Erläuterungen
Allgemeiner Teil
Ziel der Verordnung (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor, ABl. Nr. L 317 vom 09.12.2019 S. 1 ist es, Informationsasymmetrien in den Beziehungen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken, die Berücksichtigung nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen, die Bewerbung ökologischer oder sozialer Merkmale sowie im Hinblick auf nachhaltige Investitionen dadurch abzubauen, dass Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater zu vorvertraglichen Informationen und laufenden Offenlegungen gegenüber Endanlegern verpflichtet werden. Mit dieser Verordnung werden bestehende Offenlegungspflichten ua der Versicherungsvertriebsrichtlinie ergänzt. Die Verordnung (EU) 2020/852 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088, ABl. Nr. L 198 vom 22.6.2020 S. 13 enthält die Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist. Diese Verordnung ergänzt damit die nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungsvorschriften der Verordnung (EU) 2019/2088. Versicherungsvermittler, die Beratung zu Versicherungsanlageprodukten anbieten, sollten ihren Kunden oder potenziellen Kunden geeignete Versicherungsanlageprodukte empfehlen können und sollten daher in der Lage sein, die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen eines Kunden abzufragen. Diverse Delegierte Verordnungen auf Basis der genannten Rechtsakte unterstützen diese Zielsetzung.
Die Verordnung (EU) 2019/1238 über ein Paneuropäisches Privates Pensionsprodukt (PEPP), ABl. Nr. L 198 vom 25.07.2019 S. 1, legt einheitliche Vorschriften für die Registrierung, die Herstellung, den Vertrieb und die Beaufsichtigung privater Altersvorsorgeprodukte fest, die in der Union unter der Bezeichnung „Paneuropäisches Privates Pensionsprodukt“ oder „PEPP“ vertrieben werden. Delegierte Verordnungen auf Basis der genannten Verordnung ergänzen diese Zielsetzung.
EU-Verordnungen sind als solche unmittelbar gültig, allerdings sind hier die innerstaatliche Behördenzuständigkeit und die Sanktionierung klarzustellen. Neben den genannten Verordnungen sind auch delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte der Europäischen Kommission, die in Verordnungsform ergehen, unmittelbar wirksam (vgl. EG 14 der Verordnung (EU) 2019/2088). Weiters müssen gesetzliche Vorschriften betreffend die Verhängung von Sanktionen für Verstöße gegen die genannten Verordnungen und betreffend die Anwendbarkeit der für einen wirkungsvollen Vollzug notwendigen sonstigen begleitenden Verfahrens- und Aufsichtsvorschriften vorgesehen werden.
Der vorliegende Gesetzentwurf sieht nun Bestimmungen im österreichischen Recht vor, die für den Vertrieb durch Versicherungsvermittler hinsichtlich der Verordnung (EU) 2019/1238, der Verordnung (EU) 2019/2088, der Verordnung (EU) 2020/852 sowie der darauf beruhenden Delegierten Verordnungen und potentiell etwaiger weiterer delegierter Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte auf dieser Basis die Vollziehung der entsprechenden Bestimmungen durch die Gewerbebehörden auf Grundlage der Gewerbeordnung ausdrücklich festlegen.
Art. 3 der Richtlinie (EU) 2019/2177 zur Änderung der Richtlinie 2009/138/EG betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente, und der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, ABl. Nr. L 334 vom 27.12.2019 S. 155, weist der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) eine neue Zuständigkeit bei der Verhinderung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung zu. Demgemäß wird nun im Text der GewO 1994 die EBA anstelle der bisher pauschal genannten Europäischen Aufsichtsbehörden gesetzt.
Im Vertragsverletzungsverfahren 2024/2220 hat die Europäische Kommission (EK) die Umsetzung der Bestimmung Art. 3 (7) der Richtlinie über Versicherungsvertrieb, ABl. Nr. L 26 vom 2.2.2016 S. 19 (Versicherungsvertriebsrichtlinie) kritisiert. Diese betrifft die Eintragung, wenn Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Drittlandes Probleme bei der Wahrnehmung der Aufsichtsfunktion der Behörde verursachen. Die Bestimmung wird nun im Gewerberecht textlich deutlich gemäß der Richtlinie übernommen.
Des Weiteren erfolgen einige redaktionelle Richtigstellungen.
Inkrafttreten:
Die vorliegende Novelle soll mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.
Kompetenzgrundlage:
Der vorliegende Entwurf stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 8 B-VG (Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie).
Besonderer Teil
Zu Z 1 (§ 335a Abs. 3 und Abs. 4):
EU-Verordnungen sind als solche unmittelbar gültig, allerdings sind hier die innerstaatliche Behördenzuständigkeit und die Sanktionierung klarzustellen. Neben den genannten Verordnungen sind auch delegierte Rechtsakte der Europäischen Kommission, die in Verordnungsform ergehen, unmittelbar wirksam.
zu Abs. 3:
Die Verordnung (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor, ABl. Nr. L 317 vom 09.12.2019 S. 1 gilt, wie insbesondere aus Art. 2 dieser Verordnung zu entnehmen ist, für „Finanzberater“, somit also im Sinne der GewO 1994 Versicherungsvermittler (§ 94 Z 75 und 76). Daran knüpft die hier festzulegende Zuständigkeit der Gewerbebehörden an (vgl. EG 11 und Art. 14 der Verordnung (EU) 2019/2088).
Versicherungsvermittler, die weniger als drei Personen beschäftigen, sind von dieser Verordnung ausgenommen.
Die Verordnung (EU) 2020/852 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088, ABl. Nr. L 198 vom 22.6.2020 S. 13 enthält die Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist (vgl. deren Art. 21 hinsichtlich zuständige Behörden) und ergänzt damit die nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungsvorschriften der Verordnung (EU) 2019/2088. Auf diesen Rechtsgrundlagen wurden mehrere delegierte Rechtsakte erlassen.
Zu Abs. 4:
Die genannten Artikel der Verordnung (EU) 2019/1238 über ein Paneuropäisches Privates Pensionsprodukt (PEPP), ABl. Nr. L 198 vom 25.7.2019 S. 1 durch Versicherungsvermittler (§ 94 Z 75 und 76) im Zusammenwirken mit weiteren Delegierten Verordnungen, gelten auch für Versicherungsvermittler. Hier werden die Zuständigkeit der Gewerbebehörden und die dabei speziell für Versicherungsvermittler anzuwendenden Bestimmungen der genannten Verordnungen dargelegt. Die Anwendung hat dabei im Zusammenwirken mit den gesamten Verordnungen zu erfolgen.
Zu Z 2 (§ 340 Abs. 4):
Im Vertragsverletzungsverfahren 2024/2220 hat die Europäische Kommission (EK) die fehlende Umsetzung von Art. 3 Abs. 7 der Versicherungsvertriebsrichtlinie kritisiert. Diese Umsetzung erfolgt hier nun ausdrücklich und gemäß inhaltlicher Abstimmung mit der EK.
Art. 3 Abs. 7 Versicherungsvertriebsrichtlinie verlangt, dass die Behörden die Eintragung verweigern, wenn entweder die Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Drittlandes, denen natürliche oder juristische Personen unterliegen, mit denen der Vermittler enge Verbindungen hat, oder aber Schwierigkeiten bei der Durchsetzung dieser Rechts- und Verwaltungsvorschriften die ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer Aufsichtsfunktion behindern.
„Enge Verbindungen“ sind im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Z 13 Versicherungsvertriebsrichtlinie gemäß Art. 13 Z 17 Solvency II Richtlinie solche Konstellationen, in denen zwei oder mehr natürliche oder juristische Personen durch Kontrolle oder Beteiligung verbunden sind, oder, in denen zwei oder mehr natürliche oder juristische Personen mit ein und derselben Person durch ein Kontrollverhältnis dauerhaft verbunden sind.
Tatbestandlich ist hier weiters, dass die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Aufsichtsfunktion der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem die Eintragung begehrt wird, durch die Rechts- und Verwaltungsvorschriften des betreffenden Drittlands oder durch Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften des betreffenden Drittlands behindert wird. Es findet also keine extraterritoriale Rechtsanwendung statt; die zuständigen Behörden ziehen aus der im Ausland bestehenden Rechts- und Sachlage lediglich Konsequenzen für die in ihrem Hoheitsgebiet begehrte und in ihrer Zuständigkeit liegende Registereintragung.
Art. 3 Abs. 7 Versicherungsvertriebsrichtlinie soll somit sicherstellen, dass die Aufsichtsbehörden im Mitgliedstaat, in dem ein Versicherungsvermittler eingetragen ist, ihre Aufsichtsbefugnisse auch dann ordnungsgemäß wahrnehmen können, wenn der Versicherungsvermittler der Kontrolle durch ein Unternehmen oder eine Person in einem Drittstaat unterliegt. Dabei geht es insbesondere um Fälle, in denen Sachverhaltselemente im Drittland der Muttergesellschaft belegen sind. Dies betrifft etwa Handlungen und Entscheidungen der Unternehmensleitung oder Sachverhalte, in denen der Versicherungsvermittler einen Teil seiner Tätigkeit im Drittland der Muttergesellschaft ausübt, wie beispielsweise beim so genannten „back branching“. Dabei gründet ein Versicherungsvermittlungsunternehmen aus einem Drittland in einem EU-Mitgliedstaat eine Tochtergesellschaft, die sich als Versicherungsvermittler eintragen lässt. Die EU-Tochter gründet sodann im Drittland der Muttergesellschaft eine Zweigniederlassung, deren Tätigkeit in erheblichem Umfang auf den EU-Binnenmarkt ausgerichtet ist. Daneben sind auch andere Fallgestaltungen denkbar, in denen Sachverhaltselemente, die für die Beaufsichtigung der Geschäftstätigkeit des Vermittlers wesentliche Bedeutung haben, im Drittstaat der Muttergesellschaft belegen sind.
In derart gelagerten Fällen innerhalb der EU würde die Aufsichtsbehörde des Herkunftsmitgliedstaats die Regelungen der Versicherungsvertriebsrichtlinie über die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten (Art. 13 Versicherungsvertriebsrichtlinie) nutzen und ggf. EIOPA einschalten, um sicherzustellen, dass sie ihre Aufsicht wirksam über die gesamte Geschäftstätigkeit des Versicherungsvermittlers ausüben kann.
Gegenüber Behörden und Wirtschaftsteilnehmern aus Drittländern bestehen diese Möglichkeiten jedoch nicht. Diese sind ausschließlich den Rechtsnormen ihres Landes unterworfen. Wenn der die Eintragung begehrende Versicherungsvermittler unter der Kontrolle eines Unternehmens oder einer Person mit Sitz in einem Drittstaat steht, muss daher im Einzelfall geprüft werden, ob die zuständige Behörde des Eintragungsmitgliedstaats ihre Aufsicht ordnungsgemäß über die gesamte Geschäftstätigkeit des Vermittlers ausüben kann, oder ob sie bei der Aufsicht durch entgegenstehende Rechtsnormen des betreffenden Drittstaats oder durch Probleme bei der Anwendung dieser Rechtsnormen behindert wird.
In Betracht kommen dabei vor allem Rechtsnormen, die es Personen oder Unternehmen in diesem Drittstaat (insbesondere der Muttergesellschaft oder den Personen, die die Kontrolle ausüben) oder den Aufsichtsbehörden des Drittstaats verbieten oder übermäßig erschweren, mit den Aufsichtsbehörden des Eintragungsmitgliedstaats zusammenzuarbeiten, indem sie etwa Auskünfte erteilen oder Dokumente herausgeben.
Eine praktische Möglichkeit zur Behebung derartiger Zweifel bieten insbesondere Verwaltungsabkommen, die EIOPA und/oder die nationalen Aufsichtsbehörden mit den Aufsichtsbehörden der jeweiligen Drittländer abschließen. So wurden über EIOPA getrennte Verwaltungsabkommen (so genannte Memoranda of Understanding, MoU) mit den britischen Aufsichtsbehörden Bank of England in its capacity as the Prudential Regulation Authority (PRA) und Financial Conduct Authority (FCA) abgeschlossen: ein bilaterales Abkommen zwischen EIOPA und den britischen Behörden und ein separates multilaterales Abkommen zwischen den Aufsichtsbehörden der EWR-Länder und den britischen Aufsichtsbehörden. Diese Abkommen sind am 1. Januar 2021 in Kraft getreten und regeln die Zusammenarbeit in Fragen der Versicherungsaufsicht, insbesondere Fragen der Amtshilfe und des regelmäßigen Informationsaustausches. Ähnliche Abkommen wurden mit den Behörden anderer Drittländer abgeschlossen.
Zu Z 3 (§ 365m1 Abs. 6 zweiter Satz, § 365m1 Abs. 12, § 365r Abs. 5, § 365s Abs. 5, § 365s Abs. 6, § 365z Abs. 4, § 366b Abs. 8, § 373i1 Abs. 2):
Hier wird jeweils im Text der GewO 1994 die EBA (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) anstelle der bisher pauschal genannten Europäischen Aufsichtsbehörden gesetzt. Dies dient der Umsetzung von Art. 3 der Richtlinie (EU) 2019/2177 zur Änderung der Richtlinie 2009/138/EG betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente, und der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, ABl. Nr. L 334 vom 27.12.2019 S. 155, die der EBA eine neue Zuständigkeit bei der Verhinderung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung zuweist.
Zu Z 4 (§ 365r Abs. 5 und Abs. 6):
Dient der redaktionellen Richtigstellung der beiden Verweise.
Zu Z 5 (§ 366c erster Teilabsatz):
Die Verordnung (EU) 2019/2088 sowie die Verordnung (EU) 2020/852 zusammen mit den darauf basierenden Delegierten Verordnungen sind als solche zwar unmittelbar gültig, allerdings ist hier neben der Behördenzuständigkeit auch die Sanktionierung klarzustellen. Es sind dieselben Behörden heranzuziehen, die auch für die Versicherungsvermittlung zuständig sind (vgl. auch EG 11 sowie Art. 14 der Verordnung (EU) 2019/2088). Die genannten Verordnungen betreffen Versicherungsanlageprodukte, somit kommt § 366c zum Tragen.
Zu Z 6 (§ 367 Z 59):
Die Verordnung (EU) 2019/1238 zusammen mit den darauf basierenden Delegierten Verordnungen sind als solche zwar unmittelbar gültig, allerdings ist neben der Behördenzuständigkeit auch die Sanktionierung klarzustellen. Es sind dieselben Behörden heranzuziehen, die auch für die Versicherungsvermittlung zuständig sind. Die erhöhten Sanktionen nach Art. 67 der Verordnung (EU) 2019/1238 gelten für Versicherungsvermittler jedoch nicht. Somit ist der normale Strafsatz der GewO 1994 anzuwenden.