1063/J XXVIII. GP

Eingelangt am 11.04.2025
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Ausländische Einflussnahme und Spionageaktivitäten in Österreich

 

 

Wie mehrere Medien kürzlich berichteten und auch Innenministerium sowie die DSN bestätigten, wurde in Österreich ein mutmaßlich russisches „Spionage- und Desinformationsnetzwerk“ enttarnt. Bei den involvierten und verdächtigen Personen handelt es sich um bulgarische Staatsbürger. SPÖ-Staatssekretär Jörg Leichtfried sprach von der „Verbreitung von falschen Narrativen, Fake News und manipulativen Inhalten“, welche das Vertrauen in die heimischen Institutionen sowie den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährde.[1]

 

Nachdem von Seiten der Bundesregierung diese mutmaßliche Enttarnung des ausländischen Spionagenetzwerks für politisches Kleingeld missbraucht wurde, betonte die Staatsanwaltschaft Wien wiederum, dass es sich bei dieser Meldung um nichts Neues handle. Bereits im Dezember vergangenen Jahres habe man über die Verhängung der U-Haft über die Bulgarin entschieden und sei das auch alles schon bekannt gewesen, so die Staatsanwaltschaft.[2]

 

Besagte Bulgarin steht angeblich seit längerer Zeit im Fokus der DSN. Sie soll Teil eines Spionagerings sein, der Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek zugeordnet wird. Marsalek unterhielt in der Vergangenheit wiederum beste Kontakte zur ÖVP. So trafen sich Marsalek und ÖVP-Ex-Innenminister Wolfgang Sobotka im Jahr 2017 bei einem geselligen Abend in Moskau, organisiert von der russisch-österreichischen Freundschaftsgesellschaft zu Ehren von Sobotka. Das Treffen fand zu jener Zeit statt, als Sobotka noch Innenminister und damit für das BVT, den Vorgänger der DSN, zuständig war. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Wirecard, Markus Braun, spendete wiederum 70.000 Euro für einen ÖVP-Wahlkampf. Später wurde Braun zu einem engen Berater von ÖVP-Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz und saß auch in dessen Expertengremium „Think Austria“. Aber nicht nur der ÖVP spendete Braun größere Summen. Auch die nunmehrige Regierungspartei NEOS durfte sich im Zeitraum von 2014 bis 2016 über insgesamt 125.000 Euro aus den Taschen Brauns freuen.[3]

 

Ein weitere ÖVP-Querverbindung zu Marsalek und einer möglichen ausländischen Einflussnahme, diesmal sogar im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ergibt sich aus dem Umstand, dass ÖVP-ORF-Stiftungsrat und Sprecher des „Freundeskreises" der ÖVP-nahen Stiftungsräte Thomas Zach ein (ehemaliger?) Geschäftspartner von ihm ist. Das Nachrichtenmagazin „profil“ berichtete 2022 zu den Geschäftsbeziehungen, die unter anderem Meinungsbildung auf Social Media betraf, und der „Österreich-Connection“ Folgendes:

 

„Eine weitere spannende Österreich-Connection manifestierte sich in einem Beratervertrag: Auf Wunsch Marsaleks kam ein Auftrag von Wirecard für die Wiener Gradus Proximus Corporate Advisory GmbH zustande. Diese gehört je zur Hälfte zwei früheren Mitarbeitern im Kabinett des damaligen ÖVP-Innenministers Ernst Strasser: Thomas Zach und Christoph Ulmer. Zach leitete zuletzt den ÖVP-„Freundeskreis“ im ORF-Stiftungsrat.“[4]

 

Es blieb aber nicht nur bei den Geschäftsbeziehungen im Social-Media-Bereich. Zach soll laut „profil“ über seine Firmen für Marsalek auch „Networking-Treffen“ in Wien organisiert haben. Teilnehmer dieser Treffen waren hochrangige Vertreter der ÖVP, aber auch Personen aus den Bereichen Justiz, Exekutive, Wirtschaft und Finanz.[5]

 

Im Zuge dieser jüngsten Spionageaffäre stehen daher auch Vorwürfe im Raum, wonach gezielt Einfluss auf Politiker in diesem Land genommen wurde. Die Gefahr ausländischer Einflussnahme auf die nationale Gesetzgebung und Politik bestünde somit.

 

Dass in Österreich nicht nur von russischer Seite ungeniert spioniert wird, sondern auch von anderen Großmächten, berichtete etwa der „Kurier“ bereits im Jahr 2015. Damals baute der US-Auslandsgeheimdienst im 22. Wiener Gemeindebezirk, genauer dem IZD-Tower gegenüber der UNO-City, seine Abhöranlagen aus. Dazu stand geschrieben:

 

„Die Spionageeinheit, die sich in den offiziellen Räumlichkeiten der OSZE-Mission der USA in Wien versteckt, wird betrieben vom ‚Special Collection Service‘ (SCS), einem Gemeinschaftsunternehmen von NSA, der National Security Agency, und der CIA, dem Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten.“[6]

 

Bereits im Jahr 2014 vertrat der Grazer Universitätsprofessors Siegfried Beer die Auffassung, dass sich in Wien bis zu 8000 Diplomaten an illegalen Geheimdienst-aktivitäten beteiligen.[7]

 

In der „Spionage-Welthauptstadt Wien“ befindet sich laut „Standard“ auch eines der „größten Büros der CIA weltweit“. Der „Standard“ schrieb dazu:

 

„Neben einer beträchtlichen Anzahl amerikanischer, britischer, chinesischer, französischer und russischer Spione sollen unter anderem auch die Iraner, die Syrer und die Nordkoreaner Agenten vor Ort haben. Die heimischen Behörden haben den Ruf, sich in internationale Spionage-Angelegenheiten nicht einzumischen, solange sie nicht Österreich betreffen.“[8]

 

Geheimdienstexperte Thomas Riegler äußerte sich jüngst in einem ORF-Interview zum fahrlässigen Umgang heimischer Behörden mit ausländischen Spionage-aktivitäten so:

 

„Man hat sich da irgendwie außen vor gesehen. Man hat geglaubt, die Spionieren sich de facto ohnehin nur untereinander aus und man ist als Gastgeber auf der sicheren Seite. Aber viele größere Staaten, da fällt nicht nur Russland darunter, akzeptieren diese roten Linien mittlerweile nicht mehr und machen auch direkt etwas gegen Österreich, weil man in Österreich auch an Informationen Dritter sehr leicht herankommt.“[9]

 

 

In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundes-minister für Inneres nachstehende

 

Anfrage

 

1.    Gibt es im vorliegenden Fall des russischen Spionagenetzwerks konkrete Hinweise auf eine Involvierung Jan Marsaleks?

2.    Nachdem ORF-Stiftungsrat Thomas Zach Geschäfte mit Herrn Marsalek machte, ist bekannt, ob er noch immer mit diesem in einer Geschäftsbeziehung und/oder in Kontakt steht?

a.    Wie wird im Falle der Querverbindung zwischen Zach und Marsalek eine Einflussnahme auf den ORF durch ausländische Kräfte verhindert?

b.    Stehen die Firmen „Gradus Proximus Corporate Advisory GmbH“ sowie „Gradus Proximus Business Intelligence GmbH“ unter dem Verdacht, an ausländischer Spionage in Österreich beteiligt zu sein?

c.    Stehen die Firmen „Gradus Proximus Corporate Advisory GmbH“ sowie „Gradus Proximus Business Intelligence GmbH“ unter dem Verdacht, derzeit mit Jan Marsalek Geschäfte zu machen?

d.    Liegen Hinweise vor, wonach besagtes russisches Spionagenetzwerk in Kontakt mit Zach und/oder seinen Firmen stand?

3.    Inwiefern fällt die Äußerung von Kritik an einem ausländischen Regierungschef bzw. Staatsoberhaupt oder einer ausländischen Regierung (in konkretem Fall die Ukraine) unter „Spionagetätigkeit“ und/oder eine „Desinformations-kampagne“?

a.    Fällt die Erzeugung eines „pro-russischen Stimmungsbildes“ oder die Erzeugung eines negativen Stimmungsbildes gegenüber der Ukraine in der Öffentlichkeit unter „Spionagetätigkeit“ und/oder eine „Des-informationskampagne“?

b.    Was sind in diesem Fall die konkreten ermittlungstechnischen Ansätze und strafrechtlich relevanten Vorwürfe?

4.    Wie bewertet das Innenministerium bzw. die DSN geheime oder vertrauliche Informationen, die durch ausländische Regierungsmitglieder österreichischen Regierungsmitgliedern mitgeteilt werden - etwa bei offiziellen Besuchen?

5.    Wie viele ausländische Spionagenetzwerke wurden in den vergangenen sechs Jahren in Österreich enttarnt/aufgedeckt? 

a.    Aus welchen Nationen stammten diese Netzwerke bzw. deren Mitglieder?

b.    Waren darunter auch Netzwerke aus anderen EU- oder europäischen Staaten vertreten und wenn ja, welche?

6.    Wie viele in Österreich aktive ausländische Spionagenetzwerke sind dem Innenministerium bzw. der DSN derzeit bekannt? (Bitte um Auflistung nach Nationen)

a.    In welchen Bundesländern operieren diese Netzwerke?

b.    Welche Größe umfassen diese Netzwerke?

c.    Über welche (finanziellen, logistischen) Mittel verfügen diese Netz-werke?

d.    Welchen Zweck oder welche Ziele verfolgen diese Netzwerke?

7.    Nahmen in den vergangenen sechs Jahren ausländische Geheimdienste und/oder Regierungen gezielt Einfluss auf Politiker, Parteien, zivilgesellschaft-liche Verbände, NGOs oder Vereine in Österreich?

a.    Wenn ja, bitte um Nennung und Auflistung?

b.    Wenn ja, wie oft kam es dazu?

c.    Wenn ja, wie und in welchen Bereichen konkret?

d.    Wenn ja, aus welchen Ländern?

e.    Wenn ja, waren darunter auch EU-Länder?

8.    Wie viele Diplomaten befinden sich derzeit in Österreich, die im Verdacht stehen, auch ausländische Spionage zu betreiben? (Bitte um Auflistung nach Nationalität)

9.    Wie viele und welche internationalen Organisationen befinden sich derzeit in Österreich, die im Verdacht stehen, auch ausländische Spionage zu betreiben?

10. Wie viele und welche Vereine und NGOs befinden sich derzeit in Österreich, die im Verdacht stehen, auch ausländische Spionage zu betreiben?

11. Gibt es Erkenntnisse oder Informationen über „Desinformationskampagnen“ anderer Staaten, abseits Russlands, in Österreich?

12. Wird das CIA-Büro in Wien bzw. die Abhörstation gegenüber der UNO-City weiterhin von den USA betrieben?

a.    Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage?

13. Werden andere bekannte Abhörstationen ausländischer Geheimdienste in Österreich betrieben?

a.    Wenn ja, welche und wo?

14. Gegen wie viele Personen wurde in den vergangenen sechs Jahren wegen „§ 256 StGB Geheimer Nachrichtendienst zum Nachteil Österreichs“ ermittelt? (Bitte um Auflistung nach Nationalität)

a.    Zu wie vielen Verurteilungen kam es?

15. Gegen wie viele Personen wurde in den vergangenen sechs Jahren wegen „§ 252 StGB Verrat von Staatsgeheimnissen“ ermittelt (bitte um Auflistung nach Nationalität)?

a.    Zu wie vielen Verurteilungen kam es?

 

 

 

 

 

Sollten einzelne Antworten einer Vertraulichkeit bzw. Geheimhaltung unterliegen, wird ersucht, diese unter Einhaltung des Informationsordnungsgesetzes klassifiziert zu beantworten.



[1]    https://www.diepresse.com/19503736/russische-desinformationskampagne-in-oesterreich-aufgedeckt

[2]    https://www.diepresse.com/19507526/spionage-gewirr-um-vorwuerfe-gegen-bulgarin

[3]    https://orf.at/stories/3170689/

[4]    https://www.profil.at/wirtschaft/wirecard-wie-zwei-oesterreicher-einen-milliardenkonzern-in-den-ruin-fuehrten/402023430

[5]    https://www.profil.at/wirtschaft/wirecard-thomas-zach-jan-marsalek-und-christoph-ulmer/401180065

[6]    https://kurier.at/politik/inland/abhoerstation-usa-bauen-spionage-in-wien-aus/131.853.499

[7]    https://kurier.at/chronik/wien/in-wien-residieren-8000-spione/75.669.611

[8]    https://www.derstandard.at/story/2000128255397/us-spione-in-wien-offenbar-von-mysterioesem-havanna-syndrom-betroffen

[9]    https://wien.orf.at/stories/3252910/