72 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVIII. GP
Bericht
des Bildungsausschusses
über den Antrag 64/A(E) der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Deutsch vor Schuleintritt
Die Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 26. Februar 2025 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Aktuellen Medienberichten zufolge fehlen in der Bundeshauptstadt Wien jedem fünften Volksschüler die nötigen Deutschkenntnisse, um dem Unterricht zu folgen. Unter den Erstklässlern sprechen sogar 44,6 Prozent die deutsche Sprache nicht, davon sind jedoch bereits 61 Prozent in Österreich geboren. (Vgl. John, G. (2024, 24. November): Schlechtes Deutsch und andere Defizite: Das Scheitern beginnt nicht erst an der Schule, In: Der Standard, URL: https://www.derstandard.at/story/3000000246167/schlechtes-deutsch-und-andere-defizite-das-scheitern-beginnt-nicht-erst-an-der-schule (aufgerufen am 18.2.2025)). Ohne Kenntnisse der deutschen Sprache können jedoch weder die Bildungsziele erreicht werden, noch kann erfolgreiche Integration gelingen.
Im Nationalen Bildungsbericht wird ebenso als wesentlicher Faktor für den Bildungserfolg das ausreichende Verstehen der Unterrichtssprache betrachtet, die mit wenigen Ausnahmen Deutsch ist. (Vgl. Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) (Hrsg.): Nationaler Bildungsbericht Österreich 2024, S. 195.). Weiters heißt es dort:
Österreichweit haben 2022/23 unter den Schülerinnen und Schülern der Primarstufe 66% ausschließlich Deutsch, 7% Deutsch und eine oder mehrere andere Alltagssprache(n) und mit 28% mehr als ein Viertel ausschließlich eine oder mehrere andere Alltagssprachen.
Der nicht deutschsprachige Anteil der Schülerinnen und Schüler variiert nach Bundesland bzw. Urbanität. Während dieser in dünn besiedelten Gemeinden mit 9% eher gering ist, ist er in dicht besiedelten mit 53 % mehr als fünfmal so hoch. Wien übertrifft diesen Wert noch um weitere sechs Prozentpunkte, während Kärnten mit 10 % den kleinsten Anteilswert aufweist. […]
Eine starke Verdichtung von Merkmalen (nichtdeutsche Alltagssprache, niedriger Berufsstatus und niedrige formale Bildung der Eltern), die mit Risiken für den Bildungserfolg verbunden sind, existiert bei Kindern mit Migrationshintergrund. (Ebd., S.195f.)
Im Interesse der Gesellschaft und des Bildungserfolges unserer Schüler bedarf es nun der Umsetzung einiger Maßnahmen, die sowohl im FPÖ- als auch im ÖVP-Wahlprogramm gefordert und im Rahmen der im Jänner und Februar 2025 stattgefundenen Koalitionsverhandlungen von FPÖ und ÖVP auch detaillierter ausgearbeitet wurden:
Maßnahmenpaket „Deutsch vor Schuleintritt“
1. Sprachstandserhebungen vor Schuleintritt: Standardisierte und harmonisierte Sprachstanderhebungen sollen bereits zwei Jahre vor Schuleintritt im Kindergarten verpflichtend durchgeführt werden.
2. Festlegung sprachlicher Standards in der Schulreifeverordnung: Es sollen Definitionen genauer sprachlicher Standards in der Schulreifeverordnung implementiert werden, um anhand dieser einen Kriterienkatalog für die Schulreife zu erstellen.
3. Verpflichtende Vorschulklasse: Bei einem nicht ausreichenden deutschen Sprachniveau ist der Besuch einer Vorschulklasse zur gezielten Förderung der Deutschkenntnisse verpflichtend, bevor der Eintritt in den Regelschulbetrieb erfolgen kann.
4. Implementierung von Orientierungsklassen: Für unterjährig neu eintretende Schüler, die keine oder nur geringe Deutschkenntnisse aufweisen, sollen sogenannte Orientierungsklassen eröffnet werden, welche ebenso gezielte Sprachförderung anbieten.
5. Gezielte Förderung der Sprache: Deutschförderangebote sollen im Pflichtschulbereich verstärkt ausgebaut werden.
6. Ausweitung der Sommerschule: Für Schüler mit Deutschförderbedarf soll eine ausgeweitete Sommerschule verpflichtend werden.“
Der Bildungsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 10. April 2025 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter für den Ausschuss Abgeordneten Christoph Steiner die Abgeordneten Mag. Martina von Künsberg Sarre, Nico Marchetti, Paul Stich, Sigrid Maurer, BA, Ing. Manfred Hofinger, Silvia Kumpan-Takacs, MSc BA, Mag. Katayun Pracher-Hilander und Petra Tanzler sowie der Ausschussobmann Abgeordneter Hermann Brückl, MA.
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Martina von Künsberg Sarre, Nico Marchetti und Mag. Heinrich Himmer einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend „Deutschförderung in Schule und Kindergarten ausbauen“ eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (für den Antrag: V, S, N, G, dagegen: F) beschlossen wurde.
Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:
„Eine besondere Herausforderung für das österreichische Bildungssystem sind mittlerweile Kinder und Jugendliche mit mangelnden Deutschkenntnissen. Gerade Kinder aus anderen Kulturkreisen haben oft keine Vorerfahrungen mit beständigen Bildungssystemen. Neben dem Fehlen von Kenntnissen der deutschen Sprache und fehlenden sozialen Grundkompetenzen kommt in vielen Fällen ein gänzlicher oder teilweiser Analphabetismus dazu. Zusätzlich sind viele dieser Kinder (schwer) traumatisiert. Die Bundesregierung hat sich daher in ihrem Regierungsprogramm darauf verständigt, sogenannte Orientierungsklassen einzurichten. In den Orientierungsklassen werden quer einsteigende Schülerinnen und Schüler mit unzureichender Schulerfahrung und Sprachkenntnissen in einem bestimmten Zeitraum auf den Schulbesuch in Österreich vorbereitet, erste Sprachkenntnisse vermittelt und Wertevermittlung praktiziert. Auch die Arbeit mit Eltern und Erziehungsberechtigten wird über Orientierungsklassen forciert, sodass diese u.a. über bestehende Regeln in unserer Gesellschaft und ihre Pflichten im schulischen Kontext informiert werden sowie Informationen über das österreichische (Schul-)system erhalten. Diese Vorbereitung dient auch der Unterstützung der Schulen bei der Integration der neu aufzunehmenden Schülerinnen und Schüler.
Aufgrund der mangelhaften Deutschkenntnisse auch von Kindern mit österreichischer Staatsbürgerschaft soll die sprachliche Förderung bereits in der frühkindlichen Bildung weiter gestärkt werden. Daher soll bereits vor dem Schuleintritt die Sprachkompetenz erhoben werden, um gegebenenfalls zusätzliche Fördermaßnahmen zu ergreifen. Auch die Deutschförderklassen werden weiter ausgebaut und im Rahmen der Schulautonomie weiterentwickelt. Für Kinder mit Sprach-Förderbedarf werden die Sommerschulen ausgebaut bzw. ist eine verpflichtende Teilnahme für diese vorgesehen. Um ausreichende Deutschkenntnisse als gemeinsame Basis jeglichen Unterrichts verbindlich für alle Kinder sicherzustellen, benötigt es dementsprechend ein gemeinschaftliches Bemühen zur Umsetzung dieser Maßnahmen.“
Der den Verhandlungen zu Grunde liegende Entschließungsantrag 64/A(E) der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: F, dagegen: V, S, N, G).
Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Martina von Künsberg Sarre gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Bildungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle
1. diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrags 64/A(E) zur Kenntnis nehmen und
2. die angeschlossene Entschließung annehmen.
Wien, 2025 04 10
Mag. Martina von Künsberg Sarre Hermann Brückl, MA
Berichterstattung Obmann