1012/J XXVIII. GP
Eingelangt am 03.04.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Lukas Hammer, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Rechtsextremer Hotspot in Österreich? Straftaten im FPÖ Umfeld
Der organisierte Rechtsextremismus in Österreich stellt aktuell und auch künftig eine massive Gefahr für die Demokratie und die öffentliche Ordnung dar.
Der im Januar 2025 vom Bundesminister für Inneres dem Parlament übermittelte Bericht "Rechtsextremismus in Österreich 2023" beleuchtet ausführlich die Verbindungen der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) zur rechtsextremen Szene. Auf 196 Seiten werden Aktivitäten und Netzwerke beschrieben, die eine Nähe der FPÖ zu rechtsextremen Gruppierungen aufzeigen.
Ein zentrales Thema des Berichts ist insbesondere die enge Verbindung der FPÖ zur Identitären Bewegung Österreich (IBÖ). Zahlreiche führende Vertreter der IBÖ sind Mitglieder deutschvölkischer Burschenschaften, die auch innerhalb der FPÖ Einfluss haben. Diese personellen Überschneidungen verdeutlichen die ideologische Nähe zwischen Partei und Bewegung.
Die FPÖ spielt außerdem eine bedeutende Rolle in der rechtsextremen Publizistik. Seit ihrer letzten Regierungsbeteiligung unterstützt sie systematisch rechtsextreme Medien durch Anzeigen, Interviews und das Teilen von Inhalten in sozialen Medien. Diese Unterstützung hat sich nach dem Ausscheiden der FPÖ aus der Bundesregierung im Jahr 2019 weiter intensiviert. Unter der Führung von Herbert Kickl hat die FPÖ ihre Beziehungen zu rechtsextremen Akteuren weiter ausgebaut. Beispielsweise wählte Kickl den rechtsextremen Sender AUF1 für ein exklusives Interview mit der AfD-Bundessprecherin Alice Weidel.
Der Bericht zeigt außerdem auf, dass die FPÖ in ihrer Rhetorik Begriffe aus dem NS-Jargon verwendet. Diese ideologische Ausrichtung unterstreicht die Nähe der Partei zu rechtsextremen Positionen.
Die FPÖ stellt sich gerne als „Law-and-order“ Partei dar und prangert angeblich strafbares Verhalten bei Menschen mit Migrationshintergrund, NGOs oder anderen progressiven zivilgesellschaftlichen Akteuren an. Die FPÖ fordert regelmäßig schärfere Bestrafung für Straftäterinnen und Straftäter und fordert vehement ein, dass sich vor allem Menschen mit Migrationshintergrund an „unsere Regeln“ halten müssen.
Im starken Kontrast dazu kommen immer wieder Menschen aus dem rechtsextremen Spektrum – dem auch die FPÖ angehört – in Konflikt mit den Gesetzen unseres Landes. Insbesondere gewählte Mandatare und Mandatarinnen der FPÖ sind auffällig häufig im Visier der Ermittlungsbehörden.
Die Plattform „Stoppt die Rechten“ sammelt seit dem Amtsantritt von Herbert Kickl als FPÖ-Chef am 7. Juni 2021 die Vorwürfe gegen Funktionär:innen und Politiker:innen der FPÖ. Zum Zeitpunkt des Einbringens dieser Anfrage wurden 140 Fälle registriert – somit rein bilanziell alle 10 Tage ein Fall.
Die Vorwürfe und Verurteilungen reichen von Verstößen gegen das Verbotsgesetz, Korruption, Veruntreuung, Betrug, Verhetzung, Körperverletzung bis hin zu Missbrauchsdarstellung von Kindern. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt für alle strafrechtlich relevanten Vorwürfe die Unschuldsvermutung.
Einige Beispiele:
- Veruntreuung von Steuermitteln:
o Durch eine Selbstanzeige des ehemaligen Grazer FPÖ-Klubdirektors wurden die jahrelangen Praktiken im Umgang mit Klubförderungen von Seiten der Grazer FPÖ publik. Insgesamt wurden mutmaßlich 1,8 Millionen Euro Steuergeld veruntreut.
o Einem ehemaligen Vorarlberger FPÖ-Bürgermeister und Landtagsabgeordneten wird u.a. wegen mutmaßlicher Untreue der Prozess gemacht. Er soll sich aus der Gemeindekassa bedient haben und wird im Juli 2024 zu einer bedingten Haftstrafe von 18 Monaten und zur Rückzahlung der veruntreuten Schadenssumme verurteilt (nicht rechtskräftig).
- Gewalt gegen Polizei: der damalige Salzburger Obmann des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ) Roman Möseneder musste, nachdem er bei einer Demonstration eine Rauchbombe in Richtung Polizei gekickt hatte, seinen Platz als RFJ-Chef räumen. Er wurde Ende April 2022 wegen grob fahrlässiger Körperverletzung eines Polizisten verurteilt.
- Datenfälschung: FPÖ-Generalsekretär und Abgeordneter zum Nationalrat Christian Hafenecker hatte sich im Jahr 2022 gefälschte Corona-Testzertifikate besorgt und wurde im Dezember 2024 deshalb rechtskräftig wegen Datenfälschung verurteilt.
- NS-Verbotsgesetz:
o Gegen René Schimanek, zu diesem Zeitpunkt Büroleiter von Walter Rosenkranz und FPÖ-Stadtrat in Langenlois, wird nach einer Hausdurchsuchung in dem Haus, an dem er seinen Hauptwohnsitz angemeldet hat, wegen des Verdachts auf Wiederbetätigung und nach dem Waffengesetz ermittelt. Hintergrund sind die Razzien gegen die mutmaßliche Rechtsterrorgruppe "Sächsische Separatisten", in die die Familie von Schimaneks Bruder, Hans Jörg jun., maßgeblich involviert ist. In dem Haus bei der Burgruine Kronsegg (Langenlois), in dem René Schimanek bis vor kurzem hauptgemeldet war, sollen laut "Kronen Zeitung" NS-Devotionalien, 30 Kilogramm Munition, Waffenteile und militärische Ausrüstungsgegenstände sichergestellt worden sein. Schimanek trat als Büroleiter des Nationalratspräsidenten zurück, ließ sich aber durch die Stimmen der FPÖ am 3. März 2025 als Stadtrat von Langenlois wählen.
o Im September 2024 wird beim Begräbnis eines ehemaligen FPÖ Bezirksrats mutmaßlich das „SS-Treuelied“ gesungen. Mit dabei waren neben dem ehemaligen FPÖ-Klubobmann im Nationalrat auch drei aktive FPÖ Nationalratsabgeordnete. Nach einem Ansuchen der Staatsanwaltschaft Wien wurden sie im Dezember 2024 ausgeliefert.
o Der Spitzenkandidat der FPÖ Hohenberg (NÖ) muss bereits vor der Angelobung als Gemeinderat auf sein Mandat verzichten: Der mehrfach vorbestrafte Mann wurde im Februar 2025 nach dem Verbotsgesetz und wegen Verhetzung zu einer teilbedingten Haftstrafe verurteilt (nicht rechtskräftig).
o Zwei Mitglieder der freiheitlichen Bundesheergewerkschaft – einer davon sogar Öffentlichkeitsreferent der blauen Gewerkschaft - wurden im März 2023 wegen NS-Wiederbetätigung verurteilt.
- Verletzung des Amtsgeheimnisses: Der ehemalige FPÖ-Nationalratsabgeordnete und damals amtierende Gemeinderat Christian Höbart wurde im Oktober 2023 wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses schuldig gesprochen und zu einer bedingten Haftstrafe von zwölf Monaten verurteilt.
- Mord: Der damals amtierende Stadtrat von Langenlois sowie FPÖ-Bezirksparteiobmann erschoss im Oktober 2023 seine Freundin. Er legte ihre Leiche danach auf einem Friedhof in Tschechien ab und beging dann Suizid.
- Missbrauchsdarstellung von Kindern: Der ehemalige FPÖ Gemeinderat Roland Lohr wird im August 2024 wegen des Besitzes von Missbrauchsdarstellungen von Kindern/Unmündigen (§ 207a) schuldig gesprochen und nicht rechtskräftig verurteilt. Der Standard berichtete: „Bei Lohr, der einst auch für die Grazer (FPÖ, Anm.) Klubfinanzen zuständig war, wurden dabei "2587 digitale Schriftstücke mit offensichtlich nationalsozialistischem Hintergrund" und "bildliches sexualbezogenes Kindesmissbrauchsmaterial und bildliche sexualbezogene Darstellungen minderjähriger Personen" (nach Paragraf 207a StGB) sichergestellt“.[1]
- Nötigung, Veruntreuung, Betrug, Untreue, Förderungsmissbrauch, falsche Beweisaussage, Verleumdung und Missbrauch der Amtsgewalt: In der Spesenaffäre der Wiener FPÖ mit Ausläufern in den aktuellen blauen Parlamentsklub wird mittlerweile gegen 14 Beschuldigte ermittelt. „So soll die vermutete Betrugsmasche unter anderem darin bestanden haben, fremde Restaurantrechnungen einzusammeln und diese dann als Spesen geltend zu machen. Vereinfacht gesagt: Eine unbeteiligte Familie geht essen, lässt die Rechnung auf dem Tisch liegen, und ein FPÖ-Mitarbeiter schnappt sie sich, um sie als Geschäftsessen einzureichen. (…) So fanden Ermittler etwa die Rechnung eines fremden Leichenschmauses im Spesentopf der FPÖ. Die Tochter der Verstorbenen gab an, mit den Blauen nichts zu tun zu haben“. (derstandard.at, 20.9.24)
- Falsche Beweisaussage: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft beantragte die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von FPÖ-Chef Herbert Kickl, um gegen ihn wegen Verdachts auf falsche Beweisaussage im Untersuchungsausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ ermitteln zu können. Im Dezember 2024 wurde Kickl mit Mehrheit ausgeliefert.
- Betrug: Eine FPÖ-Lokalpolitikerin aus Oberösterreich veruntreute insgesamt 14.000 Euro eines Elternvereins. Sie bekannte sich schuldig und ihr wurde Diversion angeboten. Eine zusätzliche Strafe bekam sie nicht.
Gerade die vielen Fälle von sexualisierter Gewalt wie Hasskommentare gegen Frauen, Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Minderjährigen, Vergewaltigungen und physische Gewalt von Seiten von FPÖ-Funktionären und Mandataren konterkarieren das Bild, das die FPÖ von sich selbst zeichnen will, massiv.
Sie selbst haben FPÖ-Chef Herbert Kickl wiederholt als „Sicherheitsrisiko“ für die Republik Österreich bezeichnet.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Wie viele und welche Straf/- Verwaltungsstraftaten, die dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind, wurden seit 2019 zur Anzeige gebracht? Bitte um Aufschlüsselung der Delikte und der jeweiligen Anzahl.
2) Wie viele und welche Straf/- Verwaltungsstraftaten wurden in den letzten fünf Jahren im Umfeld der FPÖ zur Anzeige gebracht? Bitte um Aufschlüsselung der Delikte und der jeweiligen Anzahl.
3) Bei wie vielen und bei welchen Straf/- Verwaltungsstraftaten im Umfeld der FPÖ kam es in den letzten 5 Jahren zu rechtskräftigen Verurteilungen? Bitte um Aufschlüsselung der Delikte und der jeweiligen Anzahl.
4) Wie viele und welche Straf/- Verwaltungsstraftaten wurden in den letzten fünf Jahren zu Funktionär:innen und Mandatar:innen der FPÖ Wien zur Anzeige gebracht?
5) Wie viele und welche Straf/- Verwaltungsstraftaten wurden in den letzten fünf Jahren zu Funktionär:innen und Mandatar:innen der FPÖ Landesgruppe Niederösterreich zur Anzeige gebracht?
6) Wie viele und welche Straf/- Verwaltungsstraftaten wurden in den letzten fünf Jahren zu Funktionär:innen und Mandatar:innen der FPÖ Landesgruppe Burgenland zur Anzeige gebracht?
7) Wie viele und welche Straf/- Verwaltungsstraftaten wurden in den letzten fünf Jahren zu Funktionär:innen und Mandatar:innen der FPÖ Landesgruppe Oberösterreich zur Anzeige gebracht?
8) Wie viele und welche Straf/- Verwaltungsstraftaten wurden in den letzten fünf Jahren zu Funktionär:innen und Mandatar:innen der FPÖ Landesgruppe Steiermark zur Anzeige gebracht?
9) Wie viele und welche Straf/- Verwaltungsstraftaten wurden in den letzten fünf Jahren zu Funktionär:innen und Mandatar:innen der FPÖ Landesgruppe Salzburg zur Anzeige gebracht?
10) Wie viele und welche Straf/- Verwaltungsstraftaten wurden in den letzten fünf Jahren zu Funktionär:innen und Mandatar:innen der FPÖ Landesgruppe Tirol zur Anzeige gebracht?
11) Wie viele und welche Straf/- Verwaltungsstraftaten wurden in den letzten fünf Jahren zu Funktionär:innen und Mandatar:innen der FPÖ Landesgruppe Kärnten zur Anzeige gebracht?
12) Wie viele und welche Straf/- Verwaltungsstraftaten wurden in den letzten fünf Jahren zu Funktionär:innen und Mandatar:innen der Vorarlberger Freiheitlichen zur Anzeige gebracht?
13) Wie viele und welche Straf/- Verwaltungsstraftaten wurden in den letzten fünf Jahren zu Funktionär:innen und Mandatar:innen der FPÖ Bundesorganisation zur Anzeige gebracht?
14) Wie viele und welche Straf/- Verwaltungsstraftaten wurden in den letzten fünf Jahren zu Mitgliedern und Funktionär:innen des Rings Freiheitlicher Jugend zur Anzeige gebracht?
15) Wie viele und welche Straf/- Verwaltungsstraftaten wurden in den letzten fünf Jahren zu Funktionär:innen und Mandatar:innen der des Rings Freiheitlicher Studenten zur Anzeige gebracht?
16) Wie viele Anzeigen gegen Mandatar:innen oder Funktionär:innen der FPÖ sowie ihrer befreundeten Organisationen wegen Verstoß gegen das Bundesverfassungsgesetz über das Verbot der NSDAP wurden in den letzten 5 Jahren zur Anzeige gebracht?
[1] https://www.derstandard.at/story/3000000233625/ex-fpoe-politiker-wegen-kindesmissbrauchsmaterials-verurteilt