317 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVIII. GP
Bericht
des Justizausschusses
über den Antrag 143/A(E) der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Regelung bei Befangenheit von Richtern
Die Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 26. März 2025 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Die Unparteilichkeit und Objektivität der Justiz sind Grundpfeiler eines funktionierenden Rechtsstaats. Die gegenwärtige Regelung zur Befangenheit von Richtern in Österreich weist jedoch erhebliche Mängel auf, die das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsprechung nachhaltig beeinträchtigen können. Daher ist eine Reform dringend erforderlich.
Das Recht auf einen unabhängigen und unparteiischen Richter
Das Recht auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Richter ist ein grundlegendes Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und wird durch Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantiert. Diese Bestimmung verpflichtet Österreich, sicherzustellen, dass jeder Angeklagte von einem unvoreingenommenen Richter beurteilt wird. Die aktuelle Rechtslage, die es dem Richter erlaubt, über seine eigene Befangenheit zu entscheiden, widerspricht diesem Grundsatz und gefährdet die objektive Rechtsprechung.
Selbstentscheidung des Richters über seine eigene Befangenheit
Nach der derzeitigen Gesetzeslage entscheidet in Österreich der betroffene Richter selbst über einen gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag. Dies stellt einen offensichtlichen Interessenkonflikt dar, da kein neutraler Dritter über die Frage der Unparteilichkeit entscheidet. ‚Neben Österreich dürfen in Europa nur noch in Russland die Richter selbst über sogenannte substanziierte Ablehnungsanträge entscheiden‘, kritisierte Ex-Justizminister und Anwalt Dieter Böhmdorfer in einem ‚Krone‘-Artikel vom 05.03.2024.[1] Ein transparenteres Verfahren würde mehr Objektivität gewährleisten und das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz stärken.
Beispiele: Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters
Ein prominentes Beispiel für die Schwächen der aktuellen Regelung ist der Prozess gegen den ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz. Hier wurde der Richter Michael Radasztics für die Leitung des Verfahrens bestimmt, obwohl bereits vor Prozessbeginn Vorwürfe einer potenziellen Befangenheit gegen ihn erhoben wurden. Kritiker wiesen darauf hin, dass er in der Vergangenheit Äußerungen tätigte, die als nachteilig für Kurz interpretiert werden konnten. Trotz dieser Bedenken wurde er nicht von der Führung des Verfahrens entbunden, da er selbst über seinen eigenen Befangenheitsantrag entschied.
Neben dem Fall Kurz gibt es weitere Fälle, in denen die Befangenheitsregelung problematisch war - einer davon der Buwog-Prozess (Karl-Heinz Grasser): Hier wurden immer wieder Vorwürfe der Parteilichkeit gegen einzelne Justizvertreter laut. Die Befangenheitsregelung führte dazu, dass Unklarheiten erst sehr spät im Verfahren thematisiert wurden, wodurch der gesamte Prozess in der öffentlichen Wahrnehmung infrage gestellt wurde.
Reformvorschläge zur Verbesserung der Befangenheitsregelung
Um die Objektivität der Justiz zu gewährleisten, sind folgende Änderungen an der Befangenheitsregelung erforderlich:
- Einrichtung einer unabhängigen Instanz zur Entscheidung über Befangen-heitsanträge, um Interessenkonflikte auszuschließen.
- Klarere Definition von Befangenheitsgründen im Gesetz, um Interpretations-spielräume zu verringern.
- Einheitliche Standards und Fristen für Befangenheitsanträge, um Verzögerungstaktiken zu verhindern und Rechtssicherheit zu schaffen.
- Transparenzmechanismen, durch die die Entscheidungen zu Befangenheits-anträgen öffentlich nachvollziehbar gemacht werden.
Vor diesem Hintergrund ist eine Reform der Befangenheitsregelung notwendig, um die Glaubwürdigkeit der Justiz zu bewahren und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu stärken. Die derzeitige Praxis birgt erhebliche Risiken für den Rechtsstaat und erfordert eine rasche gesetzliche Anpassung.“
Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 1. April 2025 erstmals in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Mag. Harald Stefan die Abgeordneten Dr. Markus Tschank, Mag. Sophie Marie Wotschke, MMag. Jakob Grüner, LL.M. und Mag. Agnes Sirkka Prammer. Im Anschluss wurden die Verhandlungen vertagt.
Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 25. November 2025 erneut in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Markus Tschank, Mag. Selma Yildirim, MMag. Jakob Grüner, LL.M., Mag. Sophie Marie Wotschke, Mag. Muna Duzdar und Mag. Agnes Sirkka Prammer sowie die Bundesministerin für Justiz Dr. Anna Sporrer.
Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: F, dagegen: V, S, N, G).
Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde
Abgeordnete Mag. Selma Yildirim gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.
Wien, 2025 11 25
Mag. Selma Yildirim Mag. Klaus Fürlinger
Berichterstattung Obmann