217 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVIII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Familie und Jugend

über den Antrag 454/A(E) der Abgeordneten Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringende nächste Schritte nach mutmaßlichen Gewalt- und Missbrauchsfällen im SOS Kinderdorf Moosburg

Die Abgeordneten Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 24. September 2025 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Am 17. September 2025 berichtete die Wochenzeitung Falter ausführlich über schwerwiegende Vorwürfe gegen das SOS-Kinderdorf Moosburg in Kärnten. Zwischen 2008 und 2020 sollen dort Kinder - die eigentlich Schutz, Geborgenheit und Fürsorge hätten erfahren müssen - wiederholt und über Jahre hinweg misshandelt, erniedrigt und ihrem Grundrecht auf Sicherheit beraubt worden sein.

Dokumentiert wurden Fälle, in denen Kinder eingesperrt, vom Trinken abgehalten, geschlagen oder fixiert wurden. Ein Pädagoge soll Nacktfotos von Kindern gespeichert haben. Selbst der damalige Dorfleiter, der in besonderem Maße Verantwortung getragen hätte, soll nicht nur weggesehen, sondern selbst Gewalt angewendet haben. Besonders bitter: Viele dieser Vorfälle wurden von den Betroffenen genau erinnert und von Mitarbeiter:innen dokumentiert - ohne dass dies zu wirksamen Konsequenzen führte.

Eine im Jahr 2021 erstellte unabhängige Studie belegt das Ausmaß dieser systematischen Gewalt und spricht von einem regelrechten ‚Missbrauchssystem‘, das über Jahre hinweg möglich war. Doch statt vollständiger Aufklärung und transparenter Konsequenzen wurden die Studie zurückgehalten, Hinweise vertuscht und Betroffene lange allein gelassen.

Zuletzt wurden auch Vorwürfe zum Kinderdorf Imst bekannt.[1]

Kinder, die in Einrichtungen wie SOS-Kinderdorf aufwachsen, sind besonders verletzlich. Sie haben ein Recht darauf, dass Justiz und Behörden sie in höchstem Maße schützen. Jeder Verdacht auf Misshandlung oder Missbrauch muss daher mit größter Sorgfalt und Konsequenz geprüft werden. Nur so kann Vertrauen in die Institutionen gewahrt und neues Leid verhindert werden.

Die Öffentlichkeit, die Betroffenen und ihre Familien haben ein Recht auf Aufklärung, Gerechtigkeit und die Gewissheit, dass strukturelle Gewalt gegen Kinder nicht länger geduldet oder vertuscht wird.“

 

Der Ausschuss für Familie und Jugend hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 1. Oktober 2025 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Barbara Neßler die Abgeordneten Christian Oxonitsch,
Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler, Tina Angela Berger, Rosa Ecker, MBA und
Mag. Gertraud Auinger-Oberzaucher sowie die Bundesministerin für Europa, Integration und Familie im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten
Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit
(für den Antrag: F, G, dagegen: V, S, N).

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Johanna Jachs, Christian Oxonitsch und
Mag. Gertraud Auinger-Oberzaucher einen selbständigen Entschließungsantrag
gem. § 27 Abs. 3 GOG‑NR betreffend dringende nächste Schritte nach mutmaßlichen Gewalt- und Missbrauchsfällen im SOS Kinderdorf Moosburg eingebracht, der einstimmig beschlossen wurde.

 

Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Kinder und Jugendliche müssen in Österreich ohne Angst vor Gewalt oder Missbrauch aufwachsen können. Das gilt insbesondere auch für jene Kinder, die – aus welchen Gründen auch immer – außerhalb des eigenen Familienverbands aufwachsen und somit auf die Unterstützung von zB Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen angewiesen sind. 

Die aktuelle Berichterstattung rund um mutmaßliche Gewalt- und Missbrauchsfälle an Standorten der SOS Kinderdörfer macht betroffen und sprachlos. Es ist klar, dass derartige Zustände seitens der Politik nicht akzeptiert werden können. Es ist daher zu begrüßen, dass die Organisation selbst eine Reformkommission eingesetzt und vollumfängliche Kooperation mit den zuständigen Behörden zugesichert hat. Auch die zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger der Bundesländer haben bereits entsprechende Prüfmaßnahmen angekündigt. Die Staatsanwaltschaften in Klagenfurt, Salzburg und Innsbruck haben ebenfalls Ermittlungsverfahren eingeleitet, um die Vorfälle auf ihre strafrechtliche Relevanz zu prüfen.

Kinder- und Jugendhilfe umfasst Leistungen öffentlicher und privater Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, die dazu beitragen, die Rechte der Kinder und Jugendlichen auf Förderung ihrer Entwicklung und Erziehung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu unterstützen, sie vor allen Formen der Gewalt zu schützen und die Erziehungskraft der Familien zu stärken.

Mit 1. Jänner 2020 trat die Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) Novelle, BGBl. I Nummer 14/2019, in Kraft, mit der die Gesetzgebungskompetenz für die Angelegenheiten der Kinder- und Jugendhilfe zur Gänze den Ländern übertragen wurde. In der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Kinder- und Jugendhilfe, die ebenfalls mit 1. Jänner 2020 in Kraft trat, verpflichten sich die Länder, das bisherige Schutzniveau in den Angelegenheiten der Kinder- und Jugendhilfe aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln.“

 

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Familie und Jugend somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.     diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrags 454/A(E) zur Kenntnis nehmen und

2.     die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2025 10 01

               Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler                                           Mag. Johanna Jachs

                                  Berichterstattung                                                                           Obfrau



[1] https://tirol.orf.at/stories/3322158/