314 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVIII. GP
Bericht
des Justizausschusses
über die Regierungsvorlage (279 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Konsumentenschutzgesetz geändert werden (Zivilrechtliches Indexierungs-Anpassungsgesetz – ZIAG)
Ausgangslage und Inhalt des Entwurfs
Vor dem Hintergrund der Inflationsdynamik der letzten Jahre (auch) auf dem Wohnungsmietmarkt wurden zahlreiche Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen, insbesondere im Verhältnis Verbraucher – Unternehmer, zum Gegenstand von Unterlassungsklagen in Verbandsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof gemacht. Der OGH erklärte daraufhin in mehreren Entscheidungen (etwa OGH 21.3.2023, 2 Ob 36/23t, 24.5.2023, 8 Ob 37/23h und 22.3.2024, 8 Ob 6/24a) bestimmte Wertsicherungsklauseln in Vertragsformblättern, die für den Abschluss von Wohnungsmietverträgen verwendet wurden, für unzulässig. Dabei war das Verbot des § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG, wonach eine (nicht im Einzelnen ausgehandelte) Entgelterhöhung in den ersten zwei Monaten nach Vertragsschluss unzulässig ist, zentral. Wertsicherungsklauseln wurden aber auch im Zusammenhang mit der zu wenig eindeutigen Festlegung eines Nachfolgeindex wegen Verstoßes gegen § 6 Abs. 1 Z 5 KSchG für unzulässig erklärt. Schließlich hat der OGH auch ausgesprochen, dass die Vereinbarung einer bei Vertragsabschluss bereits überholten Indexzahl als Ausgangsbasis gröblich benachteiligend nach § 879 Abs. 3 ABGB ist, weil die Anpassung ansonsten aus einem aus der Zeit vor dem Abschluss des Vertrages stammenden Anstieg des Preisniveaus resultieren könnte.
In diesen Entscheidungen legte der OGH, weil es sich um Verbandsverfahren handelte, seiner letztlich zur Unzulässigkeit der Klausel führenden Beurteilung jeweils die „kundenfeindlichste“ Auslegung der konkreten Wertsicherungsklausel zugrunde. Dieser Beurteilungsmaßstab gilt aber nicht in Individualverfahren, hier werden Klauseln unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beurteilt (vgl. RS0016590 [T32]; zuletzt 8 Ob 81/24f mwN).
Die genannten Entscheidungen des OGH führten zu erheblichen Unsicherheiten in der Immobilienbranche, aber auch zu einer Fülle an rechtswissenschaftlichen Fachbeiträgen und (kritischen) Analysen, weil gravierende Auswirkungen auf Einzelverträge befürchtet wurden: Im schlimmsten Fall führt der gänzliche Wegfall einer unzulässigen Wertsicherungsklausel, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des durch die sog Klausel-Richtlinie (Richtlinie 93/13/EWG über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. Nr. L 95 vom 21.4.1993 S. 29) angeordneten „abschreckenden“ Effekts, dazu, dass der Mietzins rückwirkend auf den bei Vertragsabschluss vereinbarten Betrag absinken würde und eine Valorisierung dieses Betrags auch für die Zukunft nicht möglich wäre – all dies vor dem Hintergrund einer de facto-Unkündbarkeit der Mietverträge. Damit einhergehend wurden grobe wirtschaftliche Verwerfungen, etwa durch massenhafte Abwertungen von Immobilien, befürchtet. Ähnlich gravierende Auswirkungen wurden auch in anderen Branchen antizipiert, etwa im Zusammenhang mit Versicherungsverträgen oder in der Telekommunikationsbranche.
Die für die Unzulässigerklärung von Wertsicherungsklauseln zentralen Bestimmungen, nämlich § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG sowie § 879 Abs. 3 ABGB, waren zuletzt auch Gegenstand von Normprüfungsanträgen: Mit Erkenntnis vom 24. Juni 2025 zu G 170/2024-17 und G 37-38/2025-11 hat der Verfassungsgerichtshof jedoch entschieden, dass die gegen die Verfassungsmäßigkeit der beiden Bestimmungen erhobenen Bedenken nicht zutreffen und die Anträge abgewiesen.
Unbestritten ist jedoch, wie der OGH auch in der Vergangenheit mehrfach festgehalten hat (vgl. RS0132652), dass Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen durch das legitime Bedürfnis des Vermieters nach einer Wertsicherung, also das Entgelt insbesondere bei längeren Vertragslaufzeiten an die tatsächliche Geldentwertung anzupassen und damit das Äquivalenzverhältnis zu wahren, gerechtfertigt sind. Auch entspricht es gefestigter höchstgerichtlicher Judikatur, dass eine Wertsicherungsvereinbarung anhand des Verbraucherpreisindex dem Sachlichkeitsgebot des § 879 Abs. 3 ABGB und des § 6 Abs. 1 Z 5 KSchG genügt (10 Ob 23/24z; 10 Ob 54/24z; zuletzt 8 Ob 81/24f).
Wie sich in rezenteren Entscheidungen (OGH 17.12.2024, 10 Ob 54/24z; 27.2.2025, 8 Ob 81/24f) gezeigt hat, ist der OGH nun bestrebt, in den auf die Entscheidungen in den Verbandsverfahren folgenden Individualverfahren zu einer ausgewogenen Lösung dieser Problematik zu kommen. Dabei wird, je nach konkreter Gestaltung der Klausel, etwa über eine mögliche Teilbarkeit der Klausel (8 Ob 81/24f), aber auch, wie in 4 Ob 4/23a angedeutet, über die allgemeinen Auslegungsregeln §§ 914, 915 ABGB versucht, zu differenzierten Ergebnissen zu kommen.
Durch eine in jüngster Vergangenheit ergangene Entscheidung (OGH 30.7.2025, 10 Ob 15/25s) wurde der § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG so eng ausgelegt, dass diese Bestimmung auf Dauerschuldverhältnisse (etwa Bestandverträge) nicht anwendbar ist, die darauf angelegt sind, dass die Leistung des Unternehmers (Vermieters) nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung vollständig zu erbringen ist. Im Lichte dieser Entscheidung hat der § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG keine Relevanz mehr für Mietverträge oder sonstige längerfristige Dauerschuldverhältnisse.
Die Bundesregierung hat dem Vorhaben einer Klarstellung der Rechtslage für Wertsicherungsklauseln besondere Bedeutung eingeräumt: Im Regierungsprogramm ist an mehreren Stellen die „Schaffung von Klarheit auf gesetzlicher Ebene in Bezug auf Wertsicherungsklauseln“ angesprochen (S. 35, 64, 68).
Deshalb soll die jüngste Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG gesetzlich festgeschrieben werden.
Weiters sollen Klarstellungen bei der Auslegung des § 879 Abs. 3 ABGB getroffen werden.
Kompetenzgrundlage
Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B‑VG (Zivilrechtswesen).
Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens
Keine.
Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 25. November 2025 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Elke Hanel-Torsch die Abgeordneten Dr. Markus Tschank, Dr. Alma Zadić, LL.M., MMag. Jakob Grüner, LL.M., Mag. Sophie Marie Wotschke und Mag. Harald Stefan sowie die Bundesministerin für Justiz Dr. Anna Sporrer.
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, N, dagegen: F, G) beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (279 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2025 11 25
Mag. Elke Hanel-Torsch Mag. Klaus Fürlinger
Berichterstattung Obmann