169 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVIII. GP
Bericht
des Ausschusses für innere Angelegenheiten
über die Regierungsvorlage (122 der Beilagen): Übereinkommen zwischen den Parteien der Konvention über die polizeiliche Zusammenarbeit in Südosteuropa über den automatisierten Austausch von DNA-, daktyloskopischen- und Fahrzeugregisterdaten
Die in den letzten Jahren erhöhten Bedrohungen der inneren Sicherheit Österreichs durch den internationalen Terrorismus und grenzüberschreitend tätige kriminelle Gruppen führen zur Notwendigkeit, die internationale polizeiliche Zusammenarbeit zu verstärken. Unter anderem stellt hierbei die Tatsache, dass Straftäterinnen und Straftäter und Terroristinnen und Terroristen häufig unter wechselnden Falschidentitäten reisen, die Sicherheitsbehörden vor eine herausfordernde Aufgabe. Das Übereinkommen zwischen den Parteien der Konvention über die polizeiliche Zusammenarbeit in Südosteuropa über den automatisierten Austausch von DNA-, daktyloskopischen- und Fahrzeugregisterdaten (nachstehend als „Übereinkommen“ bezeichnet) und das entsprechende Durchführungsübereinkommen im Rang eines Regierungsübereinkommens iS von lit. a) der Entschließung des Bundespräsidenten vom 31. Dezember 1920, BGBl. Nr. 49/1921, sollen in diesem Zusammenhang einen wesentlichen Schritt bilden, um den genannten Bedrohungen wirkungsvoller begegnen zu können. Der Abschluss des Übereinkommens wird durch ein Änderungsprotokoll ergänzt.
In Ergänzung zu den Anstrengungen innerhalb der Europäischen Union zur Verstärkung der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen hat Österreich in den letzten Jahren eine Reihe von bi- und multilateralen Staatsverträgen in diesem Bereich abgeschlossen. So initiierte Österreich unter anderem die Konvention über die polizeiliche Zusammenarbeit in Südosteuropa, BGBl. III Nr. 152/2011 (Police Cooperation Convention for Southeast Europe, nachstehend als „PCC SEE“ bezeichnet). Die PCC SEE sieht umfassende Möglichkeiten zur internationalen polizeilichen Zusammenarbeit vor und regelt dabei Bereiche wie grenzüberschreitende Nacheilen und Observationen, kontrollierte Lieferungen, verdeckte Ermittlungen, gemeinsame Einsatzformen oder die konventionelle Übermittlung von DNA-Daten. Derzeit sind zwölf Länder (Republik Albanien, Bosnien und Herzegowina, Republik Bulgarien, Kroatien, Republik Moldau, Montenegro, Republik Nordmazedonien, Republik Österreich, Rumänien, Republik Serbien, Republik Slowenien und Ungarn) Vertragsstaaten der Konvention. Österreich trat der Konvention 2011 bei.
Während regelmäßig stattfindender Treffen von Fachleuten zur Umsetzung der PCC SEE wurde von österreichischen Expertinnen und Experten nach den positiven Erfahrungen, die innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (nachstehend als „EU“ bezeichnet) gemacht wurden, der Abschluss eines multilateralen Übereinkommens der PCC SEE-Vertragsparteien zur Regelung des automatisierten Austauschs von DNA-, daktyloskopischen- und Fahrzeugregisterdaten vorgeschlagen, um die Zusammenarbeit der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden in diesem Bereich zu verbessern.
Dieser Vorschlag wurde von allen Rechts- und Forensikexpertinnen und -experten der PCC SEE Staaten befürwortet, auf Ebene der Innenministerinnen und Innenminister angenommen und aufgrund des Beschlusses der Bundesregierung vom 2. Mai 2018 (sh. Pkt. 16 des Beschl. Prot. Nr. 16) das vorliegende Übereinkommen verhandelt. Die abschließenden formellen Verhandlungen fanden von 7. bis 9. Mai 2018 in Wien unter der Leitung des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA) statt. Die Grundlage für mehrere Treffen der Fachleute, zwei informelle sowie die formelle Verhandlungsrunde bildete ein österreichischer Textentwurf. Gemäß Beschluss der Bundesregierung vom 22. August 2018 (sh. Pkt. 23 des Beschl. Prot. Nr. 25) wurde eine entsprechende Unterzeichnungsvollmacht eingeholt und am 13. September 2018 das Übereinkommen von der Republik Albanien, der Republik Bulgarien, der Republik Mazedonien[1], der Republik Moldau, Montenegro, der Republik Österreich, Rumänien, der Republik Serbien und Ungarn in Wien unterzeichnet.
Das Übereinkommen orientiert sich eng an der bereits bestehenden sog. „Prümer Zusammenarbeit“ auf Grundlage des Vertrags zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande und der Republik Österreich über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration, BGBl. III Nr. 159/2006 (nachstehend als „Prümer Vertrag“ bezeichnet). Die Bestimmungen des multilateralen Prümer Vertrages für die Bereiche des Onlinedatenaustausches von DNA-Daten, daktyloskopischen Daten und Kfz-Zulassungsdaten wurden zur erfolgreichen Bekämpfung internationaler Kriminalität im Prümer Vertrag außer Kraft gesetzt und für alle EU-Mitgliedstaaten als verbindlich umzusetzendes Unionsrecht aufgenommen. Diese EU-Rechtsübernahme erfolgte mit dem EU-Beschluss 2008/615/JI zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, ABl. Nr. L 210 vom 06.08.2008 S. 1, sowie des Beschlusses 2008/616/JI zur Durchführung des Beschlusses 2008/615/JI zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, ABl. Nr. L 210 vom 06.08.2008 S. 12 (nachstehend als „Prümer Beschlüsse“ bezeichnet). Für den Folgedatenaustausch von Personen- und Falldaten nach bestätigt festgestellten DNA- oder daktyloskopischen Datentreffern, welche über klassische sichere Polizeikooperationskanäle wie den Interpolkanal und zu notifizierende nationale Zentralstellen durchzuführen sind, orientiert sich das Übereinkommen auch am EU-Rahmenbeschluss 2006/960/JI über die Vereinfachung des Austausches von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ABl. Nr. L 386 vom 29.12.2006 S. 89.
Das Übereinkommen hat daher zum Ziel, das durch den Prümer Vertrag errichtete und durch die Prümer Beschlüsse zum Großteil in EU-Recht überführte System des automatisierten Austauschs von DNA-, daktyloskopischen- und Fahrzeugregisterdaten im Rahmen der PCC SEE auf die Staaten Südosteuropas zu erweitern, sowie analog zu den oben angeführten EU-Rechtsakten diesen Informationsaustausch im Wege zentraler nationaler Kontaktstellen zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Analog zur Prümer Zusammenarbeit sieht auch der gegenständliche Übereinkommenstext keine Errichtung einer großen zentralen Datenbank vor, sondern arbeitet mit anonymisierten biometrischen Abgleichen (in einem Treffer-/Nichttrefferverfahren) unter Nutzung der bestehenden nationalen Datenbanken und im Wege von zentralen nationalen Kontaktstellen. Nur im von forensischen Expertinnen und Experten der jeweiligen Parteien bestätigten biometrischen Trefferfall werden in einem zweiten Schritt zusätzlich personenbezogene Hintergrunddaten zu (mutmaßlichen) Täterinnen und Tätern und Straftaten zwischen den nationalen Kontaktstellen der Mitgliedstaaten ausgetauscht, wobei dies bei der Zusammenarbeit mit den Staaten Südosteuropas für die wichtigsten Identifizierungsdaten in rascher, strukturierter Form erfolgen soll. Darüber hinaus soll auch Unterstützung bei der Identifizierung von vermissten Personen und nichtidentifizierten sterblichen Überresten geleistet werden.
Das aufgrund der Prümer Zusammenarbeit bereits bestehende Datenverbundsystem (nachstehend als „Prümer Datenverbundsystem“ bezeichnet) ist eines der effizientesten Werkzeuge europäischer Sicherheitsbehörden und ermöglicht den operativen Mitgliedstaaten jedes Jahr, tausende schwere Straftaten international tätiger Straftäterinnen und Straftäter und Terroristinnen und Terroristen aufzuklären sowie solche gefahndeten Täterinnen und Täter zu lokalisieren. Die Ausweitung dieser Zusammenarbeit durch das gegenständliche Übereinkommen auf die Staaten Südosteuropas (Vertragsparteien der PCC SEE) wird in Österreich die Aufklärung zahlreicher ungeklärter Straftaten und die laufende rasche Identifizierung gefahndeter Straftäterinnen und Straftäter ermöglichen. Die Staaten Südosteuropas müssen als EU-Beitrittskandidaten zur Erreichung ihrer Beitrittseignung auch die Voraussetzungen für die Teilnahme am gleichgelagerten Prümer Datenverbundsystem nach den Prümer Beschlüssen erfüllen. Damit ist für diese Staaten ein weiterer Mehrwert gegeben, da sie mit einer erfolgreichen Umsetzung eines solchen PCC SEE Verbundsystems auch diese Voraussetzung erfüllen würden.
Auf Grund der besonderen Sensibilität des Vertragsgegenstandes wurden in dem Übereinkommen höchste Datenschutzstandards verankert. Diese entsprechen in vollem Umfang den bestehenden Bestimmungen der Prümer Beschlüsse. Die dortigen Bestimmungen enthalten die umfangsreichsten und detailliertesten Datenschutzregelungen aller bisherigen Polizeikooperationsverträge innerhalb der EU.
Aus technischer Sicht erfolgt die Erweiterung des in Österreich bereits in vollem Umfang implementierten Prümer Datenverbundsystems auf die übrigen Parteien des Übereinkommens im Wesentlichen mit inhaltsgleicher Technologie. Es sind daher im Zuge der Umsetzung maximal geringfügige Kosten, etwa für Dienstreisen, Teststellungen und Programmierungen für Datenfelderweiterungen zu erwarten, welche aus dem bestehenden Budget des BMI abgedeckt werden. Soweit – wie zu erwarten – Implementierungsunterstützungen von den Parteien, etwa in Form von Beratungstätigkeiten österreichischer Expertinnen und Experten, erbeten werden, werden solche Kosten in vollem Umfang durch die jeweiligen nationalen Budgets der anfragenden Staaten oder aus für diese Zwecke den dortigen Staaten bereitgestellten EU-Förderprojekten getragen.
Das Übereinkommen zwischen den Parteien der Konvention über die polizeiliche Zusammenarbeit in Südosteuropa über den automatisierten Austausch von DNA-, daktyloskopischen- und Fahrzeugregisterdaten hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Übereinkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Übereinkommen keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.
Die Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 2 B-VG (äußere Angelegenheiten).
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 2. Juli 2025 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligte sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff der Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner.
Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:
Der Abschluss des Staatsvertrages: Übereinkommen zwischen den Parteien der Konvention über die polizeiliche Zusammenarbeit in Südosteuropa über den automatisierten Austausch von DNA-, daktyloskopischen- und Fahrzeugregisterdaten (122 der Beilagen) wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.
Wien, 2025 07 02
Douglas Hoyos-Trauttmansdorff Mag. Ernst Gödl
Berichterstattung Obmann