Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Mit dem Bundesgesetz über die Kennzeichnung von Waren, deren Menge sich ohne entsprechende Preissenkung verringert hat, soll das Phänomen der sogenannten „Shrinkflation“ bekämpft werden. Im Ministerratsvortrag vom 3. September 2025 betreffend „Herbst des Aufschwungs: Wachstum, leistbare Preise und standortpolitische Maßnahmen für alle“ hat die Bundesregierung unter anderem die Bekämpfung der Inflation zur Priorität erklärt. Als eine der Maßnahmen wurde die „Schaffung einer gesetzlichen Regelung zur Kennzeichnung von Shrinkflation im Supermarkt“ vorgesehen. Der Begriff „Shrinkflation“ setzt sich aus dem englischen Wort für „schrumpfen“ („to shrink“) und dem Wort „Inflation“ (aufblähen) zusammen. Darunter wird das Verringern der Füllmenge oder Stückzahl eines sich bereits auf dem Markt befindlichen Produkts bei gleichbleibender Verpackungsgröße verstanden, ohne dass dabei der Preis für das Produkt entsprechend reduziert wird, was zu einer Erhöhung des Preises je Maßeinheit führt. Da eine Änderung des Preises entweder gar nicht oder zumindest nicht im selben Verhältnis wie die Änderung der Füllmenge oder Stückzahl erfolgt, kann es sich um eine verdeckte Preissteigerung handeln. Dadurch ist dem Phänomen der „Shrinkflation“ eine gewisse Täuschungseignung der Verbraucherinnen und Verbraucher inhärent. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll daher eine gesetzliche Klarstellung erfolgen und eine Kennzeichnungspflicht für solche Produkte eingeführt werden, die von „Shrinkflation“ betroffen sind.

Dabei sollen Händler je nach Unternehmens- bzw. Betriebsstättengröße verpflichtet werden, entweder am Produkt oder am Regal oder in unmittelbarer Umgebung oder per Informationsschild, darauf hinzuweisen, dass die Ware von „Shrinkflation“ betroffen ist.

Da der Ministerratsvortrag vom 3. September 2025 vorsieht, dass die „Shrinkflation“-Praktiken „unbürokratisch und praxisnah“ zurückgedrängt werden sollen und die Kennzeichnungspflicht eine der Maßnahmen zur Bekämpfung der Inflation darstellt, sollen mit diesem Gesetz keine merklichen zusätzlichen Kosten und Aufwände entstehen, die die Preise in die Höhe treiben und dem Ziel des Bürokratieabbaus entgegenstehen.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 8 (Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie sowie des unlauteren Wettbewerbs).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.


 

Besonderer Teil

Zu § 1

Der Geltungsbereich dieses Gesetzes erstreckt sich auf Unternehmer des Lebensmittel- und des Drogerieeinzelhandels. Der Drogeriehandel umfasst Drogerien und Drogeriemärkte, welche unter anderem das Gewerbe des Drogisten (§ 104 Gewerbeordnung) und des Handelsgewerbes ausüben und – neben anderen Waren – Drogeriefachmarktartikel, wie insbesondere Seife, Badezusätze, Parfums, Deodorants, Wasch-, Reinigungs- und Pflegemittel, etc. zum Verkauf anbieten.

Der Geltungsbereich beschränkt sich auf den Lebensmittel- und Drogerieeinzelhandel, da diesen einerseits für die Grundversorgung eine besondere Bedeutung zukommt und andererseits neben Lebensmittel auch Drogeriefachmarktartikel sowie Wasch-, Reinigungs- und Pflegemittel von „Shrinkflation“ betroffen sein können, wie Berichte des Vereins für Konsumenteninformation zeigen (https://konsument.at/shrinkflation; aufgerufen am 26.9.2025). Vom Anwendungsbereich ausgenommen werden sollen Betriebsstätten mit einer Verkaufsfläche von maximal 400m2, sofern sie nicht Teil eines Unternehmens mit mehr als fünf Filialen sind, um insbesondere kleine und mittlere Unternehmen vor administrativen Mehraufwand zu schützen. Selbständige Kaufleute sind damit auch hinsichtlich der Betriebstätten mit einer Verkaufsfläche von höchstens 400 m² ausgenommen, sofern sie nicht mehr als 5 Filialen betreiben.

Zu § 2

Zu Abs. 1

Im Falle einer Verringerung der Menge einer Ware bei augenscheinlich gleichbleibender Verpackungsgröße, ohne entsprechende proportionale Reduktion des Preises, welche zu einer Erhöhung des Grundpreises führt, haben Unternehmer, die unter dem Geltungsbereich fallen, die betroffenen Waren in den betroffenen Betriebsstätten zu kennzeichnen. Die Kennzeichnung soll für eine Dauer von 60 Tagen ab dem Datum des Angebots der Ware in der jeweiligen Betriebsstätte in seiner verringerten Menge erfolgen. Sofern die Erhöhung des Grundpreises weniger als drei Prozent beträgt, ist von einer geringfügigen Veränderung auszugehen, welche nicht kennzeichnungspflichtig ist. Sollte bereits auf der Verpackung der Ware eine Kennzeichnung oder ein Hinweis über die verringerte Menge sichtbar und leserlich angebracht sein, entfällt die Pflicht zur Kennzeichnung. Eine Verpflichtung von ausländischen Herstellern zur Bereitstellung von Informationen über allfällige Produktänderungen durch ein nationales Gesetz ist aufgrund von unionsrechtlichen Anforderungen, welche die Warenverkehrsfreiheit vorgeben, nicht möglich. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Händler im Innenverhältnis von den Herstellern über Produktänderungen wie Änderungen der Menge, des Gewichts oder der Stückzahl informiert werden. Zusammen mit dem Preis stellt die Menge pro Wareneinheit einen wesentlichen Inhalt des Vertrages zwischen dem Händler und dem Hersteller dar. Die Sorgfalt des ordentlichen Unternehmers gemäß § 347 UGB erfordert, dass der Unternehmer mit den grundsätzlichen Rechtsvorschriften und Handelsbräuchen vertraut ist, welche die von ihm abgeschlossenen Geschäfte betreffen (Told in U. Torggler, UGB3 § 347 Rz 11). Der Händler soll sich grundsätzlich auf die Hinweise der Hersteller verlassen können. Zudem müssen die Händler auch schon zur Auszeichnung der Grundpreise Kenntnis über das Gewicht oder Volumen der von ihnen angebotenen Waren haben. In Bezug auf Eigenmarken, deren Anteil laufend zunimmt, verfügt der Händler ohnedies über Informationen über allfällige Produktänderungen.

Die Pflicht zur Kennzeichnung gilt auch bei Waren, die aus mehreren Stücken bestehen und die angebotene Stückzahl verringert wird, was zu einem Anstieg des Preises pro Stück führt.

Zu Abs. 2

Die Kennzeichnungspflicht gilt für Lebensmittel, für die die Grundpreisauszeichnung nach § 10a Preisauszeichnungsgesetz gilt sowie jene Nicht-Lebensmittel, bei denen nach aktueller Rechtslage gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Verpflichtung zur Grundpreisauszeichnung StF: BGBl. II Nr. 270/2000 der Grundpreis auszuzeichnen ist, sofern diese vorverpackt als einheitliche Fertigpackungen zum Verkauf angeboten werden. Der Kennzeichnungspflicht unterliegen damit insbesondere auch nicht zB. Produkte, die naturgemäß Schwankungen oder unterschiedlichen Füllmengen unterliegen, wie z.B. Salat oder auch Äpfel.

Zu Abs. 3

Die Verpflichtung zur Kennzeichnung der verringerten Warenmenge gilt auch, wenn sich die Rezeptur oder Zusammensetzung der in reduzierter Menge angebotenen Ware verändert hat, sofern die Durchschnittsverbraucherin bzw. der Durchschnittsverbraucher die betroffene Ware noch als das Vorgängerprodukt wahrnimmt, die Ware demnach noch dieselbe Aufmachung bzw. dieselbe Bezeichnung nach veränderter Rezeptur oder Zusammensetzung hat. Dadurch sollen Umgehungen der Verpflichtung zur Kennzeichnung durch minimale Rezepturveränderungen vermieden werden. Sofern jedoch durchschnittliche Verbraucherinnen und Verbraucher die Ware als eine veränderte Ware wahrnehmen, liegt aufgrund der fehlenden Kontinuitätserwartung kein zur Täuschung geeignetes „Shrinkflation“-Produkt vor (Müller/von der Decken, Lauterkeitsrechtliche Grenzen für Mogelpackungen und Shrinkflation, WRP 2025, 16 Rz 46). Eine reine Rezepturveränderung, durch die keine Reduktion der Menge und somit keine Änderung des Grundpreises erfolgt, ist durch den Handel nicht zu kennzeichnen.

Zu Abs. 4

Dieses Gesetz gilt nur für den stationären Handel. Dies ergibt sich aus den unionsrechtlichen Vorgaben, da nach Art. 5 Abs. 4 Verbraucherrechte-RL 2011/83/EU Mitgliedstaaten nur für Verträge, die nicht im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen werden, zusätzliche vorvertragliche Informationspflichten im nationalen Recht einführen oder aufrechterhalten können.

Zu § 3

Zu Abs. 1

Die Kennzeichnung soll im Fall von Unternehmen mit mehr als fünf Filialen am Produkt oder am Regal oder in unmittelbarer Umgebung angebracht werden, Unternehmen, die über maximal fünf Filialen verfügen, haben in jenen Betriebsstätten mit mehr als 400m2 Verkaufsfläche ein gut sichtbares und lesbares Informationsschild anzubringen. Dieses soll mindestens die Größe DIN A1 haben.

Zu Abs. 2

Die Kennzeichnung soll in einer angemessenen Größe und Deutlichkeit der Schrift erfolgen und hat eine leicht verständliche Angabe über die Tatsache der Verringerung der Menge, wie insbesondere mit dem Hinweis „Achtung: Weniger Inhalt – höherer Preis“ zu enthalten. Ein solcher Hinweis klärt die Verbraucherinnen und Verbraucher über die verringerte Menge auf und ermutigt mündige Verbraucherinnen und Verbraucher auch den ausgezeichneten Grundpreis der betroffenen Ware näher zu beachten. Bei entsprechender Deutlichkeit des Hinweises wird dadurch die Irreführungseignung der Produktveränderung beseitigt (vgl. RS0118488 [T12]). Im Sinne einer möglichst bürokratiearmen Kennzeichnung muss nicht auf die konkrete prozentuelle Veränderung eingegangen werden.

Zu § 4

Zu Abs. 1 und 2

Die Vollziehung dieses Gesetzes erfolgt in mittelbarer Bundesverwaltung.

Zu Abs. 3

In der Praxis werden Hinweise über von „Shrinkflation“ betroffene Waren oft beim Verein für Konsumenteninformation eingebracht. Dieser kann die Hinweise künftig an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde und – soweit im Bereich der Länder besonders geschulte Organe betraut wurden – bei den besonders geschulten Organen zur Kontrolle weiterleiten. Zudem können Hinweise und Informationen zu Verstößen gegen die Kennzeichnungspflicht von Verbraucherinnen und Verbrauchern oder anderen Stellen bei den jeweils zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden oder – soweit im Bereich der Länder besonders geschulte Organe betraut wurden – bei den besonders geschulten Organen eingebracht werden. Das Einlangen von Hinweisen bei den Bezirksverwaltungsbehörden oder besonders geschulten Organen begründet keine Rechtsansprüche des Informationsgebenden.

Zu Abs. 4

Im Sinne der Sicherstellung der möglichst raschen Herstellung des rechtskonformen Zustandes ist im ersten Schritt bei einem Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht im Sinne von „Beraten statt Strafen“ ein Verbesserungsauftrag zu erteilen (Abs. 5). Erst wenn diesem Verbesserungsauftrag innerhalb von drei Arbeitstagen nicht Rechnung getragen wird, ist eine Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis 2 500 Euro pro Produkt (nicht pro Stück), welches von „Shrinkflation“ betroffen ist und nicht nach § 2 und § 3 dieses Bundesgesetzes gekennzeichnet wurde, maximal jedoch bis zu 10 000 Euro zu sanktionieren. Das bedeutet, dass zB im Fall einer von Shrinkflation betroffenen Schokolade hinsichtlich der Strafe auf das Produkt „Schokolade XY“ abzustellen ist und nicht auf die Anzahl der einzelnen Schokoladentafeln. Im Wiederholungsfall sind bis zu 3 750 Euro pro Produkt, maximal jedoch bis zu 15 000 Euro zu verhängen.

Zu Abs. 5

Sichergestellt werden muss, dass die Einhaltung des Gesetzes durch Aufklärung möglichst rasch hergestellt wird. Daher soll es prinzipiell einen Verbesserungsauftrag geben, innerhalb dessen der rechtskonforme Zustand hergestellt wird. Kommt der Unternehmer dem Verbesserungsauftrag innerhalb von drei Arbeitstagen nach, ist von der Einleitung eines Strafverfahrens abzusehen. Die Behörde soll im Sinne von „Beraten statt Strafen“ bei Feststellung einer Verwaltungsübertretung von der Bestrafung absehen, wenn der Verbesserungsauftrag erfüllt wird. Das Prinzip „Beraten statt Strafen“ soll nach der festgestellten Übertretung erst nach Ablauf von 12 Monaten wieder angewendet werden.

Zu Abs. 6

Wie unter § 2 Abs. 1 erläutert, kann angenommen werden, dass die Händler im Innenverhältnis von den Herstellern oder Importeuren über allfällige Änderungen der Waren betreffend die Menge, das Gewichts oder die Stückzahl informiert werden. Die Übermittlung der EAN/GTIN durch den Hersteller oder Importeur ist eine Information im Sinne dieser Bestimmung. Wenn ein Unternehmer jedoch nachweisen kann, dass er nicht über eine allfällige Reduktion der Menge informiert worden ist, und aus diesem Grund seiner Kennzeichnungspflicht nicht nachkommen konnte, soll keine Verfolgung erfolgen.

Zu Abs. 7

Zur Sicherstellung des Vollzugs sollen die mit der Überwachung der Einhaltung der Pflicht zur Kennzeichnung gemäß §§ 2 und 3 beauftragten Organe befugt sein, Geschäftsräume während der Öffnungszeiten zu betreten, um die zur Erfüllung ihrer Aufgabe notwendigen Erhebungen durchzuführen. Dabei soll jede nicht unbedingt notwendige Störung oder Behinderung des Geschäftsbetriebes oder Betriebsablaufes vermieden werden. Gleichzeitig sollen Unternehmer verpflichtet werden, die mit der Überwachung der Einhaltung der Kennzeichnungspflicht gem. §§ 2 und 3 beauftragten Organe zu unterstützen, auf Verlangen die für ihre Aufgabenerfüllung erforderlichen Auskünfte zu erteilen und gegebenenfalls Unterlagen über die Einhaltung der § 2 und § 3 bereitzuhalten. Diese Unterlagen können frühere Verkaufspreise und Füllmengen umfassen.

Zu § 5

Es handelt sich um die Vollzugsbestimmung.

Zu § 6

Mit § 6 wird das In- und Außerkrafttreten dieses Bundesgesetzes bestimmt. Vorgesehen ist ein Inkrafttreten mit 1. April 2026. Das Gesetz soll mit Ablauf des 30. Juni 2030 außer Kraft treten.