167 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVIII. GP
Bericht
des Ausschusses für innere Angelegenheiten
über den Antrag 248/A(E) der Abgeordneten Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bekenntnis zur echten Terrorbekämpfung statt Lizenz zur Massenüberwachung
Die Abgeordneten Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 25. April 2025 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Nach einer Reihe von islamistischen Terroranschlägen in Europa wurde Österreich 2020 erstmals selbst Opfer eines solchen Angriffs. Im Jahr 2025 kam es zu einem weiteren Vorfall. Diese Ereignisse zeigen schmerzhaft, dass Terrorismusbekämpfung in Österreich höchste Priorität haben muss – um die Sicherheit aller Menschen zu gewährleisten, Radikalisierung frühzeitig zu verhindern und unsere demokratischen Werte zu schützen. Seit ihrer Neustrukturierung 2021 arbeitet die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) mit hoher Professionalität genau an diesen Zielen.
Am 8. April 2025 wurde von Innenminister Karner ein neuer Entwurf für eine ‚Gefährder-Überwachung‘ in Begutachtung geschickt – und damit einer langjährigen Forderung der ÖVP nachgekommen. Während das Vorhaben als notwendiger Schritt zur Terrorbekämpfung verkauft wird, zeigt eine genaue Durchsicht, dass es sich um die erneute Einführung eines Bundestrojaners handelt – einer Maßnahme, die bereits 2019 als verfassungswidrig aufgehoben wurde. Dabei wird in Handy- und Computersysteme eingedrungen, um auf sämtliche darauf gespeicherte Daten zuzugreifen. Geöffnet wird damit nicht nur der Zugang zu Messengerdiensten wie WhatsApp und ähnlichen Anbietern, sondern auch zu allen weiteren Daten auf den jeweiligen Geräten.
Wie mittlerweile mehrfach festgehalten, sind Computersysteme und insbesondere Handys wesentlicher Bestandteil der nach Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützten Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürgern. Unser gesamtes Leben ist auf diesen Geräten abgebildet - sie lassen Rückschlüsse auf persönliche Vorlieben, Neigungen, Orientierungen, Gesinnung und Lebensführung zu. Und diese Rückschlüsse betreffen nicht nur die überwachte Person selbst, sondern auch alle, die auf deren Fotos erscheinen oder mit ihr in Kontakt stehen. Die Maßnahme ist somit deutlich tiefgreifender als alle Überwachungsinstrumente der Strafprozessordnung.
Hinzu kommt ein hohes Risiko des Missbrauchs. Erfahrungen aus anderen demokratischen Staaten Europas zeigen deutlich: Wird die Verwendung von Spyware freigegeben, ist ihr rechtswidriger Einsatz praktisch kaum zu verhindern. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Skandale aufgedeckt, bei denen genau solche Systeme gegen Rechtsanwält:innen, Journalist:innen und zivilgesellschaftliche Akteur:innen eingesetzt wurden. Die Spuren führten zu Regierungen und Unternehmen in Polen, Ungarn, Griechenland, Zypern, Spanien, den Niederlanden, Belgien, Deutschland, Malta, Frankreich, Irland, Luxemburg, Italien – und auch nach Österreich.
Das stärkste Argument gegen die Einführung eines Bundestrojaners ist jedoch: Der österreichische Verfassungsschutz stößt bereits jetzt regelmäßig an seine Grenzen – nicht wegen fehlender gesetzlicher Befugnisse, sondern aufgrund zu geringer finanzieller und personeller Mittel, unzureichender Weiterbildungsmöglichkeiten für das Personal und veralteter technischer Ausstattung.
All dies führt dazu, dass der bestehende gesetzliche Rahmen nicht ausgeschöpft werden kann. Die Maßnahme des Bundestrojaners erscheint in diesem Zusammenhang als Scheinlösung – bestenfalls lenkt sie von den eigentlichen Problemen ab, schlimmstenfalls erweckt sie den Anschein, diese beheben zu können. Und das auf Kosten der Grundrechte und der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger.
Dabei sollte der Bundesregierung und insbesondere dem Innenminister klar sein: Grundrechtsschutz ist keine Hürde für Sicherheit – er ist die Voraussetzung für nachhaltige Sicherheit.
Maßnahmen, die unterhalb der Schwelle eines Bundestrojaners liegen, bleibt der Innenminister bislang schuldig. Rechtsstaatliche Lösungen wie Open-Source-Forensik, bessere Hinweisgebersysteme oder strafrechtlich nachvollziehbare Informationsverwertung sind nicht nur grundrechtskonform, sondern auch praktikabel und wirksam. Moderne, auf Open-Source basierende forensische Tools ermöglichen eine transparente und gerichtsfeste Analyse digitaler Spuren – ohne verdeckten Zugriff auf Endgeräte. Verschlüsselte, anonyme Hinweisgebersysteme im Zusammenhang mit breit angelegten Präventions- und Sensibilisierungsmaßnahmen könnten dazu beitragen, extremistisches Gefahrenpotenzial frühzeitig zu erkennen – ohne massenhaft in private Kommunikation einzugreifen.
Und durch eine klare rechtliche Kette bei der Informationsverwertung – etwa durch Behördenzeugnisse, die es ermöglichen, geheime Erkenntnisse dennoch gerichtsverwertbar zu präsentieren – kann sichergestellt werden, dass Ermittlungen rechtlich tragfähig und demokratisch legitimiert bleiben. All diese Optionen liegen auf dem Tisch – doch der politische Wille, sie konsequent zu nutzen und weiterzuentwickeln, fehlt bislang.“
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 2. Juli 2025 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Agnes Sirkka Prammer die Abgeordneten Mag. Gernot Darmann, Süleyman Zorba, MMag. Dr. Michael Schilchegger, Douglas Hoyos‑Trauttmansdorff, Maximilian Köllner, MA, Melanie Erasim, MSc und Mag. Friedrich Ofenauer sowie der Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner, der Staatssekretär im Bundesministerium für Inneres Mag. Jörg Leichtfried und der Ausschussobmann Abgeordnete Mag. Ernst Gödl.
Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: F, G, dagegen: V, S, N).
Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.
Wien, 2025 07 02
Mag. Wolfgang Gerstl Mag. Ernst Gödl
Berichterstattung Obmann