168 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVIII. GP
Bericht
des Ausschusses für innere Angelegenheiten
über den Antrag 315/A(E) der Abgeordneten Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Keine Umkehr der BVT-Reform
Die Abgeordneten Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 22. Mai 2025 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Seit Dezember 2021 ist die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) Österreichs Verfassungsschutzbehörde. Besonderes Element der DSN: Anders als in ihrer Vorgängerorganisation, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), besteht eine klare Trennung in die Bereiche Staatsschutz und Nachrichtendienst. Die Trennung dient der Stärkung der Gefahrenaufklärung und wird von der DSN als ‚wesentliches Element der DSN‘[1] bezeichnet.
Während der Nachrichtendienst für die frühzeitige Aufklärung, Auswertung, Analyse und fortlaufende Beurteilung verfassungsschutzrelevanter Bedrohungslagen im Inland zuständig ist, konzentriert sich der Staatsschutz vorrangig auf die Abwehr akuter Gefahren mittels polizeilicher Ermittlungsmethoden. Die Vernetzung der Informationen aus beiden Bereichen führt zu einem besseren Erkenntnisgewinn. Nur durch einen starken Nachrichtendienst kann dieses hybride Modell ein umfassendes Lagebild erzeugen, das frühzeitig Gefahren erkennt und präventive Handlungsmöglichkeiten eröffnet.
Die strikte organisatorische Trennung war ein zentraler Aspekt der BVT-Reform. Vor der Reform wurden nachrichtendienstliche Aufgaben oft im Rahmen polizeilicher Tätigkeiten des Staatsschutzes ‚miterledigt‘ – häufig zulasten der nachrichtendienstlichen Aufklärung. Aus diesem Grund wurde die DSN nach internationalen Vorbildern neu aufgestellt: In den meisten demokratischen Staaten befinden sich Nachrichtendienst und Staatsschutz weder unter einem organisatorischen Dach noch werden sie von denselben Personen ausgeführt. Das hat den Vorteil, dass sich der Nachrichtendienst ausschließlich auf Analyse und strategische Aufklärung konzentrieren kann, ohne polizeiliche Aufgaben übernehmen zu müssen.
Durch diese strukturellen Änderungen verwirklicht die DSN heute die Anforderungen an eine moderne Sicherheitsbehörde. Sie ist angemessen ausgestattet, um Risiken und Bedrohungen für die Sicherheit Österreichs frühzeitig zu erkennen.
Diese grundlegende Errungenschaft der BVT-Reform steht jedoch zur Disposition. Pläne der aktuellen Regierung sehen vor, diesen zentralen Aspekt wieder aufzuweichen. Der Ministerialentwurf zur Novelle des Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetzes, des Sicherheitspolizeigesetzes u.a. (8/ME), sieht eine Rechtsgrundlage vor, mit der der Direktor die Möglichkeit erhält, den Nachrichtendienst mit Aufgaben des Staatsschutzes zu betrauen. In den Erläuterungen zum Entwurf wird ausgeführt, dass die vorgesehene Informationsschnittstelle zwischen Nachrichtendienst und Staatsschutz die ‚rasche und effiziente Aufgabenerfüllung‘ aktuell erschweren könne. Statt diese Schnittstelle zu verbessern oder effizienter zu gestalten, soll sie offenbar umgangen werden – eine ‚österreichische Lösung‘.
Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Trennung bisher ein tatsächliches Problem dargestellt hat. Als die BVT-Reform 2021 beschlossen wurde, wurde gleichzeitig eine interne Evaluierung durch die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit für das Jahr 2026 vereinbart. Warum dieser Evaluierung nun durch einen solch weitreichenden Eingriff in die Organisationsstruktur vorgegriffen werden soll, ist nicht nachvollziehbar.
Hinzu kommt, dass eine Vermischung der Zuständigkeiten erhebliche Risiken für die institutionelle Unabhängigkeit birgt, die parlamentarische sowie rechtsstaatliche Kontrolle erschwert und das Vertrauen internationaler Partner in die Verlässlichkeit österreichischer Sicherheitsstrukturen untergraben könnte.
Die klare Trennung zwischen Nachrichtendienst und Staatsschutz war eine bewusst gesetzte Lehre aus den Fehlern der Vergangenheit – sie sollte deshalb auch in Zukunft aufrechterhalten werden.“
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 2. Juli 2025 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Agnes Sirkka Prammer die Abgeordneten Mag. Gernot Darmann, Süleyman Zorba, MMag. Dr. Michael Schilchegger, Douglas Hoyos‑Trauttmansdorff, Maximilian Köllner, MA, Melanie Erasim, MSc und Mag. Friedrich Ofenauer sowie der Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner, der Staatssekretär im Bundesministerium für Inneres Mag. Jörg Leichtfried und der Ausschussobmann Abgeordnete Mag. Ernst Gödl.
Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: F, G, dagegen: V, S, N).
Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.
Wien, 2025 07 02
Mag. Wolfgang Gerstl Mag. Ernst Gödl
Berichterstattung Obmann
[1] https://www.dsn.gv.at/101/?trk=organization_guest_main-feed-card-text: „Ein wesentliches Element der Direktion ist die klare Trennung der Bereiche Staatsschutz und Nachrichtendienst“