1039/J XXVIII. GP
Eingelangt am 07.04.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Nina Tomaselli, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Ermittlungen in der Causa Todesfall des Christian Pilnacek
BEGRÜNDUNG
Der Todesfall des zuletzt suspendierten Sektionschefs Christian Pilnacek sorgt seit Monaten für Aufsehen. Beunruhigend sind vor allem die zunehmend bekanntwerdenden Schlampereien in den Ermittlungsvorgängen. Es ist absolut bedenklich, dass eine Leiche eines Menschen in Österreich gefunden wird und sich trotz ungeklärter Todesursache die Ermittler:innen nicht mal um grundlegende Ermittlungsarbeit wie eine Spurensicherung am Auffindungsort bemühen. Je mehr Details zu Pilnaceks Todesumständen und Ermittlungsarbeiten bekannt werden, desto mehr wächst das Unverständnis für das Vorgehen der Ermittler:innen. Da es sich bei Pilnacek um eine der mächtigsten Personen der österreichischen Justiz handelte, darf auch die Frage gestellt werden, ob mit den unsauberen Ermittlungen ein Interesse verfolgt wurde.
Pilnacek wurde laut eigener Aussage immer wieder Ziel von politischen Interventionsversuchen durch ÖVP-Politiker[1]. In einem posthum veröffentlichten Tonband nannte Pilnacek hier explizit den ehemaligen Nationalratspräsidenten Wolfang Sobotka[2] (die Ermittlungen diesbezüglich wurden mangels Anfangsverdacht von der WKStA eingestellt), zu dem auch zwei in der Causa Todesfall Pilnacek relevante Personen enge Verbindungen haben: Einerseits Sobotkas ehemalige Mitarbeiterin Anna P., die mit der Lebensgefährtin von Pilnacek zusammenwohnte. Andererseits Bundespolizeidirektor Michael Takács, der schon für Sobotka arbeitete, als dieser noch Innenminister war. Dort war Takács, wie aus zahlreichen Chatnachrichten hervorgeht, als besonders loyaler Mann fürs Grobe und als jemand, der Interventionswünsche ausführt, bekannt[3].
Durch P. wusste Takács schon früh Bescheid, dass Pilnacek zunächst gesucht und später tot aufgefunden wurde. Nicht nur am Todestag sollen die beiden mehrfach telefoniert haben, auch in den Tagen darauf habe P. mehrere Anrufe von Takács bekommen. Der Bundespolizeidirektor habe sich dafür interessiert, wie es P. gehe und ob sie etwas brauche[4]. Wurm berichtet indes davon, Angst vor Sobotka gehabt zu haben, weil dieser Druck ausgeübt habe und ihr habe ausrichten lassen, sie solle aufhören medial zu behaupten, Pilnacek sei keines natürlichen Todes gestorben[5].
Apropos Medien: Als erstes Medium berichtete das „Profil“ bereits um 08:08 Uhr am 20.10.23 über den Tod Pilnaceks, um 08:18 folgte die „Kleine Zeitung[6]“ und berief sich dabei auf das „Profil“. Die Anzeige des Baggerfahrers, wonach er eine Wasserleiche gefunden habe, ging um 07:51 Uhr ein, die ersten Polizeiinspektor:innen sollen um 08:19 vor Ort gewesen sein und erst in der Folge die Identität des Toten festgestellt haben – also nachdem Medien bereits über den Tod Pilnaceks berichteten. Wie ist das möglich?
Am Fundort der Leiche erlebte die gerufene Medizinerin “massiven Widerstand” seitens der Polizei bezüglich ihrer Einschätzung, dass es eine Obduktion brauche[7]. Das alles vor dem Hintergrund, das laut einem Tatortleitfaden aus dem Innenministerium bei Wasserleichen stets eine Obduktion vorzunehmen ist[8]. Ermittlungsakten, aber auch die Aussage der Notfallmedizinerin legen nahe, dass die Polizei sehr schnell von einem Suizid Pilnaceks ausging. Das zeigt auch die offenbar wenig konsequente Tatortarbeit: So soll der Tatort nur unzureichend gesichert und Spuren nicht ausgewertet worden sein[9]. Demnach soll ein LKW über die Fußabdrücke am Tatort gefahren sein, wodurch diese nicht mehr entsprechend analysiert werden konnten. Außerdem sei zwar eine am Ufer liegende Zigarettenschachtel mitgenommen worden, die Zigarettenstummel allerdings nicht. Die Kontrollinspektorin der örtlichen Polizeiinspektion begründete die unzureichende Sicherung damit, dass dies nur geschehe, wenn es eindeutige Hinweise auf Fremdverschulden gebe, etwa ein Messer im Rücken[10].
Dieses Vorgehen steht im krassen Widerspruch zu den Vorgaben aus dem „Kriminalistischen Leitfaden“ - eine „Gebrauchsanweisung“ für das kriminalpolizeiliche Einschreiten für Polizist:innen.
Während die Tatortarbeit einen schlampigen Eindruck macht, soll sich die Polizei dafür intensiv mit Handy, Laptop und Smartwatch des Verstorbenen auseinandergesetzt haben. Zumindest dahingehend, diese an Pilnaceks Witwe, Caroline List, auszuhändigen – und zwar an der Staatsanwaltschaft vorbei[11] - obwohl für eine Sicherstellung normalerweise eine Anordnung durch die Staatsanwaltschaft notwendig ist (§110 (2) StPO). Die WKStA ermittelt in dieser Causa unter anderem wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch gegen Beamte des LKA Niederösterreich und des Innenministeriums[12].
Wurm und P. übergaben den Beamt:innen jedenfalls ein Plastiksackerl mit Autoschlüssel, Wohnungsschlüssel und Handy. Diese Vorgehensweise sei nach der Vernehmung der beiden Frauen mit den Beamt:innen vereinbart worden[13]. Das Smartphone wurde also nicht als Beweismittel sichergestellt, sondern nur abgenommen, um es an Caroline List auszuhändigen, was über deren Anwalt passierte. List soll das Handy in der Folge mit einem Bunsenbrenner zerstört haben.[14]
Wenige Stunden vor seinem Tod habe Pilnacek noch zahlreiche Nachrichten verschickt. Für die Frage, ob es sich bei diesem Todesfall um ein Tötungsdelikt handelt, wäre der Inhalt dieser letzten Nachrichten - etwa ob ein Treffen ausgemacht wurde - wohl relevant gewesen. Gleichzeitig dürfte zahlreichen Personen bekannt gewesen sein, dass das Mobiltelefon Pilnaceks enorme politische Sprengkraft besitzen dürfte.
Der Umgang mit der Smartwatch wirft ebenfalls Fragen auf: So soll die WKStA versucht haben, über Beamt:innen des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung an die beim LKA liegenden Daten der Uhr zu gelangen um diese selbst auszuwerten. Das Amtshilfeersuchen sei laut LKA aber nicht ausreichend begründet gewesen[15], weswegen auch hier möglicherweise relevante Gesundheits- und Kommunikationsdaten noch nicht ausgewertet wurden.
Kurios mutet auch der Umgang mit bzw. der Weg von Pilnaceks Laptop an. Der LKA-Chefermittler soll Karin Wurm immer wieder gefragt haben, wo sich das Gerät befindet. Anna P. soll mehreren Bekannten erzählt haben, dass Takács ihr in einem Telefonat geraten habe, den Laptop “loszuwerden”. Takács wehrt sich gegen diese Behauptung[16]. Den Laptop soll P. jedenfalls an einen Vertrauten von Pilnacek übergeben haben, gelandet ist er irgendwann bei Krone-Journalist Erich Vogl, der ihn wiederum Martin Kreutner, dem Leiter der “Pilnacek-Kommission”, aushändigte. Der übergab das Gerät schließlich an die WKStA.[17]. Ermittelt wird bezüglich der Weitergabe des Geräts nicht gegen P., sondern gegen Wurm, Journalist Vogl und Peter Pilz[18].
In der Öffentlichkeit hinterlassen die Ermittlungen zum Tod Pilnaceks jedenfalls einen verstörenden Eindruck - sie geben vielmehr Anlass für Spekulationen. Vor diesem Hintergrund stellen die unterzeichnenden Abgeordneten an Sie als zuständigen Minister folgende
ANFRAGE
a. Wenn nein, warum nicht?
b. Wenn nein, ist eine solche interne Revision in Zukunft geplant? Wenn nicht, warum nicht?
a. In welcher Funktion hat Michael Takács dies getan?
b. Wurde der Vorgang veraktet oder gibt es andere Schriftstücke/Amtsvermerke udgl.?
c. Wird in dieser Causa gegen den Bundespolizeikommandant ermittelt?
d. Gibt es disziplinarrechtliche Schritte seitens des BMI gegen Michael Takács?
a. Falls ja, welchen Inhalt hatten mögliche Gespräche bzw. Schriftstücke?
b. Falls ja, ist Michael Takács von Ihnen oder der Dienstbehörde zu den geschilderten Fällen befragt worden?
c. Falls nein, warum nicht?
a. Falls ja, wer hatte den Kontakt aufgenommen?
b. Falls ja, warum und welchen Inhalt hatten die Kontaktaufnahmen?
a. Bezüglich der unbekannten Täter im BMI: Sind diese mittlerweile bekannt?
b. Wenn ja: Wie viele Personen aus welchen Abteilungen sind es?
c. Welch disziplinarrechtlichen Schritte wurden gegen welche Beteiligte eingeleitet?
d. Welche internen Untersuchungen dazu wurden bereits angeregt oder durchgeführt?
a. Wenn ja: Wer hat diese Nachforschungen angestellt und auf wessen Weisung hin ist das passiert?
b. Wenn ja: Wurden die letzten Kontakte von Pilnacek dokumentiert und welche Personen umfasst diese Liste?
c. Wenn ja: Ergaben sich durch Nachrichten und Anrufe auf seinem Handy für die Ermittlungen relevante Hinweise?
d. Wenn ja: Wurde mit den Menschen, mit denen sich Pilnacek zuletzt austauschte, Kontakt aufgenommen und/oder Befragungen vorgenommen?
e. Wenn nein: Haben Kriminalbeamte die Daten von Pilnaceks Handy gespiegelt oder in einer anderen Form gesichert und in der Folge durchsucht bzw wurden Nachforschungen vorgenommen?
a. Auf welche Quellen stützten Sie sich bei der Auskunft, die Erhebungen der Polizei seien in Abstimmung mit der StA Krems erfolgt?
b. Wie konnte die Polizei nur wenige Stunden nach dem Ableben ohne Obduktionsergebnis davon ausgehen, dass das Ableben ohne Fremdeinwirkung erfolgte und damit zB die elektronischen Kommunikationsgeräte keine hohen Beweiswert haben?
c. Warum hat die Polizei die persönlichen Gegenstände nicht einfach verwahrt, sondern relativ schnell Verbliebenen übergeben?
d. Wodurch lässt sich die Zuständigkeit der Polizei begründen, persönliche Gegenstände an Verwandte und deren Rechtsvertreter innert wenigen Stunden zu übergeben?
a. Wenn ja, mit welcher Begründung?
a. Wenn ja: Warum haben die Polizist:innen „massiven Widerstand“ geleistet?
b. Wenn ja: Bestätigen sie oder bestreiten sie die Darstellung der Ärztin?
c. Wenn nein: Wird diesem Vorwurf künftig noch nachgegangen?
a. Warum wurde beim Vorgehen der Polizei den entsprechenden Tatortleitfäden und Erlässen in Bezug auf das Vorgehen bei Ermittlungsverfahren in Fällen mit Leichenfunden nicht Folge geleistet?
b. Welche Schritte wurden durch die Aufsichtsbehörde diesbezüglich eingeleitet?
c. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, damit in Zukunft Tatortleitfäden und andere Erlässe befolgt werden?
a. Warum wurde die Gruppe Leib/Leben des LKA NÖ – die Mordkommission – zur Untersuchung eines angeblich natürlichen Ablebens eingesetzt obwohl die Beamt:innen vor Ort zusicherten, keine Unterstützung aus St. Pölten zu benötigen?
a. Falls ja, gegen wen?
[1] https://www.krone.at/3173763
[2] https://www.falter.at/zeitung/20231121/die-pilnacek-files
[3] https://zackzack.at/2022/06/09/ich-will-blut-sehen-wollte-takacs-polizisten-koepfen
[4] Pilz, Peter: Pilnacek. Der Tod des Sektionschefs, Wien, Zack Zack-Verlag, 2025, S. 117.
[5] https://www.derstandard.at/story/3000000261782/pilnacek-freundin-wurm-will-aus-angst-vor-sobotka-falsch-ausgesagt-haben
[6] https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/17753716/christian-pilnacek-ist-tot
[7] https://www.derstandard.at/story/3000000256535/warum-der-todesfall-pilnacek-weiterhin-so-viele-fragen-aufwirft
[8] https://zackzack.at/2025/02/10/pilnacek-tod-tatortleitfaden-belastet-polizei
[9] Ebd.
[10] https://dunkelkammer.simplecast.com/episodes/153-live-pilnacek-der-tod-des-sektionschefs-mit-peter-pilz ab 27:30
[11] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/AB/17702/imfname_1632261.pdf
[12] https://www.derstandard.at/story/3000000258860/showdown-vor-gericht-zwischen-pilnacek-chefermittler-und-peter-pilz-steht-bevor?ref=rss
[13] Pilz, Peter: Pilnacek. Der Tod des Sektionschefs, Wien, Zack Zack-Verlag, 2025, Seite 77f.
[14] https://www.derstandard.at/story/3000000254896/pilnaceks-witwe-zerstoerte-dessen-smartphone-mit-einem-bunsenbrenner
[15] Pilz, Peter: Pilnacek. Der Tod des Sektionschefs, Wien, Zack Zack-Verlag, 2025, S. 100f.
[16] https://www.krone.at/3703824
[17] https://zackzack.at/2025/02/18/pilnacek-sobotka-und-der-bundespolizeidirektor-die-spur-des-laptops
[18] https://www.derstandard.at/story/3000000261782/pilnacek-freundin-wurm-will-aus-angst-vor-sobotka-falsch-ausgesagt-haben