364 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVIII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie

über die Regierungsvorlage (312 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Regelung der Elektrizitätswirtschaft (Elektrizitätswirtschaftsgesetz – ElWG) und ein Bundesgesetz zur Definition des Begriffs der Energiearmut für die statistische Erfassung und für die Bestimmung von Zielgruppen für Unterstützungsmaßnahmen (Energiearmuts-Definitions-Gesetz – EnDG) erlassen sowie das Energie-Control-Gesetz geändert werden (Günstiger-Strom-Gesetz)

Das gegenständliche Gesetzesvorhaben steht im Lichte mehrerer Maßnahmenpakete, die auf Unionsebene zur Umsetzung der Energieunion, dem besseren Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern und der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit verabschiedet wurden. Der Elektrizitätsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Mit der fortschreitenden Dekarbonisierung des Energiesystems und der Entwicklung neuer Technologien vollzieht sich ein Prozess der zunehmenden Dezentralisierung der Energieerzeugung, der neue Marktakteure schafft.

Bereits im November 2016 legte die Europäische Kommission das acht Legislativvorschläge umfassende Maßnahmenpaket „Clean Energy for All Europeans“ (COM/2016/860) vor. Das Gesetzgebungsverfahren zu den Legislativakten konnte in der ersten Hälfte 2019 abgeschlossen werden. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften wurden in den Folgejahren vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse weiterentwickelt.

Infolge der Energiekrise 2022 schlug die Europäische Kommission im März 2023 im Rahmen des sog. „Green Deal Industrial Plan“ (COM/2023/62) eine Reform der 2019 beschlossenen Strommarktregeln vor. Im Fokus der Reform stehen die Förderung erneuerbarer Energien, der bessere Schutz von Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie.

Anfang 2025 präsentierte die Europäische Kommission weitere Maßnahmenpakete, die ebenso unter dem Eindruck der Energiekrise erarbeitet wurden und darauf abzielen, leistbare Energie für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen sicherzustellen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu stärken. Wesentlicher Teil des sog. „Clean Industrial Deal“ (COM/2025/85) ist der Aktionsplan für erschwingliche Energie (COM/2025/79). Kern des Aktionsplans ist der Aufbau einer echten Energieunion, die für Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit, Dekarbonisierung und eine gerechte Energiewende sorgen soll. Mit der Neugestaltung des EU-Energiemarktes sollen die Vorteile sauberer und kostengünstiger Energie für alle Stromverbrauchenden zugänglich sein.

Maßgebliches Regelwerk für die Umgestaltung des EU-Energiemarktes bilden die Richtlinie (EU) 2019/944 in der Fassung der Richtlinie (EU) 2024/1711 (Elektrizitätsbinnenmarkt-RL), mit der die bisherige Richtlinie 2009/72/EG betreffend den Elektrizitätsbinnenmarkt neu gefasst wurde, und die Verordnung (EU) 2019/943 in der Fassung der Verordnung (EU) 2024/1747 (Elektrizitätsbinnenmarkt-VO), eine Neufassung der Verordnung (EG) 714/2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel.

Ziel der neuen Vorschriften ist es, die Marktregeln an diese Gegebenheiten anzupassen und so – durch die Herstellung der Kohärenz mit dem Fördersystem des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG) – zur Erreichung der europäischen und nationalen Energie- und Klimaziele, insbesondere dem Ziel, den Gesamtstromverbrauch ab dem Jahr 2030 zu 100% national bilanziell aus erneuerbaren Energiequellen zu decken, beizutragen.

In Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/944 werden die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher gestärkt und ihre aktive Teilnahme am Energiemarkt gefördert. Die bereits im Zuge des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespaketes geschaffene Möglichkeit, Energie in Energiegemeinschaften dezentral zu erzeugen, diese zu verbrauchen oder zu verkaufen, wird durch die Einführung des „aktiven Kunden“ erweitert, der zudem über die gemeinsame Energienutzung erzeugten Strom aus erneuerbaren Quellen mit anderen aktiven Kunden teilen kann. Auch Lieferverträge mit dynamischen Energiepreisen sollen die aktive Teilnahme am Strommarkt fördern, indem der Verbrauch an Marktsignale angepasst werden kann. All diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen an der Energiewende teilhaben und sie von den damit verbundenen Vorteilen profitieren zu lassen. Für aktive Kunden verringert sich die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und Energielieferungen, deren Preise von den Preisbildungsmechanismen der Großhandelsmärkte abhängen. Stromverbrauchende haben dabei weder Einfluss auf die Preisbildung noch sind sie – wie die Energiekrise gezeigt hat – ausreichend vor Preisausschlägen auf Energiemärkten geschützt. Die Möglichkeit, Strom mit eigenen Erzeugungsanlagen (gemeinsam) zu produzieren, zu speichern, zu verkaufen oder zu verbrauchen, oder die Möglichkeit der Flexibilisierung und Aggregierung der Erzeugung und des Verbrauchs, kann die Stromrechnung spürbar reduzieren.

Für besonders Schutzbedürftige sind eigene Maßnahmen vorgesehen, dazu zählen bspw. das Recht auf einen Vorauszahlungszähler, das Recht auf Ratenzahlung oder die Bestimmungen betreffend die Versorgung begünstigter Haushalte („Sozialtarif“).

Darüber hinaus sollen die neuen Bestimmungen in Umsetzung der Verordnung (EU) 2019/941 über die Risikovorsorge im Elektrizitätssektor auch zukünftig eine sichere und zuverlässige Versorgung mit Elektrizität gewährleisten.

Die neuen Vorschriften enthalten weiters Nachschärfungen bei Verfolgung, Verjährung und Zuständigkeit in Angelegenheiten der Verordnung (EU) 1227/2011 über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarktes (REMIT), um die vollständige Umsetzung der Verordnung in ihrer geänderten Fassung, Verordnung (EU) 2024/1106, sicherzustellen.

Durch die Schaffung der Grundlagen für die statistische Erfassung und Beobachtung von Energiearmut im Energiearmuts-Definition-Gesetz (EnDG) soll die Anzahl von Haushalten, die von Energiearmut betroffen sind (energiearme Haushalte), geschätzt werden können.

Die Novelle des Energie-Control-Gesetzes (E-ControlG) dient im Wesentlichen der Anpassung der Organzuständigkeiten, Verweise und der Terminologie an die neuen Vorschriften.

Eckpunkte und Inhalt

Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespaket wurden bereits Teile der Richtlinie (EU) 2019/944 umgesetzt. Das vorliegende Gesetzespaket enthält jene legistischen Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Richtlinie (EU) 2019/944 in der überarbeiteten Fassung Richtlinie (EU) 2024/1711 vollständig umzusetzen und das nationale Elektrizitätsrecht an die unionsrechtlichen Entwicklungen anzupassen. Darüber hinaus sollen bestehende rechtliche Unklarheiten beseitigt werden und harmonisierte Regelungen durch die weitestgehende Vermeidung der doppelstöckigen Umsetzung über Grundsatz- und Ausführungsgesetze geschaffen werden.

Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG)

1.     Festlegung von Regelzone, Regelblock und Regelzonenführer in Durchführung der Verordnung (EU) 2017/1485, in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) 2021/280 (System Operation Guideline – SO GL)

2.     Rechte von Endkundinnen und Endkunden

                a. Umfassende Informations- und Mitteilungspflichten;

                b. Recht auf Lieferverträge mit dynamischen und festen Energiepreisen (Umsetzung von Art. 11 der Richtlinie (EU) 2019/944);

                c. Recht auf Aggregierungsvertrag (Umsetzung von Art. 13 der Richtlinie (EU) 2019/944);

                d. Recht auf Nutzung eines Vorauszahlungszählers;

                e. Recht auf gutes Kundenservice und ordentliches Beschwerdemanagement (Umsetzung von Art. 10 Abs. 9 der Richtlinie (EU) 2019/944);

                f. Vergleichsinstrumente für die Lieferung und Abnahme von Strom („Tarifkalkulator“) (Umsetzung von Art. 14 der Richtlinie (EU) 2019/944);

                g. Risikomanagement des Lieferanten („Hedging“) (Umsetzung von Art. 18a der Richtlinie (EU) 2019/944);

3.     Intelligente Messgeräte („Smart Meter“)

                a. Recht auf (vorzeitige) Ausstattung mit einem intelligenten Messgerät;

                b. Verkürzung der Installations- und Aktivierungsfrist;

                c. Viertelstundenauslesung als Standardeinstellung mit grundsätzlicher Möglichkeit des Opt-Outs für Speicherung und Übertragung von Viertelstundenwerten und Tageswerten;

4.     Dezentrale Versorgung

                a. Eigenversorgung und aktiver Kunde: Erzeugung, Verbrauch, Speicherung und Verkauf von Energie aus erneuerbaren Quellen sowie Teilnahme an Flexibilitätsdienstleistungen (gemeinsame Umsetzung von Art. 15 der Richtlinie (EU) 2019/944 und Art. 21 der Richtlinie (EU) 2018/2001);

                b. Last- und Einspeisesteuerung durch Aggregierung;

                c. Erweiterung des Anwendungsbereiches von Direktleitungen;

5.     Bürgerenergie/gemeinsame Energienutzung

                a. Einführung von Bestimmungen zur gemeinsamen Energienutzung, welche den Austausch von Strommengen innerhalb sämtlicher Bürgerenergieformen regeln;

                b. Peer-to-Peer Verträge: Verträge zwischen aktiven Kunden über die gemeinsame Nutzung von erzeugtem Strom aus erneuerbaren Quellen;

                c. Ergänzung von gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen um die Möglichkeit der Speicherung von Energie;

6.     Vollständige Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/944 betreffend Energiespeicherung

7.     Netzbetrieb

                a. systematische Trennung von Netzanschluss und ‑zugang;

                b. Umsetzung neuer Aufgaben der Verteilernetzbetreiber;

                c. Konsolidierung und Aktualisierung der Pflichtenkataloge der Netzbetreiber (z. B. in Bezug auf Datenverwaltung, Digitalisierung, Abrechnungspunkte und Messkonzepte);

                d. Ansteuerbarkeit neuer Stromerzeugungsanlagen;

                e. Spitzenkappung bei neuen/geänderten Wind- oder Photovoltaikanlagen (Umsetzung von Art. 6a der Richtlinie (EU) 2019/944);

                f. Möglichkeit des flexiblen Netzzugangs (Umsetzung von Art. 6a der Richtlinie (EU) 2019/944);

                g. Geschlossene Verteilernetze (Umsetzung von Art. 38 der Richtlinie (EU) 2019/944);

8.     Systemnutzungsentgelte

                a. Festlegung von Grundsätzen und Aufwertung der Rolle der Regulierungsbehörde in Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH;

                b. Zusammenführung des Netzzutrittsentgelts und des Netzbereitstellungsentgelts als Netzanschlussentgelt; Aufgehen des bisherigen Systemdienstleistungsentgelts im Regelleistungsentgelt;

9.     Sicherheit und Zuverlässigkeit der Versorgung

                a. Marktgestützte Beschaffung von Flexibilitätsleistungen im Verteilernetz (Umsetzung von Art. 32 Abs. 1 und 2 der Richtlinie (EU) 2019/944);

                b. Beschaffung nicht frequenzgebundener Systemdienstleistungen (Umsetzung von Art. 31 Abs. 7 und Art. 40 Abs. 5 und 6 der Richtlinie (EU) 2019/944);

                c. Weiterentwicklung der Netzreserve;

                d. Anpassung der Beschaffung von Regelreserve an die Verordnung (EU) 2017/2195;

                e. Abschätzung der Angemessenheit der Ressourcen auf nationaler Ebene (Durchführung von Art. 24 der Verordnung (EU) 2019/943);

10.   Nachschärfungen bei Verfolgung, Verjährung und Zuständigkeit in Angelegenheiten betreffend die Verordnung (EU) 1227/2011 über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarktes (REMIT).

Energiearmuts-Definitions-Gesetz (EnDG)

1.     Verankerung einer Definition von Energiearmut für die statistische Erfassung;

2.     Festlegung von Indikatoren, die für die statistische Erfassung und Messung von Energiearmut heranzuziehen sind;

3.     Festlegung von Zielgruppen (unterstützungswürdige Haushalte) für

                a. Maßnahmen zur Bekämpfung von Energiearmut und

                b. Förderungen im Bereich klimarelevanter Investitionen;

4.     Regelung der Zuständigkeit und des Verfahrens zur Feststellung der Unterstützungswürdigkeit.

Energie-Control-Gesetz (E-ControlG)

1.     Anpassung von Organzuständigkeiten, Verweisen und Terminologie an das Elektrizitätswirtschaftsgesetz;

2.     Klarstellung, dass auch die Regulierungsbehörde zur Amtshilfe verpflichtet ist;

3.     Detaillierung der Verfahrensregeln durch Verpflichtung

                a. zur Erlassung von Bescheiden unter Auflagen, Bedingungen oder Befristungen, sofern für die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben erforderlich sowie

                b. zur Durchführung von öffentlichen Begutachtungsverfahren vor Erlassung von Verordnungen.

 

Der Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 9. Dezember 2025 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneter Tanja Graf die Abgeordneten Alois Schroll, Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Mag. Lukas Hammer und MMMag. Dr. Axel Kassegger.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, N, dagegen: F, G) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (312 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2025 12 09

                                     Tanja Graf                                                              Mag. (FH) Kurt Egger

                                  Berichterstattung                                                                          Obmann