264 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVIII. GP

 

Bericht

des Gleichbehandlungsausschusses

über den GREVIO-Bericht der ersten thematischen Evaluierungsrunde, die Stellungnahme Österreichs sowie die offiziellen Empfehlungen des Europarates vom 5. Juni 2025, vorgelegt von der Bundesregierung (III-221 der Beilagen)

Dieser Evaluierungsbericht befasst sich mit den Fortschritten, die im Hinblick auf die Unterstützung, den Schutz und die Schaffung von Gerechtigkeit für Opfer von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt unter dem Gesichtspunkt ausgewählter Bestimmungen des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (die „Istanbul-Konvention“) erzielt wurden. Er enthält die Beurteilung durch die Expertinnen- und Expertengruppe des Europarats für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (GREVIO), ein unabhängiges Kontrollgremium zur Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte, das mit der Überwachung der Umsetzung des Übereinkommens betraut ist. GREVIOs Feststellungen zeigen die Entwicklungen seit der Veröffentlichung des Basisevaluierungsberichts für Österreich am 27.9.2017 auf und basieren auf den im Rahmen der ersten thematischen Evaluierungsrunde gemäß Artikel 68 der Istanbul-Konvention erlangten Informationen. Dazu gehören schriftliche Berichte (ein von der Regierung übermittelter Staatenbericht sowie zusätzliche Informationen, die vom Bund Autonome Frauenberatungsstellen bei sexueller Gewalt Österreich (BAFÖ), vom Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ) und der Allianz GewaltFREI leben übermittelt wurden) sowie Informationen, die im Rahmen des fünftägigen Staatenbesuchs eingeholt wurden. Eine Liste der Gremien und Stellen, mit denen GREVIO im Austausch stand, ist Anhang II zu entnehmen.

Der Bericht beurteilt die Vielzahl an Maßnahmen, die von der österreichischen Regierung zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sowie zum Schutz und zur Unterstützung von Gewaltopfern gesetzt wurden, und um dafür zu sorgen, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt - das Thema, das von GREVIO für ihren ersten thematischen Evaluierungsbericht gewählt wurde. Beim Erkennen neuer Entwicklungen im Bereich der Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt beleuchtet GREVIO die lobenswerten Bemühungen, die zur Umsetzung dieses Übereinkommens unternommen wurden. Darüber hinaus enthält der Bericht ausführliche Informationen zur Umsetzung der ausgewählten Bestimmungen in den Bereichen Prävention, Schutz und Strafverfolgung als Grundsteine für eine umfassende Reaktion auf die verschiedenen Formen von Gewalt gegen Frauen, die zu Vertrauen bei den Opfern führt.

GREVIO begrüßt diesbezüglich die wichtigen Schritte, die die Regierung seit der Verabschiedung des Basisevaluierungsberichts über Österreich gesetzt hat, um die nationalen Rechtsvorschriften mit den Erfordernissen der Istanbul-Konvention in Einklang zu bringen. Die Regierung hat auf neue Formen der Gewalt wie frauenfeindliche Hassrede und Belästigung über das Internet mit gesetzlichen Maßnahmen und Schulungsinitiativen reagiert und die Opferrechte im Strafverfahren kontinuierlich ausgebaut. Zu den wichtigsten Gesetzesänderungen zählt der Beschluss des Gewaltschutzgesetzes 2019, mit welchem das Betretungsverbot und die einstweilige Verfügung um das Annäherungsverbot ergänzt wurden. Interdisziplinäre Fallkonferenzen wurden wieder eingeführt, und für Täter und Täterinnen im Bereich häusliche Gewalt ist eine verpflichtende Gewaltpräventionsberatung vorgesehen. Der nach wie vor hohen Anzahl an Frauenmorden in Österreich wird mit zusätzlichen Präventionsmaßnahmen seitens der Regierung begegnet, und die zugrundeliegenden Ursachen werden untersucht. GREVIO fordert, dass die Bundesregierung der Prävention von Femiziden weiterhin hohe Priorität einräumt.

Darüber hinaus hält GREVIO die besorgniserregende Entwicklung fest, dass die Täter und Täterinnen im Bereich sexuelle Gewalt zunehmend jünger werden, was auf den Konsum von Gewaltpornografie zurückgeführt werden kann. In diesem Zusammenhang begrüßt GREVIO die Einführung der von Vereinen angebotenen konkreten vorbeugenden Interventions- und Behandlungsprogramme für junge Täter und Täterinnen, hält jedoch auch fest, dass Gewaltschutzmaßnahmen notwendig sind sowie Bewusstseinsbildung bei den Eltern im Hinblick auf den leichten Zugang zu Gewaltpornografie im Internet, den Schaden, der der kindlichen Psyche damit zugefügt wird, und die Beeinträchtigung der Fähigkeit, gesunde und einvernehmliche sexuelle Beziehungen einzugehen. Zusätzlich sind die Bemühungen zu verstärken, Kindern in altersgerechter Art und Weise den Begriff der freien Zustimmung in sexuellen Beziehungen zu vermitteln sowie ihr Bewusstsein für die schädlichen Auswirkungen von Gewaltpornografie und des Teilens intimer Bilder von sich selbst und anderen zu stärken.

Abgesehen von den Fortschritten, die in Österreich bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention erzielt wurden, hat GREVIO in einigen Bereichen dringenden Handlungsbedarf der Regierung festgestellt, damit die Bestimmungen des Übereinkommens zur Gänze eingehalten werden können. Das Fehlen einer verpflichtenden Fortbildung für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Bezug auf Themen der Istanbul-Konvention gibt GREVIO nach wie vor Anlass zu Bedenken. Obwohl viele von ihnen im Rahmen ihrer Ausbildung diesbezüglich geschult werden, erfolgt jede weitere Fortbildung auf freiwilliger Basis, was sich insbesondere auf ihre Sensibilisierung und ihr Wissen bezüglich sexuelle Gewalt und die Auswirkung von Traumata auf Zeugenaussagen auswirkt. Es sind daher dringend weitere Maßnahmen erforderlich, um sicherzustellen, dass Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte systematisch und verpflichtend Ausbildungs- und Fortbildungsprogramme zu allen Formen der Gewalt absolvieren, die unter die Istanbul-Konvention fallen. Aufgrund der festgestellten Mängel bei der Umsetzung von Artikel 31 der Istanbul-Konvention zur Sicherheit in Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren erachtet GREVIO es für notwendig, dass Familienrichterinnen und -richter sowie gerichtlich bestellte Sachverständige in Familienrechtsverfahren im Hinblick auf die Dynamik häuslicher Gewalt und die Auswirkungen auf Kinder, die Zeuginnen und Zeugen von Gewalt geworden sind, sowie im Hinblick auf ihre Verpflichtung, die Sicherheit von weiblichen Opfern von Gewalt und deren Kindern bei Entscheidungen über Obsorge und Kontaktrecht zu gewährleisten, verstärkt geschult werden.

Ein zweiter Punkt, der Anlass zur Sorge gibt, ist die Tatsache, dass § 38a Abs. 4 Z 1 SPG keine Bestimmung enthält, die vorsieht, dass Kinderbetreuungseinrichtungen oder Schulen ausnahmslos informiert werden müssen, wenn Betretungs- und Annäherungsverbote erlassen wurden, eine Lücke im ansonsten lobenswerten System und in der praktischen Umsetzung von Betretungs- und Annäherungsverboten in Österreich.

GREVIO hat einige weitere Punkte festgestellt, die nachhaltige Maßnahmen erfordern, damit in wirksamer Weise Vertrauen geschaffen werden kann, indem für den Schutz und die Unterstützung von Opfern von Gewalt gegen Frauen gesorgt wird, und dafür, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt. Dabei handelt es sich um die Notwendigkeit:

-       einen langfristigen umfassenden Aktionsplan bzw. eine langfristige Strategie unter gebührender Berücksichtigung aller von der Istanbul-Konvention erfassten Formen von Gewalt auszuarbeiten;

-       angemessene und langfristige finanzielle Förderungen für die verschiedenen spezialisierten Hilfsdienste über Stellen zur Prävention häuslicher Gewalt (Anmerkung zu Übersetzung: Gewaltschutzzentren sind hier gemeint) hinaus sicherzustellen;

-       dafür Sorge zu tragen, dass in Verwendung stehende Datenkategorien institutionsübergreifend vereinheitlicht werden, damit Fälle von Gewalt gegen Frauen beim Durchlaufen der verschiedenen Phasen der Strafverfolgung nachverfolgt werden können;

-       die Datenerfassung zur Anzahl der Opfer häuslicher Gewalt bzw. anderer Formen von Gewalt gegen Frauen zu verbessern, die im Gesundheits- und Sozialbereich Hilfe suchen;

-       ihre Bemühungen zur Beseitigung von Vorurteilen, Geschlechterstereotypen und patriarchalischen Haltungen in der österreichischen Gesellschaft zu verstärken und die primärpräventive Verhütung von Gewalt gegen Frauen in zukünftigen Aktionsplänen und Maßnahmen zu priorisieren, unter anderem durch Bewusstseinskampagnen;

-       sicherzustellen, dass Programme für Täter und Täterinnen im Bereich häusliche und sexuelle Gewalt in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen und in großem Umfang absolviert werden und dass alle Organisationen, die solche Programme anbieten, bei ihrer Arbeit einen opferschutzorientierten Ansatz verfolgen;

-       standardisierte Versorgungswege im öffentlichen und privaten Gesundheitsbereich weiter voranzutreiben, um die Identifizierung der Opfer, ihre Befundung, Behandlung, die Dokumentation der erfahrenen Gewaltform (samt Fotos von den Verletzungen) und der daraus resultierenden gesundheitlichen Probleme sicherzustellen;

-       weitere Krisenzentren für Opfer sexueller Gewalt mit einer gleichmäßigen geografischen Verteilung einzurichten;

-       dass die Zivilgerichte Vorwürfe von Gewalt gegen Frauen im Kontext von Obsorgeund Kontaktrechtsverfahren ordnungsgemäß untersuchen, ohne dabei auf Konzepte zurückzugreifen, die Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, als „nicht kooperativ“ oder „bindungsintolerant“ darstellen, und dass in Fällen häuslicher Gewalt ein systematisches Screening und die Durchführung einer Gefährdungsanalyse in solchen Verfahren vorgesehen wird;

-       dass bei allen Formen von Gewalt gegen Frauen, insbesondere bei psychischer Gewalt und Stalking in der Praxis einstweilige Verfügungen erlassen werden und dass es im Opferschutz keine Lücken zwischen Betretungs- und Annäherungsverboten und einstweiligen Verfügungen gibt.

Abschließend hat GREVIO weitere Bereiche identifiziert, in denen Verbesserungen erforderlich sind, damit die Verpflichtungen des Übereinkommens gemäß dem Thema dieser Evaluierungsrunde zur Gänze eingehalten werden können. Dazu gehört unter anderem, dass eine ausreichende Anzahl an Plätzen in Schutzunterkünften mit einer angemessenen geografischen Verteilung zur Verfügung stehen muss; Opfern das Erstatten einer Anzeige bei der Polizei in einer opferfreundlichen Umgebung ermöglicht werden muss; die Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden ihre Bemühungen beim Begründen ihrer Vorwürfe, bei raschen Ermittlungen und der Verfolgung aller Formen von Gewalt, die unter die Istanbul-Konvention fallen, auch digitale Erscheinungsformen dieser Gewalt, verstärken müssen; sämtliche zum Schutz von Opfern in Ermittlungs- und Gerichtsverfahren bestehende Maßnahmen in der Praxis umgesetzt werden müssen, insbesondere mit besonderem Augenmerk auf weibliche Gewaltopfer, die intersektionale Diskriminierung erfahren; sowie zu gewährleisten, dass Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, Zugang zu leistbarem und nachhaltigem Wohnraum in ganz Österreich haben.

 

Der Gleichbehandlungsausschuss hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 21. Oktober 2025 in Verhandlung genommen. Gemäß § 40 Abs. 1 des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates beschloss der Ausschuss einstimmig, Frau Mag. Karin Gölly als Auskunftsperson beizuziehen.

Vor Schluss der Debatte beschloss der Ausschuss gemäß § 28b Abs. 4 des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates einstimmig, den vorliegenden Bericht aus wichtigen Gründen nicht endzuerledigen.

 

An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Ausschussobfrau Abgeordnete Sabine Schatz und der Auskunftsperson Mag. Karin Gölly die Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Lisa Schuch-Gubik, Mag. Romana Deckenbacher, Dr. Gudrun Kugler, Mario Lindner, Henrike Brandstötter, Mag. Meri Disoski, David Stögmüller, Tina Angela Berger, Mag. Katayun Pracher-Hilander, Margreth Falkner, Mag. Verena Nussbaum und Roland Baumann sowie die Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung Eva-Maria Holzleitner, BSc und die Bundesministerin für Justiz Dr. Anna Sporrer.

 

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.

 

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum gewählt.


 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gleichbehandlungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle den GREVIO-Bericht der ersten thematischen Evaluierungsrunde, die Stellungnahme Österreichs sowie die offiziellen Empfehlungen des Europarates vom 5. Juni 2025, vorgelegt von der Bundesregierung (III-221 der Beilagen), zur Kenntnis nehmen.

 

Wien, 2025 10 21

                         Mag. Verena Nussbaum                                                          Sabine Schatz

                                  Berichterstattung                                                                           Obfrau