83 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVIII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den gemeinsamen Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Europa, Integration und Familie betreffend EU-Jahresvorschau 2025 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-156 der Beilagen)

Gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG in Verbindung mit § 7 EU-Info-G berichtet jede Bundesministerin und jeder Bundesminister dem Nationalrat und dem Bundesrat zu Beginn jeden Jahres über die in diesem Jahr zu erwartenden Vorhaben des Rates und der Europäischen Kommission sowie über die voraussichtliche österreichische Position zu diesen Vorhaben. Dementsprechend findet sich nachstehend eine Darstellung der im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2025 und im aktuellen 18-Monatsprogramm des Rates behandelten Themen, die in den Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes fallen. Der vorliegende Bericht ist ein gemeinsamer Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Europa, Integration und Familie im Bundeskanzleramt.

Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2025

Die Europäische Kommission legt jedes Jahr ein Arbeitsprogramm vor, in dem sie ihre wesentlichen Ziele festlegt. Das Arbeitsprogramm stellt die wichtigsten neuen Vorhaben der Europäischen Kommission im Rahmen der 7 übergreifenden Ziele vor, die die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, in den politischen Leitlinien für das gesamte fünfjährige Mandat der aktuellen Europäischen Kommission von 2024 bis 2029 festgelegt hat.[1]

Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2025 steht unter dem Motto „Moving forward together: A Bolder, Simpler, Faster Union“.[2] Es ist das erste Programm in der aktuellen Amtszeit der Europäischen Kommission. Angekündigt werden insgesamt 51 neue Initiativen entlang der in den politischen Leitlinien definierten 7 übergreifenden Ziele.

Im Mittelpunkt des Arbeitsprogramms stehen die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sowie der Sicherheit und Verteidigung der EU. Initiativen umfassen unter anderem den sogenannten „Competitiveness Compass“, eine horizontale Binnenmarktstrategie, den „Clean Industrial Deal“, einen Aktionsplan für leistbare Energie, einen Fahrplan zur Beendigung von Energieimporten aus Russland, ein Weißbuch zur Zukunft der europäischen Verteidigung, einen neuen gemeinsamen Ansatz für Rückkehr, eine Strategie zur Krisenvorsorge, eine

Strategie für innere Sicherheit, Digitalisierungsvorhaben sowie eine europäische Migrations- und Asylstrategie. Darüber hinaus beinhalten die Prioritäten für 2025 unter anderem weitere Maßnahmen in den Bereichen Klima und Umwelt, Soziales, Landwirtschaft und Ernährung und Schutz der Demokratie und Werte der EU sowie die Vorbereitung allfälliger zukünftiger EU-Erweiterungen. Außerdem wird die Europäische Kommission Mitte 2025 ihren Vorschlag für einen neuen Mehrjährigen Finanzrahmen nach 2027 vorlegen, auf dessen Basis die Verhandlungen dazu starten.

Ein großer Fokus soll zudem auf Vereinfachungen und bessere Rechtssetzung gelegt werden. Dazu nahm die Europäische Kommission parallel zu ihrem Arbeitsprogramm am 11. Februar 2025 eine Mitteilung zur Umsetzung und Vereinfachung für 2024–2029 unter dem Titel „A simpler and faster Europe“ an und kündigte Initiativen für Vereinfachungen in unterschiedlichen Bereichen an.

Neben diesen Vorhaben enthält das Arbeitsprogramm auch Vorschläge und Initiativen für Evaluierungen und Fitnesschecks, laufende prioritäre Dossiers, geplante Rücknahmen anhängiger Legislativvorschläge sowie geplante Aufhebungen bestehender Legislativakten. Die Details dazu sind den Anhängen zum Arbeitsprogramm zu entnehmen:

• Anhang I: Neue Initiativen (51 Vorschläge);

• Anhang II: Vorschläge für Evaluierungen und Fitnesschecks (37 Vorschläge);

• Anhang III: Laufende prioritäre Dossiers (123 prioritäre, noch im Legislativprozess befindliche                Vorschläge);

• Anhang IV: Rücknahmen anhängiger Legislativvorschläge (37 geplante Rücknahme);

• Anhang V: Aufhebung bestehender Legislativvorschläge (4 geplante Aufhebungen).

18-Monatsprogramm des Rates (Jänner 2025 bis Juni 2026)

Seit dem Vertrag von Lissabon (2009) arbeiten jeweils 3 aufeinanderfolgende Ratsvorsitze (sogenannte „Trio-Präsidentschaft“) ein 18-Monatsprogramm des Rates aus, in dem sie ihre Schwerpunkte festlegen. Das für den Zeitraum von Jänner 2025 bis Juni 2026 gültige 18-Monatsprogramm wurde von der Trio-Präsidentschaft Polen (Jänner bis Juni 2025), Dänemark (Juli bis Dezember 2025) und Zypern (Jänner bis Juni 2026) gemeinsam mit der Hohen Vertreterin der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, Kaja Kallas, die den Vorsitz im Rat Auswärtige Angelegenheiten führt, ausgearbeitet.[3]

Die Grundlage des 18-Monatsprogramms des Rates bilden die in der Strategischen Agenda 2024–2029 festgelegten Prioritäten. Zentrale Elemente des Programms sind die Stärkung der EU als globaler Akteur, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität der EU sowie die Förderung und der Schutz der Grundwerte der EU. Die angestrebten Handlungsprioritäten des Trioprogramms werden unter den 3 Säulen der Strategischen Agenda 2024–2029 zusammengefasst:

1. Ein starkes und sicheres Europa: Vor dem Hintergrund der globalen Spannungen soll die EU ihre Rolle als globaler Akteur behaupten und dabei ein regelbasiertes multilaterales System verteidigen. Internationale Zusammenarbeit und strategische Partnerschaften sollen gefördert und dadurch die offene strategische Autonomie, wirtschaftliche Sicherheit, Resilienz und technologische Führungsposition der EU sichergestellt werden. Im Handelsbereich werden eine ehrgeizige, offene, robuste und nachhaltige Handelspolitik verfolgt. Im Bereich Sicherheit und Verteidigung legt das Trio den Fokus auf den Schutz der Bevölkerung, einschließlich Bekämpfung von Terrorismus, gewalttätigem Extremismus, organisierter Kriminalität und Korruption. Zudem soll die Verteidigungsbereitschaft der EU unter anderem durch erhöhte Investitionen und den Ausbau der Produktionskapazitäten gestärkt werden. Bei Migration legt das Trio den Fokus auf die Bekämpfung von irregulärer Migration und ein gemeinsames Asyl- und Migrationssystem. Priorität sind zudem der Schutz und die Stärkung der EU-Außengrenzen, die Bekämpfung von Menschenhandel, Schleuserkriminalität und hybriden Bedrohungen, einschließlich der Instrumentalisierung von Migration, sowie ein funktionierender Schengen-Raum. Das Trio will die Dynamik der EU-Beitrittsverhandlungen nutzen. Verhandlungen sollen auf Grundlage des leistungsbasierten Ansatzes für alle Kandidatenländer sowie positiver und negativer Konditionalität vorangebracht werden. Das Trio werde außerdem Möglichkeiten für das Vorantreiben der graduellen Integration ausloten. Parallel dazu sollen die Arbeiten an EU-internen Reformen fortgesetzt werden.

2. Ein wohlhabendes und wettbewerbsfähiges Europa: Ziele des Trios sind die langfristige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität der EU, nachhaltiges und inklusives Wachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Entfaltung des vollen Potentials der europäischen Regionen sowie eine zukunftsfitte EU-Industriepolitik, unter anderem durch die Nutzung des grünen und digitalen Wandels. Der Binnenmarkt soll in allen Dimensionen vertieft und ein innovations- und unternehmensfreundliches Umfeld gefördert werden. Europa soll weltweit führend bei grünen und digitalen Industrien und Technologien werden. Der Übergang zur Klimaneutralität bis 2050 und Arbeiten in Hinblick auf das Klimaziel bis 2040 sollen bei gleichzeitiger Förderung von Fairness, Solidarität, Kosteneffizienz und Wettbewerbsfähigkeit vorangebracht werden. Auch die Souveränität der EU im Energiebereich soll erhöht werden. Eine wettbewerbsfähige, nachhaltige und resiliente Landwirtschafts-, Fischerei- und Aquakultursektoren soll unterstützt werden. Zudem soll weiter an der Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte unter Berücksichtigung nationaler Arbeitsmarktmodelle und Kompetenzen gearbeitet werden.

3. Ein freies und demokratisches Europa: Die Förderung und der Schutz der Grundwerte der Europäischen Union wie Menschenwürde und Menschenrechte einschließlich Minderheitenrechte, Freiheit, Demokratie, Gleichberechtigung und Rechtsstaatlichkeit werden als essenziell hervorgehoben. Prioritäten des Trios sind die Sicherstellung pluralistischer Medien, der Schutz der Freiheiten im Online-Bereich, die Erhöhung von Transparenz, der Kampf gegen Desinformation, ausländische Einflussnahme, Hassrede, geschlechtsspezifische Gewalt, Xenophobie und Diskriminierung auf Basis von Religion oder Glaube sowie die Erleichterung eines effizienten Zugangs zur Justiz als zentrales Element zur Stärkung der Freiheit und Demokratie.

Am 11. Dezember 2024 legte der polnische Ratsvorsitz, der den ersten Ratsvorsitz der aktuellen Trio-Präsidentschaft innehat, sein Vorsitzprogramm für das erste Halbjahr 2025 vor. Das erklärte Motto „Sicherheit, Europa!“ des polnischen Ratsvorsitzes zieht sich wie ein roter Faden durch alle Themenbereiche und Ratsformationen hindurch. Das Programm legt 7 prioritäre Handlungsfelder fest: (1) Verteidigung und Sicherheit; (2) Schutz der Bürgerinnen und Bürger und der Grenzen; (3) Widerstandsfähigkeit gegen ausländische Einflussnahme und Desinformation; (4) Sicherstellen von Sicherheit und Freiheit für Unternehmen; (5) Energiewende; (6) Wettbewerbsfähige und resiliente Landwirtschaft; (7) Gesundheitssicherheit. Die detaillierten Prioritäten des polnischen Ratsvorsitzes orientieren sich am 18-Monatsprogramm.

Am 18. März 2025 billigte der Rat in Umsetzung der bestehenden Praxis eine gemeinsame Erklärung der 3 Institutionen – Europäische Kommission, Europäisches Parlament und Rat – zu den legislativen Prioritäten für 2025, die auf dem Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2025 aufbaut,sowie gemeinsame Schlussfolgerungen dieser 3 Institutionen zu den politischen Zielen und Prioritäten für den Zeitraum 2025–2029, die sich unter anderem an der Strategischen Agenda 2024–2029 orientieren. Die gemeinsame Erklärung und die gemeinsamen Schlussfolgerungen werden nach Unterzeichnung durch die Präsidentinnen und Präsidenten der 3 Institutionen im Amtsblatt der EU veröffentlicht.

Basierend auf dem Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission und dem 18-Monatsprogramm des Rates werden die nachfolgend dargestellten Themen behandelt, für die der Bundeskanzler und die Bundesministerin für Europa, Integration und Familie im Bundeskanzleramt – teils gemeinsam mit anderen Ressorts – zuständig sind.

 

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 8. Mai 2025 in Verhandlung genommen.

Vor Schluss der Debatte beschloss der Ausschuss gemäß § 28b Abs. 4 des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates einstimmig den vorliegenden Bericht aus wichtigen Gründen nicht endzuerledigen.

An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneter Ing. Johann Weber die Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Süleyman Zorba und Dr. Markus Tschank sowie die Bundesministerin für Europa, Integration und Familie im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Muna Duzdar.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, N, G, dagegen: F) beschlossen, dem Nationalrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Carina Reiter gewählt.


 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle den gemeinsamen Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Europa, Integration und Familie betreffend EU-Jahresvorschau 2025 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-156 der Beilagen) zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2025 05 08

                                  Carina Reiter                                                              Mag. Muna Duzdar

                                  Berichterstattung                                                                           Obfrau

 



[1] Vorlage der politischen Leitlinien am 18. Juli 2024. Die 7 übergreifenden Ziele sind: 1) Ein neuer Plan für nachhaltigen Wohlstand und nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit in Europa; 2) Eine neue Ära für die europäische Verteidigung und Sicherheit; 3) Die Menschen unterstützen, unsere Gesellschaften und unser Sozialmodell stärken; 4) Unsere Lebensqualität erhalten: Ernährungssicherheit, Wasser und Natur; 5) Unsere Demokratie schützen und unsere Werte wahren; 6) Europa in der Welt: unseren Einfluss und unsere Partnerschaften nutzen; 7) Gemeinsam handeln und die Zukunft unserer Union vorbereiten 

[2] Annahme durch das Kollegium der Europäischen Kommission am 11. Februar 2025 https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/strategy-documents/commission-work-programme/commission-work-programme-2025_en

[3] Das Programm wurde am 17. Dezember 2024 durch den Rat gebilligt https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVIII/EU/6428/imfname_11438874.pdf