47 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVIII. GP
Bericht
des Verfassungsausschusses
über den Antrag 74/A der Abgeordneten Mag. (FH) Kurt Egger, Philip Kucher, Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz geändert wird
Die Abgeordneten Mag. (FH) Kurt Egger, Philip Kucher, Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 26. Februar 2025 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Die Änderung dient der Beseitigung eines Redaktionsversehens.“
Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 25. März 2025 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneter Klaus Seltenheim die Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Sigrid Maurer, BA, Henrike Brandstötter, Mario Lindner, Mag. (FH) Kurt Egger, MMag. Dr. Michael Schilchegger, Mag. Gernot Darmann und MMag. Dr. Susanne Raab sowie der Vizekanzler und Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Andreas Babler, MSc.
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. (FH) Kurt Egger, Klaus Seltenheim und Henrike Brandstötter einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:
„Hauptgesichtspunkte:
Das Erkenntnis des VfGH vom 5. Oktober 2023, G 215/2022, löst einerseits einen Regelungsbedarf im Hinblick auf die Bestellungsrechte der Mitglieder des Stiftungsrates aus. Es darf nämlich kein ‚Übergewicht‘ bei der Bestellung durch die Bundesregierung im Vergleich zu der für die Vielfalt besonders relevante Gruppe der vom Publikumsrat zu bestellenden Mitglieder des Stiftungsrats bestehen.
Andererseits sind die Anforderungen an die Qualifikation der zu bestellenden Mitglieder des Stiftungsrates neu zu gestalten: Die Bestellungsentscheidung des staatlichen Organs muss durch Anforderungen an die Qualifikation der zu bestellenden Mitglieder gesetzlich gebunden werden und darf nicht in das Belieben des staatlichen Organs gestellt sein.
Beim Publikumsrat bezieht sich der VfGH zunächst auf
das verfassungsrechtlich normierte Gebot der Unabhängigkeit und
pluralistischen Zusammensetzung des Publikumsrats. Der VfGH verlangt, die
Regelung so auszutarieren, dass die unmittelbar von repräsentativen
Einrichtungen bestellten Mitglieder zumindest im selben Ausmaß im
Publikumsrat vertreten sind wie die vom Bundeskanzler (künftig von der
Bundesregierung) in Auswahl aus Vorschlägen bestellten Mitglieder. Es wird
weiters auch genau zu regeln sein, wie bei der Auswahl vorzugehen ist. Dies
beginnt mit der ‚Repräsentativität‘ der den Vorschlag
einbringenden Institutionen als Basis für die Auswahlentscheidung und
setzt sich beim einzuhaltenden Verfahren fort und zwar insbesondere, wenn es um
die Kriterien der Auswahl aus den eingelangten Vorschlägen geht.
Zu §§ 20 Abs. 1 bis 1c und Abs. 4, 28 Abs. 3 bis 10 und 30 Abs. 1a:
Mit Erkenntnis vom 5. Oktober 2023, G 215/2022, hat der Verfassungsgerichtshof mit Wirkung zum Ablauf des 31. März 2025 im Zusammenhang mit dem Stiftungsrat folgende Gesetzesbestimmungen aufgehoben:
- die Bestellung von neun Mitgliedern des Stiftungsrates durch die Bundesregierung (§ 20 Abs. 1 Z 3 ORF-G),
- die Bestellung von sechs Mitgliedern des Stiftungsrates durch den Publikumsrat (§ 20 Abs. 1 Z 4 ORF-G; § 30 Abs. 1 Z 2 ORF G),
- das Erfordernis, dass die Mitglieder des Stiftungsrates (abgesehen von den durch den Zentralbetriebsrat bestellten) über Kenntnisse des Medienmarktes verfügen oder sich auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit in bestimmten Bereichen hohes Ansehen erworben haben (§ 20 Abs. 1 ORF-G) sowie
- die vorzeitige Abberufung von Mitgliedern des Stiftungsrates (§ 20 Abs. 4 zweiter Satz ORF-G).
Im Zusammenhang mit dem Publikumsrat wurden folgende Gesetzesbestimmungen aufgehoben:
- die Bestimmungen zur Bestellung der Mitglieder des Publikumsrates durch den Bundeskanzler (§ 28 Abs. 4, 5 und Abs. 6 erster Satz ORF-G) sowie
- die derartige Bestellung bei vorzeitigem Ausscheiden eines Mitgliedes (§ 29 Abs. 6 zweiter bis vierter Satz ORF G).
Keiner (differenzierenden, vgl. Rz. 89 des Erkenntnisses) Neuregelung bedarf die Aufhebung der Bestimmung zur Möglichkeit der vorzeitigen Abberufung der von der Bundesregierung, einem Land, dem Publikums- oder Zentralbetriebsrat bestellten Mitglieder, wenn die bestellenden staatlichen Organe ihrerseits neu bestellt worden sind oder die entsendungsberechtigten Organe bzw. Einrichtungen des ORF sich neu konstituiert haben. Abgesehen von den sonstigen Gründen eines vorzeitigen Ausscheidens (z.B. Tod, s. § 20 Abs. 4 ORF-G) wären die betroffenen Mitglieder bis zum Ende der Funktionsperiode Mitglied des Stiftungsrates.
Regelungsbedarf besteht aber einerseits im Hinblick auf die Bestellungsrechte der Mitglieder des Stiftungsrates: Durch eine Mehrzahl bestellender Organe und die Verteilung der Zahl der von diesen zu bestellenden Mitgliedern werden verschiedene Sichtweisen in der Entscheidungsfindung des Gremiums berücksichtigt, um zu verhindern, dass aufgabenfremde Interessen die Entscheidungsfindung dominieren (Rz. 68). Die bisher neun durch die Bundesregierung zu bestellenden Mitglieder stellen nach Auffassung des VfGH im Verhältnis – mit Blick auf das grundsätzliche Erfordernis der einfachen Mehrheit – eine relativ große Gruppe dar (Rz. 75). Konkret kam bisher der Bundesregierung ein ‚deutliches Übergewicht‘ im Vergleich zu der, für die Vielfalt besonders relevante Gruppe der vom Publikumsrat zu bestellenden Mitglieder des Stiftungsrats zu (Rz. 76). Der vorliegende Vorschlag sieht daher in § 20 Abs. 1 Z 3 vor, die von der Bundesregierung zu bestellenden Mitglieder auf sechs zu reduzieren und regelt in § 20 Abs. 1 Z 4 (neu), dass im Sinne dieser vom VfGH hervorgehobenen besonderen Relevanz die Zahl der vom Publikumsrat zu bestellenden Mitglieder von sechs auf neun erhöht wird, um das beanstandete Übergewicht zu beseitigen.
Andererseits besteht Regelungsbedarf im Hinblick auf die Anforderungen an die Qualifikation der zu bestellenden Mitglieder des Stiftungsrates: Die Bestellungsentscheidung des staatlichen Organs muss durch Anforderungen an die Qualifikation der zu bestellenden Mitglieder gesetzlich gebunden und darf nicht in das Belieben des staatlichen Organs gestellt sein (Rz. 67 des Erkenntnisses). Unterschiedliche fachliche Anforderungen in Bezug auf die Aufgaben des Stiftungsrates sichern eine aufgabenadäquate Entscheidungsfindung (Rz. 68, 93). Der VfGH fordert bereits mit Blick auf die beurteilte Rechtslage nähere Bestimmungen, ob und wie sich die unterschiedlichen, allgemeinen persönlichen und fachlichen Anforderungen auf die von der Bundesregierung (alleine) zu bestellenden Mitglieder verteilen. Dies gilt auch für die vom Publikumsrat zu bestellenden Mitglieder des Stiftungsrates. Die vorgeschlagenen Regelungen insbesondere in den neuen Abs. 1b und 1c in § 20 bezwecken, den diesbezüglichen Bestellungsvorgang der Bundesregierung eingehender zu determinieren und sehen daher vor, dass angesichts der die Stiftungsratsmitglieder treffenden hohen Verantwortung (vgl. § 20 Abs. 2 ORF-G hinsichtlich des Sorgfaltsmaßstabs und der Verantwortlichkeit wie Aufsichtsratsmitglieder, siehe etwa im Detail den Beschluss des OGH vom 15.9.2020, 6 Ob 58/20b) mit den bestellten Expertinnen und Experten bestimmte, im Gesetz vorgegebene und für das Tätigkeitsfeld des ORF zentrale Bereiche abgedeckt werden und die Bundesregierung in einer Gesamtbetrachtung der bestellten Mitglieder auf eine ausgewogene Abdeckung unterschiedlicher für die Tätigkeit im Stiftungsrat relevanter Berufsfelder zu achten hat. Die Regelung in § 20 Abs. 1c des Gesetzesvorschlags legt nicht fest, dass für jeden darin genannten Bereich zwingend eine Person zu bestellen ist, sondern ermöglicht es auch, dass z.B. zwei der genannten Bereiche durch ein und dieselbe Person abgedeckt werden, wenn diese die entsprechende Expertise in beiden Feldern einzubringen vermag. Die Bestimmung ist hinsichtlich der Aufzählung der Bereiche auch nicht abschließend, sondern räumt im Sinne der zuvor angesprochenen Verantwortung und Sorgfaltspflicht für die Bundesregierung die Möglichkeit ein, weitere für den ‚Aufsichtsrat‘ über den ORF bedeutende Gebiete zu berücksichtigen. Die Regelungen in § 20 Abs. 1c dienen der Transparentmachung im Sinne einer öffentlichen Bekanntmachung über die Einleitung des Verfahrens zu einer allgemeinen ‚Personal‘-Suche und der Verstärkung der Begründungspflicht und der Transparenz durch eine explizite Veröffentlichungspflicht.
Der VfGH hat sich beim Publikumsrat auf Grund der vorgebrachten Bedenken der Landesregierung nur auf die Beurteilung der Befugnisse des Bundeskanzlers bei der Bestellung von Mitgliedern des Publikumsrates beschränkt und bezieht sich in seinem Erkenntnis auf zwei wesentliche Punkte: Zum einen verstößt es gegen die verfassungsrechtlichen Gebote der Unabhängigkeit und pluralistischen Zusammensetzung des Publikumsrats, ‚wenn die Medienministerin mehr Mitglieder bestellen kann als die anderen Stellen‘ (vgl die Pressemitteilung des VfGH unter https://www.vfgh.gv.at/medien/ORF_Gesetz_Gremien.php). Der vorliegende Vorschlag stellt daher – wie in § 28 Abs. 3 und 4 ersichtlich – ein Gleichgewicht zwischen den direkt von bestimmten Institutionen bestellten Mitgliedern und den künftig von der Bundesregierung bestellten Mitgliedern her. Der VfGH verlangt nämlich, die Regelung so auszutarieren, dass die unmittelbar von repräsentativen Einrichtungen bestellten Mitglieder zumindest im selben Ausmaß im Publikumsrat vertreten sind wie die bisher vom Bundeskanzler in Auswahl aus Vorschlägen bestellten Mitglieder. Die geänderte Bestimmung dient der Herstellung dieses Gleichgewichts, indem dem Publikumsrat zukünftig 14 ‚direkt‘ nach § 28 Abs. 3 ORF‑G bestellte Mitglieder und 14 (nunmehr) durch die Bundesregierung gemäß § 28 Abs. 4 leg.cit. bestellte Mitglieder angehören.
Die durch das VfGH-Erkenntnis notwendig gewordene Neufassung wird auch zum Anlass genommen, die Liste der direkt bestellenden Einrichtungen in § 28 Abs. 3 Z 1 zu ergänzen.
Die Regelungen in § 28 Abs. 4 bis 10 tragen der im Erkenntnis zum Ausdruck kommenden Wertung des VfGH Rechnung, dass es gegen das Unabhängigkeits- und Pluralismusgebot verstößt, dass das ORF-G nicht genau genug regelt, wie viele Mitglieder der einzelnen Gruppen bzw. Bereiche zu bestellen sind und welche Vorschläge von welchen Organisationen bzw. Einrichtungen berücksichtigt werden. In dem vom VfGH verlangten Sinn wird daher genau geregelt, wie bei der Auswahl vorzugehen ist. Dies beginnt schon bei der Frage der Repräsentativität, die von den den Vorschlag einbringenden Institutionen darzulegen ist (vgl. Abs. 5), um Grundlage für die Auswahlentscheidung zu sein. Diese Auswahlentscheidung soll wie bereits erwähnt künftig ebenfalls von der Bundesregierung getroffen werden und nicht mehr allein vom nach dem Bundesministeriengesetz für Medien zuständigen Mitglied der Bundesregierung. Explizit normiert wird auch das Erfordernis von Dreiervorschlägen, wobei die geltenden Regelungen um einen Mechanismus ergänzt werden, wie vorzugehen ist, wenn von einer tatsächlich repräsentativen Einrichtung ein Vorschlag mit weniger als drei Personen erstattet wird (vgl. Abs. 6). Geregelt wird auch das einzuhaltende Verfahren, wenn für einen bestimmten Bereich gar kein Vorschlag einer repräsentativen Einrichtung bzw. Organisation eingereicht wird (Abs. 7). Abs. 8 bestimmt näher, nach welchen schrittweise zur Anwendung gelangenden Auswahlkriterien unter den denselben Bereich betreffenden eingelangten Vorschlägen tatsächlich repräsentativer Einrichtungen vorzugehen ist.
Die Änderung in § 29 Abs. 6 dient der Angleichung an das nunmehr vorgesehene System auch bei vor Ablauf der Funktionsperiode ausscheidenden Mitgliedern.
Die Ergänzung in § 30 Abs. 1 dient der Einfügung der Aufgabe der Bestellung von neun Mitgliedern. Der Hinzufügung von Abs. 1a liegen die schon oben beim Stiftungsrat dargestellten Überlegungen zur Verstärkung der Qualifikationserfordernisse für die Mitgliedschaft in den Gremien des ORF zugrunde.
Zu § 30j:
Die Änderung beseitigt einen sinnstörenden Redaktionsfehler.
Zu § 31:
Die Änderung dient der Umsetzung eines der den ORF betreffenden Punkte des Regierungsprogramms, demzufolge der ORF-Beitrag bis 2029 nicht erhöht werden darf.
Zu § 45:
Die Bestimmung enthält die für die Sicherstellung eines geordneten Übergangs der Tätigkeit der beiden Kollegialorgane erforderlichen Regelungen und orientiert sich an den bereits beim durch die Novelle BGBl. I Nr. 83/2001 bewirkten Übergang zugrunde gelegten Anordnungen. Dies beiden Maßgaben in Abs. 10 und 11 sollen der Tatsache Rechnung tragen, dass es im Sinne des Regierungsprogramms 2025 – 2029 darum geht, das in der Einleitung dargestellte VfGH-Erkenntnis fristgerecht umzusetzen und im Sinne der Sicherung der Unabhängigkeit des ORF möglichst rasch neue Kollegialorgane auf der Grundlage der nach den Vorgaben des VfGH gestalteten neuen Bestimmungen zu bestellen.“
Ein im Zuge der Debatte von der Abgeordneten Sigrid Maurer, BA eingebrachter Antrag, die Verhandlungen zu vertagen, blieb in der Minderheit (dafür: F, G; dagegen: V, S, N).
Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf in der Fassung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. (FH) Kurt Egger, Klaus Seltenheim und Henrike Brandstötter mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, N, dagegen: F, G) beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2025 03 25
Klaus Seltenheim Mag. Muna Duzdar
Berichterstattung Obfrau