Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Mit der Neuregelung des 3. Abschnitts des Finanzstrafzusammenarbeitsgesetzes soll die Richtlinie (EU) 2023/977 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 2023 über den Informationsaustausch zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI des Rates, ABl. Nr. L 134 vom 22.5.2023 S. 1-24, (im Folgenden „Richtlinie“) für den Bereich des Finanzstrafverfahrens umgesetzt werden. Mit der Richtlinie wird mit 12. Dezember 2024 eine neue Regelung über den Informationsaustausch zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten getroffen und der Rahmenbeschluss 2006/960/JI des Rates (Schwedische Initiative) aufgehoben. Um den Informationsaustausch zwischen den Finanzstrafbehörden und den zuständigen Strafverfolgungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten auch nach dem 12. Dezember 2024 im Sinne der Vorgaben der Richtlinie zu gewährleisten, sollen im Finanzstrafzusammenarbeitsgesetz entsprechend Anpassungen vorgenommen werden.

Darüber hinaus soll im Finanzstrafgesetz ein Verweis an die aktuelle Rechtslage angepasst werden.

Die Richtlinie sieht unter anderem vor, dass Informationsersuchen zwischen Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten bevorzugt über eine zentrale Kontaktstelle auf Basis der von Europol gemäß der Verordnung (EU) 2016/794 verwalteten und entwickelten Netzanwendung für sicheren Datenaustausch (Secure Information Exchange Network Application – SIENA) erfolgen sollen, wobei bei der konkreten Umsetzung der zentralen Kontaktstelle den Mitgliedstaaten ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt wird. Auch soll die Richtlinie keine bestehenden Vereinbarungen zwischen den Staaten verdrängen.

In Österreich soll die Funktion der zentralen Kontaktstelle iSd Artikel 4 der Richtlinie durch das Bundeskriminalamt im Bundesministerium für Inneres wahrgenommen werden. Artikel 8 der Richtlinie sieht auch die Möglichkeit des direkten Informationsaustausches zwischen den zuständigen Strafverfolgungsbehörden vor, wobei in Artikel 2 Abs. 1 der Richtlinie die zuständige Strafverfolgungsbehörde als „jede Polizei-, Zoll- oder sonstige Behörde der Mitgliedstaaten, die nach dem nationalen Recht für die Ausübung von öffentlicher Gewalt und die Ergreifung von Zwangsmaßnahmen zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung oder Untersuchung von Straftaten zuständig ist“, definiert wird. Dies entspricht auch der Definition der „zuständigen Strafverfolgungsbehörde“ (eines anderen Mitgliedstaats) in § 2 Z 2 FinStrZG.

Somit sind in Österreich auch die Finanzstrafbehörden als zuständige Strafverfolgungsbehörden iSd Artikels 2 Abs. 1 der Richtlinie zu verstehen. Es bedarf daher einer innerstaatlichen Rechtsgrundlage zur Übermittlung von Informationen. Der Begriff „Informationen“ entspricht dem Wortlaut der Richtlinie und umfasst auch Daten im Sinne der datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Laut Artikel 2 Abs. 8 der Richtlinie bezeichnet der Begriff „personenbezogene Daten“ in der Richtlinie personenbezogene Daten im Sinne des Artikels 3 Nummer 1 der Richtlinie (EU) 2016/680.

II. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Finanzstrafgesetzes)

Zu Z 1 (§ 98 Abs. 5):

Der Verweis auf § 76 Abs. 4 StPO soll an die durch BGBl. I Nr. 105/2019 geänderte Rechtslage angepasst werden.

Zu Artikel 2 (Änderung des Finanzstrafzusammenarbeitsgesetzes)

Zu Z 1 (Inhaltsverzeichnis zum 3. Abschnitt):

Das Inhaltsverzeichnis soll an die vorgeschlagenen Änderungen angepasst werden.

Zu Z 2 (§ 1 Abs. 2):

In die vorgeschlagene Z 3 soll der Umsetzungshinweis betreffend die Richtlinie aufgenommen werden. Die bisher in Z 2 genannte Umsetzung des Rahmenbeschluss 2006/960/JI des Rates soll entfallen.

Zu Z 4 (§ 5):

Mit der Neufassung des § 5 soll den neuen Gegebenheiten in der Richtlinie Rechnung getragen und die vorangegangene Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI des Rates entsprechend adaptiert werden. Aufgrund der Neufassung sollen einerseits die Absatzbezeichnungen aktualisiert und andererseits die Begrifflichkeiten entsprechend angepasst werden. Der Begriff „vorhandene Informationen“ entspricht laut seiner Definition in § 2 Z 2a dem Begriff „verfügbare Informationen“ laut Artikel 2 Abs. 5 der Richtlinie und soll aus systematischen Gründen beibehalten werden. Es handelt sich jeweils um Daten, die den Finanzstrafbehörden ohne Ergreifen von Zwangsmaßnahmen zur Verfügung stehen.

Abs. 1:

So soll in Abs. 1 das bisher vorgesehene Ersuchen einer zuständigen Strafverfolgungsbehörde um Ersuchen einer zentralen Kontaktstelle ergänzt werden. Anders als noch im Rahmenbeschluss aus 2006 sollen zukünftig Ansuchen tunlichst über die zentralen Kontaktstellen der Mitgliedstaaten erfolgen. Auch soll dem Wortlaut der Richtlinie entsprechend der Begriff der „verfügbaren“ an Stelle der „vorhandenen“ Informationen verwendet werden. Informationen sind gemäß Artikel 2 Abs. 5 der Richtlinie alle Inhalte, die eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen, Tatsachen oder Umstände betreffen, die für die zuständigen Strafverfolgungsbehörden zum Zweck der Erfüllung ihrer Aufgaben nach nationalem Recht zur Verhütung, Aufdeckung oder Untersuchung von Straftaten relevant sind, einschließlich kriminalpolizeilicher Erkenntnisse. Die Richtlinie greift auf den Ausdruck von verfügbaren Informationen zurück, die weiter in unmittelbar und mittelbar zugängliche Informationen gemäß den Begriffsbestimmungen des Artikels 2 Abs. 6 und 7 kategorisiert werden. Erstere sind dabei jene, die in einer Datenbank verfügbar sind, auf die durch die zentrale Kontaktstelle oder eine zuständige Strafverfolgungsbehörde unmittelbar zugegriffen werden kann. Mittelbar zugängliche Informationen sind jene, die ­ soweit das nationale Recht es zulässt und nach Maßgabe dieses Rechts –durch die zentrale Kontaktstelle oder eine zuständige Strafverfolgungsbehörde von anderen Behörden oder privaten Parteien, die in dem angefragten Mitgliedstaat ansässig sind, ohne Zwangsmaßnahmen eingeholt werden können. Laut Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinie muss der Informationsaustausch der Verhütung, Aufdeckung oder Untersuchung von Straftaten dienen, im Bereich des Finanzstrafverfahrens handelt es sich dabei um Finanzvergehen.

Abs. 2:

Anstelle der Regelung im bisherigen Abs. 1a soll nun Abs. 2 einen Verweis auf § 76 Abs. 4 StPO vorsehen. Artikel 3 Buchstabe b der Richtlinie sieht vor, dass die Voraussetzungen für Informationsersuchen, die an die zentralen Kontaktstellen bzw. die zuständigen Strafverfolgungsbehörden anderer Mitgliedstaaten gerichtet werden, und die Bedingungen für die Bereitstellung von Informationen an diese den Bedingungen gleichwertig sind, die für Ersuchen um ähnliche Informationen und die Bereitstellung ähnlicher Informationen innerhalb des jeweiligen Mitgliedstaates gelten („Grundsatz des gleichwertigen Zugangs“), was auch in EG 15 zum Ausdruck kommt. Da für innerstaatliche Sachverhalte eine Genehmigung der Staatsanwaltschaft nicht erforderlich ist und im Widerspruch zu Artikel 3 Buchstabe b der Richtlinie stünde, soll hinsichtlich Informationen (Daten), die nach den Bestimmungen der StPO ermittelt wurden, ein Austausch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 76 Abs. 4 StPO zulässig sein. Die Wendung „im Sinne des Abs. 1“ soll auch garantieren, dass in diesen Fällen die Voraussetzungen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit ebenso gegeben sein müssen.

Abs. 3:

Durch den vorgeschlagenen Abs. 3 soll im zweiten Satz die Beantwortung von eingehenden Informationsersuchen durch die Finanzstrafbehörden in zweierlei Form vorgesehen werden. Einerseits kann es direkt zu einer Anfrage an die zentrale Kontaktstelle iSd Artikel 4 der Richtlinie kommen, wobei die Anfrage dann durch die zentrale Kontaktstelle an die Finanzstrafbehörde weiterzuleiten ist. Andererseits kann gemäß Artikel 8 der Richtlinie die Finanzstrafbehörde als zuständige Strafverfolgungsbehörde auch direkt durch eine zuständige Strafverfolgungsbehörde eines anderen Mitgliedstaats angerufen werden. Die Beantwortung durch die Finanzstrafbehörde hat dann entsprechend der gewählten Anfrageform zu erfolgen. Selbiges gilt mutatis mutandis für die von der Finanzstrafbehörde ausgehenden Informationsersuchen, die ebenfalls entweder direkt über die inländische zentrale Kontaktstelle oder direkt bei der zuständigen Strafverfolgungsbehörde im angefragten Mitgliedstaat zu stellen sind.

Abs. 4:

Die Richtlinie sieht in Artikel 8 die Möglichkeit des direkten Informationsaustausches zwischen den zuständigen Strafverfolgungsbehörden vor. In diesen Fällen oder bei der Bereitstellung von Informationen aus eigener Initiative gemäß Artikel 7 der Richtlinie, ist die Übermittlung einer Kopie an die zentrale Kontaktstelle vorgesehen. In bestimmten Fällen kann von der Übermittlung einer Kopie abgesehen werden. In Umsetzung des Artikels 8 Abs. 3 der Richtlinie sollen diese Fälle im für die Finanzstrafbehörden notwendigen Ausmaß geregelt werden.

Abs. 5:

Das Bundeskriminalamt hat als zentrale Kontaktstelle die übermittelten Daten aktentechnisch in seinem Fallbearbeitungssystem zu erfassen, weshalb ihm eine entsprechende Befugnis zur Datenverarbeitung eingeräumt werden soll, um seinen Aufgaben gemäß der Richtlinie – wie etwa zur Erstellung der Statistiken gemäß Artikel 18 der Richtlinie – nachkommen zu können.

Abs. 6:

Die Richtlinie sieht in Artikel 4 Abs. 5 Mindestanforderungen für Informationsersuchen, die an die zentrale Kontaktstelle gerichtet werden, vor. Diese müssen auch für Anfragen bei der zuständigen Strafverfolgungsbehörde erfüllt sein und sollen sich daher in Abs. 5 wiederfinden.

Abs. 7:

Der Wortlaut soll an die Richtlinie angepasst werden und der zweite Satz der geltenden Fassung soll entfallen, um dem Grundsatz des gleichwertigen Zugangs gerecht zu werden.

Abs. 8:

Die zusätzlichen Vorschriften betreffend eine Mindestanforderung für die Übermittlung von personenbezogene Daten beinhaltenden Informationen sollen gemäß Artikel 10 der Richtlinie umgesetzt werden.

Abs. 9:

Zuständige Strafverfolgungsbehörden können gemäß Artikel 7 der Richtlinie ohne Ersuchen Informationen an die zentrale Kontaktstelle oder zuständige Strafverfolgungsbehörden eines anderen Mitgliedstaates zur Verfügung stellen, sofern objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Informationen im anderen Mitgliedstaat zum Zweck der Verhütung, Aufdeckung oder Untersuchung von Straftaten relevant sein könnten. Um die Systematik des FinStrZG zu wahren, soll anstelle der in Artikel 7 der Richtlinie verwendeten Begrifflichkeit „aus eigener Initiative“ die synonyme Begrifflichkeit „ohne Ersuchen“ beibehalten werden.

Zu Z 5 (§ 6):

In § 6 sollen die über das Nichtvorliegen der davor geregelten Erfordernisse hinausgehenden Gründe für die Ablehnung von Informationsersuchen im Sinne des Artikel 6 der Richtlinie sowie das Vorgehen im Falle einer Ablehnung geregelt werden.

Zu Z 6 (§ 8):

Die Änderung soll erfolgen, um dem Wortlaut der Richtlinie zu entsprechen.

Zu Z 8 (§ 25 Z 2 und 3):

Da die zentrale Kontaktstelle in Österreich innerhalb des Bundesministeriums für Inneres angesiedelt sein wird, ist eine Regelung zu schaffen, die für die Umsetzung des 3. Abschnitts ein Einvernehmen zwischen dem Bundesminister für Finanzen und dem Bundesminister für Inneres vorsieht.