282 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVIII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten

über die Regierungsvorlage (255 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das EU – Polizeikooperationsgesetz, das Polizeikooperationsgesetz, das PNR-Gesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Grenzkontrollgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden (Zweites EU-Informationssysteme-Anpassungsgesetz)

1. Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Mit diesem Gesetzesvorhaben, mit welchem das EU – Polizeikooperationsgesetz (EU-PolKG), das Polizeikooperationsgesetz (PolKG), das PNR-G, das Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), das Grenzkontrollgesetz (GrekoG), das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StBG) und das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) geändert werden (Zweites EU-Informationssysteme–Anpassungsgesetz), sollen die erforderlichen Adaptierungen

1.     zur Schaffung eines Rahmens zur Herstellung der Interoperabilität der teils bereits bestehenden, teils noch einzurichtenden EU-Informationssysteme und

2.     zur Einrichtung des Europäischen Reiseinformations- und –genehmigungssystems (European Travel Information and Authorisation System; im Folgenden: ETIAS)

vorgenommen werden.

 

Zur Schaffung eines Rahmens zur Herstellung der Interoperabilität zwischen EU-Informationssystemen:

Basierend auf den Empfehlungen eines Berichts der bei der Europäischen Kommission eingerichteten Hochrangigen Expertengruppe für Informationssysteme und Interoperabilität vom Mai 2017 hat sich die Europäische Union (EU) vermehrt dem Thema der Interoperabilität europäischer Datenbanken gewidmet. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht nur bereits bestehende europäische Informationssysteme (das Schengener Informationssystem [SIS], das Visa-Informationssystem [VIS] und das europaweite Fingerabdruck-Identifizierungssystem [Eurodac]), sondern auch die in Entstehung befindlichen europäischen Informationssysteme (das Einreise-/Ausreisesystem [EES], das ETIAS und das Strafregisterinformationssystem zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen [ECRIS-TCN]) sowie deren Vernetzung.

Die derzeit in Betrieb befindlichen europäischen Informationssysteme SIS, VIS und Eurodac sind bisher voneinander getrennt und für die Mitgliedstaaten nur bedingt gegenseitig abfragbar. Um die Interoperabilität aller EU-Informationssysteme künftig insbesondere für die Bereiche Sicherheit, Grenzmanagement und Migrationssteuerung zu verbessern, wurden

–      die Verordnung (EU) 2019/817 zur Errichtung eines Rahmens für die Interoperabilität zwischen EU-Informationssystemen in den Bereichen Grenzen und Visa und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 767/2008, (EU) 2016/399, (EU) 2017/2226, (EU) 2018/1240, (EU) 2018/1726 und (EU) 2018/1861, der Entscheidung 2004/512/EG und des Beschlusses 2008/633/JI, ABl. Nr. L 135 vom 22.05.2019 S. 27, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2024/982, ABl. Nr. L 982 vom 05.04.2024 S. 1, (CELEX-Nummer: 32019R0817; im Folgenden: Verordnung – IO Grenzen und Visa), und

–      die Verordnung (EU) 2019/818 zur Errichtung eines Rahmens für die Interoperabilität zwischen EU-Informationssystemen (polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit, Asyl und Migration) und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1726, (EU) 2018/1862 und (EU) 2019/816, ABl. Nr. L 135 vom 22.05.2019 S. 85, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2024/982, ABl. Nr. L 982 vom 05.04.2024 S. 1, (CELEX-Nummer: 32019R0818; im Folgenden: Verordnung – IO Polizei und Justiz)

erlassen. Die beiden Verordnungen schaffen den Rahmen zur Herstellung der Verknüpfung der bereits bestehenden und noch zu errichtenden EU-Informationssysteme unter Einbeziehung von Interpol-Datenbanken und Europol-Daten. Die Informationssysteme werden so miteinander verbunden, dass sie einander ergänzen, damit korrekte Personenidentifizierungen vereinfacht werden und so ein Beitrag zur Bekämpfung von Identitätsbetrug geleistet wird. Darüber hinaus werden durch die Verordnungen datenschutzrechtliche Sicherheitsvorkehrungen normiert und Bestimmungen vorgesehen, denen zufolge die Datenverarbeitung auf das für den jeweiligen Zweck erforderliche Maß begrenzt und nur denjenigen Stellen Zugriff auf die Daten gewährt wird, die diese benötigen. Überdies werden die Datenqualitätsanforderungen der verschiedenen EU-Informationssysteme verbessert und somit zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten harmonisiert. Durch diese Harmonisierung wird für Mitgliedstaaten auch die technische und operative Umsetzung erleichtert. Ferner wird der Zugang zum EES, zum VIS, zum ETIAS und zu Eurodac zum Zwecke der Verhinderung, Aufdeckung und Untersuchung terroristischer Straftaten und sonstiger schwerer Straftaten einheitlich geregelt und die Zwecke des EES, VIS, ETIAS, Eurodac, SIS und ECRIS-TCN gefördert. Die Verknüpfung der Datenbanken erfolgt dabei primär – mit Ausnahme von ETIAS – über biometrische Daten, dh. über Fingerabdruck-Daten, das Gesichtsbild oder beides (vgl. Art. 4 Nr. 11 der og. Verordnungen), da biometrische Daten für Zwecke der Personenidentifizierung zuverlässiger sind als alphanumerische Daten.

Mit dem Ersten EU-Informationssysteme-Anpassungsgesetz wurden bereits die erforderlichen Anschluss- und Durchführungsbestimmungen aufgrund der EU-Verordnungen betreffend das modernisierte SIS sowie der EU-Verordnungen über die Einrichtung des neuen EES vorgenommen (vgl. BGBl. I Nr. 206/2021). Nunmehr sollen mit gegenständlichem Gesetzesvorhaben die erforderlichen Anschluss- und Durchführungsbestimmungen aufgrund der Verordnung – IO Grenzen und Visa, Verordnung – IO Polizei und Justiz sowie der Verordnung (EU) 2018/1240 über die Einrichtung eines Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS) und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1077/2011, (EU) Nr. 515/2014, (EU) 2016/399, (EU) 2016/1624 und (EU) 2017/2226, ABl. Nr. L 236 vom 19.09.2018 S. 1, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2021/1152, ABl. Nr. L 249 vom 14.07.2021 S. 15, (CELEX-Nummer: 32018R1240; im Folgenden: ETIAS-Verordnung) vorgenommen werden.

In den Anwendungsbereich der Verordnung – IO Grenzen und Visa fallen gemäß Art. 3 Abs. 2 Personen, deren personenbezogene Daten in den EU-Informationssystemen EES, VIS, ETIAS und SIS verarbeitet werden können und deren Daten für die Zwecke der genannten Systeme erfasst werden. In den Anwendungsbereich der Verordnung – IO Polizei und Justiz fallen gemäß Art. 3 Abs. 3 demgegenüber Personen, deren personenbezogene Daten im SIS, im Eurodac, im ECRIS-TCN sowie durch Europol (soweit es erforderlich ist, um Europol-Daten gleichzeitig zu diesen EU-Informationssystemen abfragen zu können) verarbeitet werden.

Ziele der mittels dieser beiden Verordnungen sicherzustellenden Interoperabilität sind – neben der Unterstützung der jeweiligen Zwecke des EES, VIS, ETIAS, Eurodac, SIS und ECRIS-TCN – die Verbesserung der Wirksamkeit und Effizienz der Grenzübertrittskontrollen an den Außengrenzen und der gemeinsamen Visumpolitik, die Verhinderung und Bekämpfung illegaler Einwanderung, die Gewährleistung eines hohen Maßes an Sicherheit im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts der Union einschließlich der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie des Schutzes der inneren Sicherheit im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, die Verhinderung, Aufdeckung und Untersuchung terroristischer und sonstiger schwerer Straftaten sowie die Erleichterung der Identifizierung unbekannter Personen, die sich nicht ausweisen können, oder von nicht identifizierten sterblichen Überresten bei Naturkatastrophen, Unfällen oder terroristischen Anschlägen.

Zur Erreichung dieser Ziele werden als Interoperabilitätskomponenten das Europäische Suchportal (European Search Portal – ESP), ein gemeinsamer Dienst für den Abgleich biometrischer Daten (shared Biometric Matching Service – sBMS), ein gemeinsamer Speicher für Identitätsdaten (Common Identity Repository – CIR) und ein Detektor für Mehrfachidentitäten (Multiple-Identity Detector – MID) geschaffen. Diese Interoperabilitätskomponenten erstrecken sich auf die einzelnen EU-Informationssysteme.

Das ESP soll künftig den mitgliedstaatlichen Behörden und Stellen der Union einen raschen, unterbrechungsfreien, effizienten, systematischen und kontrollierten Zugang zu den EU-Informationssystemen, den Europol-Daten und den Interpol-Datenbanken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben und nach Maßgabe ihrer, in den jeweiligen EU-Verordnungen festgelegten, Zugangsrechten (vgl Art. 6 der beiden Verordnungen) ermöglichen. Es wird von der Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (eu-LISA) entwickelt, die auch für die technische Verwaltung sorgt. Es umfasst eine einheitliche Suchmaske, die die gleichzeitige Abfrage der verschiedenen Informationssysteme ermöglicht, einen sicheren Kommunikationskanal zwischen dem ESP und den Mitgliedstaaten bzw. Stellen der Union und eine sichere Kommunikationsinfrastruktur zwischen dem ESP und den einzelnen Informationssystemen, den Europol-Daten und den Interpol-Datenbanken sowie zwischen dem ESP und den zentralen Infrastrukturen des CIR und des MID herstellt. Die Nutzung des ESP ist den mitgliedstaatlichen Behörden und Stellen der Union vorbehalten, die auf mindestens eines der EU-Informationssysteme, den CIR und den MID, Europol-Daten oder Interpol-Datenbanken zugreifen können. Um Abfragen vorzunehmen, geben die ESP-Nutzer alphanumerische und/oder biometrische Daten in das ESP ein. Anhand dieser Daten fragt das ESP sodann gleichzeitig die einzelnen EU-Informationssysteme, die Europol-Daten und die Interpol-Datenbanken ab. Wenn Daten verfügbar sind, werden dem Nutzer über das ESP Auskünfte darüber erteilt, in welchen Datenbanken bereits personenbezogene Daten verarbeitet werden. Dem Nutzer werden lediglich jene Informationen zur Verfügung gestellt, auf die er nach dem Unionsrecht und dem nationalen Recht zugreifen darf.

Der sBMS ist ein technisches Hilfsmittel für die Verstärkung und Vereinfachung der Funktion der einschlägigen EU-Informationssysteme und der anderen Interoperabilitätskomponenten. Er hat die Aufgabe biometrische Merkmalsdaten (sog. „Templates“), die aus den im CIR und im SIS gespeicherten biometrischen Daten generiert wurden, zu speichern und die systemübergreifende Abfrage mehrerer EU-Informationssysteme anhand biometrischer Daten zu ermöglichen (vgl Art. 12 der beiden Verordnungen). Auf diese Weise ermöglicht der sBMS die Identifizierung einer in mehreren Datenbanken erfassten Person.

Der CIR unterstützt die korrekte Identifizierung von im EES, im VIS, im ETIAS, im Eurodac und im ECRIS-TCN gemäß Art. 20 der beiden Verordnungen erfassten Personen sowie das Funktionieren des MID gemäß Art. 21 der beiden Verordnungen und erleichtert zudem den allenfalls erforderlichen Zugang von benannten Behörden und Europol zum EES, zum VIS, zum ETIAS und zu Eurodac zum Zweck der Verhinderung, Aufdeckung oder Untersuchung terroristischer und anderer schwerer Straftaten gemäß Art. 22 der beiden Verordnungen. Dafür wird im CIR für jede im EES, im VIS, im ETIAS, in Eurodac und im ECRIS-TCN erfasste Person eine individuelle Datei mit den in Art. 18 der beiden Verordnungen genannten Daten angelegt. Diese individuelle Datei enthält Identitäts-, Reisedokumenten-, und biometrische Daten aus den zuvor genannten Informationssystemen (vgl Art. 17 der beiden Verordnungen).

Der MID dient einerseits der Unterstützung des CIR und andererseits der Unterstützung der Ziele des EES, VIS, des ETIAS, Eurodac, SIS und ECRIS-TCN. Er soll dazu beitragen, Personen zu erkennen, die mehrere oder falsche Identitäten benutzen, und dadurch Identitätsprüfungen vereinfachen sowie Identitätsbetrug bekämpfen. Zur Erreichung dieser Ziele werden im MID Identitätsbestätigungsdateien, die Verknüpfungen von Daten aus den verschiedenen EU-Informationssystemen enthalten (vgl Art. 25 der beiden Verordnungen), erstellt und gespeichert. Konkret wird dabei geprüft, ob die in einem System neu erfassten oder aktualisierten Identitäts-, Reisedokumenten-, und biometrischen Daten auch in den anderen Systemen bereits vorhanden sind. Ergibt die Abfrage eine oder mehrere Übereinstimmungen und können die Identitätsdaten der verknüpften Dateien nicht als gleich oder ähnlich angesehen werden, wird eine manuelle Verifizierung durch die zuständigen Behörden durchgeführt (vgl. Art. 27 ff der beiden Verordnungen).

Die Zeitpunkte der Inbetriebnahme der einzelnen Interoperabilitätskomponenten (ESP, sBMS, CIR und MID) werden von der Kommission im Wege einzelner Durchführungsrechtsakte festgelegt (Art. 72 der Verordnung – IO Grenzen und Visa bzw. Art. 68 der Verordnung – IO Polizei und Justiz).

Die Bestimmungen der Verordnung – IO Grenzen und Visa sowie der Verordnung – IO Polizei und Justiz sind unmittelbar anwendbar und bedürfen daher keiner Umsetzung im innerstaatlichen Recht. Zur Gewährleistung einer rechtskonformen Vollziehung der unionsrechtlichen Bestimmungen bedarf es lediglich vereinzelt der Schaffung von Anschluss- und Durchführungsbestimmungen im nationalen Recht, welche im EU – Polizeikooperationsgesetz (EU-PolKG) vorgenommen werden sollen.

Zur Einrichtung des Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS):

Mit dem vorliegenden Gesetzesvorhaben werden zudem die erforderlichen Anschluss- und Durchführungsbestimmungen zur ETIAS-Verordnung geschaffen.

Erste Überlegungen zur Einführung eines Systems zur elektronischen Erteilung von Reisebewilligungen an nicht visumpflichtige Drittstaatsangehörige gehen auf eine Mitteilung der Europäischen Kommission vom Februar 2008 mit dem Titel „Vorbereitung der nächsten Schritte für die Grenzverwaltung in der Europäischen Union“ zurück, wurden jedoch zum damaligen Zeitpunkt nicht weiter verfolgt. In einer Mitteilung der Kommission vom 6. April 2016 („Solidere und intelligentere Informationssysteme für das Grenzmanagement und mehr Sicherheit“) wurden Mängel betreffend die Funktionsweise bestehender EU-Dateninformationssysteme im Bereich des Grenzmanagements, der Strafverfolgung und der Terrorismusbekämpfung aufgezeigt und wurde die Notwendigkeit der Verbesserung der Interoperabilität der Informationssysteme und der Schließung von Informationslücken betont. In diesem Zusammenhang kündigte die Kommission die Durchführung einer Machbarkeitsstudie betreffend die Einführung eines Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS) als einem automatisierten System zur Überprüfung von von der Visumpflicht befreiten Drittstaatsangehörigen vor deren Einreise in den Schengen-Raum an. Der Abschlussbericht dieser Studie sowie ein entsprechender Vorschlag für eine Verordnung über ein Europäisches Reiseinformations- und -genehmigungssystem (ETIAS) wurden am 16. November 2016 veröffentlicht. Die ETIAS-Verordnung, die eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands darstellt, wurde vom Europäischen Parlament und vom Rat am 12. September 2018 angenommen und trat am 9. Oktober 2018 in Kraft.

Ziel des ETIAS ist es zu einem hohen Maß an Sicherheit, zur Verhinderung der illegalen Einwanderung und zum Schutz der öffentlichen Gesundheit beizutragen. Darüber hinaus soll ETIAS dabei helfen, bestehende Informations- bzw. Sicherheitslücken in Bezug auf die genannte Personenkategorie zu schließen, da etwa derzeit den Grenzkontrollbehörden keine Informationen über von der Visumpflicht befreite Drittstaatsangehörige bei deren Einreise in den Schengen-Raum vorliegen. Es soll zudem zu einer Erhöhung der Effizienz und Erleichterung der Grenzkontrollen bei von der Visumpflicht befreiten Drittstaatsangehörigen beitragen, indem zum Zeitpunkt des Grenzübertritts bereits zahlreiche Daten zu den Reisenden im System erfasst sind und durch die vorgelagerte Risikoprüfung die Zahl der Einreiseverweigerungen an den Außengrenzen verringert werden kann. Auch soll ETIAS bei der Verwirklichung der Ziele des SIS, EES und VIS unterstützen und zur Verhütung, Aufdeckung und Untersuchung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten sowie zur korrekten Identifizierung von Personen beitragen.

Bei ETIAS handelt es sich um ein schengenweites System, in dem sich Drittstaatsangehörige, die von der Visumpflicht befreit sind und für einen Kurzaufenthalt von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen in den Schengen-Raum reisen wollen, vor der Reise registrieren müssen. Anhand von ETIAS soll bereits im Vorfeld einer Einreise – aufgrund der von dem Drittstaatsangehörigen im Rahmen der Antragstellung angegebenen Daten – überprüft werden, ob mit der Anwesenheit dieser Drittstaatsangehörigen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein Risiko für die Sicherheit, ein Risiko der illegalen Einwanderung oder ein hohes Epidemierisiko verbunden ist. Zu diesem Zweck wird eine Reisegenehmigung eingeführt und legt die Verordnung die Bedingungen und Verfahren für die Erteilung oder Verweigerung sowie Annullierung und Aufhebung dieser Genehmigung fest. Neben dem EES stellt ETIAS damit ein weiteres System dar, welches dem wirksamen Grenzmanagement der Außengrenzen dienen soll.

In den Anwendungsbereich des ETIAS fallen gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. a bis c der ETIAS-Verordnung folgende von der Visumpflicht befreite Drittstaatsangehörige, die für einen Kurzaufenthalt im Schengen-Raum zugelassen sind:

-       Staatsangehörige eines Drittstaats, welcher in Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind, ABl. Nr. L 81 vom 21.03.2001 S. 1, angeführt ist,

-       Schüler, die gemäß Art. 4 Abs. 2 leg. cit. als Mitglied einer Schülergruppe in Begleitung einer Lehrkraft an einer Reise teilnehmen,

-       von der Visumpflicht befreite Familienangehörige von Unionsbürgern oder Drittstaatsangehörigen, die das Recht auf Freizügigkeit genießen, wenn sie nicht im Besitz einer Aufenthaltskarte gemäß der Richtlinie 2004/38/EG oder eines Aufenthaltstitels gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 sind (Art. 2 Abs. 1 lit. c der ETIAS-Verordnung); wobei Art. 24 der ETIAS-Verordnung für diese Personengruppe Sondernormen vorsieht.

Um eine Reisegenehmigung zu erhalten, hat der Drittstaatsangehörige im Rahmen des Systems (d.h. über die öffentliche Website oder die Anwendung für Mobilgeräte) ein Online-Antragsformular auszufüllen und bestimmte Informationen über sich bereitzustellen (Art. 16 und 17 der ETIAS-Verordnung). Die Antragstellung soll hinreichend früh vor der geplanten Einreise oder – sofern sich der Antragsteller bereits im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates aufhält – vor Ablauf der bestehenden Reisegenehmigung erfolgen (diese Möglichkeit besteht ab dem 120. Tag vor Ablauf der Gültigkeit).

Die Anträge auf Erteilung einer Reisegenehmigung werden gemäß Art. 20 der ETIAS-Verordnung vollautomatisiert vom ETIAS-Zentralsystem bearbeitet, indem zunächst eine automatische Abfrage der Datenbanken von Europol und Interpol (SLTD für gestohlene und verlorene Reisedokumente und TDAWN zur Erfassung von Ausschreibungen zugeordneter Reisedokumente) sowie den EU-Informationssystemen SIS, EES, VIS, Eurodac, ECRIS-TCN durchgeführt wird. Gleichzeitig erfolgt eine Überprüfung im ETIAS-Zentralsystem inklusive der darin integrierten ETIAS-Überwachungsliste (Art. 34 der ETIAS-Verordnung). Letztere enthält Daten von Personen, die einer terroristischen oder anderen schweren Straftat bzw. der Beteiligung an einer solchen verdächtigt werden oder in deren Fall faktische Anhaltspunkte bzw. hinreichende Gründe für die Annahme der Begehung einer solchen Straftat vorliegen. Darüber hinaus werden für die Bearbeitung der Anträge spezifische Risikoindikatoren herangezogen, welche von der (bei der Europäischen Agentur für Grenz- und Küstenwache FRONTEX angesiedelten) ETIAS-Zentralstelle auf Basis der durch die Europäische Kommission ermittelten Risiken festgelegt werden (Art. 33 der ETIAS-Verordnung).

Ergibt die automatisierte Bearbeitung des Antrags keinen Treffer, so erteilt das ETIAS-Zentralsystem automatisch eine Reisegenehmigung. Im Falle eines oder mehrerer Treffer (d.h. wenn die seitens des Drittstaatsangehörigen eingegebenen Daten einer Ausschreibung in einem der Informationssysteme bzw. einem Eintrag in einer Datenbanken entspricht) überprüft die ETIAS-Zentralstelle, ob die personenbezogenen Daten des Antragstellers den personenbezogenen Daten der Person entsprechen, die den Treffer ergeben hat. Liegt eine Übereinstimmung vor oder bestehen weiterhin Zweifel an der Identität der betreffenden Person, übermittelt die ETIAS-Zentralstelle den Antrag an die – von jedem Mitgliedstaat einzurichtende – nationale ETIAS-Stelle jenes Mitgliedstaates, dessen Ausschreibung bzw. Datensatz den Treffer verursacht hat (vgl. Art. 25 der ETIAS-Verordnung). Die nationale ETIAS-Stelle muss die angezeigten Treffer überprüfen („manuelle Bearbeitung“) und sodann – stets unter Vornahme einer individuellen Bewertung des Risikos – entscheiden, ob eine Reisegenehmigung erteilt oder verweigert wird (siehe Erläuterungen zu § 5 Abs. 7 FPG).

Die Reisegenehmigung gilt – sofern keine räumlich begrenzte Gültigkeit vorgesehen ist – für einen Zeitraum von drei Jahren oder bis zum Ablauf der Gültigkeit des bei der Antragstellung registrierten Reisedokuments – je nachdem, welcher Zeitpunkt zuerst eintritt. Sie gilt für das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten. Mit der Reisegenehmigung wird kein automatisches Recht auf Einreise oder Aufenthalt verliehen.

Die im Rahmen des ETIAS erteilten Reisegenehmigungen stellen eine neue Einreisevoraussetzung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex) dar, welche die bisherigen Voraussetzungen zur Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ergänzt. Neben den bestehenden Einreisebedingungen nach dem Schengener Grenzkodex (gültiges Reisedokument, ausreichende finanzielle Mittel etc.) muss diese künftig von Drittstaatsangehörigen, die von der Visumpflicht befreit sind, als zusätzliche Voraussetzung nachgewiesen werden. Zudem stellt die Reisegenehmigung eine Aufenthaltsvoraussetzung dar und muss der Drittstaatsangehörige während der gesamten Dauer eines kurzfristigen Aufenthalts im Besitz einer gültigen Reisegenehmigung sein.

Zur Durchführung der nach der ETIAS-Verordnung übertragenen Aufgaben (wie Ermittlung des Status der Reisegenehmigung im Rahmen der Grenzkontrolle und Durchführung weiterer Überprüfungen an der zweiten Kontrolllinie) haben die Grenzbehörden unmittelbaren Zugang zum ETIAS-Zentralsystem (Art. 47 der ETIAS-Verordnung). Neben den Grenzbehörden sind auch Einwanderungsbehörden im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Z 22 leg. cit. bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen befugt, zum Zwecke der Prüfung der Voraussetzungen der Einreise und des Aufenthalts sowie der Durchführung einer Rückkehr des Drittstaatsangehörigen, unmittelbar auf das ETIAS-Zentralsystem zuzugreifen (Art. 49 der ETIAS-Verordnung).

Da ETIAS auch einen Beitrag zur Verhütung, Aufdeckung oder Untersuchung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten leisten soll, gewährt die ETIAS-Verordnung weiters den für die Strafverfolgung und Gefahrenabwehr zuständigen Behörden („benannte Behörden“ gemäß Art. 3 Abs. 1 Z 21 der ETIAS-Verordnung) einen – über eine zentrale Zugangsstelle bereitgestellten – Zugang zum ETIAS-Zentralsystem (Art. 50ff der ETIAS-Verordnung).

Der Zeitpunkt der Inbetriebnahme des ETIAS wird mittels Beschluss der Europäischen Kommission festgesetzt (Art. 88 Abs. 1 iVm 4 der ETIAS-Verordnung). Während eines Zeitraums von sechs Monaten nach diesem Datum ist die Nutzung des ETIAS gemäß Art. 83 Abs. 1 der ETIAS-Verordnung fakultativ, und die Pflicht, im Besitz einer gültigen Reisegenehmigung zu sein, gilt nicht. Die Europäische Kommission kann diesen Übergangszeitraum um bis zu sechs weitere Monate verlängern; diese Verlängerung kann einmal erneuert werden.

Die Bestimmungen der ETIAS-Verordnung sind unmittelbar anwendbar und bedürfen keiner Umsetzung im innerstaatlichen Recht. Zur Gewährleistung eines rechtskonformen Vollzugs der unionsrechtlichen Bestimmungen bedarf es jedoch vereinzelter Anpassungen des nationalen Rechts. Es werden daher in folgenden Materiengesetzen Anschluss- und Durchführungsbestimmungen geschaffen: dem EU - Polizeikooperationsgesetz (EU-PolKG), dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), dem Grenzkontrollgesetz (GrekoG), dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) sowie dem Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG).

Aufgrund der geplanten Einführung des Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystem (ETIAS) soll zudem eine Anpassung des FPG dahingehend erfolgen, als die derzeit bestehende (und im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2014/36/EU über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zwecks Beschäftigung als Saisonarbeitnehmer, ABl. Nr. L 94 vom 28.3.2014 S. 375 [CELEX-Nummer: 32014L0036; im Folgenden: „Saisonier-RL“] eingeführte) Visumpflicht für visumbefreite Drittstaatsangehörige, die in das Bundesgebiet einreisen, um einer Beschäftigung als Saisonier von nicht mehr als 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen nachzugehen, entfallen soll. Diesbezüglich ist auch die korrespondierende Regelung in § 5 Abs. 8 AuslBG entsprechend anzupassen.

 

2. Kompetenzgrundlage:

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung eines diesem Entwurf entsprechenden Bundesgesetzes gründet sich hinsichtlich

-       des Artikels 1 (EU-PolKG) auf Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit),

-       des Artikels 2 (PolKG) auf Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit),

-       des Artikels 3 (PNR-G) auf Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit),

-       des Artikels 4 (FPG) auf Art. 10 Abs. 1 Z 3 B-VG (Regelung und Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm; Aufenthaltsverbot, Ausweisung und Abschiebung) und Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG (Fremdenpolizei),

-       des Artikels 5 (GrekoG) auf Art. 10 Abs. 1 Z 3 B-VG (Regelung und Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm),

-       des Artikels 6 (NAG) auf Art. 10 Abs. 1 Z 3 B-VG (Ein- und Auswanderungswesen einschließlich des Aufenthaltsrechtes aus berücksichtigungswürdigen Gründen),

-       des Artikels 7 (StbG) auf Art. 11 Abs. 1 Z 1 B-VG (Staatsbürgerschaft) sowie

-       des Artikels 8 (AuslBG) auf Art. 10 Abs. 1 Z 3 und 11 B-VG (Ein- und Auswanderungswesen, Arbeitsrecht, soweit es nicht unter Art. 12 fällt).

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 6. November 2025 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, die Abgeordneten Mag. Gernot Darmann, Mag. Agnes Sirkka Prammer, MMag. Dr. Michael Schilchegger, Markus Leinfellner und Maximilian Köllner, MA sowie der Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, N, G, dagegen: F) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (255 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2025 11 06

                          Mag. Wolfgang Gerstl                                                         Mag. Ernst Gödl

                                  Berichterstattung                                                                          Obmann