318 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVIII. GP
Bericht
des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Digitalisierung
über den Antrag 577/A(E) der Abgeordneten Süleyman Zorba, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitale Souveränität jetzt umsetzen
Die Abgeordneten Süleyman Zorba, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 19. November 2025 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Die österreichische Verwaltung bezahlt jährlich Millionen Euro an Tech-Konzerne außerhalb der EU für deren proprietäre Systeme - und hat sich damit in eine veritable Abhängigkeit gebracht. Was derartige Abhängigkeit bedeutet, zeigt sich gerade auf EU-Ebene, wo US-Präsident Donald Trump zugunsten von US-Tech-Konzernen interveniert und massiv in europäische Rechtsetzung hineinzuregieren versucht. Die digitale Souveränität der EU - und auch Österreichs - steht an einem Kipp-Punkt.
In diesem Marktumfeld, das von wenigen großen Tech-Konzernen dominiert wird, fällt es europäischen und österreichischen Unternehmen zunehmend schwer, Fuß zu fassen. Gegenmaßnahmen gegen diese fortschreitende Marktabschottung sind dringend notwendig.
Schon während der grünen Regierungsbeteiligung wurde das Problem digitaler Abhängigkeiten erkannt und im Juli 2023 eine Entschließung betreffend Stärkung der digitalen Souveränität durch flexibleren und vermehrten Einsatz von Open-Source-Produkten[1] gefasst. In der Roadmap Digitale Dekade[2] aus dem November 2023 wurde Open Source Software (OSS) als strategisches Instrument hervorgehoben. Open Source bietet laut dem ,Nationalen strategischen Fahrplan für die Digitale Dekade Österreich‘ (2023)[3] entscheidende Vorteile: OSS ermöglicht technologische Weiterentwicklungen innerhalb der EU und stärkt gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Erste effektive Schritte auf dem Weg zu mehr digitaler Souveränität wurden bereits 2022 unternommen: In den Ministerien wurden Chief Digital Officers (CDOs) eingesetzt, und 2024 erarbeitete eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe ,Open Source Software‘ einen umfassenden Leitfaden für den Einsatz von OSS in der Bundesverwaltung. Dieser Leitfaden wurde schließlich im Februar 2025 veröffentlicht[4]. In diesem Leitfaden geht es sowohl um den Software-Auswahlprozess als auch um die Klärung rechtlicher Fragen.
Obwohl damit die Vorarbeiten für eine breite Nutzung von Open Source in der Verwaltung schon Anfang des Jahres abgeschlossen waren, hat die Regierung bis heute keine weiteren faktischen Maßnahmen zur Umsetzung auf den Weg gebracht.
Ankündigungen gab es zwar so einige, zuletzt beim Pressefoyer nach dem Ministerrat am 12.11.2025, bei dem erneut eine ,Charta zur digitalen Souveränität‘ angekündigt wurde - abgesehen von derart medienwirksamen Ankündigungen und schönen Worten fehlen aber nach wie vor konkrete Schritte. Damit treibt die Regierung in fahrlässiger Weise die österreichische Abhängigkeit von Tech-Konzernen immer weiter voran und bringt die digitale Souveränität nicht auf den Boden. Dabei könnten hier auch auf nationaler Ebene sofort sinnvolle Schritte gesetzt werden.
Die völlige Planlosigkeit der Regierung zeigt sich auch bei deren Anfragebeantwortungen zum Thema ,Herstellung digitaler Souveränität in der Verwaltung‘. Gefragt nach einer Open Source Strategie wird von sämtlichen Ministerien glaubhaft versichert, dass es eine solche nicht gibt - aber dafür einen Leitfaden (den oben genannten aus der grün/türkisen Regierungszeit).[5] Es fehlen konkrete Zielvorgaben, Meilensteine und Konzepte. Einzige Ausnahme dürfte hier das Verteidigungsministerium sein, in dem offenbar die Notwendigkeit, Abhängigkeiten zu reduzieren erkannt und Maßnahmen gesetzt wurden.
Tatsächlich scheinen die meisten anderen Ministerien aber noch nicht einmal genau zu wissen, wieviel sie an Zahlungen für außereuropäische Soft- und Hardware leisten. So beantworten die Minister die Frage danach damit, dass es einen ,enormen Verwaltungsaufwand‘ bedeuten würde zu erheben, wieviel man an welche Konzerne bezahlt und erklären, dass so eine Erhebung ,aus verwaltungsökonomischen Gründen‘ nicht möglich sei.[6]
Digitale Souveränität ist kein Thema für Sonntagsreden. Schließlich geht es hier um massive geopolitische Abhängigkeiten, um einen erheblichen laufenden Kapitalabfluss an außereuropäische Konzerne und um Marktzugang und Überleben europäischer und österreichischer Unternehmen. Es gilt daher, dem Vorbild des Bundesministeriums für Landesverteidigung folgend, den Umstieg voranzutreiben, insbesondere auch im Bereich von Servern, Clouds und Infrastruktur.“
Der Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Digitalisierung hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 26. November 2025 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneter Süleyman Zorba die Abgeordneten Mst. Joachim Schnabel, Ines Holzegger, Dipl.-Ing. Gerhard Deimek sowie der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Alexander Pröll, LL.M..
Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Süleyman Zorba, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: G, dagegen: F, V, S, N).
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mst. Joachim Schnabel, Mag. (FH) Peter Manfred Harrer, Ines Holzegger, Kolleginnen und Kollegen einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Handlungsbedarf zur Stärkung der digitalen Souveränität der österreichischen Verwaltung eingebracht, der einstimmig beschlossen wurde.
Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:
„Österreich und Europa stehen vor der Herausforderung, in zentralen digitalen Technologien Abhängigkeiten von wenigen globalen Anbietern zu reduzieren und eigene Handlungsspielräume zu sichern. Jährlich profitieren hauptsächlich große Unternehmen außerhalb Europas von Lizenzzahlungen für digitale Infrastruktur, die europäische Gesellschaft macht sich auf vielfältige Weise angreifbar. Durch Erkenntnisse aus der Nutzung ihrer Produkte profitieren diese Unternehmen außerdem beispielsweise für das Training von KI-Anwendungen und bauen so ihren Wettbewerbsvorteil weiter aus. Besonders kritisch ist dies bei Daten, die eigentlich die EU nicht verlassen sollten. Auch europäische und österreichische Unternehmen und die damit verbundenen Arbeitsplätze können durch Abhängigkeiten oder mögliche Industriespionage betroffen sein.
Zugleich eröffnen neue Technologien enorme Chancen für wirtschaftliches Wachstum, gesellschaftliche Teilhabe und staatliche Effizienz. Damit Österreich diese Chancen nutzen kann, braucht es einen liberalen und innovationsfreundlichen Rahmen, digitale Handlungsfähigkeit, einen gemeinsamen, harmonisierten europäischen Binnenmarkt und europäische Kooperation sowie das Fundament europäischer Werte, die auch im digitalen Raum ihre Gültigkeit bewahren und konsequent umgesetzt werden.
Digitale Souveränität bedeutet somit nicht Abschottung oder Autarkie, sondern die Fähigkeit, im digitalen Zeitalter selbstbestimmt, sicher und innovativ zu handeln, um unsere europäischen Werte und unsere demokratischen Institutionen und Prozesse zu schützen. Digitale Souveränität ist kein Selbstzweck, sondern eine Voraussetzung für Freiheit, Wettbewerbsfähigkeit und Demokratie im 21. Jahrhundert.
Bereits im Jahr 2023 sprach sich der Nationalrat einstimmig für die Stärkung der digitalen Souveränität aus. Auch mehrere staatlichen Strategien und Roadmaps befassten sich in der Vergangenheit bereits mit diesem Thema.
Zur Stärkung digitaler Souveränität sind verschiedene Maßnahmen aus unterschiedlichen Bereichen notwendig, die ineinandergreifen. Der MRV 30/13 vom 12.11.2025 listet all jene Maßnahmen auf, auf welche die österreichische Bundesregierung setzt, um die Entscheidungsmöglichkeiten für Österreich zu erweitern und damit einen souveränen, sicheren und resilienten Staat zu gewährleisten.
Die Stärkung der digitalen Souveränität kann jedoch nicht alleine auf nationaler Ebene bewältigt werden. Österreich hat daher eine europäische Erklärung zur digitalen Souveränität initiiert, die durch die Definition eines gemeinsamen Handlungsrahmens und eine engere Zusammenarbeit Europas Fähigkeit stärken soll, zwischen eigenen Lösungen und jenen von globalen Partnern frei und verantwortungsbewusst wählen zu können. Die Inhalte der Erklärung zur digitalen Souveränität (,Declaration on Digital Sovereignty‘), welche von 27 Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde, soll den Rahmen für Österreichs nationale Bestrebungen bilden.“
Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Ines Holzegger gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Digitalisierung somit den Antrag, der Nationalrat wolle
1. diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrags 577/A(E) zur Kenntnis nehmen und
2. die angeschlossene Entschließung annehmen.
Wien, 2025 11 26
Ines Holzegger Christian Hafenecker, MA
Berichterstattung Obmann
[1] Entschließung 334/E XXVII. GP, https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVll/E/334/fnameorig1575666.html
[2] https://www.digitalaustria.gv.at/dam/jcr:54ca89e7-20fb-4cf0-9146-a707cf1bc522/DAA%20Digitale%20Dekade%20EU%202023-28112023.pdf
[3] https://www.digitalaustria.gv.at/dam/jcr:7cddce48-17be-4c53-afdd-2ddb6207bd9a/BMF%20Nationaler%20Fahrplan%202023-final-28112023-fast%20barrierefrei.pdf
[4] https://www.digitalaustria.gv.at/dam/jcr:4bd78022-4427-4c18-92a3-b310836ea141/DA%200penSource%20Software-barrierefrei-Standard.pdf
[5] Siehe etwa die Anfragebeantwortungen
https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVIII/AB/653/imfname1688201.pdf https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVIII/AB/641/imfname1688006.pdf, https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVIII/AB/649/imfname1688164.pdf
[6] Siehe etwa die Anfragebeantwortungen
https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVIII/AB/645/imfname1688056.pdf, https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVIII/AB/943/imfname1690737.pdf, https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVIII/AB/654/imfname1688222.pdf