schwierig und es bestehe eine Ungleichbehandlung von zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgeforschten Beschuldigten (vgl. Pilnacek/Stricker in Fuchs/Ratz, WK StPO § 108 Rz 34). Außerdem wird konstatiert, dass sich der Rechtsschutz im Vergleich zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Strafprozessreform mit 1.1.2008 verschlechtert hat (Ratz, Vom Übergang in ein Ermittlungs- und Hauptverfahren, ÖJZ 2020, 353 [354]).

Praktisch werden Anträge auf Einstellung aus dem Grund des § 108 Abs. 1 Z 2 StPO, die wenige Monate nach Beginn des Ermittlungsverfahrens eingebracht werden, schon aufgrund der üblichen Dauer der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen und der Berichtsfristen der Kriminalpolizei (§ 100 Abs. 2 Z 3 StPO) oftmals kaum erfolgversprechend sein. Dennoch soll es Beschuldigten und v.a. Verdächtigen (die auch zur Stellung eines Antrags nach § 108 StPO berechtigt sind; vgl. § 48 Abs. 2 StPO, Hinterhofer/Oshidari, System des österreichischen Strafverfahrens [2018] Rz 7.1082; Fuchs, Beginn des Strafverfahrens und Beschuldigtenstellung in Liber Amicorum Eckart Ratz [2018] 31 [41]; aA Fabrizy, StPO14 § 108 Rz 4; Pilnacek/Stricker in Fuchs/Ratz, WK StPO § 108 Rz 33) möglich sein, die Verfahrenseinstellung nach § 108 Abs. 1 Z 2 StPO schon vor Ablauf der derzeit in § 108 Abs. 2 StPO normierten Fristen zu beantragen; damit soll auch dem Umstand Rechnung getragen und ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass sich angezeigte Personen durch den vorgeschlagenen Entfall des § 91 Abs. 2 letzter Satz StPO künftig rascher als Verdächtige in einem Ermittlungsverfahren wiederfinden werden.

Mit der Erhebung von bei Einführung der Regelung des § 108 StPO befürchteten ‚verfrühten, wiederholten oder aussichtslosen’ Anträgen von Beschuldigten (vgl. JAB 406 BlgNR 22. GP 6) sollte keine Verfahrensverzögerung verbunden sein. Einerseits entfallen die (aufgrund der dargestellten unterschiedlichen Meinungen zum Fristenlauf) aufwendige Prüfung der Rechtzeitigkeit des Antrags und entsprechende Zurückweisungen, andererseits hindert die Vorlage des Akts an das Gericht weder die Fortsetzung laufender noch die Anordnung neuer Ermittlungsmaßnahmen. Auch einer Beendigung des Ermittlungsverfahrens (sei es durch Einstellung, Diversion oder Einbringen der Anklage) steht eine Aktenvorlage an das Gericht nicht entgegen (vgl. Einführungserlass des BMJ zum StPRÄG 2014, eJABl. Nr. 13/2014). Gegebenenfalls sind Kopienakten anzufertigen, wobei durch den Roll-Out der vollständigen elektronischen Aktenführung im Ermittlungsverfahren (Justiz 3.0) die elektronischen Akten ohnehin sowohl der Staatsanwaltschaft als auch dem Haft- und Rechtsschutzrichter gleichzeitig zur Verfügung stehen.

Darüber hinaus sollen Unklarheiten betreffend die Antragstellung hinsichtlich einzelner Fakten beseitigt werden: Während bei Verfahrenseinstellungen durch die Staatsanwaltschaft nach § 190 StPO unzweifelhaft ist, dass das Ermittlungsverfahren auch teilweise (in Ansehung einzelner Fakten, also einzelner Teile des zu prüfenden Lebenssachverhalts) eingestellt werden kann (arg ‚insoweit’ in § 190; vgl. Tauschmann in Schmölzer/Mühlbacher, StPO: Kommentar [Stand Februar 2021] § 190 Rz 12; Nordmeyer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 190 Rz 17f), ist in der Praxis bisher oftmals unklar, ob dies auch bei einem Antrag auf Einstellung nach § 108 StPO möglich ist. Ein solches Vorgehen hätte mehrere Vorteile: Für den Beschuldigten bzw. die Beschuldigte soll Rechtssicherheit in Hinblick auf die bereits eingestellten Straftaten eintreten, für die Strafverfolgungsbehörden eine Verschlankung des Verfahrens (und des Bezug habenden Strafakts) erreicht und insgesamt eine Beschleunigung des Verfahrens herbeigeführt werden, indem auch gesetzlich klargestellt wird, dass einzelne Fakten, wegen derer gegen den Beschuldigten bzw. die Beschuldigte ermittelt wird, eingestellt werden können, während das Verfahren wegen anderer Straftaten, die ihn bzw. sie und gegebenenfalls andere Beschuldigte betreffen, weitergeführt wird. Durch die vorgeschlagenen Änderungen in Abs. 3 erster Satz soll daher ausdrücklich normiert werden, dass sich Einstellungsanträge des Beschuldigten bzw. der Beschuldigten auch bloß auf einzelne Fakten (Straftaten) beziehen können.

Relevanz hat diese Klarstellung insbesondere in Großverfahren, in denen gegen einzelne Beschuldigte wegen einer Vielzahl an Vorwürfen ermittelt wird, andere Beschuldigte jedoch nur von einem Vorwurf oder einigen wenigen, oftmals überschaubaren Vorwürfen betroffen sind, die zudem regelmäßig mit Vorwürfen gegen sog. Hauptbeschuldigte konnex sind. Für solche Fälle soll auch legistisch klargestellt werden, dass durch eine entsprechende Antragstellung eine zeitnahe Erledigung solcher Nebenstränge in Ermittlungsverfahren in Gang gesetzt werden können soll.

Keine Änderungen soll dadurch insoweit erfolgen, als auch weiterhin die Tat im prozessualen Sinn der § 262, § 263, § 267 sowie § 281 Abs. 1 Z 7 und 8 StPO teilbar sein muss, und zwar in mehrere Taten im materiellen Sinn (§ 281 Abs. 1 Z 9 und 10) als – sachverhaltsmäßig – noch abgrenzbare (ihrerseits nicht mehr teilbare) Einzelgeschehen (vgl. Nordmeyer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 190 Rz 18 mit näheren Ausführungen, insb. dahingehend, dass eine tatbestandliche Handlungseinheit prozessual [wie materiell] nur eine Tat darstellt (Ratz § 281 Rz 521) und nur als Ganzes von einer Verfahrenseinstellung erfasst werden kann, bei einem Dauerdelikt demnach eine Einstellung hinsichtlich eines Teiles zusammenhängender Zeiträume nicht in Betracht kommt [vgl. RIS-Justiz RS0128941]), bei idealkonkurrierenden strafbaren Handlungen eine auf bloß einzelne derselben bezogene Einstellungserklärung nicht möglich ist (15 Os 5/05g, ÖJZ-LSK 2005/130; RIS-Justiz RS 0119781; Schroll in Fuchs/Ratz, WK StPO § 192 Rz 56) und sich eine Einstellung nicht auf bloß einzelne Folgen eines einheitlichen Tatgeschehens, also etwa einzelne Beutestücke eines einzigen diebischen Zugriffs oder einen von mehreren Verletzten eines Verkehrsunfalls, beziehen kann (Steiner in Birklbauer/Haumer/Nimmervoll/Wess (Hrsg), StPO – Linzer Kommentar zur Strafprozessordnung (2020) zu § 190 Rz 30).

Ferner soll in Abs. 3 ausdrücklich klargestellt werden, dass die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit hat, auf den Einstellungsantrag des bzw. der Beschuldigten differenziert zu reagieren: Sie kann das Verfahren einstellen (wobei konsequenterweise nicht nur Einstellungen nach § 190 und § 191, sondern künftig auch nach § 192 StPO erfasst sein sollen), den Antrag samt einer Stellungnahme an das Gericht weiterleiten oder hinsichtlich eines Antrags des bzw. der Beschuldigten teils auf die eine und teils auf die andere Weise vorgehen (d.h. einem Teil des Antrags durch Einstellung Folge leisten und den anderen Teil dem Gericht zur Entscheidung vorlegen). Auch weiterhin kann freilich bloß eine Erledigungsart hinsichtlich einer Straftat möglich sein: Beschränkt sich daher der Einstellungsantrag auf eine einzelne Straftat, so kann auch nur mit einer einzigen Erledigungsart (Abweisung bzw. Einstellung) vorgegangen werden. In Fortführung des Gedankens, dass einzelne Straftaten unabhängig von anderen, wegen derer noch gegen den Beschuldigten bzw. die Beschuldigte ermittelt wird, eingestellt werden können, wird vorgeschlagen, in Abs. 4 zweiter Satz ausdrücklich festzulegen, dass auch das Gericht die Möglichkeit hat, einen Antrag des bzw. der Beschuldigten teilweise durch Einstellung und teilweise durch Abweisung des Antrags zu erledigen.

Möglichkeit der Beauftragung verfahrensbeschleunigender Maßnahmen durch das Gericht:

Der OGH hat im Jahr 2019 zum Verhältnis der § 106 StPO und § 108 StPO Stellung genommen und festgehalten, dass die potentiellen Folgen eines Einspruchs wegen Rechtsverletzung (§ 106 Abs. 1 StPO) und eines Einstellungsantrags (§ 108 Abs. 1 StPO) im Gesetz abschließend geregelt sind. Gibt das Gericht einem Einspruch wegen Rechtsverletzung statt, kann es der Staatsanwaltschaft gemäß § 107 Abs. 1 iVm Abs. 4 stopp – bindende – Anordnungen erteilen, wie der Rechtszustand vor der bekämpften Handlung oder Unterlassung wiederherzustellen ist (restitutio in integrum). Als – einzig mögliche, in den Auswirkungen jedoch weitergehende – Konsequenz sieht § 108 Abs. 1 StPO hingegen vor, dass das Gericht selbst das Verfahren unter den dort normierten Voraussetzungen mittels Beschlusses einzustellen hat. Für eine Verletzung des Beschleunigungsgebots des § 9 Abs. 1 StPO bedeutet dies, dass der bzw.die Beschuldigte derzeit nur im Wege eines Einspruchs gemäß § 106 StPO deren Feststellung in Verbindung mit einem konkreten Auftrag des Gerichts an die Staatsanwaltschaft erwirken kann, dem Beschleunigungsgebot durch geeignete Maßnahmen, wie etwa der gehörigen Fortführung des Ermittlungsverfahrens, dessen Einstellung oder einer Anklageerhebung, Rechnung zu tragen. Durch eine Antragstellung gemäß § 108 StPO hingegen kann er bzw. sie eine entsprechende Kontrolle innerhalb der Schranken der von § 108 Abs. 1 Z 2 StPO vorgesehenen Abwägung zwischen Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts einerseits und Dauer und Umfang der Ermittlungen andererseits veranlassen und bei entsprechendem Ausgang dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung die Verfahrenseinstellung unmittelbar durch das Gericht erreichen. Eine im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag auf Einstellung nach § 108 StPO vorgenommene Erteilung eines Auftrags an die Staatsanwaltschaft gemäß § 107 Abs. 4 StPO per analogiam ist daher derzeit unzulässig (vgl. OGH vom 5.3.2019, 14 Os 16/19p; RIS-Justiz RS0132510 [T1] und [T2]).

Bei Überschreiten der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens geht § 108a StPO allerdings bereits de lege lata insofern über § 108 StPO hinaus, als das Gericht bei Nichtvorliegen eines Einstellungsgrundes auszusprechen hat, ob eine der Staatsanwaltschaft anzulastende Verletzung des Beschleunigungsgebots (§ 9 StPO) vorliegt; die Möglichkeit der Erteilung eines Auftrags an die Staatsanwaltschaft gemäß § 107 Abs. 4 StPO besteht allerdings nicht. Gerade diese Verletzung des Beschleunigungsgebots kann somit effektiv nur mittels Einspruchs wegen Rechtsverletzung nach § 106 StPO geltend gemacht werden, wobei das Gericht diesfalls konkrete Aufträge an die Staatsanwaltschaft erteilen kann.

Vor dem Hintergrund des in Strafsachen geltenden Beschleunigungsgebots und im Sinn einer möglichst effizienten Verfahrensführung scheint es sachgerecht und zweckmäßig, das Instrument des Antrags auf Einstellung auszubauen und dem Gericht diese Möglichkeit auch in weiteren Konstellationen einzuräumen. Auch aus grundrechtlichen Erwägungen und insbesondere in Anbetracht der vom EGMR aufgestellten Kriterien an einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Verfahrensverzögerungen im Ermittlungsverfahren (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK) ist zu befürworten, dem bzw. der Beschuldigten bei Verletzung des Beschleunigungsgebots einen Rechtsbehelf zur Verfügung zu stellen, mit dem er bzw. sie zugleich eine gerichtliche Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens sowie gegebenenfalls die Anordnung konkreter verfahrensbeschleunigender Maßnahmen erreichen kann. Es wird daher vorgeschlagen, dass ein Beschuldigter bzw. eine Beschuldigte künftig stets (auch) bei Erhebung eines Antrags nach § 108 StPO (und dies auch unabhängig von einer allfälligen Überschreitung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens) im Fall entsprechender Antragstellung einen Ausspruch verfahrensbeschleunigender Maßnahmen durch das Gericht erreichen kann, wenn das Gericht zwar der Meinung ist, dass (noch) kein Fall einer Einstellung nach § 108 Abs. 1 Z 2 StPO, aber eine Verletzung des Beschleunigungsgebots (§ 9 StPO) vorliegt und Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung angezeigt sind. Der bzw. die Beschuldigte müsste daher nicht (auch) den (Um-)Weg eines Einspruchs wegen Rechtsverletzung gehen, um einen solchen Ausspruch zu erreichen. Im Fall der Vorlage eines Antrags gemäß § 108 StPO an das Gericht soll die Staatsanwaltschaft daher künftig auch dann, wenn in einem Antrag nach Abs. 2 Z 2 eine Verletzung des Beschleunigungsgebots behauptet wird, zu den Gründen für die Dauer des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen haben. Im Fall der Überschreitung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens hingegen soll sie jedenfalls zu den Gründen für die Verfahrensdauer Stellung zu nehmen haben und darlegen, weshalb ihr eine Einhaltung der Höchstdauer nicht möglich war.

Stellt das Gericht das Verfahren zwar nicht nach Abs. 2 ein, jedoch eine der Staatsanwaltschaft anzulastende Verletzung des Beschleunigungsgebots (§ 9 StPO) im Hinblick auf die Intensität des Tatverdachtes und das Verhalten des bzw. der Beschuldigten im Verhältnis zum Umfang der Ermittlungen, der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und der Anzahl der Beteiligten des Verfahrens fest, so soll es der Staatsanwaltschaft konkrete verfahrensbeschleunigende Maßnahmen auftragen können. Durch diese Änderung soll dem Gericht bei seiner Befassung im Rahmen auch eines Antrags nach § 108 StPO, und nicht nur bei Entscheidung über einen Einspruch wegen Rechtsverletzung, die Möglichkeit eingeräumt werden, Ermittlungsverfahren durch Beauftragung konkreter Maßnahmen auf das für die Enderledigung Wesentliche zu fokussieren und das Verfahren auf diese Weise zu beschleunigen. Daran gebunden ist die Erwartung, dass diese erweiterte Reaktionsmöglichkeit auch zu einer Reduzierung jener Fälle führt, in denen die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens überhaupt erreicht oder überschritten wird. Der bzw. die Beschuldigte soll – auch zur Vermeidung von weiteren Verfahrenskosten – in die Lage versetzt werden, dass im Falle entsprechender Behauptungen bei Erhebung eines Antrags auf Einstellung das Gericht zeitgleich eine Überprüfung der Einhaltung des Beschleunigungsgebots anhand der gesetzlich taxativ aufgezählten Kriterien durchführt und bei dessen festgestellter Verletzung der Staatsanwaltschaft konkrete verfahrensbeschleunigende Maßnahmen aufträgt.

Vorgehensweise bei Überschreiten der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens:

Beschuldigte können nach der vorgeschlagenen Regelung jederzeit einen Antrag auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens stellen. Als Ausgleich dafür, dass die Staatsanwaltschaft künftig von der zeitaufwändigen Überwachung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens entbunden und deren Überprüfung antragsgebunden ausgestaltet wird, soll die Staatsanwaltschaft das Erreichen der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens bei Einlangen eines Antrags auf Einstellung zu prüfen haben. Die Fristberechnung, also die Überprüfung, ob die Höchstdauer des Verfahrens erreicht ist, soll – nicht zuletzt aufgrund der verschiedenen ausgenommenen Zeiträume (Verfahren nach § 112 und § 112a StPO, Rechtshilfeersuchen, Abbrechungen oder Einstellungen des Verfahrens; vgl. die Ausführungen zur Fristberechnung, Abs. 7) – somit nicht dem bzw. der Beschuldigten aufgebürdet werden, sondern wie bisher der Staatsanwaltschaft obliegen. Für die Staatsanwaltschaften ergibt sich durch den Umstand, dass nicht mehr alle Verfahren von Amts wegen auf die Fristerreichung zu prüfen und dem Gericht zu übermitteln sind, sondern eine Überprüfung nur bei Stellung eines Einstellungsantrags im Einzelfall zu erfolgen hat, jedenfalls eine deutliche Entlastung. Ist im Zeitpunkt der (längstens binnen vier Wochen vorzunehmenden, vgl. Abs. 2 zweiter Satz) Entscheidung der Staatsanwaltschaft, das Verfahren nicht einzustellen, sondern den Antrag an das Gericht weiterzuleiten, die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens überschritten, soll die Staatsanwaltschaft eine Stellungnahme über die Gründe für die Dauer des Ermittlungsverfahrens sowie darüber, weshalb ihr eine Einhaltung dieser Dauer nicht möglich war, anzuschließen haben (Abs. 3 fünfter Satz). Das Gericht soll, wenn es das Verfahren nicht nach § 108 Abs. 2 Z 1 oder Z 2 StPO einstellt, die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens um bis zu zwei Jahre zu verlängern und auszusprechen haben, ob eine der Staatsanwaltschaft anzulastende Verletzung des Beschleunigungsgebots (§ 9 StPO) vorliegt (Abs. 5 erster Satz). Da die noch zu setzenden Ermittlungsmaßnahmen erfahrungsgemäß nicht in jedem Fall weitere zwei Jahre in Anspruch nehmen, soll künftig das Gericht die Höchstdauer einzelfallbezogen auch kürzer bemessen können, wobei zu berücksichtigen sein wird, wie viele und welche Ermittlungsmaßnahmen noch zu setzen sind und wie viel Zeit diese voraussichtlich in Anspruch nehmen werden. Ausdrücklich klargestellt soll in diesem Zusammenhang auch werden, dass sich die neue Frist ab dem Zeitpunkt der Beschlussfassung bemisst. Stellt das Gericht eine Verletzung des Beschleunigungsgebots (§ 9 StPO) fest, so soll es der Staatsanwaltschaft konkrete verfahrensbeschleunigende Maßnahmen auftragen können.

Kann das Ermittlungsverfahren auch nicht vor Ablauf der nach Abs. 5 – somit um bis zu zwei Jahre ab Beschlussfassung – verlängerten Frist beendet werden, so bedarf es zur neuerlichen Überprüfung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens keines Antrags des Beschuldigten mehr. Die Staatsanwaltschaft soll vielmehr von Amts wegen das Gericht mit einer begründeten Stellungnahme iSd Abs. 3 fünfter Satz zu befassen haben; das Gericht soll wiederum nach den vorstehenden Absätzen vorzugehen haben. Das Erfordernis neuerlicher Befassung des Gerichts für den Fall, dass das Ermittlungsverfahren innerhalb der gesetzten Frist nicht beendet werden kann, ist mit der Erwartung einer zügigen Verfahrensfortführung verbunden. Dieses Prozedere ist gegebenenfalls bis zur tatsächlichen Beendigung des Ermittlungsverfahrens zu wiederholen.

Zur Fristberechnung (Abs. 1 und 7):

Dem Vorschlag von Bundesminister a.D. DDr. Jabloner folgend soll als Ausgleich dafür, dass der Verwaltungsaufwand bei den Staatsanwaltschaften sich durch eine antragsgebundene Ausgestaltung des § 108 StPO verringert und der bzw. die Beschuldigte einen entsprechenden Antrag stellen kann, die normierte Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens von drei auf zwei Jahre herabgesetzt werden. Der Beginn der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens soll – wie bereits bisher – auch weiterhin durch die in § 58 Abs. 3 Z 2 StGB genannten Verfahrenshandlungen ausgelöst werden. Diese sollen allerdings systemkonform um die mit BGBl. I Nr. 148/2021 eingeführten, seit 1.12.2021 möglichen Verfahren nach § 112a StPO ergänzt werden.

Klargestellt werden soll jedoch, dass diese Verfahrenshandlungen nur für denjenigen Beschuldigten bzw. diejenige Beschuldigte ausschlaggebend sind, gegen den bzw. die sich diese auch tatsächlich gerichtet haben (vgl. dazu schon bisher eindeutig Pilnacek/Stricker in Fuchs/Ratz WK StPO § 108a Rz 12 f.). Werden in einem Ermittlungsverfahren daher mehrere Personen als Beschuldigte geführt, so sind für den Beginn der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens für jeden einzelnen Beschuldigten bzw. jede einzelne Beschuldigte unterschiedliche Zeitpunkte denkbar.

Bisher sieht § 108a Abs. 5 letzter Satz StPO vor, dass die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens nach Abs. 1 immer dann von Neuem zu laufen beginnt, wenn ein abgebrochenes oder eingestelltes Ermittlungsverfahren fortgeführt oder wiedereröffnet wird. Diese Lösung lässt jedoch außer Acht, dass das Verfahren bereits vor der Abbrechung oder Einstellung eine gewisse Zeit lang (unter Umständen sogar eine Zeit, die an die Höchstdauer des Abs. 1 heranreicht) geführt worden ist und der bzw. die Beschuldigte somit benachteiligt wird, wenn diese Zeiten (in denen im Übrigen ja auch bereits Ermittlungsergebnisse erzielt wurden) im Falle der Fortführung oder Wiedereröffnung keine Berücksichtigung finden. Es wird daher vorgeschlagen, an Stelle des Neubeginns der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens nach Fortführung oder Wiedereröffnung vorzusehen, dass die bereits begonnene Frist nach Wegfall der Einstellung (die auch in diesem Fall um jene nach § 192 StPO ergänzt werden soll) bzw. Abbrechung weiterlaufen soll. Damit sollen Beschuldigte, deren Verfahren abgebrochen bzw. eingestellt und dann fortgeführt bzw. wiedereröffnet wurden, jenen Beschuldigten, bei denen es nicht zu derartigen Verfahrensunterbrechungen kommt, im Hinblick auf die Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens gleichgestellt werden. Zudem dient die vorgeschlagene Lösung der Gewährleistung des Grundsatzes der beschleunigten Führung von Strafverfahren.

III. Änderungen im Bereich der Sicherstellung, Beschlagnahme, Ausfolgung und Verwertung:

Allgemeines zu den Änderungen in Z 23, Z 34 bis Z 36, Z 39, Z 42, Z 45 bis Z 48, Z 69 bis Z 71, Z 72 und Z 73 (§ 69 Abs. 3, § 109 Z 1 lit. a und lit. b und Z 1a, § 110 Abs. 3, § 111 Abs. 3, § 113 Abs. 2 und 4, § 114 Abs. 1, 1a und 2, § 115 Abs. 1, § 115a Abs. 1, § 115e Abs. 1 und 2, §§ 367 bis 369, § 373b, § 377, § 379, § 408 Abs. 2 und § 444 Abs. 2 StPO):

Die fortschreitende technische Entwicklung stellt die Strafverfolgungsbehörden in vielen Bereichen vor große Herausforderungen. Um auf diese adäquat reagieren zu können, haben sowohl das Bundesministerium für Justiz als auch das Bundesministerium für Inneres Maßnahmen zur Stärkung der Strafverfolgungsbehörden getroffen; rezent wurde unter anderem im Bereich der Justiz zur Bekämpfung von Cyberkriminalität organisatorische Maßnahmen wie die Einrichtung von Kompetenzstellen in den Staatsanwaltschaften mit Sonderreferentinnen bzw. –referenten und Kontakt- und Verbindungsstellen sowie ein Cybercrime-Qualitätszirkel etabliert. In diesem Rahmen sind Erfahrungen und Reformvorschläge (auch der Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, StAV) an das Bundesministerium für Justiz herangetragen worden. Einige legistische Anregungen zu Anpassungen im Bereich der Sicherstellung, Beschlagnahme, Ausfolgung und Verwertung sollen bereits mit diesem Antrag unter Berücksichtigung aktueller Rechtsprechung und Literatur vorgenommen werden. Damit soll zum einen der technischen Entwicklung Rechnung getragen und zum anderen die Terminologie und Systematik der StPO in diesem Bereich vereinheitlicht werden, wodurch die Gesetzesbestimmungen insgesamt moderner und besser verständlich werden sollen.

Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll insbesondere von der bislang zum Teil bestehenden Gegenstandsbezogenheit der Bestimmungen über die Sicherstellung, Beschlagnahme, Ausfolgung und Verwertung abgegangen und das System breitflächig um (auch immaterielle) Vermögenswerte ergänzt werden.

Durch die geschaffene Legaldefinition des ‚Vermögenswertes’ in § 109 Z 1a StPO soll in Umsetzung von Art. 3 Z 2 der Richtlinie 2024/1260/EU über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten, ABl. Nr. L 1260 vom 24.04.2024 S 1, europarechtlichen Vorgaben entsprochen und der Begriff der Vermögenswerte klar, umfassend und technologieneutral in die StPO eingeführt werden. Insbesondere soll die Legaldefinition der Sicherstellung in § 109 Z 1 lit. a StPO und die Regelung der Beschlagnahme in § 115 Abs. 1 StPO um diesen Begriff der Vermögenswerte erweitert werden, um unter anderem die Sicherstellung (und allfällige Beschlagnahme samt nachfolgender Verwertung) von digitalen Kryptowerten zu ermöglichen. Darüber hinaus soll eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die bisher nicht explizit gesetzlich verankerte Möglichkeit der effektiven Sicherung von (iS der Rechtszuordnung an) Kryptowerten durch deren Übertragung auf behördeninterne Infrastruktur der Kriminalpolizei (ein sog. behördeninternes Wallet; § 114 Abs. 1a StPO) geschaffen werden.

Mit der Einführung des Begriffs des ‚Vermögenswertes’ in § 109 Z 1a StPO und der Ergänzung von § 109 Z 1 lit. a, § 110 Abs. 3, § 113 Abs. 2, § 114 Abs. 1 und 2, § 115 Abs. 1 und § 115e Abs. 2 StPO um diesen Begriff ebenso wie mit der Schaffung einer einer eigenen Regelung für Kryptowerte in § 114 Abs. 1a StPO sollen Art. 3 Z 2, Art. 4 und Art. 11 der Richtlinie 2024/1260/EU umgesetzt werden. Weiters dienen die Ergänzung von § 69 Abs. 3, § 114 Abs. 2, § 367 und § 379 StPO um Vermögenswerte der Verbesserung der Opferrestitution und damit der Umsetzung von Art. 18 der Richtlinie. Zudem wird Art. 19 Abs. 1 dieser Richtlinie durch die Ergänzung in § 408 Abs. 2 StPO umgesetzt.

Schließlich sollen auch Bestimmungen über die Ausfolgung und Verwertung von Gegenständen und Vermögenswerten, insbesondere betreffend die Ausfolgung an Opfer, deren Eigentumsverhältnisse unzweifelhaft feststehen, modernisiert und in verständlicher Weise neu gefasst werden.

Zu Z 23, Z 34 bis Z 36, Z 39, Z 42, Z 45 bis Z 47 (§ 69 Abs. 3, § 109 Z 1 lit. a und lit. b und Z 1a, § 110 Abs. 3, § 111 Abs. 3, § 113 Abs. 2 und 4, § 114 Abs. 1, 1a und 2, § 115 Abs. 1 und § 115e Abs. 1 und 2 und § 379 StPO):

Sicherstellung ist gemäß § 109 Z 1 lit. a StPO ‚die vorläufige Begründung der Verfügungsmacht über Gegenstände’. Mit ‚Gegenstände’ sind bewegliche körperliche Sachen gemeint (EBRV des Strafprozessreformgesetzes 25 BlgNR 22. GP, Flora in Fuchs/Ratz, WK StPO § 109 Rz 2).

Vermögenswerte sind von § 109 Z 1 lit. a StPO nicht umfasst; diese können vielmehr nach § 109 Z 1 lit b StPO mittels Drittverbot, also dem vorläufigen Verbot der Herausgabe an Dritte, oder mittels vorläufigem Veräußerungs- oder Verpfändungsverbot sichergestellt werden. Dies führt dazu, dass die Sicherstellung von immateriellen Vermögenswerten nur verlässlich durchgeführt wurden kann, wenn auch tatsächlich ein valider Dritter vorhanden ist, dem gegenüber das entsprechende Dritt- oder Veräußerungs- und Verpfändungsverbot wirksam ausgesprochen werden kann (Leitfaden Vermögensrechtliche Anordnungen des BMJ, eJABl Nr. 71/2020, S. 108). Gerade die Erfahrungen mit virtuellen Währungen zeigen jedoch, dass dies oftmals nicht der Fall ist. Können Drittverbote allenfalls noch zuverlässig gegen Exchange‑Plattformen oder Walletbetreibern mit Sitz im Inland oder zumindest innerhalb der EU ausgesprochen werden, geht dies bei ausländischen Dritten weitgehend ins Leere.

Die bisherige Gegenstandsbezogenheit des § 109 Z 1 lit. a StPO soll daher nunmehr aufgebrochen werden. Da eine Differenzierung im Vorgehen aufgrund obiger Erwägungen nicht mehr angebracht erscheint, soll die Bestimmung um den Begriff des ‚Vermögenswerts’ ergänzt werden (s. dazu unten zur Definition in§ 109 Z 1a StPO).

Der im Vergleich zur bisherigen Rechtslage zusätzliche und weitergehende Begriff des Vermögenswertes, der im Übrigen auch werthaltige Gegenstände einschließt, soll zu diesem Zweck in einem neu eingeführten § 109 Z 1a StPO definiert werden. Die Legaldefinition orientiert sich dabei an der Definition von ‚property’ bzw. ‚Vermögensgegenstände’ in Art. 3 Z 2 der Richtlinie 2024/1260/EU, der für die Zwecke der Sicherstellung und Beschlagnahme von einem durchaus weiten Begriffsverständnis ausgeht (vgl. deren Erwägungsgrund 12). Demnach sollen darunter ‚Vermögensgegenstände jeder Art, körperliche oder unkörperliche, bewegliche oder unbewegliche, einschließlich Kryptowerte sowie Urkunden oder rechtserhebliche Schriftstücke, die das Recht auf solche Vermögensgegenstände oder Rechte daran belegen’, fallen. Zur besseren Abgrenzung vom derzeitigen Begriff des Gegenstands in § 109 Z 1a StPO und damit zur Vermeidung von Unklarheiten soll der Begriff des Vermögensgegenstands der Richtlinie 2024/1260/EU nicht unmittelbar, sondern in Form des Begriffs des Vermögenswerts umgesetzt werden. Trotz einer unvermeidlichen Schnittmenge zwischen Gegenständen und Vermögenswerten verbleibt in jedem Fall ein (Rest-)Anwendungsbereich für den Begriff des (bloßen) Gegenstands, wie etwa in jenen Fällen, in denen der Gegenstand mangels Marktwerts bzw. wirtschaftlichen Tauschwerts keinen Vermögenswert darstellt, aber durchaus als Beweismittel (§ 110 Abs. 1 Z 1 StPO) erforderlich ist (z. B Tatwerkzeuge, Spuren auf wertlosen wie z.B. zerbrochenen oder defekten Gegenständen etc). Ein ‚Datenträger’ fällt jedenfalls in die Definition des § 109 Z 1a StPO (sei es als wertloser Gegenstand, sei es als werthaltiger körperlicher Vermögenswert; s, dazu auch zu Z 35).

Für die Definition von Kryptowerten ist die in Art. 6 Abs. 3 lit. j der Richtlinie 2024/1260/EU genannte Verordnung 2023/1113/EU über die Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers und Transfers bestimmter Kryptowerte und zur Änderung der Richtlinie 2015/849/EU maßgeblich, die wiederum in ihrem Art. 3 Z 14 auf die Definition in Art. 3 Abs. 1 Z 5 der Verordnung 2023/1114/EU über Märkte für Kryptowerte und zur Änderung der Verordnungen 2010/1093/EU und 2010/1095/EU sowie der Richtlinien 2013/36/EU und 2019/1937/EU verweist.

Demnach ist unter ‚Kryptowert’ eine digitale Darstellung eines Werts oder eines Rechts, der bzw. das unter Verwendung der Distributed-Ledger-Technologie oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden kann, zu verstehen. Der Begriff des ‚Kryptowerts’ ist in den neueren Rechtssetzungsakten der EU damit zum gebräuchlichen terminus technicus geworden (vgl. bisher zum Begriff der ‚virtuellen Währung’ Art. 2 der der Richtlinie 2019/713/EU zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit bargeldlosen Zahlungsmitteln und iW deckungsgleich in § 27b Abs. 4 EStG sowie § 2 Z 21 FM-GwG, wonach eine ‚Kryptowährung’ bzw. ‚virtuelle Währung’ eine digitale Darstellung eines Werts ist, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurde oder garantiert wird und nicht zwangsläufig an eine gesetzlich festgelegte Währung angebunden ist und die nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzt, aber von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert wird und die auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann.).

Eine ähnliche Formulierung findet sich bereits in der Bestimmung des § 165 Abs. 6 StGB, welche der Umsetzung der Richtlinie 2018/1673/EU über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche dient und darüber hinaus bereits virtuelle Währungen anführt (§ 165 Abs. 6 StGB: ‚Vermögensbestandteile sind Vermögenswerte aller Art, ob körperlich oder unkörperlich, beweglich oder unbeweglich, materiell oder immateriell, und Rechtstitel oder Urkunden in jeder – einschließlich elektronischer oder digitaler – Form, die das Eigentumsrecht oder Rechte an solchen Vermögenswerten belegen, weiters Einheiten virtueller Währungen und die auf diese entfallenden Wertzuwächse oder durch diese belegte Rechte, nicht aber bloße Ersparnisse, wie etwa nicht eingetretene Wertverluste, Forderungsverzichte oder ersparte Aus- und Abgaben.’). Virtuelle Währungen sind im Übrigen auch in der Definition des unbaren Zahlungsmittels in § 74 Abs. 1 Z 10 StGB enthalten, nämlich als digitale Tauschmittel (vgl. Umsetzung von Art. 2 lit. c der Richtlinie zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln, Erlass des BMJ vom 13. Dezember 2021, eJABl Nr. 30/2021).

Hinsichtlich des Urkundenbegriffs ist ebenso ein weites Begriffsverständnis anzulegen, sodass davon nicht bloß schriftliche Urkunden iSd § 74 Abs. 1 Z 7 StGB umfasst sind; der Begriff der ‚Urkunde’ ist vielmehr richtlinienkonform weit auszulegen, sodass davon auch elektronische und digitale Urkunden erfasst sind (vgl. in diesem Sinne auch die Konkretisierung des Urkundenbegriffs in § 165 Abs. 5 StGB und Erwägungsgrund 12 der Richtlinie 2024/1260/EU: ‚Um Vermögensgegenstände zu erfassen, die umgewandelt und übertragen werden könnten, um ihre Herkunft zu verschleiern, und im Interesse der Harmonisierung und Klarheit der Begriffsbestimmungen in der Union, sollte der Begriff ‚Vermögensgegenstände‘, die sichergestellt und eingezogen werden können, weit gefasst werden. Er sollte Rechtstitel oder Urkunden, auch in elektronischer oder digitaler Form, umfassen, die das Eigentum oder die Beteiligung an sichergestellten oder eingezogenen Vermögensgegenständen belegen, einschließlich beispielsweise Finanzinstrumente, Trusts oder Schriftstücke, die Ansprüche von Gläubigern begründen können und sich in der Regel im Besitz der von den einschlägigen Verfahren betroffenen Person befinden. Diese Richtlinie lässt die bestehenden nationalen Verfahren zur Aufbewahrung rechtserheblicher Schriftstücke oder Urkunden, die das Recht auf Vermögensgegenstände oder Rechte daran belegen, unberührt, da sie von den zuständigen nationalen Behörden oder öffentlichen Stellen nach Maßgabe des nationalen Rechts angewandt werden. Die Begriffsbestimmung ‚Vermögensgegenstände‘ sollte alle Formen von Vermögensgegenständen, einschließlich Kryptowerten, umfassen.’

Auch deswegen ist es angebracht, das Strafprozessrecht, welches der Durchsetzung des materiellen Strafrechts dient, zeitnah und umfassend anzupassen und ausdrücklich auch um Kryptowerte zu ergänzen. Die Begründung der Verfügungsmacht über Vermögenswerte, gemäß § 109 Z 1 lit. a StPO, kann auf unterschiedliche Weise, je nach Art des Vermögenswertes erfolgen; dabei ist maßgeblich, dass durch die gewählte Form der Vermögenswert vor unrechtmäßigem Zugriff von dritter Seite geschützt und der Vermögenswert für privatrechtliche Ansprüche oder vermögensrechtliche Anordnungen erhalten wird: Für körperliche Vermögenswerte und körperliche Urkunden wird dabei wie bisher vorzugehen sein. Bei unkörperlichen Vermögenswerten wie Forderungsrechten stehen mehrere Wege zur Übertragung der Rechte und damit der Verfügungsmacht auf die Strafverfolgungsbehörden offen. Auch bei Kryptowerten handelt es sich um unkörperliche Vermögenswerte, die einer Person zugordnet werden können (Bernt, Kryptostrafrecht 101: zur strafrechtlichen Relevanz von Krypto-Assets, ÖJZ 2021/119, Vonkilch/Knoll, Bitcoins und das Sachenrecht des ABGB, JBl 2019, 139ff; Rassi, Exekution auf Internetrechte nach GREx., ecolex 2021/698; vgl. auch Leitfaden Vermögensrechtliche Anordnungen des BMJ, eJABl Nr. 71/2020, S. 107f). Da aufgrund des Vorhandenseins von Kopien von Schlüsseln Zugriffsmöglichkeiten von dritter Seite auf Kryptowerte drohen, wird in der Regel eine Sicherstellung durch Transfer auf ein sog. ‚Behördenwallet’ durchzuführen sein (siehe dazu auch unten zu § 114 Abs. 1a StPO). Anleihe kann beispielsweise beim Vorgehen zur Exekution auf Vermögensrechte nach § 326 EO genommen werden, wobei zu den Vermögensrechten de lege lata auch Rechte aus virtuellen Währungen zählen (§ 326 Abs. 1; siehe auch unten bei § 377 StPO).

Für Liegenschaften und Rechte, die in einem öffentlichen Buch eingetragen sind (wie beispielsweise im Grund- oder Firmenbuch) kommt weiterhin nur Beschlagnahme gemäß. § 109 Z 2 lit. b StPO in Betracht (§ 109 Z 2 lit. b StPO ist die lex specialis, Tipold/Zerbes; Flora in Fuchs/Ratz, WK StPO § 109 (Stand 13.11.2017, rdb.at) Rz 2; vgl. auch Leitfaden Vermögensrechtliche Anordnungen des BMJ, eJABl Nr. 71/2020, S. 108f über die Sicherstellung und Beschlagnahme von Geschäftsanteilen einer GmbH).

Die Bestimmung des § 109 Z 1 lit. b StPO, welche schon bisher die Möglichkeit der Auferlegung eines Drittverbots und das Veräußerungs- und Belastungsverbot als Sicherungsmittel in Bezug auf Gegenstände und Vermögenswerte normiert, bleibt von den vorgeschlagenen Änderungen unberührt. Es wird lediglich aus Gründen des Gleichklangs vorgeschlagen, nunmehr anstelle des Begriffs ‚Werte’ ebenso den Begriff des ‚Vermögenswerts’ zu verwenden.

Für Gegenstände stehen schon derzeit beide Möglichkeiten des § 109 Z 1 StPO offen: neben der vorläufigen Begründung der Verfügungsmacht (lit. a) können diese auch mittels Drittverbot oder Veräußerungs- und Verpfändungsverbot (lit. b) sichergestellt werden. Ist also ein valider Dritter vorhanden, wird aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgebots des § 5 StPO wohl regelmäßig mit Sicherstellung in Form eines Drittverbots vorzugehen sein (wie zB konzessionierte Kredit- oder Finanzinstitute, bei einem im Inland bei der FMA registrierten Dienstleister in Bezug auf virtuelle Währungen etc).

Durch die Ergänzung der Definition der Sicherstellung in § 109 Z 1 lit. a StPO um den Begriff der ‚Vermögenswerte’ werden auch mehrere Folgeanpassungen im System der Sicherstellung und Beschlagnahme notwendig, nämlich u.a. bei der Eigenkompetenz der Kriminalpolizei zur Sicherstellung von Gegenständen und Vermögenswerten nach § 110 Abs. 3 StPO und folglich auch in § 113 Abs. 2 und 4 StPO, damit diese insb. Kryptowerte rasch auch aus Eigenem sicherstellen können. Entsprechende Ergänzungen sollen auch in § 111 Abs. 3, § 114 Abs. 1 und 2 und § 115e Abs. 2 StPO, bei der Ausfolgung in § 69 Abs. 3 und §§ 367 bis 369 StPO und den Bestimmungen der § 377, § 408 Abs. 2 und § 444 Abs. 2 StPO erfolgen.

Bislang sind in § 115 Abs. 1 StPO, der die Zulässigkeit der Beschlagnahme regelt, nur Gegenstände, nicht aber auch ausdrücklich Vermögenswerte genannt, wobei iW unbestritten ist, dass auch Vermögenswerte beschlagnahmt werden können (Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz, WK StPO § 115 Rz 1). Der OGH hat zuletzt in seiner Entscheidung 14 Os 137/22m darin eine planwidrige Lücke erkannt. Der OGH zeigt in der Entscheidung auf, zu welchen Ergebnissen die aktuelle Differenzierung zwischen Gegenständen auf der einen Seite und unkörperlichen Vermögenswerten, wie bspw. Forderungen gegenüber einem Bankinstitut (Bankguthaben), führen kann. Da sich derzeit die Beschlagnahme in § 115 Abs. 1 StPO lediglich auf Gegenstände und andere Vermögenswerte bezieht, kann auch ein sonstiger Vermögenswert – z. B. ein Bankguthaben – beschlagnahmt werden. Die Beschlagnahme erfolgt jedoch nur bei Gegenständen durch die Begründung von Verfügungsmacht. Bei anderen Vermögenswerten kommt nur das Drittverbot (oder Verbot der Veräußerung/Verpfändung) in Betracht, weil in § 109 Z 1 lit. a StPO nur Gegenstände, nicht aber Vermögenswerte genannt sind. Eine Übertragung auf ein behördliches Konto kommt dzt. bei Bankguthaben somit auf Basis der geltenden Rechtslage nicht in Betracht (ebenso wenig wie eine analoge Anwendung von § 114 Abs. 2, § 69 Abs. 3 und § 367 StPO), womit sich auch die Frage der Ausfolgung beschlagnahmter Bankguthaben an Privatbeteiligte erübrigt.

Es wird daher vorgeschlagen, neben § 115 Abs. 1 StPO auch in den Bestimmungen über die Rückgabe an Opfer in § 69 Abs. 3, § 367 und § 368 StPO eine Ergänzung um Vermögenswerte vorzunehmen. Damit soll es ermöglicht werden, nach der Regelung über die privatrechtlichen Ansprüche des § 69 Abs. 3 StPO sowohl Gegenstände, als auch (andere) Vermögenswerte in den (iW unstrittigen) Konstellationen, ausfolgen zu können, in denen dies schon bisher für Gegenstände möglich ist (s. im Weiteren auch die Ausführungen zu Z 69, § 367 und § 368 StPO).

Werden Kryptowerte in jener Form sichergestellt, in welcher das Opfer diese in die Sphäre des Täters überführt hat, so soll daher nicht zwangsläufig eine Umwandlung in Fiat-Währungen stattfinden müssen, sondern sollen diese auch in der Ursprungsform dem Opfer rücküberführt werden können. Damit sollen im Einzelfall etwaige Spekulationshandlungen ausgeräumt werden und Umwandlungsgebühren entfallen sowie das Problem bezüglich Kursgewinne bzw. -verluste minimiert werden.

Zu Z 46 (§ 114 Abs. 1a):

§ 114 Abs. 1 StPO regelt die Verwahrung sichergestellter Gegenstände und legt die Zäsur in der Verantwortung für die sichergestellten Gegenstände fest. Bis zur Berichterstattung hat die Kriminalpolizei dafür zu sorgen, danach die Staatsanwaltschaft. Damit wird nur die Verantwortlichkeit für die Verwahrung geregelt, aber nicht der Verwahrungsort. Es ist durchaus möglich, die Gegenstände – aus verfahrensökonomischen Gründen – am selben Verwahrungsort, etwa bei der Sicherheitsbehörde, zu belassen, auch wenn mittlerweile eine Beschlagnahme erfolgt ist (Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz, WK StPO § 114 Rz 2 f.).

Dieses Grundkonzept soll beibehalten und um Vermögenswerte ausgedehnt werden, wobei praktische Auswirkungen v.a. den Bereich der Verwahrung von Kryptowährungen (s. bereits oben bei Z 37) betreffen werden.

In der Praxis hat es sich bewährt, Kryptowährungen auf ein sog. ‚Behördenwallet’ der Kriminalpolizei zu transferieren, um einen Fernzugriff auf diese zu unterbinden (und überdies in weiterer Folge bei hoher Volatilität eine vorzeitige Verwertung nach § 115e StPO in die Wege zu leiten). Durch den Transfer auf ein ‚Behördenwallet’ wird letztlich eine Verfügungsmacht über die Kryptowährung begründet. Aufgrund der ‚Gegenstandsbezogenheit’ der Bestimmung des § 109 Z 1 StPO wurde aber argumentiert, dass für eine Begründung von Verfügungsmacht ein körperlicher Anknüpfungspunkt vorhanden sein müsse (sei es in Form eines ‚Hard wallet’, zB eines USB-Sticks, auf dem die Passwörter gespeichert sind, in Form eines Blatt Papiers, auf dem der key oder QR–Code notiert bzw. gedruckt ist oder ein Laptop).

Für diesen Sonderfall der Begründung von Verfügungsmacht (§ 109 Z 1 lit. a StPO) soll in einem neuen § 114 Abs. 1a StPO eine eigene Rechtsgrundlage für diese Vorgehensweise geschaffen werden, die den technischen Gegebenheiten und Bedürfnissen der Strafverfolgungsbehörden Rechnung tragen und für Rechtssicherheit bei den Anwendern bzw. Anwenderinnen sorgen soll. Die vorgeschlagene, bewusst technologieneutral gehaltene, Formulierung soll daher vorsehen, dass sichergestellte Kryptowerte auf eine behördeneigene Infrastruktur der Kriminalpolizei zu übertragen und dort zu verwahren sind. Da es sich bei blockchainbasierten Kryptowährungen um dezentrale und damit vor Manipulation geschützten Datenbanken handelt und der Transfer der gesamten Datenbank oder des Eintrags aus technischer Sicht nicht durchführbar ist, kann die Kriminalpolizei unter bestimmten Voraussetzungen (zB bekannter Private Key bzw. Wallet Passwort oder Seed- Phrase des Betroffenen) eine Transaktion in der jeweiligen dezentralen Datenbank durchführen (und auf diese Weise die Verfügungsmacht begründen) und sodann auf behördeneigener Infrastruktur der Kriminalpolizei den neuen Private Key bzw. das Wallet Passwort oder die Seed-Phrase speichern.

Soweit dies aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderlich ist, soll die Staatsanwaltschaft anordnen können, dass die Verwahrung von Kryptowerten auch nach der Berichterstattung durch die Kriminalpolizei erfolgt. Der zweite Satz des vorgeschlagenen § 114 Abs. 1a StPO soll die Anordnungsbefugnis der Staatsanwaltschaft (§ 102, § 103 StPO) zur weiteren Verwahrung konkretisieren und die zweckmäßige Möglichkeit der Verwahrung durch die Kriminalpolizei (idR durch das bewährte und spezialisierte Cybercrime Competence Center C4 des Bundeskriminalamts) bis zur (vorzeitigen) Verwertung verankern.

Überdies soll die Möglichkeit der vorzeitigen Verwertung gemäß § 115e StPO (siehe die vorgeschlagenen Änderungen in Z 53) um den Bereich der Kursschwankungen ausdrücklich ausgedehnt und durch die rasche Verwertung in Euro auch der in der Praxis Probleme bereitende Fall der Über- oder Untersicherung durch Kryptowerte abgemindert werden.

Zu Z 47 (§ 115a Abs. 1 StPO):

Das Rechtsinstitut der Verwertung sichergestellter oder beschlagnahmter Vermögenswerte wurde mit dem Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl. I Nr. 52/2009, eingeführt (siehe ausführlich EBRV 113 BlgNR 24. GP 39 bis 43). Seit 1.1.2010 sehen § 115a bis § 115d StPO für manche Vermögenswerte, nämlich für Geldbeträge, Geldforderungen und Wertpapiere, ein besonderes subsidiäres zweistufiges Verwertungsverfahren vor. Es findet statt, wenn über das endgültige rechtliche Schicksal von einzeln bezeichneten, voraussichtlich dem Verfall oder dem erweiterten Verfall unterliegenden Vermögensgegenständen mangels Ausforschbarkeit des Beschuldigten oder allenfalls berechtigter Personen nicht entschieden werden kann, was die Abbrechung des Verfahrens (§ 197 StPO) zur Folge hat (Oshidari in Fuchs/Ratz, WK StPO § 115a (Stand 1.4.2013, rdb.at) Rz 1).

Sachliche Gründe für eine Beibehaltung der Einschränkung dieses Verwertungsverfahrens für die derzeit in § 115a Abs. 1 StPO geregelten besonderen Konstellationen für Geldbeträge, Geldforderungen und Wertpapiere liegen nicht vor. Da nicht zuletzt bereits nach der geltenden Rechtslage die Überschrift des § 115a StPO weiter gefasst ist als der Text der Gesetzesbestimmung und schon derzeit die Verwertung sichergestellter oder beschlagnahmter ‚Vermögenswerte’ umfasst, soll aus gegebenem Anlass der Gesetzestext künftig ausdrücklich sämtliche Vermögenswerte umfassen.

Zu Z 48 (§ 115e Abs. 1 StPO):

§ 115e Abs. 1 StPO normiert drei Fälle, in denen eine frühzeitige Verwertung eines zur Sicherung vermögensrechtlicher Anordnungen sichergestellten oder beschlagnahmten Gegenstandes oder Vermögenswerts zulässig ist: ein rascher Verderb, eine erhebliche Wertminderung und außer Verhältnis zu geraten drohende Kosten der Aufbewahrung.

Mit der Ergänzung der Wortfolge ‚oder Wertschwankung’ in § 115e Abs. 1 erster Satz StPO soll klargestellt werden, dass das Gericht nicht nur bei erheblichen Wertminderungen, sondern auch bei erheblichen Wertschwankungen von sichergestellten (§ 110 Abs. 1 Z 3 StPO) oder beschlagnahmten (§ 115 Abs. 1 Z 3 StPO) Gegenständen oder Vermögenswerten eine vorzeitige Verwertung nach § 115e StPO über Antrag der Staatsanwaltschaft vornehmen können soll (§ 115e Abs. 3 StPO).

Eine erhebliche Wertschwankung schließt eine erhebliche Wertminderung zwar bereits begrifflich ein (vgl. u.a. Definition für ‚Schwanken’ im Duden, nämlich sich auf und nieder bewegen sowie nicht stabil sein), d.h. schon bisher wäre z.B. bei erheblicher Volatilität von Wertpapieren oder virtuellen Währungen eine vorzeitige Verwertungsmöglichkeit nach § 115e StPO gegeben. Aufgrund wahrgenommener Vorbehalte der Praxis soll mit der vorgeschlagenen Ergänzung auch gesetzlich klargestellt werden, dass ein erhebliches Fluktuieren des Wertes ebenso die Verwertungsmöglichkeit eröffnet, weil ein ausschließlich lineares Sinken von Kursen nur streckenweise den Marktentwicklungen entsprechen wird. Erhebliche Wertschwankungen sollen aber genauso einen relevanten Risikofaktor für die Befriedigung eines zulässigen staatlichen Vermögensanspruchs (durch Anordnung einer vermögensrechtlichen Maßnahme) aus dem sichergestellten bzw. unter einem beschlagnahmten (vgl. § 115e Abs. 3 StPO) Gegenstand oder Vermögenswert darstellen und daher zu dessen Sicherung die vorzeitige Verwertung eingeleitet werden können. Das Gericht hat nämlich sowohl im öffentlichen Interesse als auch im Interesse des bzw. der Betroffenen als Ausfolgungsberechtigten für den Fall, dass eine vermögensrechtliche Anordnung letztlich unterbleibt, dafür Sorge zu tragen, dass der Wert des sichergestellten oder beschlagnahmten Deckungsstocks so weit wie möglich erhalten bleibt (vgl. VfGH 12.12.2016, G 63/2016 Rz 52).

Aus grundrechtlicher Sicht ist anzumerken, dass sich der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 12.12.2016, G 63/2016, mit der Bestimmung des § 115e Abs. 1 StPO (konkret zum dritten Fall des § 115e Abs. 1 StPO) auseinandergesetzt und darin keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums (Art. 5 StGG, Art. 1 1. ZPEMRK) oder der gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK gewährleisteten Unschuldsvermutung erkannt hat, weil der konkrete Eigentumseingriff im öffentlichen Interesse an einer effizienten Strafverfolgung liegt und kein Absprechen über die Schuld oder Unschuld der von der Veräußerung betroffenen Person darstellt.

Schließlich soll die vorzeitige gerichtliche Verwertung einerseits die Effektivität vermögensrechtlicher Anordnungen sicherstellen, andererseits aber auch den (potenziell zu Unrecht) von der Veräußerung Betroffenen bzw. die solcherart Betroffene vor vermeidbaren (Wert-)Verlusten schützen. Die Verwertungsmöglichkeit dient damit auch der Hintanhaltung der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen betroffener Personen im Hinblick auf die letztlich oft ungewisse Dauer eines Strafverfahrens und den somit ausschlaggebenden Zeitpunkt für die endgültige Verwertung (§ 377, § 408 StPO).

Die Erheblichkeit wird wie bisher im Einzelfall aufgrund einer relativen Betrachtungsweise zu beurteilen sein (Oshidari in Fuchs/Ratz, WK StPO § 115e Rz 7; siehe auch zur erheblichen Wertminderung in der parallelen Bestimmung des § 207 FinStrG, Lässig in Höpfel/Ratz, WK2 FinStrG § 207 Rz 4; vgl. die Bestimmung in der deutschen StPO zu ‚Notveräußerungen’ in § 111p dStPO; vgl. außerdem zu ähnlich anzustellenden Überlegungen bei der Verwaltung von Mündelgeld in § 220 ABGB). Die Wertschwankung ist daher in den Kontext des entsprechenden Wirtschaftsverkehrs zu setzen, wobei beispielsweise die historische Schwankungsbreite mit Blick auf den Zeitpunkt der Sicherstellung der Vermögenswerte, die Vorhersehbarkeit bzw. Erwartbarkeit weiterer relativ hoher Kursschwankungen im Laufe der voraussichtlichen Aufbewahrungsdauer und das Risiko eines letztlich verringerten Haftungsfonds für die Sicherungsansprüche des Bundes für vermögensrechtliche Anordnungen abzuwägen wären. Auf die Möglichkeit der Bestellung eines Sachverständigen (§ 125 Z 1 StPO) wird hingewiesen.

Der Verfahrensablauf und die Rechte der Betroffenen bleiben unverändert: Die Verwertung hat daher solange zu unterbleiben, als die Gegenstände für Beweiszwecke benötigt werden (§ 115e Abs. 1 letzter Satz StPO). Zur Wahrung ihrer Rechte sind betroffene Personen (§ 48 Abs. 1 Z 4 StPO) vor der Veräußerung zu verständigen (siehe § 115e Abs. 2 StPO mit der Möglichkeit der Schaltung eines Edikts) und der Erlös tritt an die Stelle der veräußerten Vermögenswerte (§ 115e Abs. 2 StPO). Unberührt davon bleibt auch die Bestimmung des § 115 Abs. 5 StPO, wonach im Falle der Beschlagnahme zur Sicherung des Verfalls (§ 20 StGB) oder des erweiterten Verfalls (§ 20b StGB) im Beschluss ein Deckungsbetrag festzusetzen ist, bei dessen Erlag die Beschlagnahme aufzuheben ist.

Allgemeines zu Z 69 bis Z 71, Z 72 und Z 73 (§§ 367 bis 369, § 373b, § 377, § 408 Abs. 2 und § 444 Abs. 2 StPO):

Aus Anlass der eingangs genannten Ergänzung der Bestimmungen der Sicherstellung und Beschlagnahme um (auch immaterielle) Vermögenswerte sollen in den Bezug habenden Bestimmungen im 17. und 19. Hauptstück der StPO nicht nur entsprechende Folgeanpassung vorgenommen, sondern diese (die zT noch auf Formulierungen der Strafprozeßordnung 1873 beruhen) auch sprachlich modernisiert sowie systematisch und besser verständlich formuliert werden.

Zu Z 69 (§§ 367 bis 369 StPO):

Zu § 367 und § 368 StPO:

§ 367 Abs. 1 StPO regelt in seiner geltenden Fassung zwei Fälle, nämlich einerseits den Fall der Ausfolgung von beschlagnahmten Gegenständen des (mutmaßlichen) Opfers an dieses nach Rechtskraft des Urteils und als Sonderfall die Ausfolgung vor Rechtskraft des Urteils mit Zustimmung des Beschuldigten; Abs. 2 leg. cit. hingegen umfasst die Ausfolgung nach Rechtskraft anhand der Kriterien des § 367 Abs. 2 Z 1 und Z 2 StPO. Auch bei der Ausfolgung von Gegenständen mit Zustimmung des Angeklagten (Sonderfall in Abs. 1) sind aber ebenfalls die Kriterien nach Abs. 2 relevant: So ist etwa eine Ausfolgung mit Zustimmung des Angeklagten auch dann nicht möglich, wenn der Gegenstand noch als Beweismittel nach Abs. 2 Z 1 StPO erforderlich ist (Spenling in Fuchs/Ratz, WK StPO § 367 Rz 17).

Wie bereits bei der Sicherstellung soll sich auch die Rückstellung an Opfer künftig sowohl auf Gegenstände als auch auf Vermögenswerte erstrecken. Zur besseren Verständlichkeit wird zudem vorgeschlagen, § 367 StPO in zwei verschiedene Phasen zu teilen und in Abs. 1 nur mehr den Fall der Ausfolgung nach Rechtskraft und Abs. 2 nur den Fall der Ausfolgung vor Rechtskraft des Urteils zu regeln. Dem Opfer soll diesbezüglich auch weiterhin (vgl. aaO) ein Antragsrecht zukommen, die Ausfolgung aber auch von Amts wegen eingeleitet werden können. Wie bisher sind vor der Ausfolgung vor Rechtskraft die übrigen Beteiligten (vgl.§ 210 Abs. 2 StPO) zu hören, wobei die Zustimmung des Beschuldigten auch weiterhin im Rahmen der Anhörung eingeholt werden kann (vgl. derzeit § 367 Abs. 1 zweiter Satz StPO).

Kritik im Rahmen des Begutachtungsverfahrens aufgreifend, wonach infolge des Anhörungsrechts des Beschuldigten eine Aushändigung von Vermögenswerten in solchen Fällen nicht möglich sei, in denen die Täterinnen bzw. Täter langfristig nicht aufgeforscht werden können und dies in der Praxis oft zu unbefriedigenden Situationen führe, in denen trotz eindeutiger Zuordenbarkeit trotzdem keine Opferrestitution erfolgen könne, soll durch Aufnahme der an § 111 Abs. 4 StPO angelehnten Wendung ‚soweit möglich’ in § 367 Abs. 2 StPO klargestellt werden, dass sich das Anhörungsrecht nur auf bekannte und tatsächlich ausgeforschte Täterinnen bzw. Täter bezieht. Bei durchwegs unbekannter Täterinnen bzw. Tätern kann schließlich auch die Informationspflicht über eine erfolgte Sicherstellung (§ 111 Abs. 4 erster Satz StPO) nicht effektuiert werden. Konsequenterweise soll auch ein Anhörungsrecht vor einer Rückstellung des Gegenstands oder Vermögenswerts an das Opfer die Rückstellung nicht auf unbestimmte Zeit blockieren können.

Im Falle der Rückstellung an das Opfer soll - im Einklang mit Art. 18 Abs. 4 der Richtlinie 2024/1260/EU (‚Hat ein Opfer Anspruch auf die Rückgabe von Vermögensgegenständen, die Gegenstand einer Einziehungsmaßnahme nach dieser Richtlinie sind oder werden könnten, so treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um die betreffenden Vermögensgegenstände unter den in Artikel 15 der Richtlinie 2012/29/EU genannten Bedingungen an das Opfer zurückzugeben.’) und unter Beachtung des dort genannten Art. 15 der RL 2012/29/EU (‚Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die im Rahmen des Strafverfahrens beschlagnahmten Vermögenswerte, die für eine Rückgabe in Frage kommen, den Opfern aufgrund einer entsprechenden Entscheidung einer zuständigen Behörde unverzüglich zurückgegeben werden, es sei denn, die Vermögenswerte werden zum Zwecke des Strafverfahrens benötigt. Die Bedingungen oder Verfahrensvorschriften, nach denen die betreffenden Vermögenswerte den Opfern zurückgegeben werden, richten sich nach dem einzelstaatlichen Recht.’) von einer Anhörung abgesehen werden können, wenn eine solche nicht möglich ist.

Die Beurteilung, wann eine Anhörung im Rahmen des Möglichlichen ist, kann freilich nur im Einzelfall und anhand der indivuellen Gegenbenheiten beurteilt werden. Orientierung bieten die zu § 111 Abs. 4 StPO ergangene Judikatur und vergleichbare Fälle nach dem Maßstab des ‚besonderen Verfahrensaufwands’ in § 133 Abs. 3 und § 139 Abs. 2 StPO hinsichtlich der dort normierten Ausforschungspflicht Betroffener, dem Äußerungsrecht in § 292 StPO oder dem Anhörungsrecht von Haftungsbeteiligten im vereinfachten selbstständigen Verfahren gemäß § 445a Abs. 1 StPO.

Die Zuständigkeit für die Entscheidung (§ 367 Abs. 2 StPO) soll unverändert im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft und im Hauptverfahren dem erkennenden Gericht zukommen. Wird außerhalb der Hauptverhandlung über die Ausfolgung entschieden, soll klargestellt werden, dass die Entscheidung vom Vorsitzenden zu treffen ist.

Die Gründe, aus denen von einer Rückstellung eines Gegenstands oder Vermögenswerts abzusehen ist, sollen sprachlich präziser gefasst werden: Die Formulierung des Abs. 2 Z 1 ist an § 115 Abs. 1 Z 1 StPO angelehnt. Der bislang kasuistisch formulierte Abs. 2 Z 2 StPO soll verschlankt und nur mehr auf ‚sonstige Umständen (§ 368)’, die der Ausfolgung entgegenstehen, Bezug nehmen (s. dazu im Folgenden). Umfasst sollen davon jene Fälle sein, in denen das Opfer sein Recht an dem Gegenstand oder Vermögenswert nicht nachweisen kann, bestimmte Anhaltspunkte für dingliche Rechte Dritter daran vorliegen oder das Recht daran zwischen mehreren Opfern strittig ist.

Es wird überdies vorgeschlagen, die sich derzeit beim Vorgehen zur Abweisung eines Ausfolgungsantrags aus dem Grund des § 367 Abs. 2 Z 2 StPO überschneidenden Bestimmungen in § 367 Abs. 3 und in § 368 StPO zusammenzuziehen und § 367 Abs. 3 in einem neu gefassten § 368 StPO aufgehen zu lassen, der bisher ebenso das Vorgehen im Falle der Abweisung des Ausfolgungsantrages aus dem Grund des § 367 Abs. 2 Z 2 StPO regelte. Es soll dabei nicht verhehlt werden, dass damit in gewisser Weise eine Annäherung an die Systematik der Strafprozeßordnung 1873 hergestellt wird (§ 367 StPO bestand damals nur aus zwei Absätzen, § 368 StPO hat sich seitdem kaum verändert, sodass eine sprachliche Neugestaltung bereits aus diesem Grund naheliegt).

§ 368 StPO soll somit künftig all jene Fälle umfassen, die derzeit in § 367 Abs. 2 Z 2, Abs. 3 und § 368 verstreut sind (vgl. Spenling in Fuchs/Ratz, WK StPO § 367 Rz 10: ‚…wenn ein Dritter, der sich an der strafbaren Handlung nicht beteiligt hat, behauptet, an der Sache wirksam Eigentum oder ein Pfandrecht erworben zu haben […] bzw wenn dem Gericht Anhaltspunkte für solche Rechte Dritter bekannt sind, wenn mehrere Geschädigte Anspruch auf die Sache erheben (zur Notwendigkeit einer Schlüssigkeitsprüfung bei widerstreitenden Ansprüchen Rz 11) oder wenn der Geschädigte sein Recht nicht sogleich genügend nachweisen kann. …’.). Wird dem Antrag des Opfers auf Ausfolgung lediglich aus den in § 367 Abs. 2 Z 2 StPO genannten Gründen (s. oben) nicht stattgegeben, so ist der Antrag nach § 367 Abs. 2 StPO abzuweisen, die Sicherstellung oder Beschlagnahme aufzuheben und der Gegenstand oder Vermögenswert nach § 1425 ABGB bei dem für den Sitz des Gerichts zuständigen Bezirksgericht zu hinterlegen. Das Gericht hat in diesen Fällen das Opfer mit seinem Begehren auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Für den Fall, dass die Entscheidung gemeinsam mit dem Urteil in der Hauptverhandlung verkündet wird, gilt § 366 StPO.

Ist das Recht des Opfers an dem Gegenstand strittig und wird er nicht mehr für Beweiszwecke benötigt (§ 367 Abs. 2 Z 1 StPO), so ist schon bisher die Beschlagnahme aufzuheben und der Gegenstand nach § 1425 ABGB bei Gericht zu hinterlegen (vgl. Spenling in Fuchs/Ratz, WK-StPO § 367 Rz 12). Wird der Gegenstand oder Vermögenswert noch als Beweismittel im Verfahren benötigt (§ 367 Abs. 2 Z 1), kommt dieses Vorgehen – wie bisher – nicht in Betracht.

Auch weiterhin soll eine Vorgehensweise nach § 367 StPO keine bindende Wirkung zum Recht an der Sache entfalten, sondern bloß die Anordnung, an wen die Sache nach Wegfall der Voraussetzungen der Beschlagnahme auszufolgen ist. Weder der Verurteilte, noch (im Falle einer Abweisung seines Ausfolgungsantrags) der Privatbeteiligte, noch ein Dritter, der Rechte an der Sache geltend macht, sind durch den Beschluss des Gerichtes an einer Verfolgung ihrer Rechte in einem nachfolgenden Zivilprozess gehindert (Spenling in Fuchs/Ratz, WK StPO § 367 Rz 4/1).

Zu § 369 StPO:

Der in der StPO einen Fremdkörper darstellende Begriff des ‚Guts’ soll auch in § 369 StPO systemkonform durch ‚Gegenstands oder Vermögenswerts’ ersetzt werden. Darüber hinaus soll Abs. 2 sprachlich angepasst und wie bspw. in § 431, § 438, § 441 und § 445 StPO die Voraussetzung dergestalt formuliert werden, dass ‚hinreichende[r] Gründe für die Annahme’ vorliegen müssen.

Zu Z 70 (§ 373b StPO):

Der OGH hat in seiner Entscheidung vom 5.3.2024 zu 10 Ob 101/23v erkannt, dass § 373b StPO insofern eine (echte) Lücke aufweist, als der Wortlaut nur hoheitlich, nicht aber privatautonom geschaffene Exekutionstitel wie insbesondere gerichtliche Vergleiche erfasst. Der OGH hat diese Lücke durch analoge Anwendung der in § 373a StPO vorgesehenen Gleichstellung von hoheitlich und privatautonom geschaffenen Exekutionstiteln geschlossen. Begründend führte der OGH an, dass Voraussetzung für einen Anspruch des Opfers nach § 373b StPO einerseits ist, dass das Strafgericht auf Verfall entschieden hat, der Bund den Vermögenswert vereinnahmt hat und der Anspruch aus derselben Tat resultiert, die auch dem Verfall zugrunde lag. Andererseits muss die Entschädigung dem Opfer ‚rechtskräftig zuerkannt’ sein (siehe 10 Ob 101/23v Rz 35 mwN). Aus der letztgenannten Formulierung sei noch nicht zwingend zu schließen, dass der Anspruch nur bei Vorliegen einer rechtskräftigen (gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen) Entscheidung bestehen soll, wobei der OGH auf die Entstehungsgeschichte dieser Norm (Verwandtschaft mit § 180 Ab. 5 StPO und Vorgängerbestimmungen des Verfalls im StGB) und systematische Erwägungen (vgl. § 69 Abs. 2 StPO zur Möglichkeit des Abschlusses von Vergleichen über privatrechtliche Ansprüche und den Voraussetzungen zur Leistung eines Vorschusses gemäß § 373a StPO) verweist. Zur Klarstellung wird vorgeschlagen, § 373b StPO um (generell) vollstreckbare Exekutionstitel zu ergänzen und die vom OGH angesprochene Lücke auch legistisch zu schließen, wodurch insgesamt (vgl. auch die vorgeschlagenen Änderungen in § 69 Abs. 3, § 114 Abs. 2 und §§ 367f StPO) eine Verbesserung im Bereich der Entschädigung von Opfern erfolgen soll.

Zu Z 71 (§ 377 StPO):

Die Formulierung des § 377 StPO stammt – abgesehen von geringfügigen Ergänzungen und Anpassungen – in seinem Kern noch aus der Stammfassung der Strafprozeßordnung 1873 (‚§. 377. Ist das fremde Gut von solcher Beschaffenheit, daß es sich ohne Gefahr des Verderbnisses nicht durch ein Jahr aufbewahren läßt, oder wäre die Aufbewahrung mit Kosten verbunden, so hat der Staatsanwalt die Veräußerung desselben durch öffentliche Versteigerung einzuleiten. Der Kaufpreis ist bei dem Strafgerichte zu erlegen. Zugleich ist eine umständliche Beschreibung jedes verkauften Stückes unter Bemerkung des Käufers und des Kaufschillings den Acten beizulegen.’) und erscheint nicht mehr zeitgemäß.

Der in der StPO einen Fremdkörper darstellende Begriff des ‚Guts’ soll (wie bereits bei § 369 StPO, s. Z 69) systemkonform durch ‚Gegenstand oder Vermögenswert’ ersetzt werden. Darüber soll ein Gleichklang mit der Bezug habenden Bestimmung des § 115e StPO, der nicht nur ebenfalls Aspekte der Wertminderung und des Verderbens sichergestellter bzw. beschlagnahmter Gegenstände behandelt, sondern überdies auf § 377 StPO verweist, hergestellt werden.

Durch Ergänzung der Bestimmung um § 274 EO, der die verschiedenen Versteigerungsmöglichkeiten, nämlich im Internet, im Versteigerungshaus und Auktionshalle, behandelt, soll auch die in der Praxis erfolgreich durchgeführte Internetversteigerung ausdrücklich im Text des § 377 StPO abgebildet werden.

Als Sonderfälle, die keine Fälle der öffentlichen Versteigerung regeln, sollen (weiterhin) § 280 und aufgrund des vorgeschlagenen künftig weiten Begriffs des ‚Vermögenswerts’ in § 109 Z 1a StPO künftig auch § 326 EO angeführt werden,werden doch in § 326 EO nicht nur vermögenswerte Rechte, sondern auch Rechte aus virtuellen Währungen ausdrücklich als exekutierbare Vermögenswerte nach dieser Bestimmung genannt (vgl. Rassi, Exekution auf Internetrechte nach GREx., ecolex 2021/698).

Zu Z 72 (§ 408 Abs. 2 StPO):

Zur Herstellung eines Gleichklangs mit § 408 Abs. 1 StPO wird vorgeschlagen, konfiszierte Gegenstände auch in Abs. 2 aufzunehmen. Darüber hinaus soll auch in dieser Bestimmung eine Ergänzung der bislang ausschließlich genannten Gegenstände um Vermögenswerte erfolgen.

Des Weiteren scheint aus systematischen Gründen die Erzielung eines Gleichklangs mit § 77 Abs. 2 StPO angezeigt und soll künftig vorgesehen werden, dass ein verfallener, konfiszierter oder eingezogener Gegenstand oder Vermögenswert, der für wissenschaftliche, historische oder vergleichbare, im öffentlichen Interesse liegende Forschungszwecke von Interesse ist, einer anerkannten wissenschaftlichen Einrichtung zur Verfügung zu stellen ist.

Zu Z 73 (§ 444 Abs. 2 StPO):

§ 444 Abs. 2 soll sprachlich dahingehend präziser formuliert werden, dass bereits im Gesetzestext klargestellt wird, dass (auch weiterhin) der Anspruch eines:einer Haftungsbeteiligten nach dieser Bestimmung nicht auf den Fall der nachträglichen Kenntniserlangung beschränkt ist, sondern Voraussetzung für den Zivilrechtsweg lediglich ist, dass er:sie seine:ihre Rechte im Straf- oder selbständigen Anordnungsverfahren noch nicht geltend gemacht hat. Auch weiterhin soll jedoch ein Anspruch nicht bestehen, wenn der:die Haftungsbeteiligte vor dem Strafgericht seine Rechte nicht erfolgreich geltend gemacht hat (vgl. Fuchs/Tipold in Fuchs/Ratz, WK StPO § 444 Rz 86 f.).

Anstelle im Gesetzestext weiterhin auf den ‚Kaufpreis’ abzustellen, wird vorgeschlagen, künftig – dem bereits geltenden Verständnis (vgl. Fuchs/Tipold in Fuchs/Ratz, WK StPO § 444 Rz 85) folgend – den Begriff ‚Verkaufs- oder Verwertungserlös’, der durch eine Exekution nach § 408 StPO erzielt wird, zu verwenden.

IV. Sonstiges:

Zu Z 6, Z 12 und 15 (§ 27, § 37 Abs. 4 und § 49 Abs. 1 StPO):

Die in § 27 StPO verankerten Gründe für die Trennung von Verfahren (Vermeidung von Verzögerungen sowie die Verkürzung der Haft) sollen um den Grund der Wahrung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen (§ 1 Abs. 1 DSG) eines Beschuldigten erweitert werden. Die Änderungen sollen zum einen verdeutlichen, dass die aufgezählten Gründe demonstrativ sind (arg. ‚insbesondere’; vgl. dahingehend bereits die Erläuternden Bemerkungen zum Strafprozessreformgesetz, EBRV 25 BlgNR 22. GP 49, die Rechtsprechung des OGH, 12 Os 14/17s, in der er die Verhandlungsunfähigkeit eines Angeklagten im Hauptverfahren als einen weiteren Grund anerkannt hat, sowie die hL, insb. Nordmeyer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 27 Rz. 5; Oshidari in Fuchs/Ratz, WK StPO § 37, Rz. 12 und Divjak, Datenschutz und Strafprozess, S. 129 ff). Zum anderen soll die ausdrückliche Verankerung der Wahrung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen klarstellen, dass die in § 74 Abs. 2 StPO genannte vertrauliche Behandlung personenbezogener Daten durch die Trennung von Verfahren hergestellt werden kann.

Die Notwendigkeit zur Trennung eines Verfahrens im Fall der Wahrung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen ergibt sich insbesondere bei miteinander nicht in Beziehung stehenden Lebenssachverhalten. Bei einer sorgfältigen Abwägung kann in diesen Konstellationen die Trennung von Verfahren zum Schutz der grundrechtlichen Positionen eines (Mit-)Beschuldigten erforderlich werden,; dies allerdings – wie bisher – unter der Voraussetzung, dass die (in Aussicht genommene) Trennung eines Verfahrens zu keinen prozessualen Nachteilen des Beschuldigten führt (vgl. Nordmeyer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 27 Rz. 5).

Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll der in § 27 StPO verankerte Grundgedanke fortgesetzt werden, dass gemeinsam geführte (Groß-)Verfahren, die aufgrund der bestehenden Konnexitätsbestimmungen zu einer Häufung von verschiedenen Fakten und (Mit-)Beschuldigten führen, im Lichte der Effizienz und der Wahrung der Grundrechte von (Mit-)Beschuldigten verfahrenstechnisch getrennt werden können, wobei im Einzelfall in die Abwägung auch die (faktische) Tunlichkeit der Trennung einbezogen werden kann. Über die Frage der Trennung bzw. Ausscheidung soll – im Einklang mit der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. etwa § 12 Os 145/17s) – die Staatsanwaltschaft (§ 27 StPO) bzw. das Gericht (§ 37 StPO iVm § 27 StPO analog) im Rahmen eines pflichtgebundenen Ermessens entscheiden, wobei zur (sorgfältigen) Ausübung dieses pflichtgebundenen Ermessens – soweit die Trennung nicht ohnedies von Amts wegen erfolgt – ein Antrag auf Trennung von Verfahren konkret zu begründen ist. Auch die neuerliche Verbindung von getrennten Verfahren ist eine Ermessensentscheidung (RIS-Justiz RS0131855).

Zur Stärkung der Beschuldigtenrechte soll in § 49 Abs. 1 StPO der Verweis auf § 27 StPO aufgenommen werden, um dem bzw. der Beschuldigten ein subjektives Recht auf Trennung von Verfahren einzuräumen. Damit soll insbesondere sichergestellt werden, dass das pflichtgebundene Ermessen einer Staatsanwaltschaft im Rahmen eines Einspruchs wegen Rechtsverletzung (§ 106 StPO) überprüfbar ist.

Ferner soll in § 37 Abs. 4 StPO anstelle der in Literatur und Judikatur vertretenen bloßen analogen Anwendbarkeit des § 27 StPO für eine Verfahrenstrennung im Hauptverfahren (vgl. Oshidari in Fuchs/Ratz, WK StPO § 37 Rz 12) nunmehr auch eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für eine solche vorgesehen werden. Demnach soll das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder eines Angeklagten oder von Amts wegen unter den Voraussetzungen des § 27 StPO eine getrennte Führung der Verfahren anordnen können. In einem solchen Fall gilt jedenfalls § 36 Abs. 4 StPO.

Zu Z 9 (§ 31 Abs. 3 Z 6a StPO):

Die vorgeschlagene Ergänzung dient der Beseitigung eines Redaktionsversehens. § 148a StGB als betrugsähnliches Vermögensdelikt (vgl. Flora in Leukauf/Steininger, StGB4 § 148a Rz 3) ist in Bezug auf einen 50 000 Euro übersteigenden Schaden in § 31 Abs. 3 Z 6a StPO nicht angeführt. Durch die vorgeschlagene systemkonforme Änderung sollen in der Praxis erfolgende Unzuständigkeitsbeschlüsse oder -urteile des Einzelrichters des Landesgerichtes bei rechtlicher Umqualifizierung (insb. in Richtung § 147 Abs. 2 StGB, wenn der Schaden 50.000 Euro übersteigt) vermieden werden, sodass Strafverfahren prozessökonomischer abgewickelt werden können.

Allgemeines zu den Änderungen in Z 11, Z 19 und Z 24 (§ 36 Abs. 2a, § 53 Abs. 1 und § 71 Abs. 1 StPO):

Das Bundesministerium für Justiz wurde im Zusammenhang mit den durch das Hass-im-Netz‑Bekämpfungsgesetz – HiNBG, BGBl. I Nr. 148/2020, eingeführten Regelungen auf Unklarheiten in der Praxis insbesondere in Zusammenhang mit Zuständigkeiten hingewiesen; der Initiativantrag soll diesem Regelungsbedarf (s. dazu gleich unten) Rechnung tragen und für einen reibungsfreien Ablauf dieser Verfahren sorgen.

Zu Z 11 (§ 36 Abs. 2a StPO):

Mit dem HiNBG wurde in § 71 Abs. 1 zweiter Satz StPO für die Privatanklagedelikte der üblen Nachrede (§ 111 StGB), des Vorwurfs einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB) und der Beleidigung (§ 115 StGB), sofern diese im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen wurden, ein Antrag des Opfers auf Anordnungen nach § 135 Abs. 1a oder Abs. 2 Z 2 StPO eingeführt, der zur Ausforschung des bzw. der Beschuldigten dienen soll.

Für diesen Antrag besteht keine ausdrückliche Zuständigkeitsregelung im Gesetz: Die aktuell in § 36 StPO vorhandenen Zuständigkeitstatbestände knüpfen einerseits an die im Ermittlungsverfahren zuständige Staatsanwaltschaft (Abs. 1) an, die in Privatanklageverfahren jedoch keine Rolle spielt, und stellen andererseits auf das Hauptverfahren (Abs. 3) ab, das bei Einbringen eines Antrags nach § 71 Abs. 1 zweiter Satz StPO noch nicht begonnen hat. Die in § 36 StPO bestehenden Anknüpfungspunkte für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts können daher für den neu eingeführten Antrag nach § 71 Abs. 1 zweiter Satz StPO nicht fruchtbar gemacht werden.

Mit dem vorgeschlagenen neuen § 36 Abs. 2a StPO soll daher eine ausdrückliche Zuständigkeitsregelung für Anträge nach § 71 Abs. 1 zweiter Satz StPO geschaffen werden, die (angelehnt an die subsidiäre Regelung des § 36 Abs. 3 dritter Satz) an den Wohnsitz bzw. den Aufenthalt des Opfers, das den Antrag einbringt, anknüpfen soll. Diese Regelung soll Opfern von Hass im Netz den Zugang zum Recht erleichtern und Zuständigkeitsprobleme vermeiden.

Zu Z 19 (§ 53 Abs. 1 StPO):

Das Verfahren, das einem Antrag des Opfers auf Anordnungen nach § 135 Abs. 1a oder Abs. 2 Z 2 StPO folgt, ist in § 71 Abs. 1 und 2 StPO geregelt. Für dieses Verfahren ist bislang jedoch die Zuständigkeit für die Akteneinsicht nicht gesetzlich geregelt: § 53 StPO sieht für das Verfahren bei Akteneinsicht für das Ermittlungsverfahren eine Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft, für das Hauptverfahren eine solche des Gerichts vor. Diese beiden Regelungen können für das Verfahren nach § 71 Abs. 1 und 2 StPO mangels passenden Anknüpfungspunkts jedoch nicht herangezogen werden. Mit der vorgeschlagenen Ergänzung in § 53 Abs. 1 StPO soll daher eine ausdrückliche Regelung der Akteneinsicht für Verfahren nach § 71 Abs. 1 und 2 StPO geschaffen werden, nach der Akteneinsicht in derartigen Verfahren bei Gericht begehrt werden kann.

Zu Z 24 (§ 71 Abs. 1 StPO):

§ 71 Abs. 1 StPO enthielt bis zum Inkrafttreten des HiNBG die Anordnung, dass in Privatanklagesachen ein Ermittlungsverfahren nicht stattfindet. Diese Anordnung ist durch die Neufassung der Bestimmung entfallen, eine inhaltliche Änderung trat dadurch jedoch nicht ein, weil aus dem Wortlaut der Bestimmung auch nach der geltenden Rechtslage deutlich wird, dass ein Ermittlungsverfahren in derartigen Verfahren nicht stattfindet. Aufgrund berichteter Unsicherheiten soll der entfallene Satz zur Klarstellung neuerlich in die Bestimmung aufgenommen werden.

Zu Z 16 bis Z 18 (§ 52 Abs. 1, Abs. 2 Z 4 und Abs. 3 StPO):

Diese Änderungen erfolgen im Hinblick auf die Änderungen der Tarifpost 15 (in weiterer Folge ‚TP 15’) Gerichtsgebührengesetz – GGG, BGBl. I Nr. 501/1984, sowie die Verwendung einer zeitgemäßen und einheitlichen Terminologie (‚Kopien und Ausdrucke’) durch die Zivilverfahrens-Novelle 2022, BGBl. I Nr. 61/2022. Unter ‚Kopien’ sind nicht nur Kopien im körperlich-technischen Sinn wie Ablichtungen oder andere Wiedergaben des Akteninhalts zu verstehen; gemeint ist auch die elektronische Datenübertragung (EBRV 2402 BlgNR 14. GP 7; Fabrizy/Kirchbacher StPO14 Rz 1/2). Der Begriff ‚Kopie’ bezeichnet somit auch elektronische Kopien (als pdf-Darstellung des gesamten Aktes oder von Aktenbestandteilen), die über Antrag auf Akteneinsicht im Wege elektronischer Kommunikation (etwa über Justiz-Online oder einen ERV-Zugang) oder auf von der Justiz zur Verfügung gestellten Datenträgern übermittelt werden. Für einen elektronisch geführten Akt bedeutet dies, dass die ‚Ausfolgung von Kopien’ – zulässig und ausreichend – faktisch bereits mit einer Freischaltung im Aktensystem bewirkt ist und letzterer Schritt damit die Aushändigung von Ablichtungen im körperlich-technischen Sinn ersetzt (z. B. OLG Wien 20 Bs 217/22; OLG Wien 17 Bs 192/22t; OLG Linz 7 Bs 203/22k).

Der letzte Satz des Abs. 1 regelt die Sonderkonstellation, wonach es bestimmte Datensicherheitserwägungen erforderlich machen können, alle anderen – technisch möglichen – Formen der Akteneinsicht auszuschließen und Kopien ausschließlich auf von der Justiz beigestellten Datenträgern zur Verfügung zu stellen. Die Kostensätze für solche elektronischen Kopien nach TP 15 GGG sollen künftig nach Größe der Dateien gestaffelt werden und bereits die Anschaffungskosten eines von der Justiz beigestellten Datenträgers berücksichtigen, auf dem die elektronische Aktenkopie zur Verfügung gestellt wird. Die Wendung ‚gegen den Ersatz deren Anschaffungskosten’ in § 52 Abs. 1 StPO kann daher entfallen.

Zu Z 20 (§ 61 Abs. 2 lit. a StPO):

Die vorgeschlagene Änderung zielt darauf ab, den mitunter als diskriminierend empfundenen Begriff ‚stumm’ in Anlehnung an die Terminologie des § 73a Abs. 1 ZPO durch den Begriff ‚hochgradig sprachbehindert’ zu ersetzen.

Gleichzeitig soll im Zusammenhang mit den Begriffen ‚blind’ und ‚gehörlos’ klarer determiniert werden, was unter der Begrifflichkeit ‚in vergleichbarer Weise behindert’ zu verstehen ist. Die Rsp. stellt darauf ab, ob und inwieweit die Behinderung (z.B. Schwerhörigkeit, Sprachstörung, intellektuelle Minderbegabung) die Verteidigungsfähigkeit einschränkt; an die Erforderlichkeit ist ein großzügiger Maßstab anzulegen. Jedoch indiziert die mit dem Strafrechtlichen EU-Anpassungsgesetz 2020 – StrEU-AG 2020, BGBl. I Nr. 20/2020 eingeführte Formulierung ‚in vergleichbarer’ anstelle der vorherigen Formulierung ‚in anderer’ Weise, dass nicht jede Form der Behinderung, sondern eben nur eine nach Art und Grad den benannten Formen vergleichbare gemeint ist (Soyer/Schumann in Fuchs/Ratz, WK StPO § 61 Rz 60). Dies soll nunmehr – in grundsätzlichem Gleichklang mit § 73a Abs. 1 ZPO – auch ausdrücklich gesetzlich klargestellt werden. Die bisher von der Judikatur ebenfalls unter § 62 Abs. 2 lit. a StPO subsumierte intellektuelle Minderbegabung findet unter § 62 Abs. 2 lit. b StPO Berücksichtigung.

Zu Z 21 (§ 66 Abs. 1 Z 1c StPO):

Der Terminus ‚auf ihr Verlangen’ in § 66b Abs. 1 StPO bringt zum Ausdruck, dass es zur Gewährung von (psychosozialer und/oder juristischer) Prozessbegleitung grundsätzlich eines darauf gerichteten und ausdrücklichen Ersuchens durch ein Opfer bedarf. Eine Beigebung von Amts wegen ist – abgesehen vom Ausnahmefall des § 66b Abs. 1 letzter Satz StPO – nicht vorgesehen (vgl. Kirschenhofer in Schmölzer/Mühlbacher, StPO1 § 66 Rz 9). Folglich liegt die Entscheidung, ob entweder nur um psychosoziale oder auch um juristische oder letztlich überhaupt um Prozessbegleitung angesucht wird, im Allgemeinen beim Opfer. Opfer nach § 66b Abs. 1 lit. a bis d StPO sind daher über die diesbezügliche Möglichkeit zu informieren und (in der Praxis oftmals im Wege des Opfernotrufes) an die zahlreichen Opferschutzeinrichtungen zu verweisen (§ 10 Abs. 2 iVm § 70 Abs. 2 StPO; vgl. Kier in Fuchs/Ratz, WK StPO § 66b Rz 10 mwN).

Mit der vorgeschlagenen Ergänzung des § 66 Abs. 1 Z 1c StPO soll nunmehr unter dem Gesichtspunkt der Stärkung der Rechte von Opfern sowie unter Einhaltung der entsprechenden datenschutzrechtlichen Vorgaben (§§ 36 ff. DSG) eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage zur direkten Übermittlung personenbezogener Daten von Opfern durch die Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft an eine durch die Bundesministerin für Justiz vertraglich mit der Wahrnehmung von Prozessbegleitung beauftragte Opferschutzeinrichtung (§ 66b Abs. 3 StPO) geschaffen und damit die aus datenschutzrechtlichen Gründen eingestellte, jedoch gut bewährte Praxis der Weiterleitung von Daten auf Wunsch des Opfers wieder ermöglicht werden.

Grundvoraussetzung soll hiefür nicht nur ein entsprechendes Verlangen des Opfers, sondern auch eine von diesem selbst zu treffende Auswahl einer solchen Einrichtung iSd § 66b Abs. 3 StPO sein, an die seine Daten übermittelt werden sollen. Eine Übermittlung von Daten an Opferschutzeinrichtungen ohne entsprechendes Verlangen des Opfers oder an eine andere als die von diesem gewünschte Einrichtung soll nicht zulässig sein. Durch Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft sollen zudem ausschließlich solche personenbezogenen Daten übermittelt werden, die zum Zweck einer Beratung bzw. Kontaktaufnahme durch die gewählte Einrichtung erforderlich sind (iaR somit Namen, Geburtsdatum, Adresse und Telefonnummer des Opfers), wobei durch die Beschränkung auf mögliche Ansprüche nach § 66b Abs. 1 StPO sichergestellt wird, dass die Übermittlungsverpflichtung lediglich hinsichtlich solcher Opfer in Betracht kommt, die psychosoziale und/oder juristische Prozessbegleitung in Anspruch nehmen können.

Die Frage, ob letztlich die gesetzlichen Voraussetzungen der Gewährung von Prozessbegleitung vorliegen bzw. einem entsprechenden Ersuchen des Opfers auch stattgegeben wird, ist in der Folge von den Opferschutzeinrichtungen selbst zu beantworten (vgl. Kier in Fuchs/Ratz, WK StPO § 66b Rz 10, 22).

Zu Z 22 (§ 66b Abs. 1 lit. e StPO):

Mit dem HiNBG wurde der Anspruch auf Prozessbegleitung unter anderem auf Minderjährige, die Zeugen von Gewalt im sozialen Nahraum (Gewalt in der Familie, Gewalt an Kindern) waren, ausgeweitet und in § 66b Abs. 1 lit. e StPO gesetzlich verankert.

In der praktischen Anwendung hat sich gezeigt, dass das Abstellen auf den sozialen Nahraum den Anwendungsbereich dieser Bestimmung zu sehr einschränkt, weil die reine Wortinterpretation das unmittelbare soziale Umfeld auf Tathandlungen im eigenen Familienkreis Minderjähriger beschränkt. Beobachtet also ein Minderjähriger bzw. eine Minderjährige Gewalthandlungen in fremden Familien, fällt er bzw. sie nicht unter die Anspruchsberechtigten iSd § 66b Abs. 1 StPO (Kier in Fuchs/Ratz, WK StPO § 66b Rz 9; EBRV HiNBG 481 BlgNR 27. GP 26: ‚in ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld’; so auch Sagerer-Foric, iFamZ 2021, 77[78]).

Das Miterleben von Gewalt im unmittelbaren sozialen Umfeld der eigenen Familie ist für Minderjährige besonders traumatisch und wird von diesen als existenzielle Bedrohung erlebt, weshalb sie im Rahmen des Strafverfahrens entsprechender Unterstützung und Stabilisierung durch die Prozessbegleitung bedürfen. Aber auch das unmittelbare Miterleben von Gewalt, insbesondere in fremden Familien oder im Freundeskreis, kann für Minderjährige eine schwerwiegende psychische Belastung darstellen, sodass es ihnen schwerfällt, das Geschehene vollständig zu verarbeiten und darüber sprechen zu können. Die Betroffenheit von Minderjährigen unterscheidet sich dabei aufgrund ihres Entwicklungsstandes, ihrer emotionalen Bindung und Verletzlichkeit, ihrer mangelnden Lebenserfahrung und dem Fehlen strukturierender Informationen deutlich von jener betroffener Erwachsener. Als Zeuge bzw. Zeugin bei der Polizei oder bei Gericht über das Erlebte aussagen zu müssen, kann für Minderjährige in solchen Fällen ohne professionelle Betreuung eine massive Belastung darstellen und retraumatisierend wirken. Um auch in diesen Fällen Minderjährigen die erforderliche Unterstützung im Strafverfahren zukommen lassen zu können, soll daher der Anwendungsbereich des § 66 Abs. 1 lit. e StPO auf alle Minderjährigen, die Zeugen bzw. Zeuginnen von Gewalt waren, ausgeweitet und ihnen ein Recht auf Prozessbegleitung eingeräumt werden.

Zu Z 25 (§ 76 Abs. 6 StPO):

Mit § 6a Abs. 1 des Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetzes (SNG), BGBl. I Nr. 5/2016, wurde eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Einberufung einer ‚Fallkonferenz Staatsschutz’ durch und unter Leitung der Verfassungsschutzbehörden etabliert, um zusammen mit Behörden und solchen Einrichtungen, die mit der Vollziehung öffentlicher Aufgaben zum Zweck der Deradikalisierung, der Extremismusprävention oder der sozialen Integration von Menschen betraut sind, erforderliche Maßnahmen wie beispielsweise die Teilnahme an Ausstiegs- und Deradikalisierungsprogrammen zu erarbeiten und koordinieren.

Die Einberufung einer Fallkonferenz Staatsschutz ist möglich, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen vorangegangener Verwaltungsübertretungen nach Art. III Abs. 1 Z 4 Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 – EGVG, BGBl. I Nr. 87/2008, § 3 Abzeichengesetz 1960, BGBl. Nr. 84/1960, oder § 3 Symbole-Gesetz, BGBl. I Nr. 103/2014, anzunehmen ist, dass ein bestimmter Mensch einen verfassungsgefährdenden Angriff gemäß § 6 Abs. 3 Z 1 bis 4 begehen werde.

Mit der vorgeschlagenen Erweiterung des § 76 Abs. 6 StPO soll für Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte nunmehr auch eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die grundsätzliche Zulässigkeit der Bekanntgabe von Daten eines Strafverfahrens in einer ‚Fallkonferenz Staatsschutz’ geschaffen werden. Voraussetzung der Mitteilung dieser Daten ist die Zulässigkeit deren Verwendung in einem Strafverfahren. Die Entscheidung darüber, ob bzw. in welchem Umfang in einem Strafverfahren ermittelte Daten im Rahmen einer ‚Fallkonferenz Staatsschutz’ den Teilnehmern bzw. Teilnehmerinnen bekanntgegeben werden, obliegt allein dem zugezogenen Entscheidungsorgan sowohl nach ermittlungstaktischen Gesichtspunkten als auch nach Abwägung der schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der von einer Datenbekanntgabe betroffenen Personen gegenüber dem mit der Fallkonferenz verfolgten Zweck des vorbeugenden Schutzes vor verfassungsgefährdenden Angriffen. Die Bestimmungen für die Datenbereitstellung der übrigen Teilnehmer bzw. Teilnehmerinnen und deren Verpflichtung zur vertraulichen Behandlung der Daten sind – sofern sie nicht ohnehin der Amtsverschwiegenheit unterliegen – in den entsprechenden Materiengesetzen geregelt (vgl. § 56 Abs. 1 Z 9 SPG für sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen und § 6a Abs. 2 SNG für Fallkonferenzen Staatsschutz).

Zu Z 26 (§ 77 Abs. 2 StPO):

Die vorgeschlagene Änderung soll klarstellen, dass zum Zweck einer nicht personenbezogenen Auswertung für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke, statistische Zwecke oder vergleichbare, im öffentlichen Interesse liegende Untersuchungen in erster Linie pseudonymisierte personenbezogene Daten zu übermitteln sind. Lediglich dann, wenn eine Pseudonymisierung – etwa aus technischen/organisatorischen/personellen Gründen – nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist, können diese Daten auch in nicht pseudonymisierter Form übermittelt werden, dies jedoch nur, wenn das öffentliche Interesse an der Forschungsarbeit das schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Personen erheblich überwiegt. Unter einem wird – wie bei § 52 StPO – eine Angleichung an die mit der Zivilverfahrens-Novelle 2022, BGBl. I Nr. 61/2022, erfolgten terminologischen Änderungen vorgeschlagen.

Zu Z 29 und Z 30 (§ 102 Abs. 3 und § 105 Abs. 3 StPO):

§ 38 Abs. l erster Satz GOG sieht vor, dass bei jedem für Strafsachen zuständigen Gerichtshof erster Instanz außerhalb der gerichtlichen Dienststunden jeweils ein Richter bzw. eine Richterin Rufbereitschaft zu leisten hat. Die Zuständigkeit des Rufbereitschaftsrichters bzw. der Rufbereitschaftsrichterin ist in erster Linie für außerhalb der gerichtlichen Dienststunden in Strafsachen anfallende unaufschiebbare und dringende Amtshandlungen gegeben (Fellner/Nogratnig, RStDG, GOG und StAGII5-02 § 38 GOG Rz 12). Die Rechtsprechung fordert dahingehend von der Staatsanwaltschaft, die Annahme einer solchen Dringlichkeit (samt Begründung) im Ermittlungsakt zu dokumentieren, widrigenfalls eine Entscheidung durch den Rufbereitschaftsrichter bzw. die Rufbereitschaftsrichterin einen Verstoß gegen die Zuständigkeitsregeln der Geschäftsverteilung (Art. 87 Abs. 3 B-VG) darstellen kann (vgl. OLG Wien vom 3. Juli 2023, 31 Bs 113/23a und 31 Bs 114/23a). Im Fall einer gerichtlichen Bewilligung der beantragten Ermittlungsmaßnahme durch den Rufbereitschaftsrichter bzw. die Rufbereitschaftsrichterin erfolgt gleichermaßen eine (implizite) Feststellung der von der Staatsanwaltschaft getroffenen und dokumentierten Dringlichkeitsannahme sowie ihrer zugrundeliegenden Begründung. Hält der Rufbereitschaftsrichter bzw. die Rufbereitschaftsrichterin die Dringlichkeit nämlich nicht für gegeben, liegt solcherart auch keine Journaldringlichkeit vor, sodass die Entscheidung dem zuständigen Richter bzw. der zuständigen Richterin vorbehalten bleibt. Zur Untermauerung dieser Dringlichkeitsannahme soll in § 102 Abs. 3 StPO die Anordnung der Staatsanwaltschaft an die Kriminalpolizei zur Durchführung einer vom Rufbereitschaftsrichter bzw. der Rufbereitschaftsrichterin bewilligten Zwangsmaßnahme mit dem Ablauf des auf die erfolgte Bewilligung folgenden übernächsten Werktages befristet werden. Sollte innerhalb dieser Frist keine Anordnung der Staatsanwaltschaft an die Kriminalpolizei erfolgen, tritt die erteilte Bewilligung außer Kraft. Im Fall einer fristgerechten Anordnung hat die Durchführung iSd eigentlichen kriminalpolizeilichen Vornahme der Zwangsmaßnahme wie auch bisher innerhalb der vom Gericht gesetzten Befristung zu erfolgen (vgl. dazu OLG Wien 21 Bs 32/22t).

Grundvoraussetzung für einen Übergang der Zuständigkeit zufolge Rufbereitschaft und Journaldienst ist schon zur gebotenen Verhinderung willkürlicher Auswahl des ‚zuständigen’ Richters bzw. der ‚zuständigen’ Richterin durch den Antragsteller bzw. die Antragstellerin die objektive und akute Dringlichkeit der anstehenden Amtshandlung, ohne die diese Form der ‚Notvertretung’ bzw. der Abnahme nicht wirksam werden kann (Art. 87 Abs. 3 B-VG). Tätigwerden des durch die Geschäftsverteilung eingeteilten Rufbereitschafts- oder Journalrichters ohne entsprechenden Vertretungsfall begründet eine nicht gehörige Gerichtsbesetzung (vgl. Fellner/Nogratnig, RStDG, GOG und StAG II5.03 § 38 Rz 3/1 f. GOG (Stand 1.3.2024, rdb.at). Die nötige objektive und akute Dringlichkeit ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn nicht von vornherein beabsichtigt ist, dass die Kriminalpolizei unverzüglich, nach der Anordnung durch die Staatsanwaltschaft beginnt diese durchzuführen. Ebenfalls keine ausreichende Dringlichkeit liegt vor, wenn die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpoliztei vor der Antragstellung bereits während der gerichtlichen Dienststunden Vorbereitungen getroffen haben. Eine Bewilligung von Zwangsmitteln in der Rufbereitschaft darf eben nur dann erfolgen, wenn damit nicht bis zum Beginn der nächsten gerichtlichen Dienstsstunden zugewartet werden kann und der Antrag auch nicht bereits vorher während der gerichtlichen Dienststunden gestellt werden hätte können. Besteht innerhalb der zulässigen Inanspruchnahme der Rufbereitschaft iHa die beabsichtigte Durchführung einer Zwangsmaßnahme eine weitere (zusätzliche) Dringlichkeitsannahme, die es aus zeitlichen Gründen unabdingbar macht, dass der Kontakt zwischen der antragstellenden Staatsanwaltschaft und dem Rufbereitschaftsrichter bzw. der Rufbereitschaftsrichterin nicht schriftlich, sondern nur fernmündlich erfolgt, fehlt es derzeit zum Zweck hinreichender Nachvollziehbarkeit am Erfordernis einer entsprechenden Dokumentations- bzw. Begründungspflicht.

Eben jene bloß fernmündliche Kommunikation zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht in Rufbereitschaft wurde seitens der Politik schon in der Vergangenheit als Problemfeld identifiziert: So trat der ehemalige Minister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser bereits 2018 dafür ein, dass zwischen Staatsanwaltschaft und Rufbereitschaftsrichter bzw. Rufbereitschaftsrichterin außer bei absoluter Notwendigkeit nur mehr schriftlich und nicht mehr fernmündlich kommuniziert werden dürfe (Bericht des BVT-Untersuchungsausschusses 695 BlgNR XXVI. GP 181 mwN). Eine Empfehlung des BVT‑Untersuchungsausschusses lautet dahingehend, sicherzustellen, dass die richterliche Entscheidung auf Basis ausreichender Informationsgrundlagen getroffen werden kann und die erforderlichen Zeit für die Entscheidungsfindung zur Verfügung steht (aaO 288).

Durch die vorgeschlagene Regelung soll die Nachvollziehbarkeit des geforderten Vorliegens der für eine gerichtliche Entscheidung erforderlichen Informationsgrundlagen sichergestellt werden. Wie auch die Staatsanwaltschaft eine mündliche Vorausberichterstattung durch die Kriminalpolizei – ungeachtet der schriftlichen Nachreichung eines Anlassberichtes oder einer Dokumentation im nächstfolgenden Bericht – oder die vorläufige mündliche Übermittlung einer Anordnung oder Genehmigung an die Kriminalpolizei (§ 102 Abs. 1) in einem Amtsvermerk festzuhalten hat (Vogl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 95 Rz 4), soll auch das Gericht den wesentlichen Inhalt des (mündlichen) Vorbringens der Staatsanwaltschaft samt den Gründen für die mündliche (Vorab-)Bewilligung einer Zwangsmaßnahme in einem Amtsvermerk festzuhalten haben. Die (schriftliche) Dokumentation dieser für das Verfahren bedeutsamen Vorgänge sichert nicht nur eine umfassende Nachvollziehbarkeit und Transparenz im (Ermittlungs-)Verfahren, sondern gewährleistet auch einen einheitlichen Wissenstand aller am Verfahren Beteiligter. Der Aktenvermerk ist dem Ermittlungsakt anzuschließen.

Zu Z 50 bis Z 52 (§ 116 Abs. 5 bis 7 StPO):

Mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz (StPRÄG) I 2016, BGBl. I Nr. 26/2016, wurde die Ermittlungsmaßnahme der Auskunft aus dem Kontoregister eingeführt, für die aufgrund einer im Vergleich zur Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte geringeren Eingriffsintensität keine gerichtliche Bewilligung erforderlich ist. Die Gesetzesmaterialien führen zu dieser Änderung (und vorgelagert bereits zu den durch die mit BGBl. I Nr. 116/2015 vorgenommenen Änderungen in § 38 Abs. 2 BWG) aus, dass durch die erleichterte Einsichtnahme in ‚äußere’ Kontodaten eine Vereinfachung und Beschleunigung der insbesondere in Wirtschaftsstrafsachen und im Zusammenhang mit der Erlangung oder Gewährung von Rechtshilfe oft als schwerfällig und langwierig kritisierten Abläufe erreicht und der internationalen Kritik beispielsweise der Financial Action Task Force oder der OECD an der bisherigen Regelung Rechnung getragen werden sollte (EBRV 685 BlgNR XXV. GP 2).

In einem weiteren Schritt soll nunmehr eine weitere Verfahrensbeschleunigung erreicht und eine im Ergebnis bestehende Ungleichbehandlung der Vorgehensweise bei der Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte mit jener bei der Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung (§ 135 Abs. 2 StPO) und der Überwachung von Nachrichten (§ 135 Abs. 3 StPO) nach § 138 StPO beseitigt werden.

Gemäß § 38 Abs. 2 Z 1 BWG besteht die Verpflichtung zur Wahrung des in Abs. 1 geregelten Bankgeheimnisses nicht in einem Strafverfahren gegenüber den Staatsanwaltschaften und Gerichten nach Maßgabe der § 116, § 210 Abs. 3 StPO und in einem Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, gegenüber den Finanzstrafbehörden nach Maßgabe der §§ 89, 99 Abs. 6 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG). Es handelt sich dabei um keine Verfassungsbestimmung, vielmehr wird lediglich im Wege des § 38 Abs. 5 BWG für jede Änderung der Abs. 1 bis 4 ein erhöhtes Beschlussquorum im Nationalrat (Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen) verankert. Im Gegensatz zur Vorgängerbestimmung stellt § 38 Abs. 2 BWG auch nicht mehr auf das Erfordernis einer ‚gerichtlichen Bewilligung (§ 116 StPO)’ ab.

Dem gegenüber steht Art. 10a StGG, wonach das Fernmeldegeheimnis nicht verletzt werden darf und Ausnahmen davon nur aufgrund eines richterlichen Befehls in Gemäßheit bestehender Gesetze zulässig sind, sehr wohl im Verfassungsrang (vgl. Art. 149 Abs. 1 B-VG), auch das Erfordernis einer gerichtlichen Bewilligung ist darin ausdrücklich genannt. Der Umfang des Kommunikationsgeheimnisses ist in § 161 TKG 2021 gesetzlich determiniert.

Obwohl somit das Telekommunikationsgeheimnis über eine im Rechtssystem höherwertige Grundlage und Absicherung verfügt, ist der Umfang der den Kredit- und Finanzinstituten bei der Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte nach § 116 StPO zu erteilenden Informationen und der ihnen zustehende Rechtsschutz weitaus umfangreicher als jener der Anbieter (§ 134 Z 6 StPO) bei der Überwachung von Nachrichten (§ 135 Abs. 3 StPO) nach § 138 StPO. So sind gemäß § 116 Abs. 5 StPO die Anordnung der Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte samt gerichtlicher Bewilligung dem Kredit- oder Finanzinstitut zuzustellen, dessen Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung überdies gemäß Abs. 6 aufschiebende Wirkung zukommt. Damit erlangt das Kredit- oder Finanzinstitut Informationen über die Verdachtslage samt detaillierter Begründung, somit Zugang zu personenbezogenen Daten, die zum Zweck der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten verarbeitet wurden. Nach der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 2 DSG müssen bei der Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegt werden. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

Aus diesem Grund sollen daher § 116 Abs. 5 und 6 StPO an die bereits seit mehreren Jahren bestehende gesetzliche Bestimmung des § 138 StPO angeglichen und dadurch der Schutz personenbezogener Daten der durch eine Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte betroffenen Personen gestärkt werden. Im Gegensatz zu bisher soll künftig die Staatsanwaltschaft dem Kredit- und Finanzinstitut die Mitwirkungspflicht nach § 116 Abs. 6 StPO im Einzelfall mit gesonderter Anordnung aufzutragen, den Umfang festzulegen und allenfalls die Geheimhaltung der mit der Anordnung und Bewilligung verbundenen Tatsachen und Vorgänge Dritten gegenüber anzuordnen haben, wobei in dieser Anordnung die gerichtliche Bewilligung anzuführen ist. Probleme für die Kredit- und Finanzinstitute gegenüber ihren Kunden bzw. Kundinnen sind damit nicht verbunden, weil gerichtliche Bewilligungen, auf deren Basis staatsanwaltschaftliche Anordnungen für Ermittlungsmaßnahmen erlassen werden, eine verbindliche Rechtsgrundlage sind, die vor Ansprüchen Dritter schützt (Reindl-Krauskopf in Fuchs/Ratz, WK StPO § 138 Rz 41/1). Durch die Aufnahme des ausdrücklichen Hinweises, dass die rechtliche Zulässigkeit der Auskunftserteilung und Mitwirkung, nämlich der Einsichtsgewährung in Urkunden und Unterlagen und deren Herausgabe, auf der gerichtlichen Bewilligung gründet, wird somit – wie auch im Fall des § 138 Abs. 2 StPO – lediglich Selbstverständliches festgehalten.

Fehlt es an einer gesonderten Anordnung der Staatsanwaltschaft an das Kredit- und Finanzinstitut, wird dieses nicht mitwirkungspflichtig, weil es für den Mitwirkungspflichtigen bzw. die Mitwirkungspflichtige erkennbar sein muss, dass seine bzw. ihre Mitwirkungspflicht nicht nur auf einer gerichtlichen Bewilligung, sondern auch auf einer staatsanwaltschaftlichen Willensentscheidung fußt, drohen ihm oder ihr doch ansonsten nicht nur rechtliche Schritte der aus einer Geschäftsbeziehung verfügungsberechtigten Personen, denen er bzw. sie gegenüber zur Wahrung des Bankgeheimnisses verpflichtet ist, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen nach § 101 BWG (vgl. für die Mitwirkungspflicht des Anbieters Reindl‑Krauskopf in Fuchs/Ratz, WK StPO § 138 Rz 42).

Die Mitwirkungspflicht für den Einzelfall, ihr Umfang und gegebenenfalls die Geheimhaltungspflicht wird dem Kredit- und Finanzinstitut von der Staatsanwaltschaft mittels gesonderter – also mit einer auch von der Durchführungsanordnung nach § 116 Abs. 4 StPO verschiedenen – Anordnung nach Abs. 6 aufgetragen. Diese besondere Konkretisierung der abstrakten Mitwirkungspflicht durch die Anordnung der Staatsanwaltschaft soll dazu führen, dass dem Anbieter nicht schon unmittelbar durch die gerichtliche Bewilligung Pflichten entstehen. Er ist aber auch nicht unmittelbar von einem Zwangsmittel betroffen. Er ist daher gegen die gerichtliche Bewilligung einer Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte nicht beschwerdelegitimiert. Auch durch die Durchführungsanordnung werden noch keine subjektiven Rechte des Kredit- und Finanzinstituts verletzt, weil ohne gesonderte Anordnung nach § 116 Abs. 6 StPO für den Einzelfall keine konkrete Mitwirkungsverpflichtung entsteht. Kredit- und Finanzinstitute können aber sehr wohl gegen die gesonderte staatsanwaltschaftliche Anordnung nach § 116 Abs. 6 StPO Einspruch erheben. Für die bloße Einspruchsmöglichkeit gegen die gesonderte Anordnung spricht auch, dass das Kredit- und Finanzinstitut im Sinn der obigen Ausführungen vom Inhalt der gerichtlichen Bewilligung nichts Näheres erfahren soll, die Durchführungsanordnung der Staatsanwaltschaft an die Kriminalpolizei ist seiner Kenntnis überhaupt entzogen (vgl. zu den Rechtsmitteln des Anbieters Reindl-Krauskopf in Fuchs/Ratz, WK StPO § 138 Rz 20 f).

In Angleichung an § 138 Abs. 5 StPO soll zudem im Sinne effizienter Strafverfolgung gemäß § 116 Abs. 5 StPO die Zustellung an den Beschuldigten bzw. die Beschuldigte und an die Verfügungsberechtigten auch aufgeschoben werden können, wenn durch sie der Zweck dieses oder eines anderen Verfahrens gefährdet wäre.

Die vorgeschlagenen Änderungen in Abs. 7 sollen lediglich der besseren Übersichtlichkeit dienen und die schon bislang in Abs. 6 vorletzter und letzter Satz enthaltenen Bestimmungen umfassen.

Zu Z 53 (§ 126 Abs. 2a StPO):

Die vorgeschlagene Änderung soll der Beseitigung eines bloßen Redaktionsversehens dienen (siehe dazu Hinterhofer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 126 Rz 40). Der Verweis auf § 127 Abs. 1 StPO und der damit verbundene Ausschluss der Geltung der angeführten Bestimmung soll sich nur auf den ersten Satz des § 127 Abs. 1 StPO und den darin angeführten Gebührenanspruch der Dolmetscher bzw. Dolmetscherinnen bei der Kriminalpolizei beziehen.

Zu Z 54 und Z 77 (§ 126 Abs. 3a und 3b sowie § 516 Abs. 13 StPO):

Ein wiederkehrender Kritikpunkt in Gesprächen rund um mögliche Verbesserungen im Gerichtssachverständigenwesen ist, dass Gerichtssachverständige aufgrund ihrer häufigen Bestellung durch Gerichte, Staatsanwaltschaften und Behörden oft übermäßig stark belastet seien und deshalb die für die Gutachtenserstellung gesetzten Fristen oftmals nicht eingehalten werden könnten; ferner leide aufgrund dieser übermäßigen Belastung fallweise auch die Gutachtensqualität.

Ein möglicher Indikator für eine solche potenzielle besondere Belastung eines bzw. einer Sachverständigen sind noch unerledigte schriftliche Gutachtensaufträge, bei denen die vom Gericht, der Staatsanwaltschaft oder einer sonstigen Behörde gesetzte Gutachtensfrist bereits überschritten wurde. Anknüpfend daran sollen in § 126 Abs. 3a stopp – in Angleichung an entsprechende Änderungen im Zivilverfahren mit der Zivilverfahrens-Novelle 2022 – ZVN 2022, BGBl. I Nr. 61/2022 – nach dem neu vorgeschlagenen § 126 Abs. 3a StPO jene Sachverständigen, die zum Zeitpunkt der Befassung oder Bestellung durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht in mehr als zehn Verfahren die ihnen von der beauftragenden Stelle (Gericht, Staatsanwaltschaft oder sonstige Behörde) gesetzte oder bereits verlängerte Frist zur Erstattung eines schriftlichen Gutachtens überschritten haben, dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen haben. Gleichzeitig damit ist – so dem bzw. der Sachverständigen die zeitgerechte Erfüllung des nunmehrigen Gutachtensauftrags innerhalb der in Aussicht genommenen bzw. gesetzten Frist seiner Beurteilung nach möglich ist – der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht gegenüber glaubhaft zu machen, dass für die Einhaltung der in Aussicht genommenen oder gesetzten Frist zur Gutachtenserstattung hinreichend vorgekehrt ist. In diesem Fall ist eine Beauftragung des bzw. der Sachverständigen zulässig; kommt es ungeachtet dessen in der Folge zu einer Überschreitung der Gutachtensfrist, so ist dies vom Gericht im Rahmen der Beurteilung möglicher Säumnisfolgen (§ 25 Abs. 3 letzter Satz GebAG) entsprechend zu berücksichtigen und zu bewerten. Ferner soll eine Befassung oder Bestellung auch dann zulässig sein, wenn dem Erfordernis der Beiziehung eines bzw. einer Sachverständigen sonst mit vertretbarem Aufwand nicht entsprochen werden könnte.

Weiters soll – angelehnt an § 59 Abs. 2 StPO – eine Ausnahme für jene Fälle vorgesehen werden, in denen eine unverzügliche Befundaufnahme notwendig erscheint, um eine erhebliche Beeinträchtigung der Ermittlungen oder von Beweismitteln abzuwenden. Auch in diesen Fällen soll ein Sachverständiger bzw. eine Sachverständige ohne Rücksichtnahme auf seine bzw. ihre Auslastungssituation bestellt werden können; zu denken ist etwa an die kurzfristig erforderliche Beiziehung eines bzw. einer (gerichts-)medizinischen oder verkehrstechnischen Sachverständigen insbesondere aufgrund dessen bzw. deren örtlicher Nähe oder seiner bzw. ihrer unmittelbaren zeitlichen Verfügbarkeit. Die Ausnahme ist eng auszulegen; so ist die Beauftragung eines bzw. einer solchen Sachverständigen auch bei Vorliegen besonderer Umstände ausdrücklich nur zulässig, ‚soweit’ sie erforderlich ist, um eine bestimmte sofortige Ermittlungsmaßnahme zu setzen. Darüber hinaus muss diese Ermittlungsmaßnahme ihrerseits als taugliches Mittel und unbedingt erforderlich erscheinen, um das Ziel der Verhinderung einer Verwirklichung konkret vorliegender Beeinträchtigungsgefahr zu erreichen (vgl. Soyer/Schumann in Fuchs/Ratz, WK StPO § 59 Rz 38).

Mit dieser Maßnahme soll insbesondere ein Beitrag zur Verfahrensbeschleunigung und zur Sicherung der Qualität der Sachverständigengutachten geleistet werden.

Mit der vorgeschlagenen Regelung des § 126 Abs. 3b StPO soll eine Fristsetzung für die Erstattung von Befund oder Gutachten sowie Übersetzung und deren allfällig mögliche Verlängerung im Einzelfall gesetzlich festgeschrieben werden.

Dabei soll klargestellt werden, dass dem bzw. der Sachverständigen oder Dolmetscher bzw. Dolmetscherin vom Gericht bzw. der Staatsanwaltschaft im Zuge seiner bzw. ihrer Bestellung eine angemessene Frist zu setzen ist, binnen der er bzw. sie den Befund oder das Gutachten oder die Übersetzung zu erstatten hat.

In der Folge soll der bzw. die Sachverständige oder Dolmetscher bzw. Dolmetscherin nach Zugang des Auftrags unverzüglich prüfen, ob es ihm bzw. ihr möglich ist, dem Auftrag fristgerecht zu entsprechen. Dabei hat er bzw. sie die Auslastung in seiner bzw. ihren sonstigen beruflichen Tätigkeit sowohl in- als auch außerhalb von gerichtlichen Verfahren und Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft zu berücksichtigen und überdies auch sonstige Hinderungsgründe, wie etwa urlaubs-, krankheits- oder pflegebedingte Abwesenheiten, ins Kalkül zu ziehen. Ist ihm bzw. ihr die Einhaltung der ursprünglich gesetzten Frist nicht möglich, so hat er bzw. sie dies dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft binnen 14 Tagen ab Zustellung des Auftrags mitzuteilen und anzugeben, ob ihm bzw. ihr eine Auftragserfüllung gegebenenfalls innerhalb einer längeren Frist möglich ist. Das Gericht oder die Staatsanwaltschaft kann dann die Frist entsprechend verlängern.

Als Sanktion für eine (von dem bzw. der Sachverständigen verschuldete) verspätete Gutachtenserstattung ist insbesondere auf § 25 Abs. 3 GebAG hinzuweisen, wonach diesfalls die Gebühr des bzw. der Sachverständigen für Mühewaltung zu mindern ist.

Beide Änderungen sollen auf Gutachtensaufträge anzuwenden sein, die nach dem 1. Jänner 2025 erteilt werden.

Zu Z 55 (§ 126 Abs. 4 StPO):

Der Verweis auf das lediglich für Sachverständige geltende Verfahren nach Abs. 5 ist irreführend und soll daher beseitigt werden (zu den diesbezüglichen Bedenken siehe Hinterhofer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 126 Rz 181).

Zu Z 57 (§ 174 Abs. 1 StPO):

Mit Bundesgesetz BGBl. I Nr. 14/2020 wurde in § 174 Abs. 1 StPO ein neuer zweiter Satz eingefügt, wonach in Fällen einer Pandemie oder wenn es zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten nach dem Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1959, nach Maßgabe einer Verordnung der Bundesministerin für Justiz notwendig erscheint, gemäß § 153 Abs. 4 StPO vorgegangen werden kann. Sowohl aus dem Gesetzestext als auch den Gesetzesmaterialien ergibt sich klar, dass zwei Fallgruppen verankert werden sollten: Erstens Fälle einer Pandemie und zweitens nach Maßgabe einer Verordnung auch immer jene Fälle, in denen es zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten erforderlich erscheint (104 Blg NR XXVII. GP 1). Die Anknüpfung an eine Verordnung bezieht sich demnach nur auf die zweite Fallgruppe (vgl. Kirchbacher/Rami in Fuchs/Ratz, WK StPO § 174 Rz 3/1).

Der Begriff Pandemie (worunter allgemein eine weltweite Epidemie verstanden wird) ist legistisch nicht definiert; sie liegt vor, wenn sie durch den Generaldirektor bzw. die Generaldirektorin der WHO ausgerufen worden ist (bezüglich der COVID-19-Pandemie erfolgte der Ausruf am 11.3.2020) und solange die Pandemie von ihm bzw. ihr nicht als beendet erklärt wird. § 174 Abs. 1 zweiter Satz StPO gilt daher unabhängig von den aktuellen Auswirkungen der Pandemie im Inland und auch losgelöst von einer – nur den Fall des geringeren Übels einer (bloß lokalen) Epidemie konkretisierenden – ministeriellen Verordnung (Danek/Mann in Fuchs/Ratz, WK StPO § 239 Rz 10/4). Zur Beseitigung dieser Differenzierung und im Sinn der Verhältnismäßigkeit wird vorgeschlagen, auch hinsichtlich des Bestehens einer Pandemie auf die Erforderlichkeit einer Verordnung der Bundesministerin für Justiz abzustellen, um damit die Auswirkungen der Pandemie im Bundesgebiet berücksichtigen zu können und dadurch auch Klarheit über die Zulässigkeit der Anwendung des § 153 Abs. 4 StPO im Fall einer Pandemie in Fällen des § 174 Abs. 1 zweiter Satz StPO zu gewährleisten.

Zu Z 60 (§ 195 Abs. 2 StPO):

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl. I Nr. 52/2009, wurde die Entscheidungskompetenz über Fortführungsanträge von den bis zu diesem Zeitpunkt dafür zuständigen Oberlandesgerichten auf die Landesgerichte übertragen. Gleichzeitig wurden die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit der Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft eingeschränkt und in § 195 Abs. 2 StPO formale Anforderungen an einen Fortführungsantrag festgelegt, bei deren Nichteinhaltung der Antrag gemäß § 196 Abs. 2 StPO zurückzuweisen ist.

§ 195 Abs. 2 dritter Satz StPO legt fest, dass der Antrag das Verfahren, dessen Fortführung begehrt wird, zu bezeichnen und die zur Beurteilung seiner fristgemäßen Einbringung notwendigen Angaben zu enthalten hat. Darunter ist insbesondere das Datum der Zustellung einer gemäß § 194 StPO erfolgten Verständigung (oder erweiterten Einstellungsbegründung) zu verstehen (Nordmeyer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 195 Rz 27). Gemäß § 196 Abs. 2 erster Satz StPO hat das Gericht Anträge, die verspätet oder nicht von einer berechtigten Person eingebracht wurden, bereits rechtskräftig erledigt sind oder den Voraussetzungen des § 195 nicht entsprechen, als unzulässig zurückzuweisen und im Übrigen in der Sache zu entscheiden. Die Wendung ‚den Voraussetzungen des § 195 nicht entsprechen’ wurde von Lehre und Rechtsprechung stets dahingehend verstanden, dass sie auch Angaben zur formalen Zulässigkeit, insbesondere zur fristgemäßen Einbringung, umfasst (Nordmeyer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 195 Rz 27 und § 196 Rz 4/1; Tauschmann in Schmölzer/Mühlbacher, StPO2 § 196 Rz 5; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 7.1119; Steiner in Birklbauer/Haumer/Nimmervoll/Wess (Hrsg), StPO – Linzer Kommentar zur Strafprozessordnung (2020) zu § 195 Rz 59). In seiner Entscheidung 11 Os 29/21f hat der OGH ausgesprochen, dass Anträge, die den – auch die genannten Angaben zur formalen Zulässigkeit umfassenden – Voraussetzungen des § 195 StPO nicht entsprechen, gemäß § 196 Abs. 2 erster Satz StPO sogar dann zurückzuweisen sind, wenn sie rechtzeitig eingebracht wurden. Demnach sei die (von Nordmeyer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 195 Rz 27) in diesem Zusammenhang erwähnte, zu Gunsten des bzw. der Beschuldigten entwickelte Rechtsprechung zur – § 195 Abs. 2 dritter Satz StPO ähnlichen – Bestimmung des § 3 Abs. 1 letzter Satz GRBG (wonach die Unterlassung der Anführung des Tages, der für den Beginn der Beschwerdefrist maßgeblich ist, nicht zur Zurückweisung der Grundrechtsbeschwerde führt, wenn sich deren Rechtzeitigkeit aus den Akten ergibt [RIS-Justiz RS0114092]), auf das in §§ 195 f. StPO geregelte (gegen den Beschuldigten bzw. die Beschuldigte gerichtete) ‚Fortführungsrecht’ nicht übertragbar, weil § 196 Abs. 2 erster Satz stopp – im Unterschied zum GRBG – die Zurückweisung des Fortführungsantrags für den Fall unterbliebener Angaben zur Rechtzeitigkeit ausdrücklich anordne (arg: ‚…hat das Gericht als unzulässig zurückzuweisen…’; dazu auch Gw 14/17t = JSt-GP 2017/3, 253; Steiner in Birklbauer/Haumer/Nimmervoll/Wess (Hrsg), StPO – Linzer Kommentar zur Strafprozessordnung (2020) § 195 Rz 59 [insb. FN 135]).

Demgegenüber hat der OGH in seiner jüngeren Entscheidung zu 12 Os 15/22f (12 Os 16/22b) gegenteilig entschieden und eine auf die vorstehende Argumentation gestützte Beschwerde der Generalprokuratur nach § 23 StPO mit dem Hinweis verworfen, dass ein Fortführungsantrag zwar nach § 195 Abs. 2 dritter Satz StPO die zur Beurteilung der fristgerechten Einbringung notwendigen Angaben enthalten müsse; wenn die Einhaltung der Fristen des § 195 Abs. 2 erster Satz StPO schon anhand der Aktenlage bestimmt werden könne, seien jedoch weitere Angaben dazu nicht ‚notwendig’ und daher kein (unabdingbares) inhaltliches Zulässigkeitskriterium.

Zur Klarstellung (der 12. Senat hat die Entscheidung des 11. Senats lediglich mit der Beifügung ‚aM’ versehen) und weil die StPO derart strenge formale Voraussetzungen für keine anderen Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel vorsieht, die insbesondere für anwaltlich oft nicht vertretene Opfer eine große Hürde darstellen können, wird die Streichung der Wendung ‚und die zur Beurteilung seiner fristgemäßen Einbringung notwendigen Angaben zu enthalten’ vorgeschlagen, womit dem Opferschutz und der Systematik der StPO entsprechend Rechnung getragen werden soll. Für die Prüfung der Rechtzeitigkeit des Antrags soll das Gericht auch weiterhin auf die in § 195 Abs. 2 erster Satz StPO normierten Fristen für die Einbringung des Fortführungsantrags abzustellen haben, wobei die Behörde in jenen Fällen, in denen sie Tatsache und Zeitpunkt der Zustellung einer Verständigung von der Einstellung (§ 194 Abs. 1 StPO) oder einer Einstellungsbegründung (§ 194 Abs. 2 zweiter Satz StPO) nicht nachweisen kann, die Folgen zu tragen hat (stRsp des VwGH: 2007/16/0207, 2007/16/0175, 2004/08/0087, 2001/13/0302), sodass die – für eine unterbliebene Verständigung vorgesehene – längere Frist von drei Monaten zur Anwendung kommt.

Zu Z 61 (§ 196a Abs. 2 StPO):

Aufgrund der Zusammenführung von § 108 und § 108a StPO (vgl. Z 27) ist § 196a Abs. 2 StPO redaktionell anzupassen.

Zu Z 64 und Z 74 (§ 284 Abs. 2 und § 466 Abs. 3 StPO):

Durch das Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2009 ­ KorrStrÄG 2009, BGBl. I Nr. 98/2009, wurde die bestimmten Angehörigen des bzw. der Angeklagten (Ehegatte bzw. Ehegattin, Verwandte in auf- und absteigender Linie) durch § 284 Abs. 1 StPO eingeräumte Legitimation zur Ergreifung der Nichtigkeitsbeschwerde zu Gunsten des bzw. der Angeklagten gestrichen. Dasselbe gilt für die Berufung (Streichung der Legitimation der Angehörigen in § 465 Abs. 1 StPO). Anfechtungsberechtigt sind seitdem nur mehr der bzw. die Angeklagte selbst und sein bzw. ihr gesetzlicher Vertreter/seine bzw. ihre gesetzliche Vertreterin. Dennoch verweist die StPO in § 284 Abs. 2 nach wie vor auf den Angehörigenbegriff des § 282 Abs. 1 StPO und in § 466 Abs. 3 StPO nach wie vor auf den Angehörigenbegriff des § 465 Abs. 1 StPO. Die dadurch entstehende Inkonsistenz soll durch die vorgeschlagene Änderung behoben werden, sodass systemkonform nur mehr der bzw. die Angeklagte selbst und sein bzw. ihr gesetzlicher Vertreter/seine bzw. ihre gesetzliche Vertreterin als Anfechtungsberechtigte erwähnt sein sollen. Mit diesen Änderungen soll auch klargestellt werden, dass die Anmeldefristen für Rechtsmittel für den gesetzlichen Vertreter bzw. die gesetzliche Vertreterin grundsätzlich zum selben Zeitpunkt beginnen wie jene für den Angeklagten bzw. die Angeklagte selbst, nämlich mit Verkündung der Entscheidung (so schon bisher etwa Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 284 Rz 3; gegenteilig zur derzeit geltenden Rechtslage allerdings Fabrizy StPO14 § 284 Rz 2). Die Sonderbestimmungen des JGG (§ 38 Abs. 2 JGG: für den Fall, dass die Entscheidung dem gesetzlichen Vertreter bzw. der gesetzlichen Vertreterin bekanntzumachen ist, Beginn der Anmeldefrist mit Bekanntmachung) und der StPO in Hinblick auf das Unterbringungsverfahren (§ 434c Abs. 2 StPO: ebenfalls Beginn mit Bekanntmachung der Entscheidung an den gesetzlichen Vertreter bzw. die gesetzliche Vertreterin) bleiben von dieser Änderung unberührt.

Zu Z 65 bis Z 68 und Z 75 (§ 286 Abs. 1, 1a und 2, § 294 Abs. 5, § 296 Abs. 3 und § 471 StPO):

Die vorgeschlagenen Änderungen in § 286 Abs. 1 und 2 StPO sollen dem bzw. der Angeklagten die Möglichkeit einräumen, am Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof teilzunehmen. Die Einräumung dieser Möglichkeit liegt zwar nicht in grundrechtlichen Notwendigkeiten begründet (vgl. dazu Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 286 Rz 2; EGMR 21.9.1993, Kremzow gegen Österreich, Nr. 12350/86 = ÖJZ-MRK 1994/15; gegenteilig: Birklbauer in Resch, Corona-HB1.00 Kap 16, Rz 51), ist aber durch die Richtlinie (EU) 2016/343 über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren, ABl. L 65 vom 11.3.2016, S. 1, indiziert, die in Art. 8 ein Recht des bzw. der Angeklagten auf Anwesenheit in Verhandlungen, die ihn bzw. sie betreffen, vorsieht. Nachdem diese Richtlinie entsprechend ihrem Art. 2 bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens gegen den Beschuldigten bzw. die Beschuldigte gilt, bezieht sich dieses Recht auch noch auf eine allfällige Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht (wo die Anwesenheit des bzw. der Angeklagten bereits nach geltendem Recht vorgesehen ist) und den Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof.

Die Teilnahme am Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung soll dem bzw. der Angeklagten dabei freigestellt werden, sodass folgende Regelung vorgeschlagen wird: Zunächst sind grundsätzlich alle Beteiligten des Verfahrens über die Nichtigkeitsbeschwerde vom Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zu verständigen (§ 286 Abs. 1 erster Satz StPO). Die Einfügung der Wortfolge ‚über die Nichtigkeitsbeschwerde’ soll lediglich der Klarstellung dienen; schon bisher meinte der erste Satz des § 286 Abs. 1 StPO lediglich die Beteiligten des Verfahrens über die Nichtigkeitsbeschwerde und nicht etwa die Beteiligten des Hauptverfahrens (vgl. dazu Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 286 Rz 1). Der bzw. die Angeklagte, sein bzw. ihr Verteidiger/seine bzw. ihre Verteidigerin sowie der bzw. die allenfalls einschreitende Privatbeteiligte oder Privatankläger bzw. Privatanklägerin sind zum Gerichtstag zu laden, wobei auf die Einhaltung der achttägigen Vorbereitungsfrist zu achten ist. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage soll künftig auch der bzw. die Angeklagte selbst zum Gerichtstag geladen werden, um ihm bzw. ihr die Teilnahme an diesem zu ermöglichen. Ebenso wie für die anderen Beteiligten des Verfahrens über die Nichtigkeitsbeschwerde ist seine bzw. ihre Teilnahme jedoch nicht erforderlich, worauf in der Ladung hinzuweisen ist (Abs. 1 dritter Satz).

Ist der bzw. die Angeklagte in Haft, so ist seine bzw. ihre Vorführung zum Gerichtstag zu veranlassen. Der bzw. die Angeklagte kann jedoch auf seine bzw. ihre Vorführung verzichten; diesen Verzicht muss er bzw. sie dem Obersten Gerichtshof gegenüber durch seinen bzw. ihren Verteidiger/seine bzw. ihre Verteidigerin erklären (Abs. 2).

Die durch das 2. COVID-19-Gesetz (BGBl. I Nr. 16/2020) eingeführte Bestimmung des § 286 Abs. 1a StPO ermöglicht in den Fällen des § 174 Abs. 1 StPO (siehe dazu Z 34) eine Vernehmung von Angeklagten unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung (§ 153 Abs. 4 StPO). Die Vernehmung des bzw. der Angeklagten in dieser Form stellt ein Surrogat für die Vorführung des bzw. der Angeklagten zum Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung des Obersten Gerichtshofs dar. Aus Gründen der Gesetzessystematik und um einen Widerspruch zwischen Abs. 1a und Abs. 2 zu vermeiden, soll der bisherige Inhalt des Abs. 1a daher als zweiter Satz in Abs. 2 der Bestimmung verschoben werden.

Diese Verschiebung macht Folgeanpassungen in jenen Bestimmungen erforderlich, die auf diese Regelung verweisen; die Zitate in § 294 Abs. 5, § 296 Abs. 3 und § 471 StPO sollen daher entsprechend angepasst werden.

Zu Z 76 (§ 514 StPO):

Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten.

Zu Z 77 (§ 516 StPO):

Diese Bestimmung enthält Übergangsbestimmungen.

In Bezug auf die Neuregelung der Sicherstellung und der Einführung der neuen Ermittlungsmaßnahme der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten sollen diese klarstellen, dass § 111 Abs. 2 StPO und §§ 115f bis 115l StPO in allen Ermittlungsverfahren Anwendung finden, die ab dem 1. Jänner 2025 beginnen (§ 1 Abs. 2 StPO). In bereits eingeleiteten Ermittlungsverfahren gelten diese Bestimmungen, wenn nach dem 1. Jänner 2025 die genannten Ermittlungsmaßnahme angeordnet wird. Bei Sicherstellungen nach § 111 Abs. 2 StPO ist der relevante Zeitpunkt die Anordnung (§ 102 StPO) der Ermittlungsmaßnahme, während bei der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten nach § 115f Abs. 2 StPO der Zeitpunkt des Antrags auf gerichtliche Bewilligung der Anordnung maßgeblich ist. In allen anderen (laufenden) Verfahren sollen lediglich §§ 115i, 115k und 115l StPO sinngemäß Anwendung finden. Damit soll insbesondere sichergestellt werden, dass Beteiligungsrechte von Beschuldigten und Opfern bei der Auswertung von Daten Berücksichtigung finden können. Zusätzlich soll auch in laufenden Verfahren die sichere Verwahrung von Datenträgern und Daten nach § 115k StPO gewährleistet werden. Durch die sinngemäße Geltung von § 115l StPO durch die bzw. den Rechtsschutzbeauftragten der Justiz soll insbesondere für Beschuldigte und Opfer auch in den bereits anhängigen Verfahren zusätzlicher Rechtsschutz gewährleistet werden. Eine rückwirkende (Verständigungs-)Pflicht nach § 115l Abs. 1 StPO der Staatsanwaltschaft an den bzw. die Rechtsschutzbeauftragten besteht nicht.

Zu Z 78 (§ 516a StPO):

Diese Bestimmung regelt die Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Union.

Zu Artikel 2 (Änderung des Staatsanwaltschaftsgesetzes)

Zu Z 1 bis Z 3 (§ 8 Abs. 3, § 34 Abs. 2 und § 35c StAG):

Durch die Überführung des maßgeblichen Regelungsinhalts des § 35c StAG in den neu geschaffenen § 197a StPO kann die Bestimmung zur Gänze entfallen. Die Verweise auf § 35c StAG in § 8 Abs. 3 und § 34 Abs. 2 StAG sind an das neue 10a. Hauptstück der StPO anzupassen.

Zu Z 4 und Z 5 (§ 36 und § 36a StAG):

Zum Geschäftsgang der Staatsanwaltschaften stehen den mit der Aufsicht betrauten Behörden und Organen umfangreiche Daten und automationsunterstützt erstellte Berichte zur Verfügung. Mit der Ablöse der bisherigen ‚Einschau’ (§ 7 DV-StAG idF BGBl. II Nr. 396/2007) durch zwei gesonderte Systeme, nämlich eine ‚Innenrevision’ einerseits und eine ‚Nachschau’ andererseits, sollen davon ausgehend nach dem schon bewährten Modell im Gerichtsbereich (§ 75, § 78a, § 78b GOG) im Rahmen der Aufsicht unterschiedlich risikogeneigte Bereiche auf zwei komplementäre Prüfkreise verteilt werden. Diese sollen in verschiedenen Intervallen zum Einsatz kommen und einen jeweils unterschiedlichen Fokus bei der Durchführung der Prüfung legen, womit ein wirksames und effizientes System zur Qualitätssicherung bei den Staatsanwaltschaften eingerichtet wird. Während sich die Nachschau als Instrument der Dienst- und Fachaufsicht der Oberstaatsanwaltschaft grundsätzlich jährlich auf Auffälligkeiten (Stärken wie Schwächen) der einzelnen Staatsanwaltschaft fokussiert, steht bei der Innenrevision als eigenständiges Instrument der Qualitätssicherung die Dienststelle in ihrer Gesamtheit im Zentrum der Prüfung (System- und Ordnungsmäßigkeitsprüfung).

Zu Artikel 3 (Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes)

Zu Z 1 und Z 2 (§ 26 Abs. 6 und § 32 Abs. 5 GOG):

Die für Staatsanwaltschaften in § 4 Abs. 3a Z 1 DV-StAG bestehende Regelung, wonach bei Dienststellen mit zumindest zehn systemisierten staatsanwaltlichen Planstellen die Leiterin oder der Leiter der Staatsanwaltschaft die Bearbeitung von Verfahren wegen Gewalt im sozialen Nahraum (Gewalt in der Familie, Gewalt an Kindern) jeweils einem oder mehreren besonders geschulten Staatsanwältinnen oder Staatsanwälten zu übertragen hat, hat sich in der Praxis bestens bewährt. Aus diesem Grund soll nunmehr auch im Bereich der Bezirksgerichte und Gerichtshöfe erster Instanz eine vergleichbare Spezialzuständigkeit abgebildet werden. Diese knüpft – um im Sinne der verfassungsgesetzlichen Vorgaben ex ante eine klare Zuweisung an eine Gerichtsabteilung zu ermöglichen – an den Angehörigenbegriff des StGB (§ 72) an. Dabei sollen nicht nur vorsätzlich begangene strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, sondern auch weitere, konkret genannte strafbare Handlungen gegen die Freiheit umfasst sein. Künftig kommen in diesem Bereich daher nur noch speziell geschulte Richterinnen bzw. Richter zum Einsatz, die über besondere Kenntnisse und ausreichend Erfahrung im Umgang mit Opfern von Gewalt im sozialen Nahraum verfügen. Gleichzeitig soll dadurch die Strafverfolgung auf diesem hochsensiblen Gebiet gestärkt werden.

Zu Z 3 (§ 48a GOG):

Um der im aktuellen Regierungsprogramm verankerten Zielsetzung, die letztinstanzlichen rechtskräftigen Entscheidungen der Oberlandesgerichte in der Entscheidungsdokumentation Justiz zu veröffentlichen, zu entsprechen, hat das Bundesministerium für Justiz die für eine möglichst umfassende Veröffentlichung erforderlichen inhaltlichen und technischen Voraussetzungen geschaffen. Dem sich daraus ergebenden legistischen Anpassungsbedarf soll mit der hier vorgesehenen Änderung des § 48a GOG entsprochen und eine allgemeine Veröffentlichungspflicht der rechtskräftigen Entscheidungen der Oberlandesgerichte verankert werden, wobei sich die Veröffentlichung auf Entscheidungen im Volltext (§ 15 Abs. 1 Z 1 OGHG) beschränkt; eine solche wurde bereits im Jahr 2019 von der Arbeitsgruppe im Projekt ‚Qualitätssicherung und Effizienz im Ermittlungsverfahren’ für den Bereich des Strafverfahrens befürwortet. Für die Erstellung von Rechtssätzen (§ 15 Abs. 1 Z 2 OGHG) besteht hingegen keine Verpflichtung, sie bleibt aber auch für Entscheidungen nach § 48a möglich. Die Ausnahmeregelung, wonach (hier) das erkennende Gericht bei der Beschlussfassung in Rechtssachen, in denen das Verfahren in allen Instanzen ohne Durchführung einer öffentlichen Verhandlung zu führen war, anordnen kann, dass die Entscheidung in der Datenbank nicht zu veröffentlichen ist, wenn sonst die Anonymität der Betroffenen nicht sichergestellt ist, ist durch den Verweis auf (auch) § 15 Abs. 2 OGHG sinngemäß anzuwenden. Durch Abs. 1 letzter Satz wird klargestellt, dass ausschließlich in ihrer Gesamtheit rechtskräftige Entscheidungen der Oberlandesgerichte zu veröffentlichen sind, also auch jene, in denen der Oberste Gerichtshof das Rechtsmittel ohne oder nur mit kurzer Begründung zurückgewiesen hat, nicht aber jene, in denen der Oberste Gerichtshof die Entscheidung abgeändert hat.

Eine Einschränkung dieser dem Grunde nach allgemeinen Veröffentlichungspflicht ist allerdings für die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren mit Blick auf die im Strafverfahren geltenden besonderen grundrechtlichen Garantien, die bei der Abwägung, ob eine Entscheidung zu veröffentlichen ist oder nicht, gegen das Interesse an der Veröffentlichung abzuwägen sind, unabdingbar. Zu denken ist hier insbesondere an die Unschuldsvermutung und die Garantien des Art. 6 EMRK, aber auch an die Rechte der Opfer, die sich aus der Richtlinie Opferrechte ableiten. Die daraus resultierende Berücksichtigung von Beschuldigten- und Opferrechten wird in Abs. 2 explizit verankert. Darüber hinaus gilt es aber nicht zuletzt mit Blick auf die besonderen grundrechtlichen Garantien generell dafür Sorge zu tragen, dass Entscheidungen aus Ermittlungsverfahren erst nach deren rechtskräftiger Beendigung veröffentlicht werden. Das Bundesministerium für Justiz wird durch entsprechende technische und organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass die für die Veröffentlichung zuständige Stelle rasch und einfach von der Beendigung des Ermittlungsverfahrens Kenntnis erlangen kann.

Die Pseudonymisierung selbst und die anschließende Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz erfolgen durch die Präsidentin oder dem Präsidenten des zuständigen Oberlandesgerichts im Rahmen der monokratischen Justizverwaltung. Dies soll nunmehr durch den Verweis auf § 42 GOG explizit klargestellt werden. Lediglich die in Abs. 3 unverändert vorgesehene Beurteilung, ob eine Entscheidung von einem allgemeinen, über den Einzelfall hinausgehenden Interesse ist, soll aus rechtsstaatlichen Erwägungen wie bisher der Rechtsprechung vorbehalten bleiben. Überdies ist entsprechenden Hinweisen aus der Praxis folgend im Interesse der Qualitätssicherung vorgesehen, dass sich das erkennende Gericht vorbehalten kann, die bereits pseudonymisierte Entscheidung vor der Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz noch einmal vorgelegt zu erhalten, was sich insbesondere bei komplexen Sachverhaltskonstellationen als zweckmäßig erweisen kann. Wenn es das für erforderlich hält, kann das erkennende Gericht den pseudonymisierten Entwurf abändern oder einen (nachträglichen) Beschluss nach § 15 Abs. 2 OGHG fassen. Die finale Entscheidung über die Pseudonymisierung obliegt der monokratischen Justizverwaltung. Hiervon ausdrücklich unberührt bleibt § 15 Abs. 5 OGHG.

In Abs. 5 soll aus rechtsstaatlichen Erwägungen und im Interesse des Fair Trial (Art. 6 EMRK) vorgesehen werden, dass den Verfahrensbeteiligten alle rechtskräftigen Entscheidungen, auf die in gerichtlichen und staatsanwaltlichen Verfahren Bezug genommen wird, kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Der Ausfolgung dürfen keine überwiegenden berechtigten Interessen einer oder eines anderen oder überwiegende öffentliche Interessen im Sinne des Art. 23 Abs. 1 DSGVO entgegenstehen. Zuständig ist die oder der nach Abs. 4 zuständige Präsidentin oder Präsident des Oberlandesgerichts. Für die Pseudonymisierung und die anschließende Aufnahme der pseudonymisierten rechtskräftigen Entscheidung gilt das Regime des Abs. 4, die damit in den Bereich der monokratischen Justizverwaltung fällt. Insgesamt wird es sich daher anbieten, bereits anlässlich der Bezugnahme auf eine nicht veröffentlichte Entscheidung die Pseudonymisierung und die anschließende Aufnahme der pseudonymisierten rechtskräftigen Entscheidung in die Entscheidungsdokumentation Justiz zu veranlassen.

Für Entscheidungen des Kartellgerichts soll weiterhin § 37 KartG gelten.

Aktuell erfolgt die Pseudonymisierung von Entscheidungen und die Einpflege in die Entscheidungsdokumentation Justiz nahezu vollständig durch das Evidenzbüro des Obersten Gerichtshofs. Auch für die Entscheidungen der Oberlandesgerichte soll zunächst auf die bewährte Expertise des Obersten Gerichtshofs zurückgegriffen und dieser bis zum Abschluss des erforderlichen Wissenstransfers unterstützend tätig werden.

Zu Z 4 (§ 98 Abs. 34 GOG):

Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten der Novelle. Für den Tatbestand des § 48a Abs. 5 GOG ist auf jene Entscheidungen abzustellen, die nach dem 31. Dezember 2024 gefasst werden und in denen auf andere nicht veröffentlichte rechtskräftige (auch vor dem 31. Dezember 2024 gefasste) Entscheidungen Bezug genommen wird.

Zu Artikel 4 (Änderung des Finanzstrafgesetzes)

Zu Z 1 (§ 57 Abs. 4, § 84 Abs. 5 und § 127 Abs. 1 FinStrG)

Die vorgeschlagene Änderung zielt darauf ab, den mitunter als diskriminierend empfundenen Begriff ‚stumm’ in Anlehnung an die Terminologie des vorgeschlagenen § 61 Abs. 2 lit. a StPO auch im FinStrG durch den Begriff ‚hochgradig sprachbehindert’ zu ersetzen.

Zu Z 2 (§ 201 FinStrG)

Der Verweis soll an die vorgeschlagene Änderung des § 108 StPO angepasst werden.

Zu Z 3 (§ 205 FinStrG)

Nach dem vorgeschlagenen § 197b StPO wären auch die Finanzstrafbehörden aufgrund der ihnen gemäß § 200 Abs. 1 FinStrG zukommenden Befugnisse vom Absehen der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen eines Finanzvergehens gemäß § 197a Abs. 1 erster Fall StPO (Absehen aus rechtlichen Gründen) zu verständigen. Die Finanzstrafbehörde soll jedoch auch verständigt werden, wenn von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen eines Finanzvergehens gemäß § 197a Abs. 1 zweiter Fall StPO abgesehen wird (Absehen mangels Vorliegens eines Anfangsverdachts), um über die allfällige weitere Vorgehensweise entscheiden zu können. Da die Finanzstrafbehörden nach dem vorgeschlagenen § 197c StPO auch berechtigt sind, einen Antrag auf Verfolgung des Finanzvergehens zu stellen und um sicherzustellen, dass ihnen auch in diesen Fällen kein Pauschalkostenbeitrag gemäß § 196 Abs. 2 StPO aufzuerlegen ist, soll eine entsprechende Anpassung von § 205 FinStrG erfolgen.

Zu Z 4 und 5 (§ 228a, § 265 Abs. 6 FinStrG)

Der bestehende § 228a FinStrG verweist auf den durch den VfGH mit Erkenntnis vom 22.9.2022, G 90/2022, als verfassungswidrig aufgehobenen Abs. 2 des § 393a StPO. Dem Freigesprochenen gebührte demnach ein angemessener Teil des im Fall eines Freispruchs oder einer Einstellung nach § 393a Abs. 1 Z 1, 2 oder 3 StPO zustehenden Betrags. Aufgrund der Aufhebung des § 393a Abs. 2 StPO geht der Verweis des § 228a FinStrG nunmehr ins Leere. Aufgrund des Umstandes, dass mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 96/2024 der Beitrag zu den Kosten der Verteidigung in den §§ 196a und 393a StPO neu geregelt wurde, erweist sich eine Anpassung der Ersatzregelung des bisherigen § 228a als erforderlich. Es soll sichergestellt werden, dass sowohl im Falle der Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen eines Finanzvergehens durch die Staatsanwaltschaft als auch bei einer nicht verurteilenden Beendigung des gerichtlichen Finanzstrafverfahrens Ansprüche auf den Beitrag zu den Kosten der Verteidigung nach den Regelungen der StPO bestehen sollen. Die in § 265 Abs. 6 vorgeschlagene Anwendungsbestimmung entspricht § 516 Abs. 12 StPO in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 96/2024, um Wertungswidersprüche zu vermeiden.

Zu Artikel 5 (Änderung des Justizbetreuungsagentur-Gesetzes):

Zu Z 1 (§ 2 Abs. 5b):

Im Sinne des Erkenntnisses des VfGH G352/2021 soll die Möglichkeit geschaffen werden, über die Justizbetreuungsagentur künftig auch juristische Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen sowie Personen zur technischen Unterstützung des bzw. der Rechtsschutzbeauftragten bei der Erfüllung seiner bzw. ihrer Aufgaben nach § 47a StPO zur Verfügung zu stellen. Damit wird sichergestellt, dass effektive Maßnahmen einer unabhängigen Aufsicht bestehen, die u.a. gewährleisten, dass sich die Strafverfolgungsorgane bei der Aufbereitung und Auswertung von Daten im Rahmen der gerichtlichen Bewilligung bewegen und die Rechte der Betroffenen in verhältnismäßiger Weise gewahrt sind.

Zu Z 3 (§ 30 Abs. 5):

Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten. Die Bereitstellung von juristischen Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterinnen und Personen zur administrativen Unterstützung des bzw. der Rechtsschutzbeauftragten soll nur vorübergehend über die Justizbetreuungsagentur erfolgen.

Zu Artikel 6 (Änderung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991):

Zu Z 1 (§ 55a):

Mit der vorgeschlagenen Bestimmung soll – in Präzisierung der verfassungsgesetzlichen Amtshilferegelung des Art. 22 B-VG – eine gemäß § 76 Abs. 4 StPO erforderliche ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung geschaffen werden, um den Behörden eine ordnungsgemäße Vollziehung zu ermöglichen (vgl. OGH 10.12.2019, 11 Os 76/19i). Diese wird sodann gemäß § 24 erster Satz des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, § 17 und § 38 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, und § 62 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, auch im Verwaltungsstrafverfahren (zB zur Vermeidung einer potenziellen Doppelbestrafung), im Verfahren der Verwaltungsgerichte und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof anzuwenden sein.

In Abweichung von bisherigen Bestimmungen (siehe etwa § 158 Abs. 4d BAO), die eine Ermächtigung von Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten vorsehen, sollen gemäß dem ersten Satz die Behörden zur Stellung von Ersuchen an die zuvor genannten Organe und zur Verarbeitung der erhaltenen personenbezogenen Daten ermächtigt werden. Unter welchen Voraussetzungen Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte personenbezogene Daten übermitteln dürfen, ist nämlich schon Gegenstand des § 76 Abs. 4 StPO und auch in den Materialien zu dieser Bestimmung wird zum Ausdruck gebracht, dass eine Ermächtigung derjenigen Behörden, die die personenbezogenen Daten erhalten sollen, erforderlich ist (‚[…] es künftig jedem Materiengesetzgeber zu ermöglichen, eine gesetzliche Ermächtigung zum Erhalt personenbezogener Daten aus einem Strafverfahren für bestimmte Behörden und Gerichte vorzusehen. In der einer solchen Ermächtigung korrespondierenden Bestimmung des § 76 Abs. 4 StPO als der erforderlichen Grundlage zur Zulässigkeit der Übermittlung von Daten aus einem Strafverfahren an die ersuchende Behörde bzw. das ersuchende Gericht […]’ [970/A d.B. XXVI. GP, 39]; siehe auch Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO, § 76, Rz. 22/1 [Stand 15.3.2023, rdb.at]: ‚wenn eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zum Erhalt bzw zur Verwendung der Daten vorliegt’).

Laut VfSlg. 19.801/2013 darf der Gesetzgeber die Verwendung von Ergebnissen über personenbezogene Daten, die in einem Strafverfahren rite erlangt wurden, in sonstigen (gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen) Verfahren nur insoweit vorsehen, als der Zweck der Datenverwendung in diesen Verfahren ein öffentliches Interesse oder das Interesse eines anderen verfolgt, welches das Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung (bzw. Löschung) der Daten übersteigt und das gelindeste Mittel zur Erreichung des Verfahrenszieles darstellt. Die vorgeschlagene Bestimmung trägt dem zunächst dadurch Rechnung, dass ein Ersuchen um Datenübermittlung nur gestellt werden kann, ‚[s]oweit dies für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens erforderlich und nicht unverhältnismäßig ist’.

Ob die Stellung eines Ersuchens ‚erforderlich’ ist, ergibt sich aus den maßgeblichen Verwaltungsvorschriften. Eine nähere Determinierung kann allerdings in einem allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz von vornherein nicht geleistet werden: ‚Denn für Verfahrensvorschriften gibt es eigentlich keine ‚Vollziehung‘ im technischen Sinne, da ja das Verfahren selbst nichts anderes ist als die Vollziehung materieller Normen’ (so bereits im Besonderen Teil der Erläuterungen zu 116 d.B. II. GP, 1; vgl. auch Mayer, Die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden im Vollstreckungsverfahren [1974] 91 f).

Zur Vornahme der grundrechtlich gebotenen Interessenabwägung werden ebenfalls die Verwaltungsvorschriften heranzuziehen sein. Die Prüfung durch die Behörde, ob die Datenübermittlung und -verarbeitung ‚nicht unverhältnismäßig’ ist, kann allerdings schon mangels Kenntnis des konkreten Inhalts dieser Daten nur eine ex-ante-Prüfung sein. Gelangt die Behörde zum Ergebnis, dass die Unverhältnismäßigkeit zu bejahen ist, hat bereits die Stellung eines entsprechenden Ersuchens zu unterbleiben.

Zum zweiten Satz und dritten Satz vgl. mutatis mutandis die Vorbildbestimmung des § 76 Abs. 1 zweiter Satz StPO und Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO, § 76, Rz. 12 (Stand 15.3.2023, rdb.at) sowie ferner Art. 61 Abs. 3 DSGVO. Als Grundsatz gilt, dass das Ersuchen alle erforderlichen Angaben, einschließlich insbesondere des Zwecks der Datenverarbeitung, zu enthalten hat und, um Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten die von ihnen gemäß § 76 Abs. 4 StPO (siehe insbesondere Z 1 und 2 leg. cit.) vorzunehmende Beurteilung zu ermöglichen, entsprechend zu begründen ist.

Die Bestimmungen des DSG bleiben unberührt und vollumfänglich anwendbar.

Zu Z 2 (§ 82 Abs. 25):

Inkrafttretensbestimmung.

Artikel 7 (Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988)

Zu Z (§ 44 Abs. 2 JGG)

Das Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024 enthält eine Neuregelung der Bestimmungen über das Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (§§ 197a ff StPO), insbesondere des Rechtsschutzes: Im Falle eines Vorgehens nach § 197a erster Fall StPO sind Personen, die Opfer einer Straftat sein könnten, berechtigt, einen Antrag auf Verfolgung dieser Straftat zu stellen (§ 197c StPO).

§ 44 Abs. 2 JGG schließt in Verfahren wegen einer Jugendstraftat bestimmte nach der StPO Privatbeteiligten zukommende Rechte aus, etwa das Recht nach § 195 StPO, einen Antrag auf Fortführung zu stellen. Systemkonform soll auch der Verfolgungsantrag nach § 197c StPO in Verfahren wegen einer Jugendstraftat nicht offen stehen.“

 

Der Budgetausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 09. Dezember 2024 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer die Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Mag. Selma Yildirim, Dr. Nikolaus Scherak, MA und Mag. Wolfgang Gerstl sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Selma Yildirim und Mag. Agnes Sirkka Prammer einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

Zu Z 1 bis 3 und 7 bis 15:

Behebung von Redaktionsversehen.

Zu Z 4 (§ 108 Abs. 3):

Als geringfügigen Ausgleich zur mit dem Initiativantrag vorgeschlagenen Erweiterung, ab Tag 1 des Verfahrens einen Einstellungsantrag stellen zu können, soll die staatsanwaltliche Entscheidungsfrist in der Anfangsphase des Ermittlungsverfahrens leicht ausgeweitet werden, binnen derer die Staatsanwaltschaft gemäß § 103 Abs. 3 zweiter Satz vorzugehen hat.

Zu Ziffer 5 (§ 110 Abs. 3a):

Entsprechend Anregungen aus der Praxis soll die Sicherstellung punktueller Daten wie schon nach geltender Rechtslage (§ 110 Abs. 3 lit. d) von der Kriminalpolizei von sich aus durchgeführt werden können. Diese Befugnis bezieht sich auf punktuelle Daten, gleichwohl, ob es sich um mittels Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten an öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Orten aufgenommene Daten handelt oder nicht. Die Schranken des § 111 Abs. 2 zweiter Satz sollen auch hier gelten. Bei mittels Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten aufgenommenen Daten, bei denen es sich etwa schon auf Grund des Umfangs um keine punktuellen (bzw. geringwertigen) Daten mehr handeln kann, ist nach § 110 Abs. 2 vorzugehen.

Zu Ziffer 6 (§ 115f Abs. 4):

Redaktionelle Anpassung an den Wortlaut des § 115f Abs. 1.“

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Selma Yildirim und Mag. Agnes Sirkka Prammer mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, N, G, dagegen: F) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Budgetausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2024 12 09

                    Mag. Agnes Sirkka Prammer                                              Gabriel Obernosterer

                                  Berichterstattung                                                                          Obmann